Roman und Comic: Moonraker

  • Mittlerweile habe ich mir den Roman „Moonraker“ durchgelesen und ihn mit der Comicversion aus dem Daily Express verglichen. Beim Lesen des Romans sind mir einige nette Kleinigkeiten aufgefallen:
    - M lässt anscheinend die Lampen in seinem Büro ab und zu mal austauschen. In CR war die Lampe, die „Nicht stören“ bedeutet, blau. Jetzt (wie auch in LALD) ist sie grün. Ob sie in DAF eine neue Farbe kommt?
    - Sir Hugo Drax wird früh im Roman als „some kind of Lonsdale figure“ beschrieben. Ob sich jemand daran erinnert hat, als es darum ging, die Rolle im Film zu besetzen, und auch deshalb Michel Lonsdale kontaktiert hat?
    - Als Drax am Ende Bond seine wahre Biographie erzählt, beschreibt er unter anderem, wie er als britischer Kradmelder verkleidet einen echten britischen Kradmelder ermordet und an dessen Stelle weiterfährt. Diese Episode ähnelt dem Beginn von „From a View to a Kill“ so sehr, daß ich mich frage, ob Fleming dieses Element für die Kurzgeschichte wiederverwertet hat.
    - Der „Daily Express“, in dem die Comics erschienen, nutzt im MR-Comic die Gelegenheit, sich selbst zu bewerben. In zwei Panels werden Zeitungsschlagzeilen zu Hugo Drax eingebaut, die selbstverständlich auf der Titelseite eines „Daily Express“ prangen.


    Aus meiner Sicht stellte der Roman für die Comicschreiber eine gewisse Herausforderung dar, weil lange Zeit im Roman nichts passiert! Zu Beginn erleben wir Bond im Schießstand; später fährt Bond recht forsch in Richtung Moonraker-Anlage, um seinen Auftrag zu beginnen. Von einem Action-Standpunkt aus nimmt der Roman erst Fahrt auf, als Bond Drax´ Assistenten Krebs in seinem Zimmer überrascht, aber da ist der halbe Roman schon vorbei. Da sahen sich die Comicschreiber eventuell mit der Gefahr tödlicher Langeweile konfrontiert.


    Der Roman umfasst 189 Seiten, ist also etwas länger als LALD; der Comic nimmt im Comic-Omnibus 28 Seiten ein; er ist also auch etwas länger als der LALD-Comic. Man kann blind davon ausgehen, daß Dinge gekürzt wurden, denn im Roman befinden sich auffällig viele detaillierte Beschreibungen, etwa des Clubs „Blades“, und geschichtliche Details (Drax´ Biographie, die Geschichte des „Blades“-Clubs). So interessant ich das im Roman finde, das sind Dinge, die sich zum Weglassen anbieten. Und tatsächlich – im Comic findet sich von den lokalen und historischen Details kaum etwas wieder. Das finde ich persönlich schade (der Roman bekommt durch sie eine schöne Atmosphäre), aber nachvollziehbar.


    Andererseits bekommt der Comic durch das Weglassen bestimmter Elemente eine Art Schlagseite. Bond erscheint im „Blades“ auf Bitten Ms, und nicht nur das: M ist im „Blades“ dabei, als Bond Drax studiert, und M ist Bonds Kartenpartner beim Duell mit Drax. Das geht im Comic verloren. Drax selbst hat auch einen Partner, der im Comic aber auch nicht erwähnt wird. Das Spiel zwischen Drax und Bond nimmt im Roman einigen Raum ein, wird im Comic allerdings gekürzt, doch auch dies ist nachvollziehbar.


    Ein genereller Unterschied zwischen Comic und Roman ist – wie bei LALD – die Erzählung aus Bonds Perspektive. Ich kann es an nichts festmachen, aber hier gefällt mir der Perspektivwechsel nicht. Eine Erzählung aus der Perspektive eines „allwissenden Autoren“ hätte mir hier besser gefallen.


    Auch im Falle MR wird im Comic Rücksicht auf Jugend und Familie genommen. Bei seinen Vorbereitungen auf das Kartenspiel mit Drax wird im Roman beschrieben, daß Bond Benzedrin einnimmt, um sich zu pushen - Drogenmissbrauch! Natürlich ist im Comic davon nichts zu sehen. Auch eine sprachliche Korrektur findet statt, als Bond sich mit dem Kneipenwirt unterhält, bei dem es zum Tod zweier Mitarbeiter Drax´ gekommen war. Der Wirt sagt ein einer Stelle: „Can´t seem to forget that bloody word.“; das hässliche Wort „bloody“ ist im Comic gegen das harmlosere „blinking“ ausgetauscht worden.


    Es ist interessant zu sehen, daß sich Bonds Meinung von Drax im Laufe des Romans ändert. Während Bond im „Blades“ eine negative Meinung zu Drax entwickelt, ändert sich dies bei der Begegnung mit Drax in dessen Moonraker-Anlage. Spätestens beim Anschlag auf Gala Brand und Bond an der Küste ändert sich das aber wieder, und Drax ist für Bond ein Gegner. Dieses Wechselbad der Einstellung ist im Comic ausgespart worden; von Beginn an entwickelt sich Drax zum Bösewicht des Comics.


    Bei Gala Brand fällt auf, dass die Comicmacher sie aufgehübscht haben. Gala kommt als gutaussehende Blondine mit langen Haaren daher. Im Roman ist jedoch von „dark brown hair curved inward at the neck“ die Rede. Anscheinend waren die Leser mit langhaarigen Blonden eher zu begeistern, oder man wollte nach CR und LALD nicht erneut ein dunkelhaariges Bondgirl präsentieren.


    Wie ich es zuvor vermutet hatte, hält sich der Comic wieder enger an die Romanvorlage, sobald mehr Action zu vermelden ist, und zwar ab dem Zeitpunkt, an dem Bond und Gala am Strand sind und da ein Anschlag auf sie verübt wird. Von da an halten sich die Kürzungen in Grenzen, und man kann sagen, daß sie MR ab da nichts von seiner Atmosphäre nehmen.


    Die Comicmacher trauen sich auch, zu zeigen, daß an der britischen Küste ein Atomsprengkopf explodiert. Aus heutiger Sicht finde ich das etwas überraschend, da an anderen Stellen der Eindruck entsteht, zum Schutz der Jugend werden Elemente verändert oder weggelassen, aber ein Atomsprengkopf kann vor der eigenen Haustür explodieren. Sah man so etwas in den 50ern harmloser oder wollte man zeigen, daß Hugo Drax vor nichts halt machte, um England zu vernichten?


    Ich halte den Comic letztlich für eine durchaus gelungene Adaption des Moonraker-Romans; er hält sich in großen Teilen an die Vorlage. Er verliert am Anfang durch die Auslassung Ms und dadurch, daß die Eindrücke, die Drax bei Bond hinterlässt, nicht komplett dargestellt werden. Schade ist es, daß die detaillierten Beschreibungen und geschichtlichen Aspekte in der ersten Hälfte des Romans im Comic unter den Tisch gekehrt werden, doch das ist nachvollziehbar.

    The needs of the many outweigh the needs of the few or the one.
    I have been and always shall be your friend.
    I´ve been dead before.
    Live long and prosper.


    He is not really dead as long as we remember him.

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