Danke für den Tipp, Django! Ich hatte tatsächlich ein bisschen geschwankt, ihn mir anzusehen, da einige Kritiken eher durchwachsen waren und ich Miss Waller-Bridge schon im Trailer nicht wirklich prickelnd fand.
"Indiana Jones und das Rad des Schicksals" ist auf jeden Fall nicht der Franchise-Gau, den viele aufgrund diverser Gerüchte um die Dreharbeiten und desaströse Testvorführungen erwarteten. Ob diese Gerüchte komplett falsch waren oder man auch nur etwas am Drehbuch herumgeschraubt hat, kann ich gar nicht mal genau sagen. Letzteres würde mich auf jeden Fall nicht wundern. Als positiv empfand ich auf jeden Fall Effekte, Produktionsdesign und die Actionszenen, die hochwertiger wirken als die vom Kristallschädel. Vor allem die gesamte Eingangssequenz ist wunderbares Indiana-Jones-Kino auf gewohntem Niveau. Das allein war mir schon den Eintritt wert. Das De-Aging ist hier - im Vergleich zu früheren Filmen wie 'The Irsishman' - schon verblüffend. Auch die schon im Trailer angedeutete Actionsequenz während einer Parade ist sehenswert. Insgesamt ein gutes Filmerlebnis.
Insgesamt habe ich aber auch zwei größere Kritikpunkte. (Ich versuche, spoilerfrei zu schreiben, kann es aber nicht ganz garantieren.) Der eine ist der, den Du auch angesprochen hast. Der archäologische Aufhänger wirkt hier für mich schon etwas arg strapaziert. Ob er zu den früheren Sachen passt, die teils auch schon sehr extravagant wirkten, ist wohl eine sehr subjektive Sache. Die entscheidende Frage ist für mich aber nicht unbedingt, ob man mit diesem Fass, das man da aufmacht, mitgehen kann, sondern, warum man dieses Fass überhaupt aufmacht. Man kann die Aufhänger von Film 1 und 3 übertrieben finden, aber die gezeigten Mysterien hatten eine dramaturgische Funktion und eine Weiterentwicklung der Charaktere erzwungen. Bei "Rad des Schicksals" ist mir dagegen nicht wirklich klar, ob es für die Handlung wirklich exakt dieses Spektakel gebraucht hätte, das man da sieht, oder ob es etwas weniger extravagantes nicht auch getan hätte. Das ist ein bisschen wie bei DAD. Hätte die Virtual Reality und andere Dinge eine echte Funktion und einen Mehrwert für die Handlung gehabt, hätten wohl auch weniger damit ein Problem gehabt. (Das ist übrigens auch der Grund, warum ich mir vorstellen kann, dass der titelgebende Story-Device in der ursprünglichen Fassung eben diese Funktion hatte, das aber durch die ersten Zuschauerreaktionen abgeändert wurde.)
Der zweite Kritikpunkt betrifft nicht nur die Funktion des postulierten Phänomens im Film, sondern des ganzen Films an sich ein bisschen. Was würde dem Indiana-Jones-Universum fehlen, wenn es ihn nicht gegeben hätte? Ehrlich gesagt erschließt sich das für mich nicht hundertprozentig. Es ist nicht so, dass ich keinen neuen Indy-Film sehen will, aber nach der langen Zeit fragt man sich das ja schon. Man kann den vierten Teil für vieles zu Recht kritisieren. Aber eine Sache machte er doch gut, und das war den Helden in eine befriedigende Zukunft zu entlassen. Er hatte seine erste große Liebe geheiratet, einen potentiellen Nachfolger, stand trotz fortgeschrittenem Alter noch gut im Saft und hat sicherlich noch das eine oder andere Abenteuer erlebt. Was genau war daran unbefriedigend? Das ist für mich ähnlich wie bei SP. Das war zwar im Endeffekt kein besonders guter Film, aber wenigstens hat er ebenfalls dem Helden ein gutes Ende gegönnt. Bond hatte seinen Frieden mit Bro'feld und damit auch mit Quantum und Vesper gemacht, und hatte endlich mal ein Happy End mit Girl, war also genau da angekommen, wo seine Reise zu dem James Bond ursprünglich mal hinwollte.
Ab hier vielleicht der Einfachheit halber doch mit richtigen SPOILER.
Obwohl er wesentlich genießbarer und runder als NTTD ist, macht der Film doch recht ähnliche Fehler. Vor allem kann er aus meiner Sicht nicht hinreichend begründen, warum es ihn geben musste. Man kann zum Beispiel Mutt in Kristallschädel als nervigen und unbefriedigenden Sidekick empfinden, und ich bin auch kein großer Fan von Mr. LeBeouf. (Obwohl ich ihm trotzdem immer wieder eine Chance geben würde.) Aber welchen Mehrwert hat es jetzt genau, dass er tot ist und an seine Stelle eine (zumindest für mich) mindestens genauso nervige Dame tritt? Eigentlich empfinde ich Mrs. Waller-Bridge sogar als noch zeitgeistmäßig gewollter und für einen Indy-Film unpassender. Man macht das Happy End des Vorgängers kaputt, letztlich für nichts. Wenn ich ganz ehrlich bin, hätte ich den Film, den Lucas ursprünglich gewollt hat - mit Ford in der Vaterrolle á la Sean Connery - vielleicht sogar besser gefunden. Man verbiegt Indiana Jones als Menschen nicht mit dem Holzhammer, wie man es bei Bond leider gemacht hat, trotzdem muss ich sagen, dass ich dieses abschließende Kapitel nicht unbedingt gebraucht hätte.
Da sehe ich mich grundsätzlich etwas im Konflikt mit meinem Umfeld. Ich bin aufgewachsen unter anderem mit den Star-Trek-Filmen um Kirk und den Roger-Moore-Bonds. Bei beiden gab es immer und reichlich Häme um deren Alter. "Rentner-Ausflug ins All", "0070", etc. pp. Da ich die Filme geliebt habe und immer noch liebe, ging mir diese Häme schon immer auf den Zeiger. Jetzt werden Schauspieler gefeiert, die noch weit jenseits dieses Alters sind, und jede Kritik an diesem Alter gilt plötzlich als "Hate" oder "Ageism". (Was seltsamerweise aber nie rückwirkend für Roger und Co. gilt...) Da muss ein greiser Picard zurückkehren, und benimmt sich dann auch voll und ganz wie ein Klischee-Greis (ich beziehe mich nur auf die 1. Staffel Picard, den Rest habe ich mir geschenkt), und ein 80jähriger (!) Indiana Jones gilt plötzlich als unantastbar. Irgendwie verkehrte Welt. Ich hab kein Problem mit Actionhelden Ende 50 oder auch Anfang 60, aber 80 finde ich irgendwie dann doch ein sehr gewagtes Alter. Klar ist Alter und Tod ein Teil des Lebens, aber es ist für mich nicht automatisch auch Teil des Kinos, zumindest nicht für eine bestimmte Art Film. Ich halte es da mit Hitchcock: "Das Kino ist kein Stück Leben, sondern ein Stück Kuchen." Oder: "Drama is life with the dull bits left out." Vielleicht bin ich da altmodisch und konservativ, aber ich bevorzuge es einfach, gewisse Dinge und Menschen lieber in ihrer besten Zeit in Erinnerung zu behalten. Obwohl ich beispielsweise Phil Collins sehr mag - oder eher weil ich ihn mag - möchte ich ihn nicht abgemagert und traurig in Jogginghose auf der Bühne sitzen sehen, sondern ihn lieber kraftvoll und cool am Mikro oder am Schlagzeug in Erinnerung behalten. Ich denke, das hat auch etwas mit Würde zu tun. Genauso wenig muss ich unbedingt sehen, wie Indiana Jones als alter Mann mit Rheuma wach wird, oder wie James Bond auf dem Klo sitzt oder irgendwann den Löffel abgibt. Irgendwie wird Liebe zu bestimmten Charakteren und Menschen heutzutage aber unbedingt damit gleichgesetzt, sie in allen Lebenslagen und Situationen abbilden zu müssen.
Aber das klingt jetzt vielleicht negativer als es ist, denn der Film ist da schon sehr behutsam. Trotzdem war es aber manchmal grenzwertig, etwa wenn Waller-Bridge Indy am Ende k.o. schlagen muss, um ihn nachhause zu befördern. Das ist etwas, was Draco mit Tracy macht, und in dieser Umkehrung, vor allem durch eine nicht sonderlich kräftig wirkende Dame, schon etwas strange. In der zweiten Filmhälfte wirkt Indy auch sonst eher müde und passiv. Was ich mir ebenfalls gewünscht hätte, wenn man schon Indy gegen Ende seines Lebens zeigt, wäre gewesen, wie ihn als Menschen all die wundersamen Dinge berührt und verändert haben, die ihm widerfahren sind. Immerhin hat er zweimal sehr intensiv die Macht Gottes erleben dürfen, und auch sonst zahlreiche übernatürliche Dinge erlebt, die ihn verschont und andere gestraft haben. Ein Bruchteil davon hätte bei vielen Menschen das Leben völlig verändert. An Indy scheint es aber letzten Endes eher abzuprallen und an seiner grundsätzlichen Lebenseinstellung nicht viel geändert zu haben. Letztlich plagen ihn dieselben alltäglichen Dinge wie jeden anderen in dem Alter. Passend dazu hat der Plot eigentlich auch keine wirklich übernatürliche und mythische Komponente mehr. Genaugenommen negiert der Film sogar etwas das Konzept des Übernatürlichen und Religiösen in den früheren Filmen, indem sich das anfangs gezeigte Relikt der heiligen Lanze als Fälschung entpuppt, und das echte Relikt dann rein mathematisch funktioniert. Das finde ich irgendwie sehr schade, denn der Subtext des ersten Films war immerhin, wie ein nüchtern und rational denkender Wissenschaftler Respekt vor Dingen gewinnt, die außerhalb seines Verständnisses sind. Bei dem Bohei, den man in Hollywood mittlerweile um "Charakterentwicklung", "Heldenreise", etc. macht, finde ich es immer ziemlich paradox, wie oft man sie in Fortsetzungen völlig ignoriert. Ein Musterbeispiel ist da ja gerade NTTD, der nach all dem Charakterkult Craig die emotionale Reife eines Zehnjährigen zugesteht.