Knapp 3 Wochen nach der Royal Premiere von SPECTRE und nachdem ich den Film bisher insgesamt 7 mal gesehen habe (3 mal in London in englisch, 1 mal in Paris in englisch mit französischen Untertiteln und dreimal in Frankfurt in deutsch synchronisierter Fassung) sehe ich mich nun in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen und zu bewerten.
Wie bei jedem anderen Bondfilm, gibt es wieder Fans und Zuschauer die diesen Film lieben und welche die ihn hassen, warum auch immer. Das Ganze ist sicherlich dadurch bedingt, welchen Blick auf Bond und welche Erwartungen und Bedürfnisse an diesen neuen Film bestehen und u.a. durch den letzten Film begründet wurden.
Skyfall war ein Überhammmer, extrem erfolgreich und anders als alle Filme zuvor. Durch Sam Mendes wurde auch das Arthouse auf Bond aufmerksam, was z.B. zur Folge hat, dass SPECTRE meines Erachtens erstmals in Arthouse-KInos in Frankfurt gezeigt wird (Cinema und Harmonie in Sachsenhausen; jenes Kino was auch in dem neuen James Bond Roman "Trigger Mortis" erwähnt wird).
Durch die neue psychologische Dimension der Figur James Bond, die seit CR vermehrt und besonders in SF seziert wird, sind jetzt auch andere Aspekte im Blickpunkt und in der Erwartungshaltung an SPECTRE enthalten.
Für mich persönlich sind Bondfilme nach wie vor vorrangig Popcorn-Filme, die mich für 2 Stunden gut unterhalten wollen und sollen. Wenn dazu noch andere Aspekte auftreten, finde ich das spannend und interessant, aber ich erwarte sie nicht unbedingt und vermisse sie nun auch nicht in SPECTRE. Aber gerade dieser Aspekt ist ein großer Anteil der Ablehnung. Dass SPECTRE wieder eher ein klassischer, klarer und einfacher Film ohne viele Schnörkel ist, was wiederum jetzt viele als zu einfach, plump oder old fashioned empfinden. Ich würde dann aber eher sagen, das ist gute alte old-school, mit modernen Anteilen.
Auch wenn ich im Vorfeld des neuen Filmes doch schon sehr viel, aber bei weitem nicht alles wußte, gehe ich nach wie vor ins KIno mit der Absicht mich zu amüsieren und das gelingt u.a. dadurch, dass ich mir vorstelle, ich wäre jetzt 12 Jahre alt und würde meinen ersten Bondfilm sehen, der mich vom Hocker bläst.
Wie ich oben beschrieben habe, ist SPECTRE nach meiner Meinung, ein klassischer Bondfilm (vielleicht sogar der Erste seit Der Hauch des Todes) im neuen Gewand. Gleichzeitig hat er den Humor wiederentdeckt und zugelassen, was ich ebenfalls sehr positiv finde. Aber es gab auch schon wieder Stimmen, die es zu sehr Roger Moore und albern finden, wenn Bond in PreTitleSequenz (SPOILER) auf eine Couch fällt. Aber wie Craig damit umgeht, ist der Unterschied. Er nimmt es hin und schmeißt in bewährter Manier den Gegenstand weg, der ihm 30 Sekunden zuvor noch das Leben gerettet hat.
Sehr positiv finde ich die Entwicklung der neuen Mitarbeiter des MI6, die sich zu einem Team entwickelt haben und mit vereinten Kräften um das Überleben des Hauses kämpfen. Dabei haben Moneypenny und Q erhebliche Probleme mit einem Agenten, der mal wieder aus dem Ruder läuft und sie ihren Posten oder sogar die Rente kosten kann. Bond ist mal wieder als Einzelkämpfer ohne offizielle Mission des aktuellen Chefs M unterwegs. Das ist und bleibt ein prägendes Merkmal der Craig-Ära, aber hier erfüllt er quasi noch einen testamentarischen Auftrag seiner früheren Vorgesetzten. Was M im Endeffekt anerkennt und er ist froh wenn Bond am Ende wieder zurückkehrt. Im Safe House mit der schönen Anekdote (HIldebrandts Raritäten) kommt es dann wieder zum Schulterschluss von M und Bond, weil nur gemeinsam können sie das gegnerische Team mit Blofeld und Max Denbigh bezwingen.
Ich zitiere hier nun Tim Roth aus Facebook:
"Die Filmstruktur als solche ist ebenfalls "klassisch" und gab es so schon lange nicht mehr: Gunbarrel, actionreiche Pre-Title, Bond wird im "klassischen" M-Büro und nicht in einem Situation Room, wie wir ihn in den Brosnan-Bonds oft sahen, von M unterrichtet; es geht zu Q und dann beginnt die eigentliche Handlung. Der Bösewicht hetzt Bond seinen Henchman auf die Fersen, Bond findet letztlich den Bösewicht in dessen versteckter Festung. Das ist von der Struktur her YOLT oder TSWLM"
Er ist sicher nicht der beste Bondfilm aller Zeit, aber er ist eine Entwicklung weg von der Psychologisierung von James Bond und den personal Stories, mit denen wir fast durchgängig seit Lizenz zum Töten zu tun haben.
Zwar ist Bond wie in dem obigen Film mal wieder auf eigene Faust unterwegs (bzw. im Auftrag seiner früheren Chefin), aber im Grunde im Endeffekt mit M`s Wohlwollen. Aber diese Art ist typisch für den Craig-Bond (in Ansätzen in CR, ganz massiv in QOS und im Finale von SF).
MIr gefällt dieser old-school Erzählstil in SPECTRE, dazu die Actionszenen (speziell die Pre Titel ist grandios und für mich die beste Pre Title; und Zugfahrt (wunderbare Reminszenzen an FRWL, LALD und TSWLM), die Flugsequenz ist ok, aber nichts herausragendes und die Autoverfolgung ist schön bebildert, aber etwas blutleer).
Positiv gefällt mir auch der neue und ungewohnte HUmor in einem Craig-Bond, die teilweise an die Moore-Ära erinnert (Flugzeug, Friedhof, Couch), aber doch so dezent bleibt, dass sie wohltuend Spaß macht.
Grandios entwickelt hat sich das neue Dream-Team des MI6, die alle überzeugen und auch der Teamspirit ist famos. Besonders gut finde ich dabei Naomie Harris die als MOneypenny einen Maulwurf im MI6 gibt und Bond auf seiner Rogue-Mission unterstützt, während Q sehr schön besorgt um seine ZUkunft und Rente rüberkommt, aber dann doch auch Bond vielfältig unterstützt. Mir gefällt auch deshalb das Finale im CNS besonders gut.
Ralph Fiennes ist auch in seiner neuen Rolle angekommen und muß um das überleben des MI6 kämpfen (was eine schöne Fortführung der Probleme von SF bedeutet). Tanner ist weiter ein Freund von Bond, ansonsten eher im Hintergrund.
Auf der anderen Site finde ich Andrew Scott als Max Denbigh bzw. C sehr gut. ER spielt überzeugend den Karrieristen, der nur sein visionäres Ziel der "Sicherheit über alles" verfolgt, wobei dann mit orwell`s Big brother die Freiheit auf der Strecke bleibt. Besonders gruslig ist es dann wenn dazu noch wirtschaftlichen Interessen einer externen Gruppe damit einhergehen. Scott spielt superb, hätte aber etwas mehr Screentime verdient gehabt, zumal ich ihn eigentlich als Haupbösewicht für SPECTRE herausgestellt hätte und Blofeld mehr klassisch im Hintergrund seine Fäden ziehen. Ich hätte mir eine Szene mit C und Blofeld gewünscht, wo beide ihren Triumph begiessen und so etwas wie "Ab morgen sind WIR die Könige der Welt" gesagt hätten. Was nicht ist, ist nicht.
Jetzt zu dem was mir nicht gefallen hat. Das ist vor allem Christoph Waltz zu nennen, der mich außer in den Szenen in Rom nicht als Blofeld überzeugt. Er spielt wie immer sich selbst und blebt meines Erachtens dadurch blass und passiv. Auch sind die Beweggründe für die heftige Folter nur sehr oberflächlich angerissen mit der Kuckkucks-Geschichte und seine PLäne als "größter Bösewicht der Bond-WElt" sind sehr nebulös.
Die 3 Bondgirls sind soweit ok, von Estrella habe ich nicht mehr erwartet und Monica Belluci hätte etwas mehr Screentime verdient gehabt, zumal ihre Opferlamm-Darstellung nicht ganz nachvollziehbar war.Lea SEydoux ist grandios als Madeleine und Bond hat mit ihre seine neue große Liebe gefunden und entscheidet sich sogar für sie (wie auch in CR für Vesper) den MI6 zu verlassen. Von (Mr.) Hinx als intelligenten Bösewicht, wie er angekündigt war, ist nur marginal zu spüren. Dazu kommt, dass er wie der gute Old Jobb fast nicht reden darf.
Für mich das Hauptmalus des Filmes ist der Score von Thomas Newman, der viele Themen von SF leicht abgewandelt recycelt hat. Schön ist das Donna Lucia Thema und die Instrumentalversion des Titelsongs.
Ja, der Titelsong... zunächst war ich auch enttäuscht als er veröffentlicht wurde, obwohl ich schon auch gemerkt hab, dass eine sehr gute Melodie drunter liegt, die aber durch den geöhnungsbedürftigen Gesang von Sam Smith überlagert wird. Aber ich habe mich daran gewöhnt und zwischenzeitlich gefällt es mir sehr gut (was z.B: bei Another way to die von QOS nicht passieren wird, obwohl mir da die zugrundeliegende Melodie auch sehr gut gefällt).
Das Titeldesign von Daniel Kleinman ist jetzt nicht überragend und überraschend (anders als 1995 bei GE) aber passt gut zur Story und zum Song.
Generell gefällt mir deshalb SPECTRE sehr gut, vielleicht auch, weil e mir trotz viel Wissen von der Geschichte vorab, immer gelingt ohne bestimmte Bedürfnisse oder Erwartungen an den Film heranzuegehn . Ich versuche mich dann immer daran zu erinnern, wie es war als 12jähriger den ersten Bondfilm zu sehen und davon überwältigt zu werden. Das gelingt mir immer ganz gut und das Schöne bei SPECTRE ist, dass die erste Hälfte ziemlich perfekt und genau so war, wie ich es mir vorgestellt habe (z.B. mit dem DB10 in Rom am Kolloseum vorbeizufahren - genial), dennoch gab es auch das schon Überraschungen (u.a. dass Bond 009 das Auto stibitzt) und in der zweiten Hälfte (speziell Tanger und Blofelds Anlage) wußte ich eigentlich gar nichts von. Ich fand den Film sehr dynamisch und logisch und straight aufgebaut und das Parallelfinale (Bond gegen Blofeld/ M gegen C) absolut grandios. Jetzt gönne ich erstmal Bond seine Auszeit mit Madeleine und befürchte, dass dass kein gutes Ende in Bond25 nimmt.
Warum man nur immer und immer wieder den DB5 aus der Mottenkiste holt, kann ich nicht ganz nachvollziehen... es hätte auch da der DB10 sein können, aber das ist Geschmacksache. Der Witz von Q zum Thema "bringen Sie den Gegenstand in einem zurück" war schön und retrospektiv gesehen gut, allerdings empfand ich in unlogisch, da meines Erachtens nach, der DB5 in SF Bond persönlicher Eigentum ist. Oder sehe ich das falsch und es gab ja auch keine Szene mit Q diesbezüglich, oder Barbara??? liegt sie im Schneideraum?
Daniel Craig ist in seinem 4. Film endgültig James Bond, wie wir ihn kennen, er muß sich nicht mehr entwickeln, ist auch nicht plötzlich alt, sondern auf der Höhe der Zeit. Sehr leger, sehr lässig und cool. ES macht Spaß ihm zuzusehen. Dennoch hinterfragt Madeleine (wie zuvor Vesper oder Natalya in GE) seine Rolle und er denkt darüber nach (wie in CR) und trifft am Ende eine Entscheidung. Es ist nicht ganz klar, ob Bond am Ende den MI6 verläßt oder nur eine Pause einlegt. Aber wenn Madeleine`s Position sich auch in Bond25 niederschlägt, müsste Bond eigentlich außerhalb des Geheimdienstes zu sein.
Von daher gebe ich eine 2+ und bei den Craig-Bondfilmen reiht sich SPECTRE nach CR und vor SF und QOS ein, da er im Vergleich zu CR weniger originell und innovativ ist. Bei den anderen beiden Filmen haben mir im Wesentlichen die Finalpartien im Hotel in der Attacama-Wüste (erinnerten mich zu sehr an die Brosnan Ära Stealth Ship) und die Szenen um den Landsitz Skyfall (z.B. mit dem Helikopterabsturz oder die Eisszene) nicht so gut gefallen