Unsere werte Tripple-X-.Agentin Anja Amasowa hat mich gefragt, ob ich zu meinem Lieblingsbondfilm THUNDERBALL den heutigen Bondember-Beitrag schreiben möchte. Selbstverständlich komme ich dem sehr gerne nach. Aber den Begriff "Großmeister" weise ich weit von mir.
„Ein schönes Gewehr. Passt eigentlich mehr zu einer Frau.“
In diesem Zitat Bonds kulminieren die beiden prägenden Elemente von FEUERBALL wie unter einem Brennglas: Die Gefahr. Und das weibliche Geschlecht.
Es ist nicht (nur) die Gefahr, die Bond umgibt, sondern (auch) die Gefahr die Bond für seine Gegner bedeutet. Und diese Gefährlichkeit Bonds zieht die Frauen des Films magisch an.
Aber von vorne:
Wir schreiben das Jahr 1965.
Im Jahr zuvor hat der 3. Bondfilm GOLDFINGER das 60er-Jahre-Kino revolutioniert. In Sachen Optik, Eleganz aber auch Ideen und wahnwitzigen Villain-Plänen war Bond damit auf jenem Niveau angekommen, das ihn für die kommenden Jahrzehnte zu einem integralen Bestandteil der Kinowelt machen sollte.
Was blieb nun anderes übrig, als dem ganzen noch eins draufzusetzen - und als 4. Film die mit „Here comes the biggest Bond of all: Thunderball“ beworbene Testosteronspritze der Bondgeschichte aufzufahren.
THUNDERBALL sollte eigentlich bereits als erste Bondgeschichte verfilmt werden. Hierzu hatten sich im Jahr 1959 Bond-Autor Ian Fleming mit dem Filmproduzenten Kevin McClory und dem Drehbuchautor Jack Whittingham zusammengetan. Nach Meinungsverschiedenheiten und Problemen beim gemeinsamen Projekt (bei welchem übrigens erstmals SPECTRE auftaucht) hat Fleming das Buch dann ohne Rücksprache selbst zu Ende geschrieben und veröffentlicht.
Da die rechtliche Situation 1962 deshalb unklar war (erst 1963 hat ein Gericht die Filmrechte McClory und Whittingham zugesprochen), hat man sich im Hause EON letztendlich als Erstverfilmung für den 1958er-Bondroman DR. NO entschieden und „TB“ erstmal auf Eis gelegt.
1965 war es dann soweit, nachdem Ian Fleming im Jahr zuvor verstorben war: Die Bond-Filmproduzenten Broccoli und Saltzman konnten sich mit McClory auf eine Zusammenarbeit einigen. McClory sollte als offizieller Produzent des Films genannt werden und erhielt im Film als zigarrenrauchender Casino-Gast auf den Bahamas sogar einen Cameo-Auftritt.
Dieses Zusammenraufen der Beteiligten sollte sich auszahlen.
Der Erfolg THUNDERBALLS stellte sogar noch GOLDFINGER in den Schatten und symbolisiert bis heute den Zenit der 60er-Bondomania. Das komplette Kinogenre war bondifiziert und unzählige Eurospy-Filme versuchten in den kommenden Jahren (vergeblich), die Eleganz, die Exotik und die Fantasie nachzuahmen – und natürlich auch den Sexappeal, der mit GOLDFINGER etwas roh eingeführt wurde und in TB seine Krönung fand.
Der Film sollte ganz auf den spätestens seit GF als absoluten Star und Womanizer etablierten Sean Connery zugeschnitten sein.
Die Gefahr, die er in jeder Bewegung ausstrahlt, und die Anziehungskraft, die er auf Frauen ausübt, sind die Leitmotive dieses Films. Im Gegensatz zu GF, bei dem sich Bond fast die Hälfte des Films in Gefangenschaft befindet, steht er in TB sprichwörtlich über den Dingen. Ihm fällt buchstäblich alles und jede in den Schoß.
Im Handumdrehen rettet er die Welt. Zunächst errät er während eines Sanatoriumaufenthalts – also quasi in seiner Freizeit – dass Lippe ein Bösewicht ist, den es zu observieren lohnt. Dann führt ihn seine weitere Recherche statt ins kalte Kanada auf die sommerlichen Bahamas und dort kann er nach Lust und Laune dem schönen Leben frönen. Erstmals in der Bondgeschichte muss man sich fragen, was der britische Steuerzahler da eigentlich so alles finanziert (allein Bonds Hotelzimmer auf den Bahamas scheint in bester Ken-Adam-Tradition keine Enden zu kennen und nicht nachvollziehbare Maße zu haben).
Dass M dennoch stets auf seiner Seite steht, muss neben dem Herrn Minister auch der arme Truppenkapitän Pritchert erfahren („Wenn 007 sagt, er hätte Derval gesehen, reicht mir das, um Ermittlungen einzuleiten.“).
Dass die Logik dabei teilweise auf der Strecke bleibt – weshalb z.B.. Bond „errät“, dass Lippe ein Schurke ist, und auch weshalb er weiß, dass Largo zu SPECTRE gehört – bleibt zwar im Dunkeln, stört dabei aber genauso wenig wie der Umstand, dass die zeitliche Reihenfolge aus den Fugen gerät:
- Zum einen erfahren wir von Blofelds Tonband-Stimme, dass Stichtag der 25.03. sei. Leiter bestätigt dies später nochmals und vermerkt, dass man noch 55 Stunden Zeit habe. Von der Logik des Films her dürften zu diesem Zeitpunkt aber erst 1 oder maximal 2 Tage der 7-Tagesfrist vergangen sein.
- Auf der Tafel des britischen Verteidigungsquartiers erkennen wir dann aber den 27.05. und "Day 3". Wir haben nun also bereits Mai statt März – und das innerhalb einer Woche.
- Das Foto von Domino, das Bond bei der MI6-Konferenz erhält („von „Hunt Foto Nassau“), ist auf den 19.09.1965 datiert. Dieses müsste also eigentlich erst noch geschossen werden.
Man hat anno 1965 sicher nicht damit gerechnet, dass man ein halbes Jahrhundert später die Filme in x-beliebiger Anzahl und Schärfe sezieren können würde.
Dass TB ganz auf den Hauptdarsteller und seine Figur ausgerichtet ist, erkennt man auch daran, dass das Titellied erstmals in der Bondgeschichte von der Hauptfigur handelt. Hatte den Machern das ursprünglich vorgesehene „Mr. Kiss Kiss Bang Bang“ zumindest in der musikalischen Komponente noch zu wenig Punch, ist Tom Jones‘ „And he strikes like Thunderball“ eine hymnenartige Liebeserklärung an die Titelfigur, die spätestens mit diesem Film in den popkulturellen Olymp aufgestiegen ist.
Zu diesem Selbstverständnis des Beinaheübermenschen, der auch in der aussichtslosesten Situation cooler Herr der Lage bleibt, gehört auch diese Überheblichkeit, die in TB über die Spitze getrieben wird. „Ich habe Ihre Arroganz vergessen, Mr. Bond“, entgegnet Badgirl Fiona Volpe ebenso genervt wie triumphierend, als Bond in gelangweilter Manier ihr ein „Was ich eben getan habe, hab ich für König und Vaterland getan. Sie glauben doch nicht, dass es mir Spaß gemacht hat“ hinwirft – nur um Minuten später dann doch in seinen Armen zu sterben.
Ohnehin ist Bonds Umgang mit Frauen in vermutlich keinem Film dermaßen (heute würde man sagen) sexistisch wie in TB. Pat wird von ihm mehr oder weniger vergewaltigt oder zumindest zum Sex genötigt („Oh nein!“ – „Doch, doch!“). Und dennoch offeriert sie ihm beim Abschied ein „Wann Du willst und wo Du willst!“.
Bond ist zum „Mann-ifest“ der „guten alten Zeit“ geworden und damit im übertragenen Sinne auch des alten Großbritannien. Der konservative Macho eines sich womöglich verändernden Zeitalters.
Passend hierzu hat Ken Adams das Setdesign ausgewählt. Während der Konferenzsaal von SPECTRE modern, kühl, futuristisch und gradlinig wirkt, ist der Raum, in dem sich die MI6-Agenten zum Briefing treffen, in einem altmodischen, barocken Ambiente angesiedelt.
König, Vaterland und Maskulinität, die althergebrachten Attribute des Empire erleben einen etwas anachronistisch anmutenden späten Frühling. Bond ist ein Player des British Empires, das noch immer eine Großmacht ist. Noch ist nichts von jenem Unterton Blofelds zu spüren, den sich Connery-Bond 6 Jahre später in DIAMANTENFIEBER anhören muss („Ihre armselige kleine Insel ist doch gar nicht bedroht“). Vielmehr droht Blofeld damit, eine Stadt in Großbritannien oder den Vereinigten Staaten auszulöschen. Das Empire ist also nach wie vor in der Riege der Größten – und darunter macht Bond es nicht.
Und wie es zu einem selbstbewussten Protagonisten dieser Großmacht gehört, sind seine Aktionen offensiv, er handelt mit offenem Visier. Er spricht Largo direkt auf sein "Phantom" an ("Vielleicht verhext es die Karten?!"). Und er geht mit Fiona wie ein "Wüstling" um und entlockt ihr ein "Raubtier", obwohl er um ihren Ring als SPECTRE-Mitglied weiß. Wenn Connerys Bond hätte sterben müssen, was selbstredend nicht passiert und was in den 60er Jahren auch noch keinen müden Gedanken wert war, so wäre er zumindest von vorne erschossen worden.
Selbstverständlich aber weiß unser Held die Bedrohung zu verhindern und den Schurken zu besiegen. Jedoch nicht alleine, sondern ironischerweise dann doch durch die Hilfe einer Frau. Domino tötet Largo mit einer Harpune und verhindert damit Bonds sicheren Tod. Der Held und seine Welt sind gerettet. Jedoch muss er sich im stillen Kämmerlein vielleicht nun doch auch eingestehen, dass nicht alles im Handumdtrehen und (von) alleine geht.
Der Film endet dann damit, dass Bond jenes tut, was er bereits zu Beginn des Films in der Pretitle getan hat: Er hebt symbolisch ab und steigt gen Himmel auf – diesmal mit seinem Girl, das ob der Welt, in die er es mitnimmt, nur staunend den Kopf schütteln kann.
Bond steht nun endgültig über den Dingen.
Er hat alles richtig gemacht. Er hat den Feind bezwungen und dessen Mädchen gewonnen.
„Verstehen Sie etwas von Waffen“ wurde Bond einst von Largo gefragt.
Bond antwortete darauf in der ihm spätestens seit THUNDERBALL ureigen gewordenen Nonchalance – seine Gefährlichkeit herunterspielend und damit erst recht unterstreichend:
„Nein. Aber etwas von Frauen.“