Roman und Comic: Live And Let Die

  • Ich habe den zweiten Bond-Roman Flemings, "Live And Let Die", gelesen und mir dazu auch nochmal den damaligen Comicstrip zu Gemüte geführt. Hier sind nun meine Beobachtungen und Einschätzungen.


    Beim ersten Blick auf das Inhaltsverzeichnis der Comicsammlung fällt auf, daß der Comic zu LALD deutlich kürzer als der zu CR; das alleine zeigt, daß Kürzungen vorgenommen worden sein müssen. Als zusätzliches Problem dabei zeigt sich, daß der LALD-Roman deutlich länger ist als der CR-Roman. Man ist gespannt, wie sich die Zeichner und Storyschreiber hier aus der Affäre ziehen.


    Zunächst einmal fällt eine Änderung beim Comic auf: er wird in der Ich-Perspektive von Bond erzählt. Das ist ein interessantes, aber etwas zweifelhaftes Manöver: Die Erzählung wirkt direkter, und der Leser kann sich leichter in Bond hineinversetzen; andererseits erzählt Bond von Dingen, die eigentlich ohne sein Wissen geschehen.


    Die Darstellung von Mr Big weicht von der Beschreibung im Buch ab. Im Comic wirkt er wie ein normaler Schwarzer, im Buch wird er beschrieben als Person mit grauem Kopf, der aussieht wie ein Fußball und fast keine Haare hat. Zudem stehen Mr Bigs Augen ziemlich voneinander ab, die Beschreibung erinnert an ein Fischgesicht. Die Muße, dies auch graphisch umzusetzen, hätte sich der Zeichner (John McClusky) ruhig nehmen können.


    Whisper und Tee Hee werden völlig anonymisiert. Daß Whisper Mr Bigs Telefonzentrale und Sprachrohr an seine schwarze Gefolgschaft darstellt, geht im Comic leider ebenso unter wie die Tatsache, daß es Tee Hee ist, der Bond einen Finger bricht und später von Bond in einem Treppenhaus getötet wird. Auch „The Robber“, Mr Bigs Gehilfe, der die Fischfirma „Ouroboros“ leitet, wird als eigenständige Person gestrichen; seine Auftritte (seine erste Begegnung mit Bond und Leiter sowie sein Feuergefecht mit Bond in der Fischfirma, das zu seinem Tod als Haifutter führt) sind jedoch enthalten.


    Auch auf Bonds Seite geht Charakterisierung leider im Zuge der Kürzungen verloren. Quarrel, Strangways und vor allem Leiter werden zu Randfiguren und bloßen Gehilfen degradiert. Dabei geht unter, daß es Leiter ist, der Bonds Zugfahrt im „Silver Phantom“ organisiert und dafür sorgt, daß Bond diese Fahrt unter dem Namen „Bryce“ bestreitet; Solitaire, die Bond begleitet, steht zwar nicht auf Leiters Plan, wird aber flugs zu „Mrs Bryce“ gemacht.


    Interessanterweise halten sich die Kürzungen gegen Ende der Geschichte in Grenzen (eigentlich logisch, da wird´s ja auch erst recht spannend); Bonds Unterwasserkampf gegen einen Octopus ist im Comic enthalten, aber leider fällt unter den Tisch, daß dieser Kampf es ist, der Mr Big und seinen Männern Bonds Anwesenheit verrät (Blut des Octopus steigt auf, viele Luftblasen). Schade, denn das hätte man in einer zusätzlichen Sprechblase unterbringen können.


    Der Schutz von Kindern und Jugendlichen macht sich in den Kürzungen und Änderungen ebenfalls bemerkbar. In der Bar, in der Leiter und Bond an Tisch Z sitzen und hinterher zu Mr Big gebracht werden, läuft zunächst eine Stripshow ab, die Fleming ziemlich detailliert beschreibt und die auf Bond einigen Eindruck macht. Im Comic ist dies deutlich entschärft; drei relativ sittsam gekleidete Tänzerinnen besorgen die Bühnenshow, die auch nicht zu lange läuft, bevor Leiter und Bond zu Mr Big gebracht werden. Das Brechen des zuvor genannten Fingers wird im Comic auch lediglich als Aussage Bonds eingebracht, und es scheint ihm auch danach keine Probleme zu bereiten; dagegen ist auch im Roman das Brechen des Fingers eine recht genau beschriebene Tat, und Bond schleppt danach einen „nutzlosen“ und schmerzhaften Finger mit sich herum, der sogar schwarz anläuft. Am Ende, als Bond und Solitaire von Mr Bigs Schiff „Secatur“ durchs Wasser gezogen werden, um an Haie und Barracuda verfüttert zu werden, befiehlt Mr Big im Roman, Solitaire auszuziehen, und aus Flemings Beschreibungen wird klar, dass sie splitternackt ist. Der Comic lässt Solitaire natürlich ihre Unterbekleidung.


    Eine Kürzung, für die man ganz dankbar ist, betrifft „The Robbers“ oben erwähnte Begegnung mit Leiter und Bond. Im Zuge dieser Begegnung gibt „The Robber“ einen Warnschuss ab, der im Comic kein näheres Ziel sichtbar trifft. Im Roman ist dies anders. „The Robber“ schießt einen Pelikan ab. Das muss man in der Tat nicht auch noch graphisch darstellen.


    Es ist bekannt, daß Elemente aus dem LALD-Roman in späteren Bondfilmen Verwendung fanden; zum einen ist dies die Kielhol-Sequenz aus FYEO, und zum anderen die Sequenzen aus LTK, in denen Leiter einem Hai zum Opfer fällt („He disagreed with something that ate him.“) und Kilifer durch die Falltür fällt und zu Haifutter wird. Mit dem Unterschied, daß die Falltür im Comic (und im Roman) eine Drehtür ist, scheint es, als habe der Comic als Storyboard für diese Sequenz in LTK gedient.


    Alles in allem finde ich den Comic zu LALD etwas zwiespältig. Der Comicstrip folgt der Story des Romans (was mir gefällt), aber die Kürzungen, die der Comic erfahren hat, nehmen LALD einiges an Tiefe und an Zusammenhang.

    The needs of the many outweigh the needs of the few or the one.
    I have been and always shall be your friend.
    I´ve been dead before.
    Live long and prosper.


    He is not really dead as long as we remember him.

  • Auch im neuen Board nochmals vielen Dank für Deine Arbeit bezüglich der Comics! :thumbup:
    Das ist ein Bereich des Franchise, der mir vorher noch weitgehend unbekannt war.


    Hier vielleicht noch ein Buch-Tipp an alle Liebhaber der Illustrationen:


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