Der Resümee-Thread für alles außer den Filmen

  • Leider hat er aber Woods Ansatz übernommen, den literarischen Bond von Fleming in seiner Gegenwart fortzuführen.


    Stimmt, das wirkt teilweise recht aufgesetzt. Etwa, wenn Bond in For Special Services seine Freundinnen Revue passieren lässt und Gardner dabei zunächst von Vesper Lynd über Gala Brand bis hin zu Kissy Suzuki so ziemlich jedes Bond-Girl aus Fleming's Feder nennt, um dann als "jüngste Eroberung" seine eigene Erfindung Lavender Peacock aus seinem ersten Roman aufzuführen. Eine sehr bemühte Methode, um dem Leser deutlich zu machen, dass hier auch wirklich eine Kontinuität zu Fleming besteht.

    Viele seiner Ideen waren richtig gut, und tauchten ja dann 'zufällig' auch in den Filmen auf.


    Den Eindruck habe ich auch. Die Szene in For Special Services, in der Bond und Cedar von den Schurken in einem Aufzug gefangen werden und durch den Fahrstuhlschacht entkommen müssen, wurde recht offensichtlich drei Jahre später in AVTAK mit Roger Moore und Tanya Roberts filmisch umgesetzt.

    Und mal ehrlich: Der literarische Bond ist doch mit dem erfolgreichen Übertritt von Bond auf die Leinwand ab 1962 obsolet geworden

    Da bin ich ganz ehrlich anderer Auffassung. Ich finde es faszinierend, dass das Bond-Universum so viele Facetten hat und es eben nicht nur die Kinofilme gibt. Bond war bereits eine literarische Figur, ein Comic-Strip und eine TV-Verfilmung bevor überhaupt der erste Kinofilm veröffentlicht wurde. Ich kann es in gewisser Weise verstehen, wenn man den literarischen Bond ausschließlich mit Fleming identifiziert. Dennoch interessiert mich auch die Darstellungs- und Herangehensweise der Nachfolgeautoren. Und schließlich würde ich auch die jüngeren Filme nicht als obsolet bezeichnen, weil die zentralen Persönlichkeiten der klassischen Bond-Filme wie Cubby Broccoli, Richard Maibaum, John Barry und Ken Adam verstorben sind. Wobei ich allerdings auch schon von einigen Leuten gehört habe, dass die eigentlichen Bond-Filme für sie mit Sean Connery aufhören... was wie gesagt trotz aller Verehrung für Sir Sean nicht meine Auffassung ist ;)

  • Da bin ich ganz ehrlich anderer Auffassung


    Das darfst Du natürlich. Für mich ist Bond halt in erster Linie die EON-Filme (und ggf. noch NSNA)... dann kommt laaaaange nichts mehr. Bis ich etwa 16 war, wusste ich nicht einmal, dass die Filme auf einer literarischen Vorlage beruhen. Erst als ich mich für die Thematik zu interessieren begann, fing ich an, auch die Bond-Romane von Fleming zu lesen. Und ich muss sagen, dass mein Leseerlebnis im Vergleich mit den Filmen oft eher enttäuschend oder zumindest ernüchternd war, wobei vielleicht ich einfach auch noch zu "jung" war, um das Ganze richtig interpretieren zu können. Und ich muss hierzu muss anfügen, dass ich damals die eher schlecht gemachten und stark gekürzten deutschen Übersetzungen gelesen habe. Von daher brauche ich da nicht noch Plagiate von qualitativ ambivalenten (sorry, Ian) Originalen und rechne Ian Fleming auch weniger die Handlungen seiner Romane an, als viel mehr die genialen Charaktere, die er geschaffen hat, die einzigartige "Stimmung" und die vielen tollen Einzeleinfälle. Das Ganze zu einer stringenten Story zu vereinen, war hingegen eher weniger seine Stärke. Da hat zum Beispiel zu ähnlicher Zeit ein Alistair MacLean in einem vergleichbaren Genre Überzeugenderes gleistet.


    Also vielleicht sollte ich wie folgt korrigieren:
    Der literarische Bond ist für mich mit dem erfolgreichen Übertritt von Bond auf die Leinwand ab 1962 obsolet geworden

  • Jüngst gehört: eine auf 2 CDs eingedampfte Lesung von GF, am Mikro Hannes Jaenicke, mein erstes Bond-Hörbuch. Den Roman habe ich erst- und letztmals vor über zwanzig Jahren gelesen, die Erinnerung ist also überschaubar, die wesentlichen Szenen scheinen es aber ins Hörbuch geschafft zu haben. Kurzweiliger, guter Pulp mit einigen schönen Dialogen, von denen es ein paar sogar in den Film geschafft haben. Die Lesung von Jaenicke ist zum Teil etwas geschwind, unterm Strich aber solide. Für längere Autofahrten eine Empfehlung.

  • Icebreaker (Roman; A: John Gardner; VÖ: 1983)


    Der Spion der aus der Kälte kam... James Bond ist diesmal im eisigkalten Grenzgebiet zwischen Finnland und der Sowjetunion unterwegs, um einer neofaschistischen Bande das Handwerk zu legen, die Waffen aus der Sowjetunion in den Westen schmuggelt.


    Was mir an diesem Roman gefallen hat, ist das Schnee-und-Eis-Setting, in dem Bond sich im wahrsten Sinne des Wortes warm anziehen muss. Das war im Grunde längst überfällig, dass der einsame Wolf James Bond mit seinen - zumindest in der literarischen Welt - oft melancholischen Zügen sich einmal in der Finsternis und Kälte Skandinaviens wiederfindet und mit dickgefütterten Stiefeln statt feinen Lederschuhen durch die Gegend stapfen muss.


    In der besten Szene des Buches muss Bond sich denn auch in seinem Saab des Angriffs mehrerer monströser Schneepfluge erwehren, die ihn mit ihren Klingen unbarmherzig zu zermalmen drohen. Das passt hervorragend in das bereits genannte Schnee-und-Eis-Setting, ist eine gute Aktualisierung des Drachenfahrzeugmotivs aus Dr. No und hat wie eben dieses etwas vom urtümlichen Kampf gegen Ungeheuer - ein Motiv, das sich gerade in den Fleming-Romanen häufig findet (auf die Spitze getrieben in Dr. No mit dem Kampf gegen den Riesenkraken).


    Dünn geraten ist leider die Darstellung der Schurken, die als stereotype Abziehbilder daherkommen. Zudem übertreibt Gardner es in diesem Roman mit dem Verwirrspiel um die Charaktere und ihre verborgenen Motive und verschleierten Identitäten. Wenn die Hauptfiguren dem Autor nur noch dazu dienen, den Leser möglichst lange an der Nase herumzuführen, werden sie schnell uninteressant und wirken mehr wie Scherenschnitte als wie plastische Figuren.


    Nun brauche ich erstmal eine literarische Pause von John Gardner mit dem Dumas-Klassiker "Die drei Musketiere".

  • So hab ich den Roman auch noch in Erinnerung. Die Szene mit den Schneepflügen war ein absolutes Highlight. Sowas hätte ich gern mal im Film gesehen. Insgesamt wäre es wirklich toll, wenn die Filme auch mal in Richtung Nordic Noir gehen würden.


    Das mit dem Verwirrspiel war tatsächlich etwas übertrieben. Wobei ich das grundsätzlich eine ganz coole Idee finde, wenn man bis zum Ende nicht weiß, wer die gute und die böse Dame ist.

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