Da ich die Woche größtenteils mit Grippe darnieder lag, hatte ich mal etwas Zeit hier weiterzumachen.
The Color Purple (Die Farbe Lila, 1985)
Der erste von Spielbergs bewusst als künstlerisch anspruchsvoll und nicht als reine Unterhaltung angelegte Film - wenn man von Sugarland Express mal absieht, der ja auch schon eher in Richtung Drama ging. Der Film gefällt mir von diesen historischen Dramen insgesamt mit am besten, da hier der Anspruch und Spielbergs spielerischer Inszenierungsstil noch sehr gut harmonieren. Obwohl er mir als Drama über die Diskriminerung der Schwarzen durch Weiße in Erinnerung war, ist es eher ein Film darüber, dass es auch innerhalb der schwarzen Gemeinschaft Unterdrückung und Gewalt gab, wie hier etwa gegen Frauen. Eigentlich selbstverständlich, weil menschlich, wurde aber seinerzeit wohl als Rassismus kritisiert. Und das, obwohl es auf den Erinnerungen von Alice Walker basiert, die auf Spielbergs Wunsch die historische Genauigkeit des Dreharbeiten überwachte.
Empire of the Sun (Das Reich der Sonne, 1987)
Ebenfalls ein Film, der auf einer autobiografischen Vorlage beruht und in einer historischen Epoche angesiedelt ist. Geradezu bombastisch finde ich hier die Massenszenen relativ am Anfang in Shanghai, die man wohl zu den aufwändigsten historischen Massenszenen der Filmgeschichte zählen kann. Sehr beeindruckend auch das Spiel des damals 13jährigen Christian Bale, der schon früh sein schauspielerisches Ausnahmetalent zeigt. Wie immer wartet Spielberg mit sehr schönen visuellen Ideen auf, die hier aber oft wie ein Selbstzweck wirken. Etwa die an sich sehr beeindruckende Szene, wenn Jim die Atombombenexplosion von Hiroshima als eine Art Zeichen höherer Gewalt deutet. Das hat aber auf die Handlung wenig Auswirkungen, da er schon kurz darauf wieder ernüchtert ist.
Indiana Jones and the Last Crusade (Indiana Jones und der letzte Kreuzzug, 1989)
Endlich kehrt Spielberg zurück zu reiner Kinomagie, was ihm nach dem enttäuschenden Einspielergebnis von Empire auch wieder an die Spitze der Kinocharts brachte. Spielberg beweist hier, dass der dritte Teil einer Trilogie nicht zwingend der Schwächste sein muss (was George Lucas mit 'Die Rükkehr der Jediritter' nicht ganz gelang). Im Gegenteil, Crusade konkurriert für mich seit Jahren mit dem ersten Indy-Film um den ersten Platz. Die Idee, den strengen Vater eines Kinohelden ins Spiel zu bringen, sorgt für selbstironischen Humor mit Screwball-Qualitäten. Insgesamt leider der letzte Film für mich, der die Spielberg-typische Popcorn-Achterbahn in der bekannten, unglaublich unterhaltsamen Perfektion zeigen. Ab hier zeigt sich zunehmend sein Bestreben, den 'Geruch von Popcorn', wie er selbst nannte, loszuwerden. Das schaffte er zwar, aber er verlor damit auch zunehmend diese einmalige Strahlkraft und Kino-Magie.
Always (1989)
An diesem Film, ein Remake eines Kriegsfilms aus den 40ern, zeigt sich wieder Spielbergs Begeisterung für das Fliegen. Aber es ist für mich leider eines der Werke, die nicht so richtig zünden. Wenn man bedenkt, dass ein Jahr später mit 'Ghost' eine Geister-Romanze einen Megahit landete, fragt man sich schon, woran das liegt. Ich denke, die Regie war zu versponnen und selbstverliebt, und mit Richard Dreyfuss und Holly Hunter nicht massenkompatibel besetzt.
Hook (1991)
Süßer der Williams nie klingelte... Und ein weiterer Film, mit dem ich wenig anfangen kann. Grundsätzlich tue ich mich eh schwer mit dieser Peter-Pan-Begeisterung der US-Amerikaner. Neben 'The Wizards of Oz' ist das ja eine Art archetypische Erzählung, die sich in Hollywoodfilmen immer wieder findet. Ich finde beide dramaturgisch bei weitem nicht so grandios und universal, wie es von diversen Drehbuchgurus vermittelt wird. Tatsächlich habe ich den Film trotz zweimaligen Sehens schon wieder komplett vergessen. Und für den Marathon war es einer von zwei Bottle-neck-Filmen, die ich lange vor mir her geschoben habe, insofern werde ich ihn wohl kaum ein drittes mal sehen. Spielberg selbst sieht ihn ja auch als einen seiner eher missglückten Filme.
Jurassic Park (1993)
Und da war er trotz Unkenrufen wieder, der Popcorn-Magier, und er schlug wieder ein wie ein Asteroid. 'Jurassic Park' stellt in meiner Biographie einen der Filme dar, die mich besonders beeinflusst haben. Und zwar insofern, dass ich den unbedingt sehen wollte, aber niemanden in meinem Umfeld zum mitkommen motivieren konnte. Die kleinen lokalen Kinos hatte alle dichtgemacht, und die neu erbauten Cineplexxe waren alle weiter entfernt. Mit viel Mühe und indem ich Fahrt- und Kinokosten komplett übernahm, konnte ich einen Kumpel schließlich überreden, dafür in ein 70 Kilometer entferntes UCI zu fahren. Der (Neu-)Beginn einer wunderbaren Freundschaft zum Kino, die ich die kompletten 90er hindurch mit mindestens einem Film pro Woche zelebrierte. Tja, ich war jung und das Benzin billig.
Gemessen an diesem Einfluss fand ich den Film an sich dann gar nicht soo gut wie erwartet. Ich hatte vorher den unter dem Titel 'Dino Park' erschienenen Roman von Michael Crichton gelesen, und fand den wesentlich härter und auch philosophisch und wissenschaftlich viel tiefgehender. Ich weiß noch, dass der Film in einer Jugendzeitschrift als "Der weiße Hai an Land" beworben wurde, und exakt das hatte ich auch erwartet. Okay, manche Szenen gehen schon in diese Richtung, vor allem die T-Rex-Attacke in der Mitte, aber man merkt doch schon deutlich die angestrebte Kompatibilität für die kindlichen Saurierfans. Aus heutiger Sicht ist es aber schon ein moderner Klassiker, und leider auch einer der letzten großen Spielberg-Popcornfilme.
Schindlers List (1993)
Das war der zweite Film, den ich sehr lange vor mir hergeschoben hatte. Nicht, weil ich ihn nicht so gelungen finde, sondern weil er eben sehr schwer ist und man dafür in der richtigen Stimmung sein muss. Ich tue mich eh zunehmend schwerer mit Filmen, die drei Stunden und länger sind. Auf der rein handwerklichen Ebene ist er unglaublich beeindruckend und im Prinzip perfekt. Sicher Spielbergs beste Arbeit. Von allen Versuchen, die goldene Schwarz-weiß-Ära Hollywoods wiederzubeleben, finde ich ihn am gelungensten. Einige Einstellungen könnten eins zu eins aus einem der klassischen Noirs der 40er stammen. Auch schauspielerisch sehr beeindruckend, vor allem von Liam Neeson und Ralph Fiennes. Spielbergs Mission, die Kritiker verstummen zu lassen, die meinten, er könne nur Popcorn und sei für dramatischere Stoffe nicht reif genug, war mit diesem Film ultimativ gelungen. Das Wunderkind war so erwachsen geworden, wie man es nur werden kann. Diesen Film im selben Jahr wie 'Jurassic Park' herauszubringen, war schon ein unglaublicher Coup, und zementierte Spielbergs Platz in der Filmgeschichte mit Ausrufezeichen.
Auf der inhaltlichen Ebene finde ich den Film allerdings nicht so perfekt wie auf der handwerklichen. Komischerweise traut man sich bei diesem Film kaum, Kritik anzubringen. Aber ich glaube nicht, dass ein Thema einen Film automatisch unangreifbar macht. Und es gab ja auch viele prominente Regisseure wie Godard, die den Film kritisierten. Ein Aspekt betrifft etwa die Szene gegen Ende, als ein von Schindler angeforderter Waggon mit Arbeiterinnen irrtümlich im KZ landet, die Waschräume dort sich aber dann doch als normale Waschräume entpuppen. Solche Dinge zur Erzeugung von Suspense zu benutzen, empfinde ich auch als irgendwie unpassend. Auch dass Spielberg ganz allgemein die geschichtlichen Hintergründe benutzt, um eine klassische Hollywood'sche Heldenreise zu zeigen, mit einem strahlenden Helden und einem fiesen Schurken, der am Ende seine gerechte Strafe kriegt, hinterlässt bei mir ein komisches Gefühl. Der Film entlässt den Zuschauer mit einer Art Absolution, die es in der Realität so nie gab. Ich glaube, dass viele Deutsche ihn deshalb so hoch schätzen. Die Kritik, dass der Film hier einen guten Deutschen als Helden präsentiert, teile ich dagegen nicht, denn die gab es nun mal tatsächlich häufiger, als man heute den Eindruck bekommt.
The Lost World: Jurassic Park (Vergessene Welt: Jurassic Park, 1997)
Auf den hatte ich mich nach 'Schindlers Liste' richtig gefreut. Ich mag einige Sequenzen, wie den Angriffe der T-Rexe auf den Trailer, und vor allem den T-Rex am Ende in San Diego. Die obligatorischen Kinderdarsteller sind nicht so extremst nervig und man sieht mehr Saurier-Action. Aber insgesamt fällt er doch schon ein ziemlich ab gegenüber dem ersten Film. Lustig finde ich bei den Jurassic-Filmen immer, dass man ständig betont, wie hochentwickelt die Saurier waren entgegen früherer Vorstellungen, aber sie gleichzeitig als extremst blutrünstig darstellt. Wenn man bedenkt, wie übertrieben die Darstellung einer realen Tierart wie weißen Haien bei ihm ist, dann frage ich mich immer, wie das wohl erst bei ausgestorbenen Tieren sein mag.
Amistad (1997)
Einer der Filme, zu dem ich mich wieder überwinden musste, aber er hat mir dann doch ziemlich gut gefallen. Die Inszenierung ist wie gewohnt sehr hochwertig, ebenso wie die schauspielerischen Leistungen. Nur den obligatorischen Schlussmonolog von Anthony Hopkins samt Happy End fand ich dann etwas zu erwartet und filmtypisch. Insgesamt hat mich Matthew McConadings mehr beeindruckt. Kritisieren kann man hier natürlich, ähnlich wie bei 'Schindlers Liste', dass die Opfer des historischen Unrechts hier nicht die Helden sind, sondern die typischen Hollywood'schen Männer. Und dass er trotz der Anklage nationaler Schuld letztlich doch ein Hoch auf die US-amerikanischen Werte darstellt. Immerhin hält sich Spielberg aber im Großen und Ganzen an den historischen Rahmen, anders als Kollege Ridley Scott mit seinem Freestyle-Fabulieren etwa.
Was mir hier etwas negativ aufgefallen ist, ist teilweise die musikalische Untermalung von John Williams, vor allem während des Schlussplädoyers von Hopkins. Die ganze Zeit dudelt pathetische Musik im Hintergrund, was auf mich wirkt wie eine ständig unter das Bild gelegte wehende US-Flagge. Und auf Dauer mich auch einfach gestört hat. John Williams ist ein großer Komponist, keine Frage, aber diesen gottgleichen Status, den er unter Filmmusikliebhabern genießt, habe ich nie wirklich verstanden. (Ist aber wohl größtenteils den religionsartigen Kult um Star Wars geschuldet.) Aber so eine Dauer-Untermalung empfinde ich nicht als dezent oder meisterhaft, vor allem wenn sie das Gesagte und Gezeigte quasi verdoppelt. Der Fachbegriff dafür ist glaube ich Mickymousing. Diese Szene steht für mich exemplarisch für das, was mich an Spielbergs Historienepen oft stört, dass die Emotionen des Zuschauers immer und mit allen filmischen Mitteln in eine exakt vorbestimmte Richtung gesteuert werden sollen. Bei Filmen wie E.T. stört mich das nicht, im Gegenteil, bei differenzierten und tiefergehenden Themen schon.
Aber abgesehen von dieser vielleicht etwas harsch klingenden Kritik fand ich den Film schon sehr gut. Bei aller Kritik muss man eben bei all seinen Filmen schon sagen, dass sie unglaublich gut gemacht sind.
Saving Private Ryan (Der Soldat James Ryan, 1998)
Den habe ich mir mal in 4K gegeben. Rein handwerklich beeindruckt er enorm. Ich glaube, dieses Zusammenspiel aus Pyrotechnik, Maskenbildnerei, Stuntarbeit, Kamera und Schnitt ist hier von allen Antikriegsfilmen am perfektesten umgesetzt. Manche Szenen sind schon splatter-artig, was der Realität des Krieges aber ja leider entspricht. Ich kann mich erinnern, dass einige Zuschauer während der Invasionsszene am Anfang rausgegangen sind. Die ganze Eingangssequenz am Omaha-Beach ist wahrscheinlich die beste und realistischste Umsetzung von Kriegsgeschehen der Filmgeschichte. Leider wird der restliche Film für mich dem nicht mehr ganz gerecht.
Und da sind wir leider auch hier bei einem Aber. Ich glaube, der Film ist für sehr viele US-Zuschauern aus einem sehr ähnlichen Grund der beste Antikriegsfilm ever, aus dem sehr viele Deutsche 'Schindlers Liste' für den besten Film zum Thema Holocaust halten. Er konzentriert sich auf eine Episode im historischen Gesamtgeschehen, die nicht typisch für die Historie an sich ist. Er blendet bestimmte Teile der Geschichte bewusst aus, zeigt innerhalb dieses gesteckten Rahmens aber enormes Leid, so dass man zwar mit dem Gefühl aus dem Kino kommt, hier Geschichte so realitätsnah wie möglich erlebt zu haben, gleichzeitig aber mit einer Art Katharsis und Absolution, wie sie die typischen Hollywoodmärchen bieten. Der Teil der Geschichte, den 'Der Soldat James Ryan' vollständig ausblendet, sind Gräueltaten an der Zivilbevölkerung durch Soldaten. Die einzige Szene, die dem vielleicht am nächsten kommt, ist die Episode, wenn der Trupp auf ein zerstörtes Wohnhaus trifft und Eltern ihnen ihre kleine Tochter anvertrauen wollen. Aber das, was bei Filmen wie 'The Deer Hunter', 'Platoon' oder 'Die Verdammten des Krieges' erschütternd thematisiert wird, wird hier praktisch vollständig ausgeblendet. Und deshalb kann er für mich nicht die Auszeichnung 'Bester Antikriegsfilm' bekommen.
Trotz all der extremen Gewalt ist der Film im Kern doch ein Heldengesang auf Opferbereitschaft und Kameradschaft, und damit sicher ganz im Sinne des US-Militärs. Dass man als ein guter aufrechter Mensch aus dem Krieg kommen kann, das zentrale Element hier, steht in völligem Gegensatz zu Filmen wie etwa 'Full Metal Jacket'. Tom Hanks ist praktisch das Idealbild eines Captains im Krieg, dem gegenüber steht der unmenschliche Hunne, der einmal theatralisch um sein Leben fleht, dann aber heimtückisch einem GI das Messer reinrammt. Damit schafft der Film seltsamerweise das Gegenteil von dem, was 'Schindlers Liste' auszeichnet, eine differenzierte Darstellung von Deutschen jenseits der üblichen Hollywood-Schurkenklischees.
Aber auch hier klingt das als Kritik vielleicht etwas zu hart, denn insgesamt ist der Film ebenfalls sehr sehenswert und weit über dem Durchschnitt.
Damit bin ich erstmal durch mit Spielbergs Streber-Phase. Jetzt freue ich mich erstmal auf ein paar etwas leichtere Werke.