Und hier meine fünf Cent: Ich fand ihn gar nicht so schlecht!
Spoiler-Warnung vorneweg, wer ihn noch nicht gesehen hat, sollte jetzt nicht weiterlesen. Die Spoiler-Funktion ist mir zu anstrengend und unpraktisch, und am Tag 3 des Filmstarts kann man doch mal frei über alles reden, oder?
Und noch ein Gruß an den neuen User RalphFiennes, der mir freundlicherweise schon am Donnerstag eine PN schickte mit dem Inhalt: „Bond stirbt! Leiter stirbt!“
Du Wichser!!!
So, dann zum Film: Ich möchte erstmal die vielen diskussionswürdigen Entscheidungen ausklammern. Komme ich später zu. NTTD ist ein durchschnittlich guter, solider Bond-Film, der sich zwar hinter CR, QOS und SF einreihen muss, aber nach meinem Geschmack deutlich besser funktioniert als SP, dessen zahllose Facepalm-Momente mir diesmal im Wesentlichen erspart blieben.
Wir haben auf der Plus-Seite einen veritablen Schurken mit einem sehr anständigen Masterplan, den man im Einzelnen diskutieren kann (wer da jetzt im Einzelnen getötet werden soll, ist mir auch unklar), grandiose Drehorte, eine herrliche Villain-Bastion, tolle Musik, gute Henchmen, und unterm Strich nicht nur einen letzten Craig-Bond-Beitrag, sondern den Abschluss einer Ära, ein Zusammenführen loser Enden, gewissermaßen einen Schlussstrich.
Was wir nicht haben, sind außergewöhnliche Stunts (die die Rekord-Kosten vielleicht gerechtfertigt hätten), Gadgets bis auf die ewige Uhr, und eine so exquisite Kameraarbeit, wie sie insbesondere CR und SF geboten hatten. Bilder wie den Kampf gegen Patrice oder die Tosca-Szene sucht man hier vergebens. Schade! Von der ästhetischen Seite her enttäuschend, vieles ist blass und einfach nicht gut von der Kamera eingefangen, zum Beispiel die Szenen in M’s Büro. Außerdem „glänzt“ NTTD mit dem zweiten unterirdischen Titellied in Folge. Ein paar gelungene Lacher mehr hätten dem Film ebenfalls nicht schlecht getan.
Die PTS in Matera ist hervorragend, wobei ich einschränkend sagen muss, dass ich die Rückblende (gab es sowas schon mal im Bond-Universum?) als relativ unbondig empfand – allerdings auch sehr spannend und sogar unheimlich, wie später auch die Jagd im norwegischen Nebelwald: ein Novum im Franchise.
Der Überfall auf das Bio-Labor war gut gemacht, auch den russischen Wissenschaftler fand ich keineswegs schlecht, und schon gar nicht habe ich hier einen zweite Boris gesehen.
Jamaica und Kuba funktionieren sehr gut, schön, dass Leiter mal wieder einen längeren Auftritt hatte – sein Tod war allerdings dramaturgisch nicht wirklich zwingend. Die Rolle von Ana de Armas hat mir richtig gut gefallen, die war drollig, das war sehr schön herausgearbeitet. Einige der wenigen Lacher gingen auf ihr Konto. Nomi fand ich dagegen überflüssig wie ein Kropf, in jeder Hinsicht. Wäre sie doch wenigstens mit James im Bett gelandet, dann hätte ihre Rolle ja noch Sinn gemacht. Der Sex-Aspekt kam mir hier deutlich zu kurz. Die #metoo-Fraktion mag entzückt darüber sein, dass Bond vorher die Erlaubnis braucht, um seinen Arm um Nomis Hüften zu legen, andere Zeiten und so, mir ist ein Womanizer-Bond dennoch deutlich lieber. Es müssen ja nicht immer die „Ach, James“-hauchenden Damen sein. Aber mit gar keiner im Bett zu landen?
Die Norwegen-Sequenz fand ich weder verschenkt noch uninspiriert, sie ist aber sicherlich auch keine herausragende Szene im Bond-Kanon. Als obligatorische Autoverfolgung funktioniert sie.
Safins Insel kann es dagegen mit den großen Hideouts der Reihe locker aufnehmen. Atemberaubende Bauten. Man hätte sich hier vielleicht ein etwas geistreicheres Finale gewünscht als nur eine Ballerei und die kurze Hinrichtung Safins. Dennoch eine Schluss-Sequenz, die sich nicht verstecken muss, schon allein wegen der Bezüge zu Flemings Romanen.
Unterm Strich ist NTTD kein Kandidat für die Top 10, aber zumindest ein anständiger Beitrag ohne große Schwächen oder eklatante Fremdschäm-Momente.
Kommen wir zu den umstrittenen Entscheidungen. Dank RalphFiennes‘ Vorab-Infos (nochmal: du Arsch!) hatte ich schon mal eine Nacht Zeit, mich daran zu gewöhnen; hätte mich das kalt erwischt, würde ich möglicherweise anders darüber denken. Wie dem auch sei: Leiters Tod fand ich wie gesagt überflüssig, das war sicherlich auch ein Tod zu viel. Bond hat eine Tochter? Tja… wahrscheinlich hat SP schon so viel kaputt gemacht, dass mich das dann auch nicht mehr erschüttert hat. Davon abgesehen war die Kleine toll. Und ja, die Chemie zwischen Madeleine und Bond stimmt nicht, damit wird vieles unglaubwürdig. Eine gemeinsame Tochter mit Vesper hätte ich den Machern vielleicht noch abgekauft, hier leidet das Storytelling aber unter dem Vorgänger SP, der schon nicht schlüssig erklären konnte, warum gerade die beiden zueinander finden, und das zieht sich halt durch.
Blofeld und seine Spectre-Organisation mal eben mit einem Handstreich zu erledigen, ist, nun ja, zumindest konsequent. Soll sich beim nächsten Bond keiner beschweren, dass es da noch offene Enden gäbe! Waltz fand ich übrigens gut, der hat mir Spaß gemacht.
Spätestens seit SP leidet die Reihe unter einer unerklärlichen Dialog-Schwäche, die offenbar auch Phoebe Waller-Bridge nicht in den Griff bekommen hat, und unter einer gewissen Unschlüssigkeit der Handlungen, da wirkt vieles oft nicht rund, deplatziert, gewollt oder konstruiert. Beispielsweise in der Szene zwischen Bond und Safin, in der Bond, um nach seiner Waffe zu greifen, auf den Boden sinkt und sich devot entschuldigt: es tut mir leid, mein Fehler, ich entschuldige mich – das fand ich einfach nur doof. Ich verstehe die Intention, aber Bond-unwürdig bleibt es allemal, das kann man besser lösen.
Tja, und nun ist er tot. Wurde ja früher schon mal ins Spiel gebracht. Kann man metaphorisch sehen, die Ära ist endgültig beendet, der Craig-Bond „stirbt“ und macht Platz für Neues. Auch das aber hätte man besser lösen können. Der Vergleich mit Skywalker ist ganz interessant. Wie Luke „vergeht“, nachdem er sich geopfert hat, war ein großer Moment der Kinogeschichte. Bonds Ableben empfand ich handlungstechnisch nicht nötig (gut, er kann seine Frau und sein Kind nicht mehr anfassen, aber ist das Motiv stark genug?) und auch in der Art und Weise, sich wegbomben zu lassen, fragwürdig und beinahe lieblos. Wenn ein Bond schon stirbt, dann doch irgendwie anders. Obwohl mir ein langsames Ableben in den Armen Madeleines vermutlich noch weniger zugesagt hätte.
Das Fazit der Ära Craig könnte lauten, dass man mit CR und QOS alles niedergerissen hat, um es dann mit SF behutsam und klug wieder aufzubauen, um dann wiederum mit SP in eine völlig falsche Richtung abzubiegen, bei der man auch mit NTTD bleibt. Das mag enttäuschend sein, schmälert aber die individuelle Qualität von NTTD nicht. Kurioserweise habe ich Craig, wie schon in SP, mitunter als Fremdkörper empfunden und mir hier und da vorgestellt, wie ein anderer Darsteller das gelöst hätte, mit etwas weniger schwerem Gepäck auf den Schultern.