Interessantes Thema, über das ich lieber schreibe als dass ich es in einem Bondfilm sehen will.
Bond ist sicher nicht 100% psychisch gesund, m.M.n. aber weit davon entfernt ein Psycho- oder gar Soziopath zu sein, nicht einmal der Roman-Bond, der oft nochmal etwas abgründiger wirkt als der Film-Bond.
Ich sehe Bond als jemanden, der absolut starke Prinzipien hat, die vor allem darauf gründen, dass er Menschen, die ihm etwas bedeuten, und insbesondere sein Vaterland schützen will. Dabei projiziert er seine Vaterlandsliebe besonders auf M, da er/sie sein Hauptansprechpartner ist. Das ist für Bond praktisch, weil es funktioniert, solange M ein "Guter" ist. Problematisch würde es für ihn, wenn das nicht der Fall wäre. Weil M ihn darin aber nie enttäuscht, ist er wohl die Person, die Bond am meisten liebt (in den Romanen immer wieder betont), weil er am meisten Bonds Existenz bestimmt.
Allerdings hat Bond auch immer ein bisschen den Blick über den Tellerrand, was seine Diskussionen über gut/böse beweisen, wie auch seine bedeutenderen Liebesgeschichten, für die er sogar bereit wäre, den MI6 aufzugeben. Damit meine ich Tracy mehr als Vesper, da Vespers Ende ihn letzten Endes ja nur darin bestärkt, a) das Böse weiter zu verfolgen und b) sich dabei nicht wieder durch eine Frau vom Weg abbringen zu lassen. Da funktioniert er schon ein Stück weit wie eine Maschine.
Der Verlust von Vesper trägt wohl genauso zu dieser Lebens-Entscheidung bei, wie der frühe Verlust seiner Eltern. Als Mensch und Person nimmt sich Bond gar nicht mehr wichtig und wohl irgendwann auch nicht mehr wahr. Er ist mehr 007 als James. Wenn M ihn ausnahmsweise doch mit Vornamen anspricht, ist er jedesmal ein wenig schockiert. Mehr als Kleinigkeiten, die ihm einen kurzen Genuss verschaffen (Zigaretten, Kulinarik, Autos, Frauen), sind für ihn als Mensch nie drin. Keine großen Beziehungen, keine allzu ausschweifenden Hobbies, keine ausgedehnten Urlaube, die über die Genesung nach einem Fall hinausgehen, besonders kein Müßiggang. Es ist für ihn selbstverständlich, dass er für seine Mission in den Tod gehen würde bzw ist er sich sehr bewusst darüber, dass das unweigerlich passieren wird. Als narzisstisch würde ich ihn daher auch nicht bezeichnen.
Für einen Otto Normalo wie unsereiner wirkt das alles natürlich komplett psycho, ich finde Bonds Handlungen vor dem Hintergrund seiner Prinzipientreue allerdings stets nachvollziehbar (abgesehen von vielen Dingen, die er in Spectre und NTTD tut, insbesondere der erneuten Liebe zu Madeline und dem Treffen mit ihr und seiner Tochter) und logisch (eben nicht emotional gesteuert, sondern größtenteils rational). Eine Maschine, der Menschliches nicht gänzich fremd ist, die aber nur funktioniert, wenn sie die Emotionen aus der Gleichung nimmt. Dafür kann man sich auf sie/ihn aber immer zu 100% verlassen, eine Eigenschaft, die ich an Bond sehr schätze.
Wenn ich so darüber nachdenke, kann man NTTD als Versuch Bonds sehen, aus diesem Muster ein letztes Mal auszubrechen, aber wie gesagt, will ich sowas gar nicht als Film sehen, maximal als letzten Roman lesen. Als Film-Bond will ich vor allem, dass diese Maschine weiterläuft, da finde ich es überhaupt nicht reizvoll, ihn ausbrechen zu sehen. Als experimentellen Fleming-Roman könnte ich eher damit leben, dass Fleming mit seiner Figur halt irgendwann fertig ist und die Reihe nicht ewig fortgesetzt werden kann (alleine schon wegen Flemings Tod, ich betrachte die Nachfolgeromane nicht als Bond-Kanon). Als Film-Bond hat Bond m.E. die Verpflichtung (!), immer wieder zurückzukommen (ironischerweise lügt Craig ja Silva und das Publikum genau mit diesem Versprechen der "Auferstehung" in SF brutal an). "James Bond will return" heißt es nach jedem Film! Darauf will ich mich wieder verassen können!
Sorry, wenn das alles reichlich unsortiert daherkommt, ich habe einfach drauflosgeschrieben, ohne alles nochmal zu gliedern.