DER FILM. Die Welt ist nicht genug

  • Im alten Forum gab es mal die Meinung, dass TWINE wesentlich besser geworden wäre, wenn man a) auf das typische Klischee-Ende verzichtet hätte und b) M statt King hätte sterben lassen. Beides hat man ja dann in SF umgesetzt, wobei ich finde, dass das in TWINE wesentlich mutiger gewirkt hätte. Ein Brosnanbond, der nicht mit der obligatorischen Bondgirl-im-Arm-Szene geendet hätte, hätte damals fast schon revolutionär gewirkt. Aber da kam man leider sehr schnell an die Grenzen des Formel-Korsetts, das man sich selbst angezogen hatte.


    Ms Tod hätte innerhalb der Story bei TWINE wesentlich schockierender gewirkt, weil man es hier nicht geahnt hätte. Das hätte Bond wesentlich mehr getroffen als ein ausgekugelter Arm, und auch viel mehr echtes Drama erzeugt. Auch das Abknallen der unbewaffneten Elektra am Ende würde dadurch motivierter sein. Bond hätte dadurch stärker gewirkt. In SF wirkt er durch Ms Tod eher schwächer, weil der Schurke damit ja auf eine gewisse Weise gewonnen hat. Wenn TWINE dann noch die 'Balls' gehabt hätte, Bond nicht mit dem üblichen Schenkelklopfer in den Armen seines Atombunnys zu zeigen, sondern etwas gewagteres wie QOS oder SF, dann würde man über die Brosnanära heute sicher anders denken. Vielleicht hätte man dann den düsteren Ansatz der ersten Hälfte von DAD auch konsequenter bis zu Ende verfolgt. Aber okay, ist schon ein großes "hätte, wäre, könnte".

  • Schade dass man diese "cojones" zu dieser Zeit noch nicht hatte, aber andererseits können Barbara und Michael ja auch nicht alles aufs Spiel setzen, ein Spiel des Risikos war TWINE - zumindest für die Ära Brosnan - auch so schon, es ist der ambitionierteste und nachdenklichste Film dieser Ära. Außerdem hätte dieser Schritt bedeutet, dass der Film NOCH MEHR Dramatik aufweist und spätestens das bringt mich zu dem Gedanken, dass man hier noch an Dalton hätte festhalten sollen.

  • Es hätte vor allem bedeutet, dass man eine hervorragende M vier Filme früher verloren hätte. Und das noch bevor sie in den Craig-Bonds eigentlich erst so richtig angekommen ist.


    Vollste Zustimmung in jeder Hinsicht. Nichtsdestotrotz hätte man das Ende von TWINE der Dramatik des Films besser anpassen können, andererseits stellt es einen Kontrast zur Handlung dar. Ich hätte mir jedenfalls ein ernsteres Ende gewünscht, obwohl ich "Ich dachte Christmas kommt nur einmal im Jahr" doch ganz gut fand.

  • Schade dass man diese "cojones" zu dieser Zeit noch nicht hatte, aber andererseits können Barbara und Michael ja auch nicht alles aufs Spiel setzen, ein Spiel des Risikos war TWINE - zumindest für die Ära Brosnan - auch so schon, es ist der ambitionierteste und nachdenklichste Film dieser Ära. Außerdem hätte dieser Schritt bedeutet, dass der Film NOCH MEHR Dramatik aufweist und spätestens das bringt mich zu dem Gedanken, dass man hier noch an Dalton hätte festhalten sollen.


    Vielleicht nicht 'Noch mehr Dramatik', sondern eher 'Mehr echte Dramatik'. Auf viele Fans wirkt TWINE ja sehr gewollt. Auch das Over-acting von Marceau wäre ein Indiz, dass hier kein echtes Drama vorhanden ist. Wenn Schauspieler kein authentisches dramatisches Moment im Drehbuch finden, bringen sie es künstlich rein. Im Prinzip versucht der Film, Bond zu waschen, ohne ihn nass zu machen.


    Es hätte vor allem bedeutet, dass man eine hervorragende M vier Filme früher verloren hätte. Und das noch bevor sie in den Craig-Bonds eigentlich erst so richtig angekommen ist.


    Aber wenn man nur Pseudo-Lieblinge opfert, kommt auch nur Pseudo-Drama heraus. Und wenn das ein kreativer Befreiungsschlag gewesen wäre, der dem Film gut getan hätte, hätte das der Reihe in dem Moment doch mehr genutzt als das starre Festhalten an einem Schauspieler. Zumal Dench ja nicht der einzige Mensch auf dem Planeten ist, der M spielen kann.


    Wobei ich jetzt aber auch nicht behaupten würde, dass Ms Tod der eine große Aspekt ist, der den Film für viele Fans nicht so funktionieren lässt, wie er es vielleicht beabsichtigt hatte.

  • Ja, Martin, viele finden TWINE gewollt, aber ich finde SF diesbezüglich gekünstelter ;) - obwohl ein tragischer Bond Craig besser zu Gesicht steht.


    Ich weiß nicht ob Sophie Over-acting betreibt, ich denke eher dass sie im buchstäblichen Wahnsinn einer komplexen und insgeheim psychisch instabilen Figur aufgeht, sie ist eine Charakterdarstellerin und vermag regelrechte Orkane der Gefühle herbeizuführen. Dass das auf viele übertrieben wirkt, ist wohl die Folge. In meinen Augen gehört sie in die Schauspielergruppe:
    "Entweder man liebt sie, oder man hasst sie." - Ich gehöre zu den Liebenden :thumbup:
    Diese Form von Theatralik bildete sich bei Miss Marceau aber erst Mitte der 80er, als sie sich vom La-Boum-Image löste. Ich könnte mir vorstellen, dass der betagte Kunstfilmregisseur, welchen sie damals an ihre Seite zog etwas zu viel Druck auf sie ausgeübt hat, eine Erotikgöttin aus ihr zu machen. Immerhin kam dieser Imageumschwung als schneller Wechsel zustande und bei ihres Mannes Werken wirkte sie stets lasziv, in meinen Augen ist sie in "Meine Nächte sind schöner als deine Tage" ein Prototyp von Elektra King. Wer weiß, vielleicht hat ihr der Verlust des damaligen Filmpartners in der fiktiven Welt so wehgetan, dass sie zur ungutmütigen Miss King wurde, im Bezug auf Ausdrucksübertreibung steht sie ihrer damaligen Rolle der "Blanche" in TWINE jedenfalls kaum nach.
    Anyway: Ich bewege mich wohl langsam im Bereich der Spekulation, aber ihr Over-acting macht sie in meinen Augen zu einem der faszinierend interessanten Villains.

  • Gestern habe ich mir mal wieder TWINE angesehen, der bei mir immer mit GE um den Platz des besten Brosnan-Bonds gerungen hat. Bei mir bedeutet das mehr als bei den meisten anderen Usern des Forums.:D Nachdem ich diesen Thread einmal durchgelesen hatte und viele Kritikpunkte rational nachvollziehen konnte, hatte ich etwas Skrupel, mir TWINE anzusehen, aber auf OHMSS, den ich mir vorgestern angesehen hatte, hat er einfach zu gut gepasst. Und ich bin froh sagen zu können, dass ihr mir den Film nicht verleidet habt!:D


    Ich finde die Grundidee eines weiblichen Villains, dazu noch kombiniert mit der Dreiecksgeschichte Elektra-Renard-Bond und dem dazugehörigen Versteckspiel und der wendungsreichen Story wer hier eigentlich der Villain ist, grandios. Auch wenn ich die Sache mit dem Geld auch nach Scarpines Erklärung aus diesem Thread nicht verstanden habe. Die gleichzeitig sowohl in Renard als auch in Elektra vorhandene Stärke und Schwäche finde ich faszinierend. Beeindruckt hat mich vor allem die Szene, in der Elektra das Rededuell mit Bond nach dessen Rückkehr aus dem Bunker haushoch gewinnt. Gibt es eine solche Szene, in der Bond so dermaßen vom Villain besiegt wird, nochmal in der Serie?


    Die Schwächen wie mangelhaftes Einfangen und Umsetzen der Schauplätze, etwas sinnlos eingestreute Actionszenen und ein wenig spektakuläres Finale sehe ich auch, können aber meinen sehr guten Gesamteindruck nicht schmälern.


    Schwanke zwischen 4 und 4,5/5 Punkten.

  • Beeindruckt hat mich vor allem die Szene, in der Elektra das Rededuell mit Bond nach dessen Rückkehr aus dem Bunker haushoch gewinnt. Gibt es eine solche Szene, in der Bond so dermaßen vom Villain besiegt wird, nochmal in der Serie?


    In den Rededuellen mit Goldfinger sieht Bond ausschließlich schlecht aus.
    Neben Goldfinger gefallen mir die ausgefeilten Dialoge mit Drax in MR am besten. Herrlich überzogen ("wie würde Oscar Wilde es ausdrücken...", "was Sie anbelangt wird es für immer Winter sein!",...).


    Ist Elektra in dieser von Dir angesprochenen Szene denn bereits "der Villain" oder nicht noch "das Bondgirl"?

  • So mittendrin. Offiziell noch Bondgirl, aber wegen des von Renard im Bunker benutzten Zitats und der Tatsache, dass er von Bonds Schulterverletzung wusste, ist Bond bereits misstrauisch.


    Mir ist halt nur krass aufgefallen, wie Bond innerhalb kürzester Zeit von überzeugt-aufbrausend zu zweifelnd-schweigend gebracht wird. An eine solch schnelle und deutliche rhetorische Entwaffnung Bonds neben dieser Szene kann ich mich nicht erinnern. Auch von Goldfinger nicht, alleine schon, weil mir Bond in diesen Szenen bereits von Anfang an defensiver vorkommt als zu Beginn des Dialogs mit Elektra.

  • Auch als Nichtbefürworter MR's, muss ich Kronsteen im Bezug auf MR voll und ganz zustimmen:
    Die Drax-Dialoge sind einsame Spitze und nahezu der Höhepunkt bei Bond. Allgemein würde ich mir von den Villains mehr MONOloge wünschen. Sie reden zwar teilweise schon fast als sei Bond nicht da, aber letztlich hat 007 ja nun doch eine reichlich große Klappe. Prinzipiell glaube ich, dass ein guter Schauspieler aus seinen Figuren am meisten herausholen kann, wenn ausuferndes Monologisieren als Stilmittel in den Film eingebunden wird. In diesem Sinne: "Sterben Sie wohl, meine Lieben." ;)


    Mit Elektra muss ich Havanna beipflichten, bezüglich Bonds Unterworfensein gibt es wohl nichts radikaleres, vielleicht gerade WEIL sie eine Frau ist und der "sexistische Dinosaurier" umso verblüffter sein muss, denn ebenso wie seine landwirbeltierhaften angeblichen Artgenossen, scheint auch der Typ Mann den Bond verkörpert seit 65 Millionen Jahren ausgestorben zu sein.

  • So, der Film wurde am gestrigen Tage zu später Stund' ausgestrahlt, für die Kinder der Nacht gar nächtens wiederholt. Nun meine neue Rezension zu dem Film. Sie beinhaltet auch bereits geäußerte Eindrücke, einige von euch werden sich somit nicht die Mühe machen müssen, darin etwas "Neues" zu finden, da der Text eigentlich eher auf eine Audienz außerhalb der Expertengemeinde des Forums zugeschnitten ist.





    "There is no point in living if you can't feel alive" - Der Bond der Dramen, das Kammerspiel, die beiden Damen trennt so viel...


    Es vergeht nicht ein einziger Tag, an welchem ich nicht dächte, es täte dem Film besser, er brächte Dalton als Hauptdarsteller mit. Gefühlt ist es der letzte Dalton, gewissermaßen gleichsam der erste Craig - oder aber Brosnan's einziger Ansatz innerhalb der Rolle, den ich wirklich bewundere, auch diesen Mut der Macher, ausgerechnet in den 90er Jahren einen Autorenfilm der Marke Bond entstehen zu lassen.


    Doch damit wären wir bereits bei dem Punkt angelangt, wie "gewollt" dieser Film auf viele Zuschauer wirkt, weswegen er mich also dennoch in uneingeschränkter Form überzeugt, erfahren Sie sogleich.
    Beginnend in Spanien, Stichwort Schweizer Bankiers, betrachten wir bereits spannende Sequenzen, Sir Robert King und das Geld, genau genommen verstand ich Teile dieser Szenen noch nie, doch dass sie in irgendeiner Weise mit der Entführung in Zusammenhang stehen sollen, ist auch mir nicht entgangen. Erklingend in grandioser Frank-Glaubrecht-Synchronisation, hören wir bereits erste Sprüche von Bond, leicht ironisch, aber weitaus weniger übertrieben als etwa in "Goldeneye". Das der Überschrift entsprechende Lebenszitat stammt von der Tochter von Robert King, sie ist - Spoilerwarnung - gewissermaßen der einzige Hauptvillain im Bonduniversum, der wahrlich weibliche Züge annimmt, neben Robert Davi der vielleicht beste Gegenspieler. Eine äußerst lange Pre title sequence ist es, die den Film bereits anfangs im Bezug auf den Aufbau einer komplexen Geschichte auszeichnet. Dass Dalton besser in dieses Bild gepasst hätte, erwähnte ich bereits, zumindest aber hören wir zwischenzeitlich seine Synchronstimme. So stilsicher trotz aller Dialogbrillanz auch die Action umgesetzt wurde, so gewillt war man dann wohl auch, diesen 1999er Film im Jahre 2000 als Videospiel zu veröffentlichen, dieses ist jedoch höllengleich unangenehm da sehr schwer, ich genoss vor etwa zehn Jahren die PSone-Version und bin bis heute mit der Erstmission überfordert, insbesondere jedoch mit dem ebenfalls recht früh folgenden Ski-Part. Brosnan wirkt in diesem Bondfilm sicherer und souveräner, sich seiner Rolle bewusst seiend, nur scheint er wie so oft derart viel Ehrfurcht vor der ihm gebührenden und aufgetragenen, gar zugedachten Aufgabe zu haben, dass er außerhalb der Bondwelt oftmals "bondiger" wirkt. Selbst unterhalb der Wasseroberfläche richtet er sich die Krawatte, ob man dies nun belustigend oder eher deplatziert findet, bleibt ganz allein dem Zuschauer überlassen. Renard, gewissermaßen der Verehrer des weiblichen Zaubers innerhalb des Films, wirkt stellenweise eher jämmerlich denn bedrohlich, zwischenzeitlich kann er einem leidtun, "Kannst du das fühlen?, ich spreche von Lust und Begehren", ist da etwa eine der markanten Stellen, an welchen wir wieder das Verletzliche in ihm erkennen, nachdem der Teufel in Person sein Gift versprühte. Von dem "tatsächlichen" Bösewicht, nämlich la Marceau, wird Bond - in ähnlicher Weise wie in Skyfall von Silva - dezent/leicht/ansatzweise sexuell belästigt, beide Filme haben unzählige Gemeinsamkeiten, die hier aber in Form einer Aufzählung den textlichen Rahmen sprengen würden. Oftmals wird dieses Juwel von einem Film als episodenhaft wahrgenommen, ich persönlich teile diese Meinung nur bedingt und in begrenztem Maße, empfand es tendenziell eher anders. Der philosophische Titel des Films, ist auf einen alten Leitspruch von Bonds Familie zurückzuführen, erfahren können Sie dies in "Im Geheimdienst Ihrer Majestät". Doch schlagen wir die Brücke erneut in Richtung des anfänglichen Beginns, denn bereits hier - erstmals sehen wir sie - beobachten wir Marceau in einem düsteren Zusammenhang, gar ausgerechnet bei einer Beerdigung begegnen wir ihrer dunklen Figur zum ersten Male, Zufall oder eher eine indirekte Anspielung auf ihr lebensfernes Wesen?
    Nun, verabschieden wir uns einen Moment von Marceau und gehen auf die Tatsache ein, dass dieser dramatisch-düstere Bond auch ein paar warme Seiten an den Tag legt, so wäre da etwa der herzliche Abschied von Q, mündend in die Einführung von R, John konnte der Rolle jedoch nie gänzlich seinen Stempel aufdrücken.
    Als Fahrzeug erhält Bond einen BMW Z8, vermutlich mit Fünfliter-V8, 400 Pferdestärken habend und dem E39er M5 entsprechend. Doch das war es fast schon, was das "Vergnügen" anbelangt. Die Unannehmlichkeiten nahen, werden mit jeder Marceau-Begegnung untragbarer. Theatralische Rollen wie diese, scheinen bei ihr meist von Judith Brandt synchronisiert zu werden, die warme Klangfarbe von Irina Wanka wird wohl tendenziell eher in Sophie's "süßlicheren" Rollen eingesetzt, ein Punkt den ich einst schon anderswo zur Erwähnung brachte. Es geht in diesem Film um Vertrauen und Furcht, M wird bitter von Marceau enttäuscht, vertraute ihr, doch sie manipuliert alles und jeden, so auch M, ihr Schauspiel elektrisiert einen regelrecht. Bonds Ego wegen, so sagt es M zu Marceau, würde sie ihm nie offenbaren dass er auf seinem beruflichen Gebiet der Beste sei, doch dass dem so ist, werden wir auch in diesem Film sehen - gleichwohl er aus privaten Gründen innerlich angeschlagen ist. Marceau's Figur ist in vielerlei Hinsicht psychisch instabil, ihre Ängste werden daher in einen kompensatorischen Kontext gesetzt, was sich in ihrer Macht über die Männer widerspiegelt, die Dominanz ihrerseits kennt keine natürlichen Grenzen. Was die Geschichte bezüglich Renard anbelangt, Sie wissen schon, die Kugel im Kopfe, welche ihm unbegrenzte Belastbarkeit schenkt, aber eines Tages tödlich sein wird, so fragte ich mich einst, ob dergleichen überhaupt möglich sei? Wohl nicht gegenwärtig oder in naher Zukunft, aber ob eines Tages wirklich mithilfe eines kleinen Etwas an einer bestimmten Stelle, der Mensch "positiv" beeinflusst werden wird? Hat der Film etwas Unvorstellbares vorhergesagt, oder ist es schlicht und ergreifend gigantischer Unfug? Ich habe keinen blassen Schimmer. Sehr schön sind in dem Film auch die Skiszenen, solche gab es bereits schon lange nicht mehr, doch WARUM fahren sie Ski? "Dann hoffe ich dass Sie Ski fahren können, Mister Bond", weswegen genau sagt sie ihm das? Nun, ignorieren wir die Logik des Drehbuches und betrachten die winterlichen Szenen, erste Annäherungen zwischen Marceau und Bond, später räkelt sie sich so sehr, als sei es eine Göttin höchstpersönlich, die zu Bett ging. Aufgrund der eher privaten Geschichte, rückt der Effekt, dass ein Bondfilm immer auch ein politisches Zeitdokument ist, ein wenig in den Hintergrund, dennoch hat die Erzählung immer noch Politcharakter. In Aserbaidschan (Pipeline) sehen wir Marceau anfangs in einem kerzenbeleuchteten Raume des Glaubens, was ihren zuvor beschriebenen Göttlichkeitscharakter nur noch verstärkt und bekräftigt, doch ihre Größe wird nur noch von der Deutlichkeit ihrer inneren Dämonen übertroffen und erweitert. Durch den bereits unlängst thematisierten Satz "Wenn man nicht fühlt dass man lebt, wird das Leben sinnlos", erkennt Bond die Verbindung zwischen Renard und Marceau, ihm geht ein Licht auf, wir hören in seinem Moment der Eingebung lustigerweise ein ähnliches Erfolgsgeräusch, wie in den Rätselparts von "The legend of Zelda". Marceau überschwemmt uns geradezu mit theatralisch hochtrabend formulierten Anspielungen auf ihr Familienerbe, ihre Vorfahren, ..."für die Welt" sei es, so sagt sie doch gar. Der ambitionierteste 90er Bond überhaupt, die Brosnan-Ära am (bedauerlicherweise einzigen) Höhepunkt. Das weihnachtliche Ende des Films, ist nicht sehr mutig gestaltet worden, stellt aber einen Kontrast zum Hauptwerk dar. Denise Richards als Atomwissenschaftlerin zu besetzen, war wohl eine ähnliche Entscheidung wie 2003 Heidi Klum für die Rolle der Frau Dr. Nadanova in "Alles oder Nichts" zu engagieren, mehr möchte ich zu diesem Punkt nicht sagen, man muss ihn nicht zwangsläufig negativ auffassen. Der Score des Films ist stellenweise wie von Trauer durchflutet, ergänzt wird er perfekt, indem auch der eigentliche Titelsong in dieses triste Bild passt. Michael A., der Regisseur, wollte unbedingt einen Meilenstein ins Leben rufen, etwas Großes erschaffen. Bemüht durchaus, aber es hat sich gelohnt. Bond verliebt sich ernsthaft, ergibt sich seiner eigenen Schwäche, der dramatische Moment von Marceau's Beseitigung durch einen gezielten Schuss, ist enorm bitter für ihn - und doch vonnöten, so schwer es auch anmuten mag ihn zu verkraften.
    Weitere Momente des Düsteren, offenbaren sich in der feuergleichen Hölle von Renard, in Verbindung mit der Martin-Kessler-Stimme, wirken Sätze wie "Er hat die Glaubensprüfung nicht bestanden" und "Willkommen im Atem des Teufels" nicht lächerlich, sondern sehr passend und sakral, in der Pracht des Feuers verbirgt sich Gefahr, in der sektenartigen Umgebung großes Unheil. Marceau's Kälte wird mehrfach mithilfe von Eiswürfeln symbolisiert, eisiger als selbige Gegenstände es sind, ist nur noch der Kern ihrer selbst, das Innenleben von Sophie Marceau. Ist es ein Verbrechen sich in sie zu verlieben, oder wäre es eher sonderbar ihr nicht zu verfallen, ihr somit zu widerstehen gewillt zu sein? Letzteres träfe wohl zu, ersteres mitnichten!


    Mit "Die Welt ist nicht genug" erschien vor nunmehr 17 Jahren einer der intensivsten Bondfilme überhaupt, einer von jenen, über welche man auch wirklich in umfangreichem Maße diskutieren kann, ohne dabei interpretatorische Grenzen gesetzt zu bekommen.






    So, das war's. Viel Spaß beim Diskutieren. ;)

  • Schön geschrieben Martin :). Ich bin ja auch ein Fan von TWINE, seit ich ihn 1999 das erste Mal sah. Ich würde allerdings jetzt nicht allzu viel in den Film hineininterpretieren - ich denke nämlich, die Macher wollten eigentlich gar nicht so weit hinaus in Sachen vermeintlicher "Anspruch". Fakt ist aber, dass der Film (für mich) top Unterhaltung bietet, ohne nennenswerte Schwächen, Peinlich- und Dämlichkeiten. Nicht gezwungen, nicht überkonstruiert, sondern einfach "rund". Irgendwie ist TWINE der bisher letzte (gelungene) "klassische" Bond-Film.

  • Martin hat zuletzt 10/2015 etwas zu diesem Film geschrieben ;)


    Ja, selbstverständlich interpretiere ich zu viel hinein - das mache ich aber bei jedem Film, ist schlicht und ergreifend eine Neigung die sich nicht abstellen lässt.
    Was die Macher nun wollten oder nicht - es ist ihnen wie ich finde gelungen :prost:

  • Habe den Film auch zuletzt im ZDF gesehen. Die Blu-ray schiebe ich eigentlich kaum rein.
    Ein Bond der vergebenen Chancen. Mich lässt er häufig auch kalt. Und dass M eine große Rolle spielt, mag ich in den Bondfilmen nicht sonderlich, deshalb ist mir der Bernard Lee M mit Abstand der liebste, auch wenn Judi Dench gut spielt.
    Dazu kommt das etwas schäbige Production Design einiger 90er Kandidaten. Da gönne ich mir lieber den "straight forward"-Bond "Tomorrow Never Dies".

  • Hier eine leicht aufgehübschte Version meiner '16er Rezension, LG


    "There is no point in
    living if you can't feel alive" - Der Bond der Dramen, das
    Kammerspiel, die beiden Damen trennt so viel..., Liebe als Tragik mit
    und ohne Ziel, Böndchen mal langsamst nachdenklich und mal
    tatkräftig agil


    Es verginge nicht ein einziger Tag, an
    welchem ich nicht dächte, es täte speziell diesem Filme besser, er
    brächte Dalton zum letzten Male als Hauptdarsteller mit, gefühlt
    ist es der letzte Dalton-Beitrag der Reihe (obzwar: die ersten beiden
    Craig-Filme bedienen sich bisweilen ebenfalls der Dalton-Formel),
    gewissermaßen umgekehrt ist Die Welt ist nicht genug also auch
    gleichsam der erste Craig – oder aber Brosnan's einziger Ansatz
    innerhalb der Rolle, den ich wirklich bewundere, hier DURFTE er
    endlich (und vermag/kann es eigentlich auch, weniger gut als die
    anderen Darsteller zwar meines Erachtens, nichtsdestoweniger
    hervorragend), auch diesen Mut der Macher, ausgerechnet in den
    Action-technisch etwas ZU lebhaften 90er Jahren einen „Autorenfilm“
    der Marke Bond entstehen zu lassen, all dieses will Lob erfahren und
    kann meinerseits auch genau hiermit rechnen fürwahr.
    Doch damit,
    das Stichwort Autorenfilm fiel eher überraschend, wären wir bereits
    bei dem Punkte angelangt, wie "gewollt" dieser Film auf
    viele Zuschauer wirket, d.h. weswegen er mich also dennoch in
    uneingeschränkter Form überzeugt, das erfahren Sie sogleich....



    Beginnend in Spanien,
    Stichwort Schweizer Bankiers, betrachten wir bereits spannende
    Sequenzen inszenatorischen Gespürs dafür, wie ein Bondfilm adäquat
    eingeleitet wird, die akkurate Filmarbeit lohnte, Sir Robert King und
    das Geld, genau genommen „verstand“ ich Teile dieser Szenen
    inhaltlich noch nie, doch dass sie in irgendeiner Weise mit der im
    Filme so schicksalhaft bedeutsamen Entführung in Zusammenhang stehen
    sollen, ist auch/selbst mir nicht entgangen, sodann erscheint der
    Hauptprotagonist, erklingend in grandioser
    Frank-Glaubrecht-Synchronisation, so hören wir bereits erste Sprüche
    vom Bonde, leicht ironisch gefärbt, aber weitaus weniger übertrieben
    als etwa in "Goldeneye", dem nach meinem Dafürhalten
    schwächsten Werke der Brosnan-Bondära, das der zweiten Überschrift
    entsprechende Lebenszitat stammt von der Tochter von Robert King, sie
    ist - Spoilerwarnung - gewissermaßen der einzige Hauptvillain im
    Bonduniversum, die/der wahrlich weiblichste Züge annimmt (Silva
    zählt nicht, in ihn verschoss ich mich nämlich nicht :D), neben
    Robert Davi ist Sophie der vielleicht beste, auch persönlichste
    Gegenspieler, ...eine äußerst lange Pre title sequence ist es, die
    den Film bereits anfangs im Bezug auf den Aufbau einer komplexen
    Geschichte mehr als auszeichnet – dass Dalton besser in dieses
    theatralische Bild gepasst hätte, erwähnte ich bereits, zumindest
    aber hören wir zwischenzeitlich für den Hauch einer Momentaufnahme
    seine Synchronstimme.



    So stilsicher trotz aller
    Dialogbrillanz wurde auch die Action umgesetzt , so also gewillt war
    man dann wohl dementsprechend auch, diesen 1999er Film im Jahre 2000
    als Videospiel zu veröffentlichen, dieses ist jedoch höllengleich
    unangenehm da sehr, SEHR schwer, ich genoss vor etwa dreizehn Jahren
    die PSone-Version und bin bis zum heutigen Tage bereits mit der
    Erstmission überfordert, insbesondere jedoch mit dem ebenfalls recht
    früh folgenden Ski-Part, wie dem auch sei, der hohe
    Schwierigkeitsgrad deckt sich zumindest damit, dass es mindestens
    gleichermaßen schwierig sein dürfte, erfolgreich zu Sophies Figur
    durchzudringen, dieser mehrschichtigen Gestalt der Faszination,
    Brosnan wirkt in diesem Bondfilm übrigens sicherer und souveräner,
    entböte so Einiges, sich seiner Rolle bewusst seiend, nur scheint er
    wie so oft derart viel Ehrfurcht vor der ihm gebührenden und
    aufgetragenen, gar zugedachten Aufgabe zu haben, dass er außerhalb
    der Bondwelt oftmals "bondiger" wirkt als in ihr selbst,
    der Eindruck des „Gewollten“ setzt sich spielerisch fort, selbst
    unterhalb der Wasseroberfläche richtet er sich die Krawatte und
    übertreibt maßlos, ob man dies nun belustigend oder eher
    deplatziert findet, bleibt ganz allein dem Zuschauer überlassen,
    diese kindlich spaßigen Details kommen in diesem „Kunst-Bonde“
    umso merkwürdiger daher, denn für Bondverhältnisse, war Bond doch
    bis einschließlich 1989 teils eher recht klar und konkret, ist TWINE
    '99 ein fast fatalistisch anmutendes, schwebendes und schicksalhaftes
    Konstrukt, auf der einen Seite also gösse es den verspielten Spaß
    auf uns aus, zugleich aber erbittet und ersucht das Werk darum,
    „ernst genommen“ zu werden, der häufige Vorwurf des sogenannten
    Pseudo-Anspruchs ist also auf den ersten Blick nicht völlig aus der
    Luft gegriffen, mir persönlich ist es hier aber noch gleichgültig,
    diese Art der Dramatisierung störet mich erst ab Skyfall, im Jahre
    1999 bot sie noch eine erfreuliche, gut gemischte Abwechslung, derer
    man sich nicht plump bedient hat, sondern stets mit Gefühl, Würde
    und einer teils grandiosen Besetzung (nun gut: hauptsächlich
    Sophie).



    Renard, gewissermaßen der
    Verehrer des weiblichen Zaubers innerhalb des Films, wirkt
    stellenweise eher jämmerlich denn bedrohlich, zwischenzeitlich kann
    er einem leidtun, "Kannst du das fühlen?, ich spreche von Lust
    und Begehren", ist da etwa eine der markanten Stellen, an
    welchen wir wieder das Verletzliche in ihm erkennen, nachdem der
    Teufel in Person sein Gift versprühte (hieran ändert auch die
    Tatsache nichts, dass er anderswo Sophies Ursprung als
    „personifizierten Engel“ bezeichnet), von dem "tatsächlichen"
    Bösewichte, nämlich eben la Marceau, wird Bond - in ähnlicher
    Weise wie in Skyfall von Silva - dezent/leicht/ansatzweise sexuell
    belästigt, beide Filme haben, und hierüber wurde auch schon
    fleißigst parliert, unzählige Gemeinsamkeiten, die hier aber in
    Form einer Aufzählung den textlichen Rahmen sprengen würden –
    oder zumindest den Rahmen dessen, was mich tangiert, da ich seit
    jeher (nun gut, seit 2012) nicht allzu sehr zur Skyfall-Fraktion
    gehöre, doch zurück zu TWINE '99.... : Oftmals wird dieses Juwel
    von einem Film als episodenhaft wahrgenommen, ich persönlich teile
    diese Meinung nur bedingt und in begrenztem Maße, empfand es
    tendenziell eher anders, ohne das aber genauer ergründen zu können,
    der philosophische Titel des Films übrigens ist auf einen alten
    Leitspruch von Bonds Familie zurückzuführen, erfahren können Sie
    dies in "Im Geheimdienst Ihrer Majestät", aber schlügen
    wir die Brücke doch erneut in Richtung des anfänglichen Beginns,
    denn bereits hier - erstmals sehen wir sie - beobachten wir Marceau
    in einem düsteren Zusammenhange, gar ausgerechnet bei einer
    Beerdigung begegnen wir ihrer dunklen Figur zum ersten Male, Zufall
    oder eher eine indirekte Anspielung auf ihr lebensfernes Wesen?, in
    jedwedem Falle sieht sie rätselhaft enigmatisch zu uns, ihre Wange
    an jener eines anderen Menschen, ihre finsteren und sinist'ren
    Gedanken jedoch bereits bei dir und mir sozusagen.
    Nun,
    verabschieden wir uns einen Moment von Marceau und gehen auf die
    Tatsache ein, dass dieser dramatisch-düstere Bond auch ein paar
    warme Seiten an den Tag leget, so wäre da etwa der herzliche
    Abschied von Q mehr als erwähnenswert, mündend in die Einführung
    von R, gleichwohl: John konnte der Rolle jedoch nie gänzlich seinen
    Stempel aufdrücken, pardon.
    Als Fahrzeug erhält Bond einen BMW
    Z8, vermutlich mit Fünfliter-V8, 400 Pferdestärken habend und dem
    E39er M5 entsprechend, die M-Variante wäre etwas spannender und
    unaufdringlicher gewesen, weniger ist mehr (ja ja, ich weiß: Dass
    ich das bei meiner Geschwätzigkeit sagen muss, entbehrt nicht einer
    gewissen Komik), dennoch ist das Gefährt für Bondverhältnisse fast
    angenehm dezent. Doch das war es fast schon, was das "Vergnügen"
    anbelangt, denn die Unannehmlichkeiten nahen, werden mit jeder
    Marceau-Begegnung untragbarer, oh wahrlich ihr spüret es,
    theatralische Rollen wie diese lagen ihr stets im Blute bereits seit
    Zulawski, scheinen bei ihr meist von Judith Brandt synchronisiert zu
    werden, die wärmlichere Klangfarbe von Irina Wanka wird wohl
    tendenziell eher in Sophies "süßlicheren" Rollen
    eingesetzt, ein Punkt den ich einstmals schon anderswo zur Erwähnung
    brachte, wobei dieser nicht immer allgemeingültig ins Detail reicht,
    in „l'amour braque“ etwa hat Frau Wanka die deutlicheren Töne
    ebenfalls in Perfektion beherrscht, wie dem auch sei, es geht in
    diesem Filme aus dem Jahre 1999 nun um Vertrauen und Furcht, M wird
    bitter von Marceau enttäuscht (fast wie etwa Sanchez von Bond),
    vertraute ihr, doch sie manipuliert alles und jeden mit betörender
    Brillanz, so auch M, ihr Schauspiel elektrisiert einen regelrecht,
    feurig entfacht ein Höhepunkt.



    Bonds Ego wegen, so sagt
    es M zu Marceau, würde sie ihm nie offenbaren dass er auf seinem
    beruflichen Gebiete der Beste sei, doch dass dem so ist, werden wir
    auch in diesem Film sehenden Auges erblicken - gleichwohl er aus
    privaten Gründen innerlich angeschlagen ist, ...Marceau's Figur ist
    in vielerlei Hinsicht psychisch „etwas“ instabil, ihre Ängste
    werden daher in einen kompensatorischen Kontext nach dem Anderen
    gesetzt, was sich in ihrer Macht über die Männer eindrucksvollst
    und filmisch stimmig widerspiegelt, die Dominanz ihrerseits kennt
    keine natürlichen Grenzen und gereicht mindestens dem genialen
    Schauspiele einer Fiona Volpe zu Ehre – doch was die Geschichte
    bezüglich Renard anbelangt, Sie wissen schon, die Kugel im Kopfe,
    welche ihm unbegrenzte Belastbarkeit schenket, aber eines Tages
    tödlich sein wird, so fragte ich mich weiland einst bis gar noch
    heut', ob dergleichen überhaupt möglich sei?, sicher mag dieser
    Versuch kinematographisch reüssieren und uns lebens- und
    schmerzenstechnisch vor elementare, fundamentale Fragen stellen, doch
    das „Absurde“ bliebe erhalten, denn wüsche man sich das
    Erstaunt-Sein erst einmal aus dem Antlitz, verebbt die Genialität
    dieser Idee dann doch recht rasch und mein überschwängliches Lob
    nähme ab bzw. erwörtlicht sich nicht mehr der Begeisterung, sondern
    würfe nur noch ein fahles, dünner werdendes Licht auf die Sache,
    aber sei's drum, manche Details sollten wir auch nicht zu minutiös
    durchdenken, sonst verfinge ich mich nur in meinen Gedankenkosmen und
    der harte Terminus „Verrückt“ träfe auf die daraus
    resultierenden Satzgebilde noch stärker zu als zuvor, dessen wurde
    ich mir soeben mal wieder gewahr und schlösse nun reimend den Satz
    von Renard.


    Wohl nicht gegenwärtig
    oder in naher Zukunft, aber ob eines Tages wirklich mithilfe eines
    kleinen Etwas an einer bestimmten Stelle, der Mensch "positiv"
    beeinflusst werden wird? Hat der Film mit ebendieser „Kopfkugel“
    etwas Unvorstellbares vorhergesagt, oder ist es schlicht und
    ergreifend gigantischer Unfug? Ich habe keinen blassen Schimmer, das
    azurblaue Meer unserer diesbezüglichen Gedanken ertränke in sich
    selbst und schweiget nun endlich....



    Sehr schön und ansehnlich
    sind in dem Film auch die Skiszenen, solcher gab es Einige in der
    Vergangenheit , doch bereits schon lange nicht mehr, drum seien sie
    willkommen, nur: WARUM fahren sie Ski?



    "Dann hoffe ich dass
    Sie Ski fahren können, Mister Bond", weswegen genau sagt sie
    ihm dieses? Nun, ignorieren wir die Logik des Drehbuches und
    betrachten die winterlichen Szenen als visuelle Kunst, erste
    Annäherungen zwischen Marceau und Bond deuten sich minimalst an,
    später räkelt sie sich so sehr, als sei sie eine Göttin
    höchstpersönlich, die zu Bett ging, was ja auch zuträfe, ...damals
    noch ungewöhnlich dagegen: Aufgrund der eher privat gehaltenen
    Geschichte, rückt der Effekt, dass ein Bondfilm immer auch ein
    politisches Zeitdokument ist, ein wenig in den Hintergrund, der
    Finger ist nicht nah genug am Pulse der Zeit und der Weltpolitik,
    dennoch hat die Erzählung immer noch ausreichend Politcharakter, um
    als Bondfilm durchzugehen. In Aserbaidschan (Pipeline, diesmal zum
    Glücke ohne Georgi – „Sie sind der Erste“) sehen wir Marceau
    anfangs in einem kerzenbeleuchteten Raume des Glaubens sich
    befindend, was ihren zuvor beschriebenen Göttlichkeitscharakter nur
    noch verstärkt und bekräftigt, doch ihre Größe wird nur noch von
    der Deutlichkeit ihrer inneren Dämonen übertroffen und erweitert,
    ja gar durch den vielleicht bereits (unlängst?) thematisierten Satz
    "Wenn man nicht fühlt dass man lebt, wird das Leben sinnlos",
    erkennt Bond die Verbindung zwischen Renard und Marceau (pardon:
    Marceau und Renard, der Filmkunst-Daniel nennt die Dame immer gern
    zuerst :D), ihm geht ein Licht auf, wir hören in seinem Moment der
    Eingebung lustigerweise ein ähnliches Erfolgsgeräusch, wie etwa in
    den Rätselparts von "The legend of Zelda", Marceau
    einstweilen überschwemmt uns geradezu mit theatralisch hochtrabend
    formulierten Anspielungen auf ihr Familienerbe, ihre Vorfahren,
    ..."für die Welt" sei es, so sagt sie doch gar.



    Der ambitionierteste 90er
    Bond überhaupt entstand (nun gut, bedauerlicherweise war das auch
    nicht das größte Kunststück gemessen an den Dialogen der Ära),
    die Brosnan-Ära am (bedauerlicherweise fast einzigen) Höhepunkte.
    Das weihnachtliche Ende des Films, oh Grundgütige, ist nicht sehr
    mutig gestaltet worden, stellt aber einen Kontrast zum Hauptwerke
    dar, auch überhaupt Denise Richards als Atomwissenschaftlerin zu
    besetzen, war wohl eine ähnliche Entscheidung wie etwa jene 2003,
    Heidi Klum für die Rolle der Frau Dr. Nadanova in "Alles oder
    Nichts" zu engagieren, mehr möchte ich zu diesem Punkt nicht
    sagen, man muss ihn nicht zwangsläufig negativ auffassen, letzten
    Endes hat es gar irgendwo funktioniert, bei Denise weil einer Frau
    ähnelnd, in welche ich mal verliebt war, obendrein verbunden mit dem
    „Croft-Look“ und der tollen deutschen Stimme Claudias, bei Heidi
    hingegen, weil sie sich in der deutschen Fassung nicht selbst
    synchronisiert hat und somit erst recht einen stimmlichen Bonus
    genoss, außerdem passte die unpassende Gesamtidee perfekt in das
    herrlich übertriebene Konzept des Films/Spiels.



    Der Score des Films TWINE
    '99 ist stellenweise wie von Trauer durchflutet, ergänzt wird er
    perfekt, indem auch der eigentliche Titelsong in dieses triste Bild
    sich einfüget, de facto Michael A., der Regisseur, wollte unbedingt
    einen Meilenstein ins Leben rufen, etwas Großes erschaffen, bemüht
    und angestrengt wirkt er dabei durchaus, das leugne ich mitnichten,
    aber es hat sich dennoch gelohnt, Bond verliebt sich ernsthaft,
    ergibt sich seiner eigenen Schwäche (und Stärke, je nach
    Sichtweise), dann der dramatische Moment von Marceau's Beseitigung
    durch einen gezielten Schuss, dieser ist enorm bitter für ihn –
    und herberweise doch vonnöten, so schwer es auch anmuten mag ihn
    innerlich und visuell zu verkraften.
    Weitere Momente des Düsteren
    sie offenbaren sich in der feuergleichen Höllenhöhle des Renard, in
    Verbindung mit der genialen Martin-Kessler-Stimme wirken Sätze wie
    "Er hat die Glaubensprüfung nicht bestanden" und
    "Willkommen im Atem des Teufels" nicht lächerlich, sondern
    ganz im Gegenteil sehr passend und sakral, so hart wie das Schicksal
    selbst, in der Pracht des Feuers verbarg sich Gefahr, in der
    sektenartigen Umgebung großes Unheil, Marceau's Kälte wird mehrfach
    mithilfe von Eiswürfeln symbolisiert, eisiger als selbige
    Gegenstände es sind, ist nur noch der Kern ihrer Selbst, das
    Innenleben der Sophie Marceau, drum so fraget der zwiegespaltene
    Electra-Fan in mir: Ist es ein Verbrechen, sich in sie zu verlieben,
    oder wäre es eher sonderbar ihr nicht (!) zu verfallen, ihr somit zu
    widerstehen gewillt zu sein? Letzteres träfe wohl zu, ersteres
    mitnichten!


    Wie schaffst du es zu
    überleben?“


    Ich labe mich an Anmut
    und Schönheit.“


    Mit "Die Welt ist nicht genug"
    erschien vor nunmehr 17 (indessen 20, Rezension 10/2016, heute nun
    mit kleinem Feintuning versehen) Jahren einer der intensivsten
    Bondfilme überhaupt, einer unter jenen, über welche man auch
    wirklich in umfangreichem Maße diskutieren kann, ohne dabei
    interpretatorische Grenzen gesetzt zu bekommen, chapeau.



    Würfel aus Eis,


    Begehren ohne Grenze,


    gefühllos wie sie weiß,


    litt er dann doch gar in
    Gänze .



    Die Farben trist,


    die Reise grau,


    hinter ihrem Antlitz die
    List,


    welch hochspannende Frau.

  • Die Neunziger sind geschafft, mit Die Welt ist nicht genug. Diesmal fast der umgekehrte Effekt wie beim 'Morgen', bei dem ich ein ganz rundes, 90er-kultig-nostalgisch angehauchtes Filmerlebnis erwartet hatte, und ihn dann doch eher dröge fand. TWINE hatte seit Jahren immer die Assoziation "Netter Versuch", mit der Betonung auf die verwandschaftlichen Verbindungen von "nett". Viel gutes versucht, aber irgendwie im Einheitsbrei der 90er kleben geblieben.


    Aber diesmal hat er mir doch erstaunlich gut gefallen, und ich sehe ihn doch als Brosnans Besten. Sicherlich gibt es die einen oder anderen Facepalm-Momente, aber die hatten frühere Filme doch auch. Man war mit diesem Film auf einem wirklich guten Weg. Umso tragischer ist immer wieder, dass man darauf nicht weitergegangen ist, sondern aus bis heute unerfindlichen Gründen so ein obskures Gaga-Dingens aufziehen musste, das das Image von Brosnans Bond für immer versauen sollte. Man ging irgendwie immer einen Schritt vor und zwei zurück...

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