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"Machte es seiner Zeit überhaupt Sinn Superstar Cary Grant mit 57 Jahren für die Rolle des James Bond 1961 ernsthaft in Betracht zu ziehen?"
In Robert Sellers umfangreichen, analytischen Buch "The Battle of Bond" geht der Autor auch darauf ein, in wie weit die Vorstellungen Ian Flemings und Ivar Bryce als potentieller Geldgeber eines anstehenden Filmprojekts in Sachen Bond durch aktuelle Genrebeiträge Ende der Fünfziger beeinflusst worden sind. Hinsichtlich der sich damals gerade entwickelnden Arbeit mit dem Iren Kevin McClory als Koordinator des Projekts und Jack Whittingham als professionellem Drehbuchautoren war es gerade Alfred Hitchcocks Thriller "North by Northwest" (dt. "Der unsichtbare Dritte") der im Sommer 1959 das Team so begeisterte, dass ernsthaft Überlegungen angestellt wurden, den britischen Meisterregisseur das Thema Bond anzutragen. Da aber Hitchcock weder bezahlbar noch das Projekt dann federführend in ihren Händen geblieben wäre, zerplatzte dieser Wunschtraum stande pede.
Archibald Alexander Leach, bekannter unter dem Künstlernamen Cary Grant, war Hauptdarsteller dieses Hitchcock-Klassikers und als großer Chameur alter Schule zum Zeitpunkt der Dreharbeiten schon rund 55 Jahre alt und hatte nach "To Catch a Thief" (dt. "Über den Dächern von Nizza") 1955 einen weiteren großen Erfolg mit einem Hitchcock-Film und war eigentlich genau das, was Ian Fleming sich als Screenpersona für seinen literarischen Helden ausmalte. In dieser Hinsicht war Cary Grant somit nicht nur der perfekte Wunschkandidat des Autoren Fleming sondern als Trauzeuge von Dana Wilson und Albert Romolo Broccoli einem der beiden angehenden Produzenten der Filmreihe auch bestens bekannt. Vermutungen besagen, dass Cary Grant EON Productions Limited höchstens für zwei Filme zur Verfügung gestanden hätte und damit das Projekt von vorne herein wenig Sinn gemacht hätte, da man doch eine ganze Reihe von Romanen der 007-Reihe für die Leinwand umsetzen wollte und daher einen Protagonisten brauchte, der sich für mehrere Jahre an das Unternehmen binden würde.
Aber gehen wir mal trotzdem dem Gedankenspiel nach wenn Cary Grant die Rolle des Geheimagenten übernommen hätte.
Gravierende Unterschiede zum bekannten Quotenhit mit Sean Connery in der Hauptrolle wären alle mal zum Tragen gekommen:
Zum einem wäre der Vielweiberheld - den es übrigens auch in den Romanen Flemings erst einmal gar nicht gab - wohl gar nicht zustande gekommen, so dass die Agentenfigur nur als One Woman-Lover aufgetreten wäre. Die erotisch-provozierenden, mehrdeutigen Anspielungen hätten zur Gentleman-Attitüde Cary Grants nicht gepasst. Hier wären Dialoge im Stil der Screwball-Comedy zum Einsatz gekommen, die zu Grants großen Steckenpferden zählten. In wie weit die verklemmte Prüderie der Doris Day/Rock Hudson-Filme noch Programm gewesen wäre ist schwer abzuschätzen, jedenfalls wäre die aggressive Erotik eines Sean Connery als Hugh Hefner-Alter Ego auf der Leinwand mit Cary Grant einfach undenkbar gewesen – und es gilt auch zu vermuten, dass er solch' einem radikalen Imagewechsel in seiner späten Laufbahn kaum (noch) zugestimmt hätte. Solche enorme gesellschaftlichen Wertewandlungen passen alterstechnisch einfach auch nicht wirklich und werden von einem Darsteller in dem Alter auch nicht mehr wirklich ausgelebt geschweige denn überhaupt gewünscht.
Gleiches gilt für die Vorstellung vom eiskalt mordenden Agenten. Moralisch unvertretbar für einen Vertreter jener Generation in den damaligen Tagen und ein absoluter Stilbruch zu seiner langlebigen überaus erfolgreichen Filmkarriere. Dieser moralische Dissenz dürfte auch ein Hauptgrund gewesen, dass James Neville Mason die Rolle 1961 im Alter von 52 Jahren abgelehnt hat.
Interessant ist in dieser Hinsicht sicherlich auch der Vergleich als Roger Moore bei den Dreharbeiten zu „For your eyes only“ 1981 schließlich den Mercedes mit dem verletzten Emile Leopold Locque nicht von der Klippe treten wollte, weil er meinte, dies wäre seinem Image nicht verträglich, obwohl er in „The spy who loved me“ (1977) noch Sandor vom Dach gestoßen hatte.
Des weiteren sollte man sich gedanklich fragen ob Cary Grant überhaupt bereit gewesen wäre, die anstrengenden Dreharbeiten auf Jamaika im Alter von 57 Jahren anzutreten, was ich persönlich bezweifle, da seine filmische Biographie solche Drehorte in späteren Jahren nicht aufweist. Möglicherweise hätte man „Dr. No“ mit ihm nie gedreht, sondern einen Bond-Film, welcher in europäischen Metropolen und den USA entstanden wäre.
Wie auch immer – indirekt gibt es meines Erachtens einen Film, der gelungen aufzeigt, wie ein Fast-Bond-Film mit Cary Grant hätte aussehen können:Stanley Donens Krimikomödie „Charade" aus dem Jahre '63.
Diese zeigt präzise noch einmal alle Aspekte auf, die einen erfolgreichen und gelungenen Film mit Cary Grant im Action-Genre ausmachten, wobei der Darsteller eher als älterer Simon Templar durchgehen könnte und weniger als skrupellose Fight- and Sexmachine, wie Sean Connery sie schließlich in der Rolle des toughen Geheimagenten übererfolgreich für die Leinwand kolportiert hat.
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Respektable Kassenerfolg wären die zwei angedachten Filme mit Cary Grant als Bond wohl geworden, aber die weltweite "Bondomanie" der Connery-Filme, die mit "Goldfinger" 1964 ihren weltweiten Durchbruch erlebte, wäre in sich dann zum Scheitern verurteilt gewesen - und ob die Reihe selbst das Ende der Sechziger Jahre erreicht hätte, bleibt dann bloße Spekulation und wird immer im Reich der Phantasie verankert bleiben.
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