Beiträge von Scarpine

    Auch die Anspielungen an frühere Filme fand ich sehr gelungen. Ich hatte bei keiner das Gefühl, dass sie nicht der Handlung dienlich ist. Auch hier ganz anders als der Bro'feld-Humbug.

    Schönes Review! Volle Zustimmung meinerseits. Auch wenn einige jetzt vielleicht lachen, aber ich habe in der Nacht vor dem Kinobesuch noch geträumt, dass McQuarrie auch in diese Falle tappt und im Finale dann Sean Harris auftaucht: "Das war wieder alles ich, Ethan!"

    Bei Barry klingen auch die Actionszenen immer melodisch hörbar und dadurch auch individuell unterscheidbar.

    Absolut. Und hier sehe ich auch die Stärke der Arnold-Scores. Er ist da zwar nicht so prägnant wie Barry, aber seine Action-Arrangements kann man zumeist auch den jeweiligen Sequenzen sehr gut zuordnen. Wenn man sich die Speedboat-Verfolgungsjagd aus The World Is Not Enough anhört, macht die mir fast genauso viel Spaß wie im Film. Da sind so viele kleine Momente drin, die für Atmosphäre sorgen oder die Dynamik wahlweise rausnehmen oder wieder forcieren. Dahingehend habe ich die Scores von Tomorrow Never Dies und The World Is Not Enough mittlerweile sehr schätzen gelernt. Seine beiden Craig-Soundtracks habe ich bereits auf Anhieb gemocht. Die Another Day hat auch seine Momente, aber im Gesamtbild ist der Score bisweilen so überdreht wie der ganze Film, was sich schon mit der etwas rumpeligen Gunbarrel-Untermalung ankündigt. Was ich bei Barry eher meinte, war, dass ihm die verstärkte Verlagerung auf Action-Sequenzen im Gesamtverhältnis vielleicht nicht so gelegen hätte. Da hat man bei den Brosnan-Bonds im Vergleich zu den Moore- und Dalton-Filmen schon nochmal einen erheblichen Sprung gemacht. Tatsächlich würde ich aus der 1980er-Gruppe den Octopussy-Score als seine beliebigste Arbeit ansehen, wohingegen er mit den beiden Nachfolgern wieder voll glänzen konnte. Ich glaube, dass gerade A View To A Kill ohne Barrys exzellenten Soundtrack auch bei vielen Fans einen deutlich schlechteren Stand hätte.

    Aber ich finde es trotzdem einen fundamentalen Fehler, das Bondthema so stiefmütterlich zu behandeln.

    Etwas, was man in der Craig-Ära fast konsequent durchgezogen hat, ohne dass man es dort als besonderen Fehler gesehen hätte. Aber ich bin deiner Meinung. Ich glaube, dass Serra einfach kein so gutes Gespür für Atmosphäre hat wie es Barry besaß. Wenn man sich den Rohschnitt der Panzerjagd mit Serras Orginalmusik anschaut, versteht man sofort, wo das Problem lag. Da sind angefangen mit dem Durchbrechen der Mauer einfach so viele Momente drin, die zu akustischen Highlights einladen, aber Serra zieht trotzdem stur seine Melodie durch. Barry war einfach viel besser darin, die Feinheiten solcher Szenenfolgen zu erkennen und zu vertonen. Auch bei sehr ruhigen Dialogszenen, wie es weiter oben schon beschrieben wurde.

    Aber grundsätzlich ist es sehr schwer zu beurteilen, ob Barry für GE ähnlich gut funktioniert hätte, wie mit vielen 'Was wäre wenn'-Fragen. Ich kann es mir gut vorstellen, verstehe aber auch, wenn man es nicht kann.

    Ich kann es mir sogar sehr gut vorstellen und auch, dass es ein sehr guter Score geworden wäre. Aber die Zeit, da gebe ich Barry recht, wenn er die Produzenten seinerzeit da tatsächlich zu Serra ermutigt hatte, erforderte einen neuen Bond-Sound.

    Naja, zumindest für Skyfall fand ich Newman ehrlich gesagt wesentlich weniger sperrig als etwa Serra oder auch Legrand. Die Musik hatte durchaus atmosphärische Momente, etwa bei der Fahrt durch Schottland. Selbst bei Spectre hat sie mich nicht auffällig gestört.

    Mich schon. Vielleicht bin ich da überkritisch, aber Newmans Musik gibt mir gar nichts und wenn sie präsent ist, dann stört sie. Sorry, aber so ein Track wie "Severines Theme" ist nur ein belangloses Gedudel. Was hätten Arnold oder gar Barry daraus gemacht... Und die Action-Momente sind teils richtig penetrant. Wenn ich da an Bonds Konfrontation mit Silva im Untergrund oder das Finale mit Oberhauser in London denke. Das wahlweise nur irgendein klapperndes Geschepper oder ein nervöses Flirren, das man fast nicht mehr als Musik bezeichnen kann. Hier ist es noch nicht einmal mehr so, dass ich die Scores als Bond-Soundtracks schlecht finde, sondern ganz generell. Aber das ist wohl ein persönliches Ding.

    Geht es bei Filmmusik wirklich darum, immer modern und am Puls der Zeit zu sein? Im Kern lehnt sie meistens ja eher an klassische Musik an, und Bond ist dann nochmal zusätzlich ein ziemlich konservatives Franchise. Merkt man ja auch an den ständig wiederkehrendes Bassey-Verbeugungen. Ist denn Arnolds TND-Score wirklich flippig und modern? Aus meiner Sicht wurde er von den Fans gerade dafür gelobt, dass er sich wieder an den alten Orchestersound anlehnt und - anders als GE - gerade das Bondthema zelebriert. Der mit Abstand erfolgreichste symphonische Soundtrack der 90er war auch James Horners Titanic, und auch der lehnt sich deutlich eher an vergangene Filmären an als wirklich etwas neues zu schaffen. Wobei ja 95% der Zuschauer sich eh nie im Leben ein Album mit reiner Filmmusik kaufen und sie im Film eher unterbewusst wahrnehmen.

    Prinzipiell nicht. Aber Titanic war zum Beispiel ein Historiendrama, genauso wie Dances with Wolves, Schindlers List, Braveheart und viele andere Beispiele, die man aus dieser Zeit nennen könnte. Action-Filme, auch konservative Reihen wie 007, erfordern da aber schon verstärkt ein moderneres Element. Und jede Generation Filmkomponisten brachte schon gewisse neue Stilrichtungen mit rein. John Barry war ein vergleichsweise klassischer Arrangeur. Éric Serra, wenn auch sehr speziell und partiell gewissermaßem ein Vorreiter, machte eine Musik, nach der dann doch einige Filme und Serien in den 1990er Jahren klangen. Das war nach meinem Empfinden schon ein bisschen der Geist dieser Dekade. In der Brosnan-Ära nahmen die Action-Sequenzen im Vergleich zu früheren Filmen stark zu. Barrys Stärken lagen aber mehr in ruhigen, malerischen Stimmungs- und Spannungselementen. In einem Film wie Moonraker konnte man sich schwerelos von ihm davontragen lassen, aber die Brosnan-Filme waren da doch größtenteils schon ganz anders gelagert.

    Aber trotz allem würde ich einen Soundtrack von ihm jederzeit und ohne nachzudenken dem von Serra vorziehen.
    Brosnan war ja auch der einzige Darsteller, bei dem vor und hinter der Kamera fast alles neu war.

    Ich würde auch jeden Barry-Soundtrack einem Serra-Album vorziehen, aber - und jetzt kommt die Einschränkung - nicht bei GoldenEye. Auch wenn man über Serras Score viel Negatives schreiben kann, wohnt den düsteren, kalten Klängen doch eine Melancholie inne, die doch sehr gut zu dem ernüchterten, den Aufbruch verpassten Jelzin-Russland Mitte der 1990er Jahre und einer Welt, die ihre alten Sünden (Lienzer Kosacken, Ourumov, Zukovsky, Janus, sowjetische Killer-Satelliten) nicht los wird, passt. Damit will ich den Score nicht verteidigen, aber er hat schon seine Momente, wo Barry-Kompositionen vielleicht doch eine Spur zu feierlich gewesen wären. Ein wesentlicher Kritikpunkt an Brosnans Bond und seiner Ära war bekanntlich seit jeher, dass diese - trotz allem personellen Wechsel - wie mit einer Chechliste par excellence alle 007-Standards erfüllten. Dahingehend hätten ein breiter Barry-Sound oder Ken Adam-Sets diesem Eindruck erst recht die Bond-Klischee-Krone aufgesetzt.


    Insofern empfinde ich den untypischen, teils dysfunktionalen Serra-Soundtrack als wichtigen (un-)bewussten Konterpart, um diesem Gefühl entgegenzuwirken. Gleichzeitig liegt darin offenbar der Grund, warum manche Fans mit dem Film nicht warm wurden. Ich glaube, dass es hier aber vor allem jene betrifft, die diese Enttäuschung 1995 beim Erscheinen des Werks erlebt haben. Komischerweise wird derselbe Umstand bei Skyfall oder Spectre nie so stark betont, obwohl einige (mich eingeschlossen) Thomas Newmans Arbeiten für die Serie ebenfalls als sehr enttäuschend fanden. Das liegt wohl nur daran, dass er nicht so große Stilbrüche wie Serra beging. Aber es hat noch kaum jemand die Frage aufgeworfen, wie diese beiden Filme mit Barrys Musik wirken könnten; davon abgesehen, dass sein Einsatz hier genauso unmöglich gewesen wäre, wie der Maibaums bei GoldenEye.

    Aber warum denn? Also, warum wollte John Barry offenbar keine weiteren Bond-Scores mehr komponieren :/.

    Am Ende von The Living Daylights tritt er ja auch als Dirigent im Film selbst in Erscheinung. Vielleicht war das der perfekte Abschied für ihn? Das meinte ich ja weiter oben, dass ihm vielleicht klar war, dass es in dieser Schiene mit noch mehr kommenden modernen Einflüssen für ihn nicht weitergehen würde. Insofern wollte er wohl mit einem Score abtreten, hinter dem er künstlerisch und qualitativ noch voll stehen konnte.

    Das würde ich so nicht 1:1 unterschreiben. John Barry hat in den 60ern,70ern und 80ern funktioniert, warum nicht in den 90ern?

    Ich mag David Arnold auch, aber tendenziell eher CR und QOS, also sein 90er Output. John Barry hat doch mit TLD bewiesen, das er einen

    modernen und gleichzeitigen klassischen Score perfekt hinbekommt. Auch wenn ich mit dem Serra Soundtrack inzwischen arrangiert habe,

    bin ich mit zu 100% sicher das Barry (gilt auch für Arnold) was besseres und zu Bond passenderes hinbekommen hätte.

    Das ist eher mein persönlicher Eindruck. John Barry war eher ein konservativer Komponist, der sich in der Spätphase seiner Karriere nicht mehr dem Puls der Zeit annähern wollte oder konnte. Dahingehend würde ich sein The Living Daylights-Album schon als Maximum dessen ansehen, wohin er noch zu gehen bereit war. Und GoldenEye war nochmal 8 Jahre später. Zudem, auch das ein persönlicher Eindruck, gefallen mir seine Soundtracks der beiden vorangegangenen Jahrzehnte im Schnitt mehr, als seine drei Achtziger-Scores für 007. Und ich finde, im vierten Jahrzehnt einer erfolgreichen Reihe sollte man auch mal neue Wege beschreiten. Als er mit Doctor No anfing, war Barry 29 Jahre alt. Zur Zeit von GoldenEye wäre er bereits 62 gewesen. Man kann über Éric Serras Score sicherlich vortrefflich streiten, aber ich schätze den Mut der Produzenten 1995 mal ein paar neue Wege zu gehen, wo gerade in der vorherigen Glen-Ära beinahe überhaupt kein Personal ausgetauscht wurde. Nachdem das Team hinter den Kulissen hier so konstant wie in keinem anderen Bond-Jahrzehnt war, musste man einfach in verschiedenen Bereichen einen Aufbruch wagen, um neue Impulse zu setzen. Und es wäre hier nicht um den Soundtrack für einen melancholischen Spätwestern wie Dances with Wolves (1990) gegangen, der im Grunde auch Barrys letzter großer Score war, sondern um den 007-Sound für eine neue Ära.

    Bei Arnold ist der Einfluss natürlich erheblich geringer (11 Jahre, 5 Filme), aber bei mir dafür umso stärker hängengeblieben. Arnold ist quasi "mein" Bondkomponist, als ich angefangen habe, mich intensiver mit den Bondscores zu beschäftigen, ähnlich wie Sir Roger "mein" Bond ist.

    Geht mir genauso. John Barry ist natürlich der Über-Komponist in Sachen Bond, an den niemand heranreicht. Trotzdem glaube ich, dass er in den 1990er Jahren einfach nicht mehr modern genug für 007 gewesen wäre, kämpfte er doch schon ein Jahrzehnt früher erkennbar mit den Pop-Sounds der neuen Dekade rund um Duran Duran und A-ha. David Arnold habe ich in den vergangenen Jahren durch die stärkere Auseinandersetzung mit den Scores immer mehr schätzen gelernt. Diese Mischung aus Techno-Elementen, melodischen Stücken in Barry-Tradition aber mit erkennbar eigenen Akzenten und dyamischen-atmosphärischen Action-Tracks hat die Filme 1997-2008 wirklich perfekt untermalt. Und die Arnold-Soundtracks höre ich mir mittlerweile häufiger und lieber an als so maches Barry-Album.

    Irgendwie ist es schon schade und tragisch, dass mit Ausnahme von Desmond Llewellyn niemand aus der alten Garde in den 90ern weitermachte. Barry, Adam oder auch Maibaum hätten dem Neustart in den 90ern extrem geholfen.

    Ein interessanter Punkt, den ich völlig konträr bewerten würde. Ich finde es gerade gut, dass man die Namen, die drei Jahrzehnte geprägt haben, nicht noch in ein viertes Jahrzehnt gehievt hat. Die genannten Herren waren in den 1990er Jahren doch alle (genauso wie die vier Alt-Regisseure) bereits weit über ihren künstlerischen Zenit. Und nachdem gerade die vorangegangene Glen-Ära durch ein geradezu krampfhaftes Festhalten an etabliertem Personal geprägt war, tat eine Erneuerung wirklich Not. Man musste auch mit der Zeit gehen. Hand aufs Bond-Herz: Hätte ein melodischer Barry-Score wirklich noch in die flippigen Neunziger gepasst?


    Die Ära der großen Set-Bauten war bereits mit Glens Wechsel auf den Regie-Stuhl 1981 passé. Das lag auch an den Produzenten. Und Maibaum starb 1991. Hier finde ich eher unverständlich, dass sich Michael G. Wilson komplett vom Schreiben zurückzog. Er hätte da eine Konstante sein können, bevor Purvis & Wade 1998 dann übernahmen; war doch gerade die Script-Entwicklung der Beiträge '95 und '97 besonders krisengeschüttelt. Und man könnte auch generell einmal fragen, wie wichtig erprobtes Personal in den Departments bei einem Neustart wirklich ist. Schon Roger Moore bewältigte seinen Einstand 1973 ohne Barry, Adam, Maibaum und Llewelyn.

    Chronologisch wäre die Szene in der Pretitle die Überleitung zwischen Bonds Bilbao-Abenteuer und dem Schwenk zum MI-6-Gebäude gewesen. Ich mag die Szene, kann aber nachvollziehen, wieso sie geschnitten wurde. Abgesehen von der Begründung des Regisseurs ist die Vortitelsequenz ohnehin schon recht lang. Durch die Wegnahme dieser Übergangsszene hatte man schon mal eine Minute weniger.


    Ich fand es immer etwas schade, dass es das Cigar Girl so früh erwischt. Ihr Tod ist an der Stelle aber sinnvoll, um Renard zu pushen. Dieses "Vor ihm kann mich niemand schützen!" zeigt nochmal mehr, dass Renard und Silva von der Konzeption her auf diesselbe Ursprungsidee von Purvis & Wade zurückgehen. Beides rachsüchtige, deformierte Ex-Agenten, die von ihren Arbeitgebern fallen gelassen wurden, ihre Leute mit ihrer anarchischen Ader massiv einschüchtern und einen tiefliegenden Hass auf Judi Denchs M haben.


    Aber das ist eine Schwäche von Brosnans dritten Film: Wo die anderen Brosnan-Beiträge einen veritablen Handlanger (Xenia, Stamper, Zao) aufweisen, laufen den Rest des Streifens nur profillose Gestalten umher. Einen Fehler, den man in der Craig-Ära - mit Ausnahme von Hinx - ja kurioserweise konsequent fortgesetzt hat. Und Javier Bardem, der Renard ja ursprünglich spielen sollte, kam dann ironischerweise eine Dekade später bei seinem konzeptionellen Zwilling zum Zuge.


    Renards nächste Szene, die heutige Einführungsszene, findet bekanntlich nach dem Ski-Anschlag und dem Casino-Besuch statt. Davidov und Arkov müssen Renard für den Fehlschlag in der Höhle mit den glühenden Steinen Bericht erstatten. "Willkommen im Atem des Teufels."

    Nee, den Villain gleich am Anfang so beiläufig einzuführen, wäre, m.E. nicht klug gewesen.

    Das war auch Apteds Intention die Szene herauszuschneiden. Wobei ich Renards spätere Einführungsszene jetzt auch nicht so eindrucksvoll finde. Am Ende kommt es auf den Schurken selbst an. Goldfinger und Le Chiffre schadet es jetzt auch nicht, dass sie sehr früh und unspektakulär eingeführt werden. Diese Aha-Momente wie bei Silvas Einführung, in diese Schiene passt ja auch Renards Höhlen-Szene, wirken bei mir jetzt auch nicht so sonderlich, verfehlen aber beim breiten Publikum ihre Wirkung (hier kommt endlich der große Bad-Guy!) offenbar nicht. Trotzdem gefällt mir Scaramanga als Villain zum Beispiel viel mehr als Silva und der liegt in der Pretitle-Sequenz einfach nur am Strand.

    Ich meinte - abseits des Fakts, dass TWINE nicht mein Lieblingssong ist - ja vor allem, dass ich den Song in den Titeln brutal schlecht und flach abgemischt empfinde. Liege ich da falsch?

    Ich erkenne da im direkten Vergleich auch einen Unterschied. Garbage arbeitet ja tonal mit vielen Höhen und Tiefen. In der Filmabmischung hat man diesen Effekt bei den dynamisch-lauten Passagen erkennbar abgemildert. Vielleicht damit der Song harmonischer zur Sequenz passt oder damit den Kinogängern nicht die Löffel wegfliegen. ;)

    Elektra ist (bis auf den Schluss) grandios geschrieben, man weiß bei ihr nie, woran man ist. Ich hab gelesen, dass für ihre Teile erstmals seit Johanna Harwood (beteiligt an FRWL) eine Frau zuständig war, der Name ist mir grade entfallen. In den Credits wird sie jedoch nicht genannt.

    Du meinst Dana Stevens. Ihr Name taucht deswegen nicht in den Credits auf, weil ihre Bearbeitungen von Bruce Feirstein in weiten Teilen wieder rückgängig gemacht wurden. Elektra ist fast vollständig eine Schöpfung von Neal Purvis & Robert Wade, für weite Teile des Fandoms die Bad Boys auf Autorenseite. Mehr zur Drehbuch-Genese des Films findest du hier: RE: DIE DREHBUCHAUTOREN: Neil Purvis und Robert Wade

    Ich hab aber peinlich lange gebraucht, um zu merken, dass das "Cigar girl" dieselbe ist, die Bond in London mit dem Boot verfolgt. Naja, sie trägt ja auch völlig andere Klamotten und die Haare anders...

    Das liegt daran, dass Apted folgende Szene aus der Endfassung geschnitten hat, die dem Publikum diesen Zusammenhang unmittelbar vermittelt hätte:

    Der Soundtrack ist m.E. Arnolds schwächster, aber der Titelsong setzt der Nicht-Wirkung auf mich noch die Krone auf! [...] In der Titelsequenz (m.E. ebenfalls Kleinmans schwächste)

    Es ist wirklich interessant, wie unterschiedlich die Geschmäcker doch sind. Kleinmans Titel mag ich sehr und sehe diese im Mittelfeld seines Schaffens. Seine drei schwächsten Sequenzen hat er für Craig abgeliefert. Und Garbarges Song schlägt bei mir alle anderen Titellieder seit 1979.

    Stimmt, das verwundert... Obs an der starken Vorauswahl der Flemingerben liegt?

    Das denke ich eher nicht. Ich vermute, die Lösung ist relativ simpel: Da Bond vor allem durch die Filme eine ziemlich große Projektionsfläche geworden ist, sieht jeder etwas anderes in ihm. Aber keiner sieht ihn mehr so, wie Fleming ihn sah. Gardner wollte ja auch an den literarischen Bond anknüpfen und sagte mal sinngemäß, dass er Connery, Lazenby, Moore und die Kinofilme beim Schreiben aus seinen Gedanken scheuchte. Aber so ein Ansinnen kann eigentlich nur bedingt funktionieren und wenn man sich seine Romane so ansieht, hat es das auch nicht.

    Schöne Idee, wollen wir das so anpeilen, Martin, Scarpine, Spree?

    Ich hatte ohnehin anvisiert, die Romane mal wieder zu lesen. :)

    Um welche Begriffe und Beschreibungen ging es denn da genau?

    Da bin ich überfragt. Details kenne ich auch nicht. Da müsste man Flemings Original-Manuskript mit der veröffentlichen Romanfassung vergleichen.

    Schreibt er das in seinem "Narrative"-Aufsatz von 1965 oder später?

    Hier bin ich mir unsicher, da es mehrere Texte von Eco zu Fleming gibt und ich die vor vielen Jahren mal gelesen habe. Da müsste ich bei Gelegenheit einmal nachschauen. Auf jeden Fall hat Eco genau diese Art der Montage hervorgehoben: Man beschreibt das Alltägliche sehr detailverliebt, sodass die Leser, die diese Dinge kennen, voll im Geschehen sind und dann nehmen sie auch Szenarien, die ihnen überhaupt nicht geläufig sind, wie Atombomben-Diebstähle oder Todes-Parkours viel selbstverständlicher als gegeben hin.

    Es hilft sicher, wenn man etwas erlebt hat - aber Recherche sollte man nicht unterschätzen - die Beispiele für brillante "Nur-Recherche"-Autoren sind rar, aber es gibt sie.

    Natürlich. Fleming hat ab Live And Let Die auch stärker recherchiert, hat sich eine richtige, vergoldete Schreibmaschine anfertigen lassen und ist das Romanschreiben dann professioneller angegangen. Gute Recherche ist immer wichtig. Aber wie Martin schon schrieb, sein Stil und seine Herangehensweise waren wohl so speziell und personaliert, dass viele andere, teils hochkarätige Literaten in dieser Art nicht schreiben konnten. Natürlich ist es immer keine ganz leichte Aufgabe, im Stil eines Kollegen zu schreiben. Aber es gibt auch gute Beispiele, wo das gelungen ist. Bei Fleming sind bislang alle Epigonen mehr oder weniger gescheitert. Das ist schon sehr ungewöhnlich.

    Ich hatte dich ehrlich gesagt gar nicht so verstanden, dass wir alles nochmal komplett von vorne in Echtzeit parallel lesen (dazu sind Zeit und Lesegeschwindigkeit vielleicht auch zu unterschiedlich...) - ich habe alle Bücher im Dezember/Januar das letzte Mal gelesen und würde das auch mehrheitlich aus dem Gedächtnis machen.

    Da habe ich tatsächlich egoistisch von meiner Warte aus gesprochen. Da bei mir die Lektüre schon ziemlich lange her ist, müsste ich alles nochmal komplett lesen.

    Ich frage mich da allerdings immer, ob Fleming tatsächlich im Vergleich zu seiner gesellschaftlichen Umgebung etwa im Bezug auf Rassismus herausgestochen ist...

    Im Gesamtbild vermutlich nicht. Allerdings musste Live And Let Die für die Veröffentlichung in den USA doch schon redigiert werden, weil Fleming teils Begriffe und Beschreibungen bei Afroamerikanern verwendete, die sein US-Verlag bereits damals (1954!) nicht mehr gutheißen konnte.

    Flemings detailversessene Beschreibungen haben meiner Meinung nach ebenfalls System und sind sehr bewusst gesetzt - sie beziehen sich ja in der Regel auf die Teile in Bonds Leben, die jeder nachempfinden und erleben kann (also z.B. eine Zugfahrt, Wartezeit, Einchecken, Papierkram im Büro, Essen in der Kantine, Trashliteratur in der Wartezeit...). Auch das macht die Faszination aus: Während man als Leser sein langweiliges Leben führt, kann man sich vorstellen, dass das nur die EINE Seite der Medaille ist (und auf der anderen Aufregung, Glamour, Champagner und Schießereien stehen).

    Diesen Kontrast hat Umberto Eco in den späten 1960er-Jahren ja auch schon genauso als besondere Leistung von Ian Fleming hervorgehoben.

    Das ist ja die alte Frage der Literatur, ob das Geschriebene seinen Sitz in der Persönlichkeit seines Autors haben muss. [...] aber man muss als Autor nicht jede dunkle Seite haben, über die man schreibt. Nicht mal einen Schatten davon. Es reicht, wenn man diese Seiten (bei anderen erfahren hat) und viel Fantasie besitzt.

    Ich denke, das ist auch gar nicht der Punkt. Wer das als Autor nicht kann, hat seinen Job verfehlt. Fast alle Nachfolger haben teils obskurere und brutalere Szenarien als Fleming entwickelt. Das ist übrigens noch ein Grund, warum ich John Gardner nicht so gerne mag: Bei ihm hatte man oft den Eindruck, dass er das immer etwas überdreht hat. Den Verräterinnen musste da häufig vorher erst einmal genüsslich das Rückgrat gebrochen oder alle Knochen zerquetscht werden, bevor die dann endlich irgendwann den Gnadenschuss bekamen. Das fand ich in der Summe dann schon manchmal übertrieben und effekthascherisch. Ich glaube, der Unterschied ist hier wirklich, dass Fleming mehr Kenner als Autor war. Da ging es weniger um die reine Erzählkunst, sondern um die Liebe zum Detail. Casino Royale hat er einfach ohne irgendwelche Vorrecherchen aus dem Stehgreif bei einem Jamaika-Aufenthalt geschrieben.


    Und bei aller Imaginationskraft macht es am Ende eben doch einen Unterschied, ob man bestimmte Zusammenhänge kennt bzw. erlebt oder sie eben nur recherchiert hat. Fleming kannte die Orte durch seine Reisen, er war im Krieg und kannte Geheimdienstpraktiken und Ereignisse, er kannte das Glücksspiel und er kannte die Frauen. Und vor allem wusste er, wie er all diese Elemente gewinnbringend verknüpfen kann. Fleming hat immer sehr viele Aspekte aus seinem eigenen Leben in die Romane eingewoben. Es ist gut möglich, dass er seine Werke für Schund hielt. Es ging ihm nicht um hohe Literatur, sondern er hat alles, was ihn interessierte, in einer etwas kolportagehaften Mischung zu Papier gebracht und hatte meines Erachtens großen Spaß dabei. Gardner meinte in der Hochzeit seines Schaffens einmal sinngemäß, dass bei ihm immer parallel ein Buch erscheine, ein Buch recherchiert würde und er an einem Buch schreibe. So hat Fleming nie gearbeitet.

    8o Ich wäre sofort dabei! Wollen wir das machen? 8o

    Prinzipiell hätte ich nichts dagegen, auch wenn der Faktor Zeit natürlich immer eine Rolle spielt. Anders als bei den Filmmarathons werden sich da aber wohl nicht allzu viele User anschließen, fürchte ich. ;)

    Ich sehe Ian Fleming auch nicht so stark in dieser Schiene. Aber er hatte irgendwie schnell einen Ruf weg und schon zu Lebzeiten eine recht starke Lobby gegen sich, weil man ihn vielfach nicht als vollwertigen Schriftsteller wahrnahm oder eben viele den Erfolg neideten. Generell wird immer gerne dieses moralische Argument vorgeschoben oder eben die fehlende Seriösität was das Agentengeschäft angeht. Diese kolportagehafte Mischung aus Sex und Sadismus war in den 1950er-Jahren ja auch noch viel umstrittener als man das heute meinen würde. Da konnte man sich viele Feinde machen. In einigen Ländern wurden die Fleming-Romane wegen ihrer sittlichen Anstößigkeit ja umgehend verboten. Terence Young, der ja selbst ein schwieriger Charakter war, kam nach eigener Aussage gut mit Fleming aus, meinte aber auch rückblickend, dass er ihn wegen seiner immensen Arroganz nie wirklich gemocht hätte.


    Ich denke, Flemings sarkastische und zynische Ader hat viele Leute verprellt. Wenn man ihn jedoch zu nehmen wusste, kam man gut mit ihm aus. Interessanterweise haben Ursula Andress und Lois Maxwell in der Rückschau nur positiv über Fleming berichtet, wo er doch so ein schlimmer Chauvinist war. Und in der heutigen Zeit wird ja noch an viel mehr Aspekten von Flemings Persönlichkeit und Werk Anstoß genommen. Bei den Nachfolgeautoren hatte man dann zumindest mit Anthony Horowitz eine ganz gute Wahl getroffen, weil der vom Typ her Fleming schon näherstand als ein John Gardner oder Raymond Benson. Auch Jeffery Deaver hatte irgendwie, obwohl Amerikaner wie Benson, einen veritables Gespür dafür, wie man die Sache mit der richtigen Einstellung angeht. Sebastian Faulks und William Boyd sind dagegen mit völlig konträren Ansätzen weitgehend gescheitert.


    Hinsichtlich John Gardners Schaffen kann ich deine Eindrücke schon nachvollziehen. In der Summe war Gardner eigentlich auch besser als Benson, dessen Bücher ich immer sehr nüchtern und nichtssagend fand. Was Gardner ganz gut konnte, war sich nach Bond klingende Titel auszudenken. Zwar bediente er sich da mit For Special Services oder Death is Forever auch eifrig beim Meister selbst, aber er schuf auch eigenständig eingägige Titel wie Icebreaker, Role of Honour, Nobody Lives Forever, Scorpius oder Seafire. Später hat er ja selbst eingeräumt, dass er nach sechs Romanen mit No Deals, Mr. Bond besser aufgehört hätte. Danach war die Luft irgendwie merklich raus und die Qualität sank zunehmend. Trotzdem habe ich immer noch gewisse Vorbehalte gegen Gardner. Als die ersten Cross Cult-Ausgaben vor ein paar Jahren erschienen, habe ich in der Buchhandlung immer mal wieder den einen oder anderen Band in die Hand genommen, darin geblättert und dann wieder enttäuscht zurückgelegt.


    Irgendwie werde ich mit Gardners Stil nicht so recht warm. Seine Art, Geschehnisse zu beschreiben, hat immer einen merkwürdig artifiziellen Touch. Seine Charaktere bleiben stets blutleere Papierkameraden und werden vor dem geistigen Auge nie wirklich lebendig. Wo Fleming energisch atmosphärischen Biss entwickelte, blieb bei Gardner häufig nur eine kraftlos erscheinende Schablonenhaftigkeit übrig. Amüsant fand ich aber irgendwie, dass weder Gardner noch Benson der Versuchung widerstehen konnten, einen inflationären Der Mann...-Titel zu wählen. Hier zeigt sich recht markant, wo der Unterschied zwischen Fleming und seinen Nachfolgern liegt: Während Fleming dieser lahmen, hundertfach gebrauchten Titel-Variation mit der Golden Gun wieder eine Exklusivität verleiht, erscheinen ein Barbarossa oder ein rotes Tattoo bei weitem nicht so einprägsam. Vielleicht gebe ich Gardners Werk, wo es jetzt komplett übersetzt vorliegt, aber auch noch einmal eine Chance.


    Was Per Fine Ounce angeht, kann natürlich auch sein, dass es einfach die Erwartungen nicht erfüllte. Geoffrey Jenkins war ein Spezialist für actionlastige Südafrika-Thriller und war dadurch schon in 1960er-Jahren jemand, der eine ähnliche Herangehensweise wie John Gardner eine ganze Dekade später hatte. Vielleicht war der Entwurf dadurch den Filmen näher als den Romanen, was auch erklären könnte, wieso die beiden Eon-Produzenten diesen mochten und er dagegen bei Glidrose Productions durchfiel. Ein paar von Jenkins Büchern wurden in 1960er- und 1980er-Jahren auch als B-Movies verfilmt. Trotzdem wäre es interessant gewesen, weil die Story ja auf einer Geschichte basierte, die Fleming und Jenkins 1957 gemeinsam entwickelt hatten. Diese hätte demnach auch teilweise Orginal-Fleming-Material beeinhaltet. Kurioserweise hat der Autor Peter Vollmer 2020 auf Basis der erhaltenen Manuskript-Seiten einen Hommage-Roman mit dem Titel Per Fine Ounce veröffentlicht. Natürlich durfte er die Fleming-Figuren nicht verwenden. Statt Bond agiert hier Geoffrey Peace, der auch der Held in mehreren Romanen von Jenkins ist. Ich kenne das Buch nicht, aber es ist sicher eine ganz nette "Was wäre wenn..."-Variante.

    So hab ich das auch immer empfunden. Dafür, dass Fleming angeblich so mittelmäßig war, tun sich selbst Bestseller-Autoren doch ziemlich schwer damit, seinen Stil zu treffen. Ich lese auch gerade ein paar andere britische Spionageklassiker, und da wird Fleming im Klappentext in fast schon ermüdender Regelmäßigkeit gebasht. Aber ist wohl auch eine Art Auszeichung.

    Ich glaube, beide Phänomene haben diesselbe Ursache: Ian Flemings Persönlichkeit. Er wurde zu Lebzeiten nicht von vielen Mitmenschen geschätzt. Fleming war arrogant, snobistisch, sexistisch, rassistisch und geltungssüchtig. Er galt als Playboy ohne Moral, der mit ein paar, vor geschmacklosen Sex- und Gewaltfantasien strotzenden Schundromanen den Spionage-Thriller befleckte. Für einen "seriösen" Autor war Fleming eigentlich ein rotes Tuch. Aber genau das war das Problem der Nachfolger: Es steckte unheimlich viel von Fleming selbst in den Romanen. Die Handlung war zwar immer erfunden, aber sein Leben, seine Reisen, seine Erfahrungen, seine Persönlichkeit flossen in die Texte. Das kann man nur schwer kopieren.


    John Gardner war ein Ex-Theologe, Raymond Benson raucht und trinkt nicht, hat keinen Sinn für Luxus. Das hat auch - gerade im Falle des Amerikaners Benson - zu einem gewissen Spot geführt. Sinngemäß schwang da mit: In die Fußstapfen von Bonds Schöpfer treten nur profillose Dilettanten. Viele Nachfolgeautoren liebten Bond und die Romane, waren aber nicht imstande in Flemings Stil zu schreiben, weil sie trotz einer gewissen Faszination seine Einstellungen und Charakterisierungen im Kern missbilligten. Das erklärt auch, warum man viel auf Action und eine tendenziell filmische Handhabung des Sujets setzte. Auf diese Weise konnte man Flemings detailversessene Beschreibungen, seine obskuren Manierismen sowie seine ausgiebigen, teils voyeuristischen Frauenportraits umgehen. Ganz besonders deutlich wird das bei William Boyd, der eigentlich einen historischen Roman um den literarischen 007 herumschreibt und den Charakter dabei möglichst nur mit der Kneifzange anzupacken versucht.

    Insgesamt fand ich die Veröffentlichungspolitik von Ian Fleming Publications auch immer etwas merkwürdig und opportunistisch. Nachdem man lange nach 'Colonel Sun' gar nichts machte und Christopher Wood dann aus reiner Eigeninitiative zeigte, dass der Roman-Bond noch zieht, engagierte man mit John Gardner einen reinen Auftragsautoren ohne größere literarische Ambitionen. Das Anheuern von Gardner und Benson spiegelt meiner Ansicht nach EONs Politik, eher gute Action-Handwerker als Regisseure zu wählen, die mit Auftragsarbeiten vertraut und gut steuerbar sind, und die regelmäßigen Output liefern.

    Es wäre mal interessant zu erfahren, wieso man den Roman Per Fine Ounce von Geoffrey Jenkins Ende der 1960er-Jahre nicht veröffentlichte. Dazu gibt es viele Theorien, aber da das Manuskript bis auf wenige Seiten leider verschollen ist, kann man nur spekulieren. In der Erinnerung von Flemings Agent Peter Janson-Smith war es nicht gut geschrieben, aber ich könnte mir auch vorstellen, dass Ian Fleming Publications (damals Glidrose) mit gewissen Aspekten der Story nicht einverstanden war. Laut der Synopsis wird die 00-Sektion aufgelöst und Bond agiert in Südafrika mit Ms Einverständnis auf eigene Faust. Jenkins war ein profilierter Autor und mit Fleming befreundet. Er hatte auch einen guten Draht zu Harry Saltzman und Albert R. Broccoli und lieferte angeblich die Anfangsidee zu You Only Live Twice mit dem fingierten Tod und der U-Boot-Auferstehung von 007. Daher gibt es auch das Gerücht, dass Saltzman und Broccoli, nachdem man Jenkins abgewiesen hatte, kein großes Interesse mehr an einer Zusammenarbeit mit Gildrose hatten. In Kenntnis des Manuskripts (ein Exemplar ging an Eon) hatten sie Per Fine Ounce wohl für eine Verfilmung in der Serie vorgesehen.


    Eine weitere Erklärung, warum Glidrose nach Colonel Sun keine weiteren Romane bei Kingsley Amis mehr in Auftrag gab und auch Jenkins Per Fine Ounce fallenließ, könnten die massiven Auseinandersetzungen mit Flemings Witwe Ann nach der Veröffentlichung des ersten Nachfolgeromans gewesen sein. Ann Fleming starb 1981. Interessanterweise nahm Glidrose in genau diesem Jahr die literarische Bondproduktion wieder auf. Das kann eigentlich kein Zufall sein. Es ist auch mein Eindruck, dass Ian Fleming Publications zumeist sehr opportunistisch vorging und die Autoren zu Beginn auch stark eingeschränkt hat. Da konnte man sich kaum frei entfalten. Die Romane von Gardner wurden im Nachgang wohl auch durchgängig geglättet. Von daher war es sicher von Vorteil keinen großen Namen zu berufen, da man diese Form der Endkontrolle nicht mit jedem machen konnte. Gardner und Benson waren da schon die passgenauen Vielschreiber, die schnell und regelmäßig lieferten. Nach 2003 ist man dann plötzlich mehrgleisig gefahren mit der Young Bond- und Moneypenny-Diaries-Reihe und verschiedenen Versuchen eines literarischen 007 in den Sixties und in der Gegenwart.

    Dem ist nicht mehr viel hinzuzufügen, werter Scarpine <3 Exakt so sehe ich es auch.

    Das freut mich sehr. :) Die Fleming-Enthusiast(inn)en sind im Fandom ja doch eher in der Minderheit. Eventuell wäre ein Roman-Grand Prix mit allen Fleming-Büchern mal eine interessante Alternative zu den Filmbesprechungen.

    Besten Dank für die Eindrücke, Don-Corleone. Trigger Mortis steht seit 10 Jahren ungelesen bei mir im Schrank. Vielleicht gebe ich dem Roman doch mal eine Chance bzw. den beiden Nachfolgern.


    Freut mich, dass meine Zusammenfassung die Lektüre unmittelbar angeregt hat, liebe Anya Amasova. Offen gestanden liegt meine letzte Begegnung mit dem Roman über 15 Jahre zurück. Ich kann deine Kritikpunkte an Colonel Sun gut nachvollziehen. Über dem Buch liegt eine gewisse bleierne Schwere, was auch darin begründet sein dürfte, dass Kingsley Amis einen desillusionierten Bond zeigen wollte, der direkt an Fleming anknüpft. In dessen letzten drei Romanen hat 007 seine Liebe, sein Gedächtnis und seine Integrität verloren. Da ist nicht mehr viel mit Glamour und Lifestyle, wie bei einem frühen Fleming-Bond in seiner Hochzeit. Eigentlich ist er ein Wrack. Umso erstaunlicher, dass 007 auch noch die Todesfolter so gut wegsteckt. Aber das haben Faulks und Boyd ja Jahre später noch hirnrissiger weitergesponnen. Alles in allem kein genialer Roman, aber ich finde, dass Amis es im Gesamtbild besser gemacht hat, als John Gardner oder Raymond Benson.


    Ein bisschen schade ist, dass Amis direkter Nachfolger Geoffrey Jenkins nie zum Zuge kam. Der hatte einen weiteren Nachfolgeroman mit dem Titel Per Fine Ounce im Jahr 1969 bereits geschrieben, aber Glidrose Productions hat diesen dann aus unbekannten Gründen nie publiziert. Überhaupt wäre es mal eine Überlegung wert, inwieweit das spätere Ian Fleming Publications da die Autoren nicht auch zu stark gegängelt und die mittelprächtigen Ergebnisse teils mitverschuldet hat. Vor allem Amis und Gardner wurden da in der Frühzeit sehr stark kontrolliert. Auf der anderen Seite haben sie dann dessen teils sehr dürftigen Spätwerke der frühen 1990er Jahre durchgewunken. Kurioserweise fragten sie mit Raymond Benson danach zwar einen echten Bond-Experten die Bücher weiterzuführen, der aber zugleich schriftstellerisch ein ziemlicher Neuling war. Bei den Autoren habe ich zudem, wie mir jüngst auffiel, Christopher Wood vergessen, der ausführliche Romanfassungen seiner eigenen Drehbücher zu The Spy Who Loved Me und Moonraker geschrieben hat.


    Was Ian Fleming und seiner lliterarischen Fähigkeiten angeht, denke ich, dass er nicht selten unterschätzt wird. Aber man gerät mindestens genauso oft in Versuchung, in das andere Extrem zu verfallen. Flemings schwierige Charakterzüge haben sicherlich auch einen gehörigen Teil dazu beigetragen, dass er schon zu Lebzeiten bei einigen Zeitgenossen keinen Blumentopf gewinnen konnte. Auf der anderen Seite wurde der Autor von Kollegen wie William Somerset Maughan oder Raymond Chandler geschätzt. Ich denke, seine Leistung besteht am Ende darin, dass er dem Agenten-Thriller etwas geben konnte, wozu andere Literaten wie John le Carré und Frederick Forsyth nicht willens oder in der Lage waren: Als Lebemann mit phantasievollem und skurilem Geist auf das Spionagegeschäft mit all seinen Exklusivitäten und Absurditäten zu blicken.

    Was von den anderen kannst du denn empfehlen? Nur Amis?

    Das ist schwierig und hängt wohl auch ein bisschen vom individuellen Geschmack ab.


    Kingsley Amis hat mit Colonel Sun nur einen Nachfolge-Roman geschrieben, aber ich würde sagen, sowohl nach meiner Kenntnis, wie nach dem Urteil der meisten Reszensenten, ist es bislang der gelungenste Versuch, Flemings Bond fortzusetzen. Amis hatte sicher auch den Vorteil, dass er der erste Nachfolger war, Flemings Werk minutiös studiert hatte und direkt nach dessen Tod loslegen konnte. Amis war Literat und Fleming-Enthusiast und ging die Sache entsprechend perfektionistisch an. Und er hat nur einen Roman geschrieben, was im Hinblick auf seine Nachfolger ein Vorteil war (auch wenn es anders hätte kommen können). Colonel Sun lässt sich sehr gut im Anschluss an The Man with the Golden Gun lesen.


    Sebastian Faulks und William Boyd haben dann Jahrzehnte später versucht, da anzuknüpfen und Abenteuer für den Original-007 in den späten 1960er-Jahren zu ersinnen. Doch sowohl Devil May Care wie Solo kann ich nicht empfehlen. Auch wenn hier realpolitische Konflikte dieser Zeit effektvoll eingebaut werden, scheitern beide Romane auf ganzer Linie. Boyd hat am Ende einen historischen Thriller geschrieben, aus dem man sich Bond eigentlich auch problemlos herausdenken könnte. Es ist eigentlich kein 007-Roman. Und Faulks reizt die Flemingschen Skurilitäten derart übertrieben und reizlos aus, dass es sich am Ende lächerlich ausnimmt und fast wie eine Parodie wirkt.


    Der Vierte im Bunde ist hier Anthony Horowitz, der dann den Auftrag erhielt, mit Trigger Mortis, Forever and a Day und With A Mind To Kill drei Romane auf Basis von unrealisierten Material Flemings aus der vor der Eon-Reihe geplanten 007-TV-Serie zu schreiben, die sich an unterschiedliche Stellen der Fleming-Chronologie einfügen. Zur Qualität kann ich nichts sagen, da ich diese Bücher nie gelesen habe. Schon diese Idee der Resteverwertung und Flickschusterei erschien mir unsinnig. Als ob jedes Spurenelement Flemings eine geniale Idee wäre und umgesetzt werden müsste. Aber das ist wohl ein persönliches Ding. Vielleicht können andere User eine Empfehlung abgeben, ob die Romane sich lohnen.


    Die zweite Schiene waren dann die Autoren, die den Roman-Bond in die jeweilige Gegenwart gebracht haben. John Gardner hat da 14 Bücher und die Romanfassungen von Licence To Kill und GoldenEye geschrieben. Von den Gardner-Büchern kann ich keines so richtig empfehlen, aber ab dem sechsten Roman hat er doch stärker abgebaut, zwischen so sperrigen Werken wie The Man From Barbarossa und Cold und völligen Tiefschlägen wie Brokenclaw und Never Send Flowers mäandernd. Gardners Stil fand ich immer seltsam kraftlos und effekthascherisch, was schon eine merkwürdige Kombination ist. Allein dass Bond mit den Töchtern von Blofeld und Leiter ins Bett geht, erscheint schon unwürdig. Den einzigen Roman, den ich von Gardner ganz beachtlich fand, war sein Erstling Licence Renewed.


    Dann kam Raymond Benson mit 6 Romanen und den Romanfassungen zu Tomorrow Never Dies, The World Is Not Enough und Die Another Day. Benson hat sich wie auch schon Gardner recht filmische Sujets einfallen lassen, aber irgendwie bin ich auch mit ihm nie warm geworden. Da blieb lediglich High Time To Kill halbwegs in Erinnerung, aber auch nur, weil Benson hier die Union als neues Gangster-Syndikat einführte. Genrell blieben die Reaktionen auf Bensons Schaffen wie auch bei Gardner eher verhalten, weil kein richtig guter Roman dabei war. Bei Benson kam außerdem noch dazu, dass er Amerikaner ist, was die britische Öffentlichkeit und Fangemeinde seinerzeit von Beginn an recht reserviert werden ließ.


    Hierzulande ist sicher auch ein Problem, dass Bensons Bücher bis auf die Romanfassungen der Filmdrehbücher nie systematisch übersetzt wurden. Bei Gardner hat immerhin der Cross Cult-Verlag mittlerweile eine Gesamtausgabe vorgelegt. 2011 hat dann mit Jeffery Deaver ein weiterer amerikanischer Schriftsteller 007 mt Carte Blanche nochmal in die literarische Gegenwart zu holen versucht. Auch wenn das Buch sicher nicht perfekt ist, schafft der Autor nach meinem Eindruck den souveränen Spagat, dass man den Roman sowohl als typischen Deaver-Thriller als auch als Bond-Story sehr gut lesen kann. Aber auch hier blieb es bei einem Versuch, obwohl die Nebenhandlungstränge eine weitere Fortführung ermöglicht hätten.


    Also würde ich sagen: Colonel Sun von Amis und mit Abstrichen Licence Renewed (dt. Titel Kernschmelze) von Gardner und Carte Blanche von Deaver.

    Ja absolut. Von Young Bond habe ich nur den ersten Roman gelesen, den fand ich eher mäßig. Von den anderen Spin-offs gar nichts. Ich würde sowas ja viel lieber im Bereich Comic oder Game sehen, da kann man sich ruhig austoben.

    Ganz genau. Ich hatte irgendwann auch mal überlegt gehabt, einen Lesemarathon mit allen Romanen der Original-Linie zu machen. Also erst Fleming und dann alle seine Nachfolger. Kurioserweise hat ein recht unbeschriebenes Blatt wie Amis die Aufgabe, den Faden weiterzuspinnen, noch am besten gelöst, während namhafte Autoren wie Faulks oder Boyd immer wieder irgendwie auffällig verkrampften. Man mag über Flemings literarische Fähigkeiten geteilter Meinung sein, aber guten Pulp kann eben auch nicht jeder, wenn man mal überlegt, wie viele Epigonen mittlerweile schon an der Aufgabe gescheitert sind. Spätestens in der Mitte von Gardners Schaffen würde man bei einer solchen Lesereihe aber gutes Sitzfleisch benötigen oder eben masochístisch veranlagt sein.;)

    Besten Dank für die Willkommensgrüße in die Runde.:) Aber ich muss ehrlich sagen, dass ich mich mit dem Thema aktuell nicht mehr sonderlich stark beschäftige, abgesehen von einem geplanten Buch-Projekt über die Serie, dessen Autor ich beratend zur Seite stehen werde. Dementsprechend wird sich meine Präsenz im Forum nicht zwangsläufig wieder merklich erhöhen. Es ist trotzdem schön, dass sich einige User noch positiv an mich erinnern.

    Nachdem EON jahrzehntelang eher die Nase rümpfte über alles, was nach Fleming kam (bösen Zungen zufolge aber trotzdem Teile davon benutzte), könnte jetzt deren Stunde kommen.

    Wobei die Qualität da auch teilweise recht mau war. Ähnliches erwarte ich eigentlich auch von den ganzen kommenden Seitenprodukten unter Amazon. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kreativen für diese Zusatzformate Schlange stehen werden oder man da auch nur ansatzweisen so viel Geld und Elan investiert wie die Kern-Serie. Eigentlich finde ich diese neue "Anything Goes"-Vorstellung (Inklusive KI-Möglichkeiten) eigentlich viel reizloser als Eons Schmalspur-Politik, so sehr die doch zurecht, aufgrund ihres immer geringer ausfallenden Outputs, in den vergangenen Jahren kritisiert wurde. Am Ende lag Bonds Stärke für mich immer in der Schaffung großer magischer Kino-Momente, die mittlerweile in dieser Form kaum noch möglich sind. Auch weil das Kino einfach den Stellenwert dafür nicht mehr besitzt. Ein analoges kulturelles Medium vermag in einer durch und durch digital kondiitionierten Gesellschaft keine raumgreifende Bedeutung mehr zu erlangen.


    Von diesem durch große Budgets, revolutionäre Action-Szenen, gigantomischen Bauten, sphärischen Klängen und Larger-than-Life-Eskapaden begründeten Mythos der 1960er- und 1970er Jahre auf der breiten flimmernden Leinwand zehrt die Serie, wenn man mal ehrlich ist, bis heute. Doch die Legende verblasst, weil die Gnerationen wechseln und Jüngere keinen Bezug mehr zu dieser Ikonenhaftigkeit finden. Eigentlich begann hier schon in den 1980er-Jahren mit dem aufkommenden Video-Zeitalter und dem zunehmenden Verzicht auf Adams und Barrys Großtaten der schleichende Abstieg. Und spätestens ab den 1990er-Jahren wurde 007 in einer sich rasant beschleunigenden mutimedialen Welt immer mehr zu einem Vintage-Anachronismus. Judi Denchs M hatte es 1995 schon richtig erkannt: Er ist ein Dinosaurier. Seine Transformation zum inflationären Massenprodukt in allen erdenklichen Formen wird den Mythos in meinen Augen nun nur noch weiter und nachhaltiger beschädigen.

    Diese Nachricht lässt sicherlich auch jene nicht ganz unberührt, deren Verhältnis sich zum Franchise über die Jahre immer stärker abgekühlt hat. Irgendwie hatte sich eine Wachablösung über die Jahre doch in zunehmendem Maße angedeutet. Dass Michael G. Wilson und Barbara Broccoli die Verantwortung für die Serie jedoch in völlig andere Hände legen würden, wurde hingegen in dieser Form kaum erwartet. Auch wenn kurioserweise genau das von einigen ernüchterten Fans schon länger gefordert wurde: Wer keinen Elan und keine Vision mehr habe, solle das Ruder anderen überlassen.


    Nun werden demnach die Amazon Studios fortan die künsterlische Kontrolle über 007 ausüben. Damit wird die Kommerzialisierung Bonds noch einmal fraglos eine ganz neue Dimension erreichen. Droht der verwässernde Ausverkauf der Franchise mit Spin-Offs, Spezial-Formaten und Serien? Kann das Kino-Event-Erlebnis "James Bond-007" der Kern-Reihe erhalten bleiben? Werden unter den geänderten Vorzeichen Fanboy-Träume wie ein Henry Cavill als 007 oder ein Christopher Nolan als Ära-Mentor wahr? Oder darf gar ein Quentin Tarantino auf seine alten Tage doch noch einen Wunschtraum verwirklichen und sein "Baby", eine Casino Royale-Version der 1960er-Jahre, realisieren?


    Als jemand, dessen Verhältnis zur Reihe sich über die letzten Jahre stark gewandelt hat, muss ich sagen, dass ich den Antworten auf diese Fragen nur noch mit einem müden Schulterzucken harre. 007 musste schon länger anderen Interessen Platz machen. In gewisser Hinsicht markiert No Time To Die damit postwendend noch einmal in einer ganz anderen Dimension einen einschneidenden Wendepunkt. Nicht nur durch seine inhaltlichen Verschiebungen und seine Produktion in der Prä-Covid19-Dekade, die die folgenden geopolitischen und gesellschaftspolitischen Verwerfungen noch gar nicht kannte, sondern auch durch sein nunmehr wirklich apodiktisches Ende. Bond wird nie wieder derselbe sein: "Er ist an einem toten Punkt angelangt."


    Insofern wird nun erstmals seit 1962 eine ganz neue Zeitrechnung beginnen. Es gibt die Eon-Ära (1962-2021) und die Amazon-Periode (2025-). Für das Fandom wird die Frage entscheidend sein, ob die Amazon Studios es schaffen werden, den Geist von Ian Fleming und Cubby Broccoli zu bewahren. Wird die Magie erhalten werden können? Doch eigentlich erscheint die Frage rhetorisch, hat uns doch der Präzedenz-Fall Star Wars seit 2012 vor Augen geführt, wieviel George Lucas mittlerweile noch in seinem Kosmos steckt. Vom inflationären Format-Ausverkauf ganz zu schweigen. Die Exklusivität von Marken definiert sich durch eine Limitierung des Angebots. Verabschiedet sich Bond unter seinen neuen Taktgebern von unumstößlichen Eckpfeilern, muss er sich auch von mir verabschieden.