Nein, er ist wirklich nicht der strahlende Held, den man sich erhofft hatte. Er lebt zurückgezogen von der Welt, gebrochen von vergangenen Enttäuschungen in seinem Leben, wenig ist vom Glanz alter, glorreicher Tage geblieben. Gegen seinen Willen wird er aber doch wieder in den großen Konflikt gezogen, in der Folge finden lange Kampfgefährten und gute Freunde den Tod. Letztendlich opfert er sich und gibt sein Leben für die größere Sache hin.
James Bond in NTTD? Auch, aber eigentlich war die Rede von Luke Skywalker in „The Last Jedi“. Wenn man sich die Reaktionen in den jeweiligen Fandoms anschaut, bietet sich der Vergleich nicht nur inhaltlich an: In mancherlei Hinsicht scheint NTTD der TLJ für Bondfans zu sein. Beide treffen für das jeweilige Franchise mutige Entscheidungen und bekommen dafür von den Fans eins auf den Deckel.
Einen Unterschied gibt es meiner Meinung nach aber doch: Während Lukes Entwicklung zwar erklärt wird, innerhalb der Saga aber dennoch überraschend ist, trifft das auf NTTD nicht zu, sondern ist, und da gebe ich Batman recht, die konsequente Weiterentwicklung des Craig-Bonds. Seine Interpretation war nie der unbesiegbare Superheld, der die Lage immer im Griff hat, mit einem lockeren Spruch auf den Lippen, sondern der körperlich und seelisch verletzliche und blutende Mensch. Der seinen Job zwar gerne machte, aber auch wusste, welchen Preis er verlangt; was er aus einem macht, wenn man nicht rechtzeitig den Absprung schafft; der sich deshalb nach einem solchen Absprung sehnte und ihn mit Vesper und Madeline zweimal auch versucht. Agent kann er nicht ewig sein, das macht ihn körperlich und seelisch kaputt. Durch die Nanobots ist ihm aber auch seine Familie und damit ein Ausstieg für immer genommen. Sein Tod ist demnach konsequent, passend und quasi eine Erlösung. Für mich hatte die Szene trotz der vielen Raketen und Explosionen daher etwas sehr Friedliches. Diesen Ansatz unter Craig muss man nicht gut finden und dann ist es konsequent, wenn auch dieser Film nicht gefällt, aber wie man die anderen Filme von Craig mögen und NTTD so zur Sau machen kann wie ich es teilweise im Netz lese, entzieht sich ehrlich gesagt meinem Verständnis.
TLJ und NTTD trauen sich etwas. Natürlich ist bei beiden Filmen Vieles nicht perfekt, aber mir ist es lieber, es wird etwas Neues, Erfrischendes probiert und es gelingt nicht alles als wenn in solchen Franchises immer alles in derselben Suppe schmort. Vielleicht schlägt da mein Beruf durch, aber ich bewerte Texte, in denen Schüler:innen versuchen, komplexe Satzkonstruktionen und andere Adjektive als nice zu benutzen und dabei Fehler machen, auch besser als fehlerfreie Dreiwortsätze. Leider erlebe ich die Fandoms in vielen Bereichen wirklich erschreckend konservativ und wenig offen für solche Variationen, wenn es um „ihren“ Bereich geht. Bei anderen Franchises ist man im Gegensatz dazu aber oft bereit, solche zu akzeptieren und auch zu loben. Leider muss ich sagen, dass sich bei Bond auch oft viel Chauvinismus dazu mischt, der das Ganze noch unsympathischer macht (nicht auf dieses Forum bezogen).
Ich mochte den Film sehr, in vielen Bereichen ist er deutlich besser als SP (den ich auch nicht schlecht fand) und QOS. Er ist spannend, hat Witz (in meiner Vorstellung sind viele Gags sehr gut angekommen) und Tiefe. Film und Action sehen wie immer sehr gut aus, Safins Bunker hätte von Ken Adams sein können. Die Filmmusik ist selbst mir positiv aufgefallen, der sie sonst eigentlich gar nicht wahrnimmt, speziell die Einwebung des Titelsongs und von We have all the time in the world fand ich gelungen.
Mehr versprochen hatte ich mir von Rami Malek, der doch recht blass blieb, an Schurken fand ich in der Craig-Ära aber auch nur Silva und Le Chiffre überzeugend. Die Story fand ich auch sehr gelungen. Den Plan hatte ich auch so verstanden wie Batman, Safin spricht ja auch von Kunden, die in den Booten zur Insel kommen. Ich hätte mir aber auch gewünscht, dass das „Große“, das Safin und der russische Wissenschaftler angeblich vorhatten, etwas näher erläutert wird. Man kann jetzt aber auch nicht behaupten, dass in der Vergangenheit viele Schurkenpläne jetzt so super elaboriert und logisch gewesen wären. Auch, dass Spectre so nebenbei abgefrühstückt wird, ist schade, aber passt insofern, dass alles rund um diese Organisation unter Craig von Anfang an verkorkst war.
Es kann gut sein, dass sich die Wertung in die ein oder andere Richtung noch ändert, spontan würde ich ihm eine 8/10 geben.