SPECTRE – Erste Reviews

  • Gegenüber Casino Royale verlieren - zumindest bei mir - aber ohnehin alle anderen Craig-Bonds. Der Film ist einfach rundherum gelungen, aus einem Guß und hat eine bisher unerreichte inhaltliche und handwerkliche Klasse. Hier stimmt quasi alles. Außerdem hat Casino Royale das wohl vielseitigste Ensemble der ganzen Franchise-Historie vorzuweisen. Selbst Nebenrollen (Jeffrey Wright, Giancarlo Giannini, Isaach De Bankolé, Catarina Murino, Simon Abkarian, Clemens Schick, Richard Sammel, Ludger Pistor & Jesper Christensen) sind hier so top besetzt wie selten. Und bei aller Klasse hat der Film auch eine frische Aufbruchstimmung, an die die drei Nachfolger immer weniger anküpfen konnten.


    Quantum of Solace kann immerhin mit seiner ungewöhnlichen Struktur und Inszenierung glänzen und Skyfall mit einer geschlossenen Story von fast shakespearscher Dramatik auftrumpfen. Spectre hat weniger das eine, noch das andere und rettet sich letztendlich damit, alle Vorgänger zu vereinnahmen und so wenigstens als epische Auflösung aller vorherigen Handlungsstränge fungieren zu können. Und nur so funktioniert der Film, denn ohne die Craig-Streifen Nummer 1 bis 3 wäre er nichts weiter als ein völlig durchschnittlicher Bondfilm, der die Versatzstücke der Franchise-Geschichte nach Schema F variiert. Selbiges haben auch die Brosnan- und späten Moore-Filme mehr oder minder kreativ getan. Der Unterschied ist, dass diese Filme mittlerweile einen Altersbonus haben, weswegen ich sie fast alle durch die Bank Spectre gegenüber vorziehe.


    Allerdings steht bei mir demnächst die Heimpremiere des Films ins Haus. Vielleicht kann er ja in meiner Gunst steigen?

  • ein völlig durchschnittlicher Bondfilm, der die Versatzstücke der Franchise-Geschichte nach Schema F variiert


    Es gäbe Schlimmeres.


    Mir stellt sich halt die Frage, inwieweit ein Bondfilm denn jedesmal zwingend eine ganz neue Facette zeigen soll.
    Mir genügt es, wenn ein Bondfilm als solcher gut gemacht ist. Und das ist SPECTRE. Er unterhält zumindest mich bestens.

  • Das sehe ich zwar einerseits wie Du, Kronsteen, auf der anderen Seite stellt sich dann aber auch die Frage, ob eine Serie von weit über 20 Werken einen Gesamtsinn ergibt, wenn nicht regelmäßig neue Akzente gesetzt werden - und das muss ich Spectre leider abziehen, insbesondere im Hinblick auf diese eigentlich recht interessante Bond-Ära.

  • Mir stellt sich halt die Frage, inwieweit ein Bondfilm denn jedesmal zwingend eine ganz neue Facette zeigen soll.
    Mir genügt es, wenn ein Bondfilm als solcher gut gemacht ist.


    Es kommt natürlich darauf an, welche Erwartungshaltung man hat, keine Frage. Aber Craig hat mit seiner Ära die Messlatte auch recht hoch gelegt. Und ich will in jedem Bondfilm eine neue Facette gezeigt bekommen. Und jetzt stellt sich die Frage, wie definiert man "neue Facette"? Für mich muss das nicht zwingend ein Stilbruch, eine außergewöhnliche Inszenierung oder eine völlig neuartige Storyline sein. Ich will nur etwas Neues im alten Rahmen geboten bekommen. Genau das ist es, was die Bondfilme, ihre Struktur und Tradition doch so reizvoll macht. Dabei läuft man aber häufig Gefahr den Rahmen zu eng zu fassen, sich gar zu sehr zu wiederholen bzw. möglicherweise unbewusst alte Ideen nur schnöde zu recyclen. Das wird mir dann zuviel. Ein positives Beispiel: You Only Live Twice erfindet sicher nicht die Bondwelt neu, aber er ist doch im Vergleich zum Vorgänger unabhängig genug (vor allem in der Verbindung von Story und Locations), um als eigenständiger Film zu gelten. Spectre ist selbst das nicht. Und meiner Meinung nach liegt das daran, dass exakt das gleiche Kreativteam am Werk war. Beim Drehbuch fällt Purvis & Wade, Logan und Butterworth nichts Neues mehr ein und Mendes inszenatorisch auch nicht viel mehr.


    Mein Problem ist also weniger, dass dem Film der frische Input von Casino Royale oder die genannten Merkmale von Quantum of Solace und Skyfall fehlen, sondern dass er kaum Eigenständigkeit besitzt. Er ist - die inhaltichen Verknüpfungen mal außen vor gelassen - in jeder Hinsicht ein Quasi-Remake des Vorgängers. Und das fand ich schon zu Moores Zeiten bei dem Duo The Spy Who Loved Me & Moonraker nicht gerade toll. Dass man uns das aber auch heute noch in einer Ära auftischt, die für sich beanspruchen kann, frischen Wind in das Franchise gebracht zu haben, finde ich bedenklich. Ein paar Beispiele: Wieder versiebt Bond in der Pretitlesequenz einen Auftrag in einer südländischen Metropole, wieder kämpft der MI-6 mit politischen Kräften, wieder ein politischer Quertreiber für den jeweils aktuellen M (Mallory=Denbigh), wieder hat Bond es mit einer mysteriösen Schönen im goldenen Käfig zu tun, die vor dem Bösen zittert (Lucia=Severine), wieder Cyberterrorismus, wieder stellt Bond den Gegner vor dem eigentlichen Finale in seinem Hideout, wieder ein (Semi-)finale in London, wieder ein Bösewicht, der Bond am Ende mit Helikopter angreift, der dann filmreif geschrottet werden darf. Das sind nur die Dinge, die mir spontan einfallen.


    Am schlimmsten ist allerdings Oberhauser, der eigentlich Blofeld sein soll, aber tatsächlich ein völliger Silva-Klon ist:


    - beide Cyberterroristen, mit hochtechnisierten, abgelegenen Hideouts
    - beide mit straffer Organisation im Rücken
    - beide mit stummem Handlanger (Patrice=Hinx)
    - beide haben den MI-6 infiltriert (Silva technisch; Oberhauser personell)
    - beide stürzen den Geheimdienst so in eine (Daseins-)Krise
    - beide mit Bruderkomplex zu Bond
    - beide sehen in Bond einen Konkurrenten um Anerkennung
    - beide mit Mutter/Vater-Komplex (M=Oberhauser Sr.)
    - beide Pyschopathen, wegen nicht verwundener Traumata mit einer Hauptfigur (M=Bond)
    - bei beiden mündet ihr Hass in den Aufbau einer kriminellen Truppe
    - beide von Rache getrieben (M=Bond)
    - bei beiden drängt das Rachethema den eigentlichen Plot (Agentenliste=Überwachungsprogramm) in den Hintergrund
    - beide benutzen einen Decknamen
    - beide gelten als tot
    - beide mit physischer Verletzung im Gesicht ("Sieh an, was du geschaffen hast...")
    - beide liefern sich mit Bond eine Verfolgungsjagd in London
    - beide benutzen/zerstören das MI-6-Hauptquartier symbolhaft
    - für beide spielt die MI-6-Gedächtnis-Wand eine Rolle (Silva steht drauf=Oberhauser lässt Bond ergänzen)
    - beide greifen Bond am Ende direkt per Helikopter an
    - beide wollen am Ende vom Gegner den Gnadenstoß per Kopfschuss (M=Bond)


    Das wird mir in der Summe dann doch zuviel. Aber ich bin nun auf die erste Heimsichtung gespannt. Vielleicht ändert sich die Einschätzung ja noch signifikant. Der Kinobesuch ist ja fast schon ein halbes Jahr her...

  • Na und?


    Die Bond Filme haben sich doch schon immer selber bis zur Besinnungslosigkeit kopiert. Das ließe sich auch mehr oder weniger bei fast jedem Franchise feststellen, und da liegt doch für Viele auch der Reiz, nämlich die Variation bereits bekannter Themen und Motive.
    Remakes sind aber weder MR noch SP, auch keine Quasi Remakes. Sondern Filme die bestimmte Elemente halt wieder verwenden, man könnte da auch positiv einen Director's Touch drin wiederfinden. Filme von z.B. Hawks ähneln sich auch oft in der Struktur und von ihren Charakteren her

  • @ Maibaum


    Okay, Quasi-Remake war vielleicht ein bisschen böse, aber man merkt hier wirklich deutlich, dass exakt die gleichen Leute hinter den Kulissen gewirkt haben. Wobei Mendes als Regisseur noch den besten Job macht. Das Drehbuch ist jedoch wenig geradlinig und macht die Geschichte doch zu einem etwas langgezogenen Brei. Da fehlt Struktur und vor allem Feinarbeit. Da hätte man noch ordentlich dran arbeiten müssen.


    @ Django


    Wobei mich am meisten an Oberhauser stört, dass er behauptet Blofeld zu sein. Wäre er einfach nur Oberhauser mit dem gleichen Komplex wäre es doch okay und wäre Spectre einfach nur Quantum ebenso. Dann hätte man sogar etwas Neues geschaffen. Aber nein, man biegt es zwanghaft zurück in Richtung Tradition. Spectre muss zurück, weil man ja die (Daten-)Krake braucht. Aber Blofeld? Ich weiß nicht. Vor ein paar Jahren haben wir hier mal diskutiert, wie Blofeld modernisiert funktionieren könnte. Da waren sich qausi alle einig: Keine Katze, keine Narbe, kein Mao-Anzug, keine Versammlungen, kein absurdes Kraterversteck mehr und bitte ja nicht mit einem plumpen "Mein Name ist..." ala Star Trek: Into Darkness. Und was haben die Macher getan? Ein Neo-Blofeld mit falscher Identität, mit Katze, Narbe, Mao-Anzug, der Versammlungen abhält, in einem Kraterversteck haust und mal eben bekennt, dass er jetzt Ernst Stavro Blofeld heißt. Kreativ ist das nicht unbedingt, aber es findet anscheinend Zustimmung. Ich hätte mir da mehr Raffinese gewünscht.

  • Ich finde halt, dass vieles, das SP nun vorgeworfen wird, bereits mit dem von vielen hochgelobten SF begonnen hat. SP führt einfach den Weg fort, der mit SF begonnen wurde. Somit ist für mich SF der "Übeltäter". Und obwohl SP alles Andere als perfekt ist, finde ich ihn insgesamt stimmiger und unterhaltsamer als SF. Dies vor allem, weil dieser ganze Pseudo-Psychokram weitgehend weggelassen wurde...

  • Ich sehe das weitgehend anders. Und möchte es am Beispiel Q festmachen. Nicht nur war die erste Begegnung mit Q in SF ein Dialog-Juwel für sich, das in Spectre seinesgleichen sucht. Viel wichtiger war, dass hier die Symbiose zwischen althergebrachten Bond-Traditionen (der Rolle des Q) und neuen Wegen gelang. Q ja, explodierende Kugelschreiber nein. Spectre geht den Weg zurück. Jetzt sind wir wieder bei explodierenden Uhren angelangt, und Q steht in seiner Werkstatt und bastelt vor sich hin. All das, was SF noch versprach, kann Spectre nicht mehr einlösen.

  • Viel wichtiger war, dass hier die Symbiose zwischen althergebrachten Bond-Traditionen (der Rolle des Q) und neuen Wegen gelang. Q ja, explodierende Kugelschreiber nein.


    Und genau das hat m.E. in SF nicht funktioniert. Q (wie auch Moneypenny) stellt einen Anachronismus dar (die Figur des Q ist ja im Grunde genommen noch weit unrealistischer als die Figur des Bond) und kann daher nur als "klassisch" überdrehte Interpretation funktionieren mit abstrusen Gadgets und dem ganzen Drumunddran. Ansonsten braucht es keinen Q (was in CR und QOS ja bestens funktioniert hat).

  • Ich sehe das ähnlich wie Django.
    Erstmal finde ich, dass Q einfach zu einem Bondfilm dazugehört, von daher habe ich die Rückkehr der Figur in SF auch sehr begrüßt (genau wie Moneypenny übrigens). Mal ganz abgesehen davon, dass ich seine Einführungsszene genau so liebe wie ollistone. Und für einen eigenständigen Film funktioniert die Figur sehr gut, meinetwegen sogar besser als der (wieder) klassische(re) Q in SP. Aber mal ganz ehrlich, wollen wir auf Dauer einen Q haben, der Bond in jedem Film dasselbe Gadget gibt? Welche realistischen Technologien wären denn noch groß möglich? In meinen Augen haben wir entweder einen realistischeren Q ohne richtige Aufgabe, der auf Dauer langweilig wird, oder einen abgehobeneren, der gut funktioniert, für den man aber Abstriche beim Realismus machen muss.
    Auf Dauer kann ich persönlich mit letzterem besser leben. Zumal ich die neuere Version von Q, die den Spagat zwischen dem klassischen und dem Craigschen "Realismus" versucht (eine explodierende Uhr ist ja immerhin auch kein unsichtbares Auto), sehr gut finde, genau wie die neue Moneypenny, die Bond auch mal auf sympathische Art ernsthaft Paroli bietet statt ihn nur anzuschmachten oder grundlos anzuzicken.

  • (die Figur des Q ist ja im Grunde genommen noch weit unrealistischer als die Figur des Bond)


    Eigentlich ist es genau umgekehrt. Es gab und gibt Agentenausrüster und Agentengadgets. Für Q gab es ja sogar zwei, drei Personen als direkte Vorbilder. Von daher ist ein nerdiger Superausrüster viel realistischer als ein Playboy-Top-Agent, der in Supermann-Manier die Welt rettet. Darum fände ich es auch wirklich anachronistisch, wenn Q wie früher nur in seiner Werkstatt sitzen würde. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Nicht umsonst hat man aus Q in der Neuinterpretation ein Computergenie gemacht. Von daher würde ich die Zukunft von Q in beidem sehen: Gadgets für den Einsatz & Unterstützung bei Cyberbedrohungen bzw. Countdowns.


    Mein Problem mit dem neuen MI-6-Team ist eher, dass die in Spectre allesamt nicht mehr mit Bond auf Augenhöhe sind. Bond kommandiert da plötzlich die vorher so resoluten Q & Moneypenny wie Schuljungen durch die Gegend, um allerlei Aufgaben für ihn zu erledigen. Moneypenny: "Aber klar, James."; Q: "Ich riskier ja nur meine Rente. Was soll`s.". Selbst M wirkt über weite Strecken nicht einmal mit Bond auf Augenhöhe, von dem halbgaren "Ich suspendiere Sie." mal abgesehen. Aber selbst das nimmt Bond auf, als würde er seinen Chef nicht für voll nehmen. Fiennes, Harris & Whishaw sind irgendwie nur ein Schatten ihrer selbst. Am deutlichsten wird das wirklich bei M, der die ganze Zeit - obwohl storytechnisch noch frisch im Job - so unmotiviert und teilnahmslos wirkt. Erst defensiv vor C, dann gelangweilt auf der Nationenversammlung, dann verbittert im Cafe, dann später wie eine Salzsäule auf der Brücke, wenn Bond Blofeld stellt. Da hatten Mendes und seine Autoren kein so gutes Gespür für eine wirklich gelungene Interaktion der MI-6-Charaktere.

  • Ich finde halt, dass vieles, das SP nun vorgeworfen wird, bereits mit dem von vielen hochgelobten SF begonnen hat. SP führt einfach den Weg fort, der mit SF begonnen wurde. Somit ist für mich SF der "Übeltäter". Und obwohl SP alles Andere als perfekt ist, finde ich ihn insgesamt stimmiger und unterhaltsamer als SF. Dies vor allem, weil dieser ganze Pseudo-Psychokram weitgehend weggelassen wurde...

    Diesen Standpunkt kann ich nun gar nicht nachvollziehen. Die Probleme von SP - platte, redundante Dialoge, eine ziellose, unausgegorene Story, den Subtext vor sich her tragende Schauspieler, etc. - sehe ich in SF gerade nicht. Im Gegenteil, hätte SP wirklich den Geist seines Vorgänger konsequent fortgesetzt, würde er mir wesentlich besser gefallen. Sicher hat auch SF viele Schwächen, aber wenigstens sind das größtenteils gewollte Ecken und Kanten, während die Schwächen von SP eher unfreiwillige sind. In dieser gewollten Größe, die aber letztlich das Gespür vermissen lässt, was storytechnisch im Bonduniversum gerade noch möglich und spaßig ist, und der etwas zu bemüht wirkenden Beschwörung der glorreichen Vergangenheit ähnelt SP eher DAD. Beide wirken ein bisschen wie der kreative Winterschlussverkauf einer Ära.


    Wobei mich am meisten an Oberhauser stört, dass er behauptet Blofeld zu sein. Wäre er einfach nur Oberhauser mit dem gleichen Komplex wäre es doch okay und wäre Spectre einfach nur Quantum ebenso. Dann hätte man sogar etwas Neues geschaffen. Aber nein, man biegt es zwanghaft zurück in Richtung Tradition. Spectre muss zurück, weil man ja die (Daten-)Krake braucht. Aber Blofeld? Ich weiß nicht. Vor ein paar Jahren haben wir hier mal diskutiert, wie Blofeld modernisiert funktionieren könnte. Da waren sich qausi alle einig: Keine Katze, keine Narbe, kein Mao-Anzug, keine Versammlungen, kein absurdes Kraterversteck mehr und bitte ja nicht mit einem plumpen "Mein Name ist..." ala Star Trek: Into Darkness. Und was haben die Macher getan? Ein Neo-Blofeld mit falscher Identität, mit Katze, Narbe, Mao-Anzug, der Versammlungen abhält, in einem Kraterversteck haust und mal eben bekennt, dass er jetzt Ernst Stavro Blofeld heißt. Kreativ ist das nicht unbedingt, aber es findet anscheinend Zustimmung. Ich hätte mir da mehr Raffinese gewünscht.

    Ja, das verstehe ich auch nicht so recht.

  • Um es in eine ein Gesamtresümee darstellende Kurzformulierung zu weben:
    Für mich sitzt Spectre bedauerlicherweise ganz klar in einem Boot mit GE und DAD, das was man mit Craig zuvor hat aufbauen können, gibt sich nun einem äußerst großen Rückschritt hin. Ich würde es u.a. mit den Dialogen begründen, halte mich bezüglich dieser Aussage aber fortan zurück, da dieser Punkt zur Genüge ausdiskutiert sein dürfte. SF hat Schwächen, aber ihn als die Wurzel allen Spectre'schen Übels darzustellen, entzieht sich dann doch meiner Wahrnehmung. Für mich hat SF ja durch Spectre sogar erstmals erheblich an Qualität gewonnen, da ich nun endlich über ein Bewusstsein dafür verfüge, wie 'respektvoll' SF mit seinen Figuren umgeht, wo hingegen Spectre flapsiger kaum sein könnte. Als ob es Bond tatsächlich mitnichten tangieren würde, was um ihn herum so alles geschieht und ihn vor allen Dingen auch persönlich betrifft. Die Beziehung, welche sich zwischen der Psychologin und ihm entspannt, wurde derart oberflächlich beleuchtet, dass Seydoux gänzlich hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt.

  • Gefallen lassen muss sich SF diesen Vergleich aber leider dennoch, denn Medien und Menschen neigen eben dazu miteinander verglichen zu werden, was ich persönlich eigentlich nicht sonderlich begrüße. Außerdem haben ja die Macher selbst SF sozusagen zur Messlatte erhoben. "Er muss besser werden als Skyfall." "Wir haben mit Skyfall etwas begonnen, was nun weitergeführt werden soll." "Es stellte sich die Frage wie wir Skyfall übertreffen und das wird Spectre sein." Große Worte wie diese ziehen eben in der Konsequenz Vergleiche nach sich. Im Übrigen erhebt Spectre diesen Anspruch ja unverschämterweise selbst im eigentlichen Film deutlich, da die drei Ausgangswerke dieser Ära hier eine Art Einheit bilden, die gewissermaßen von Oberhauser regiert wird, was wie ich finde relativ absurd ist...

  • In dieser gewollten Größe, die aber letztlich das Gespür vermissen lässt, was storytechnisch im Bonduniversum gerade noch möglich und spaßig ist, und der etwas zu bemüht wirkenden Beschwörung der glorreichen Vergangenheit ähnelt SP eher DAD. Beide wirken ein bisschen wie der kreative Winterschlussverkauf einer Ära.


    Das ist wirklich interessant. Diese Parallelen zwischen Die Another Day und Spectre sind mir auch schon aufgefallen. Leider konnte ich sie in meinem Review nicht mehr unterbringen. Meine These ist hier, dass Neal Purvis & Robert Wade die dominanten Autoren hinter beiden Filmen waren. John Logan war bei Spectre irgendwann komplett raus und Jez Butterworth war wohl mehr der Script-Doctor, der mal schnell Logiklöcher stopfen und das Finale hastig umschreiben sollte. Die Hauptarbeit hat demnach das Veteranen-Duo geleistet. Das erklärt auch einerseits die teils hölzernen und schwachen Dialoge (typische Purvis & Wade-Schwäche) und andererseits die vielen wiederkehrenden Elemente:


    - in beiden Filmen wird Bond Folter ausgesetzt, um ihn physisch und psychisch zu brechen, und er bleibt jeweils Herr seiner Sinne, um dann im Nachgang auf spektakuläre Weise zu fliehen
    - in beiden Filmen bringt ein besonderes Schmuckstück mit charakteristischer Gravur (hier der Graves-Diamant/dort der goldene Spectre-Ring), das Bond während eines Kampfes einem Handlanger abnimmt, auf die Spur des Schurken
    - in beiden Filmen wird Bond suspendiert bzw. freigestellt und ermittelt auf eigene Faust, da Bond und M kein Vertrauen in dieser Sache zueinander haben
    - jeweils ignoriert Bond Ms Befehle und setzt sich eigenmächtig ab
    - in beiden Filmen verbündet sich Bond mit einem früheren Gegner (Chang/White), der ihm den Aufenthaltsort einer Zielperson verrät
    - in beiden Filmen ermittelt Bond in einer abgelegenen Klinik, um die Zielperson (Zao/Swann) zu finden, was durch das Auftauchen einer weiteren Partei (Jinx/Hinx :huh: ), die diese liquidieren will, torpediert wird
    - in beiden Fällen findet Bond durch Zufall einen Geheimgang (hier den Geheimbereich der Klinik/ dort Mr. Whites Kommandozentrale)
    - in beiden Filmen gibt es eine übertriebene „Gaga“-Actionsequenz in Eis und Schnee
    - in beiden Filmen bekommt Bond von Q einen brandneuen, silbernen Aston Martin mit dessen Extras er sich nicht vertraut gemacht hat
    - in beiden Filmen wird Bond von den Gegnern entdeckt und liefert sich auf der Flucht eine Autoverfolgungsjagd mit dem Haupthandlanger des Schurken
    - in beiden Filmen gibt es einen verblendeten Verräter in den eigenen Reihen (Frost/Denbigh), der von einem von Bonds Verbündeten (Jinx/M) in einem Kampf getötet und dann als bedauerliches, vermeidbares Opfer betrachtet wird
    - in beiden Filmen hat M einen anderen Geheimdienstleiter (Falco/Denbigh) als politischen Gegner, der Bond kritisch beäugt und M im Laufe der Handlung vorhält, was Bond da auf eigene Faust veranstaltet
    - in beiden Filmen hat der Schurke großen politischen Einfluss in Großbritannien
    - in beiden Filmen trifft sich Bond deshalb mit M und seinen Kollegen in einem Geheimversteck in der Londoner City, um die weiteren Schritte zu planen und M freut sich Bond wiederzusehen
    - in beiden Filmen kämpft Bond zusammen mit dem Girl gegen einen wortkargen Grobian (Mr. Kil/Hinx), der 007 körperlich überlegen ist und der dank der Hilfe des Girls einen spektakulären Abgang hinlegt
    - in beiden Filmen muss Bond unter Zeitdruck das Girl aus einem rasch einstürzenden Gebäude retten, das der Schurke zum Einsturz bringt
    - in beiden Filmen gibt es einen Schurken mit doppelter Identität, der ein Spiegelbild für Bond darstellt (Graves hat sich nach Bond gestaltet, Oberhauser ist sein missratener Stiefbruder) und der Bond vorhält, dass er blind durch die Gegend läuft und nicht sieht, was um ihn herum geschieht
    - beide Schurken sehen sich als Verkörperung von Himmelsobjekten bzw. Naturkräften (Graves als Ikarus, Sohn der Sonne/ Oberhauser als zerstörerischer, unaufhaltsamer Meteor) und demonstrieren stolz ihren Satelliten/Meteoriten
    - in beiden Filmen hat Bond dem Schurken vorher Schmerzen zugefügt und fragt ihn anschließend, ob es schmerzhaft war
    - in beiden Fällen hat der Schurke einen Vaterkomplex und deshalb seinen Vater getötet
    - in beiden Fällen steht das imposante Hideout in einer extremen Klimazone und wird vor dem eigentlichen Finale zerstört
    - vor dem Finale kommt es in beiden Fällen zu einer Lagebesprechung zwischen Bond, M und dem Bondgirl unmittelbar vor Ort
    - in beiden Filmen will sich der Schurke das von ihm angerichtete Spektakel aus der Luft ansehen und Bond bringt jeweils sein Fluggerät zum Absturz

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