Beiträge von Scarpine

    Ihr stimmt mir doch aber sicher zu, dass es sich seit 2006 um einen Reboot der Serie handelt, oder? Also alles was bis vor 2006 stattgefunden hat, gab es nicht. Es wäre also durchaus möglich, dass Blofeld und SPECTRE zukünftig eine Rolle spielen werden.


    Eben nicht! Das einzige, das für den Reboot verändert wurde, war die Tatsache, dass Bond eben kein Profi ist. In den ersten 20 Bondfilmen ist Bond immer ein völlig etablierter Doppelnull-Agent gewesen. Für "Casino Royale" stellte man die Uhren dann auf Null, um ihn als Anfänger zu präsentieren. Das bedeutet aber nicht, dass "Casino Royale" vor "Dr. No" spielt. Es ist eben ein völlig anderer Bond in einer anderen Zeit. Das, was Connery, Lazenby, Moore, Dalton und Brosnan als Bond erlebt haben, wird Craig als Bond niemals erleben. Im Grunde steht jeder Bondfilm für sich. Jede Art von Kontinuität wird in der Regel gemieden. Connery, Lazenby und Moore haben zwar alle gegen Blofeld gekämpft und Lazenby, Moore und Dalton waren offensichtlich alle Witwer, aber das sind Marginalitäten. Schon bei Brosnans Bond war nichts mehr davon zu spüren. Im Grunde lebt doch jeder Bonddarsteller in seinem zeitlichen Bondkosmos und ist von den anderen unabhängig. Kontinuität spielt praktisch keine Rolle. Wichtig ist nur der Bondcharakter und seine Verortung im jeweiligen Zeitgeist.


    Warum sollten also Blofeld und Spectre zurückkehren? Will man neue Storys erzählen oder kalten Kaffee wieder aufwärmen? Die Produzenten haben doch schon ewig betont, dass Blofeld keine Rolle mehr spielen wird. Er hatte seine Zeit und 7 Leinwandauftritte sind doch wohl mehr als genug. Nein, ich erwarte neue, zeitgemäße Gegner.


    Aber es entspricht wohl tatsächlich nicht dem Zeitgeist.


    Das kommt darauf an. Dieser Villain-Typus ist in den letzten 15 Jahren in fast allen Action-Komödien mehr oder minder durch den Kakao gezogen wurden, ohne dass er dadurch ernsthaften Schaden erlitten hätte. Und ein Lex Luthor wird auch immer wieder gerne genommen. Ich glaube schon, dass das auch mit Craig funktionieren könnte. Man dürfte das Ganze eben nicht zu comichaft präsentieren und dem Schurken ein paar glaubhafte Motive und interessante Charaktereigenschaften bei die Hand geben. Dann sollte das funktionieren. Carver wirkte beispielsweise auch deswegen so schwach, weil er in der dargebotenen Form auch gegen Jackie Chan oder den Comic-Batman der 90er hätte antreten können...


    Davon abgesehen halte ich die Quantum-Geschichte für beendet. Es gibt für mich keinen Grund, diese nur schemenhaft greifbare Organisation nochmals zurückzuholen.
    Die Schurkenseite in den Bondfilmen hat sich in den vergangenen Jahr(zent)en verändert. Die großen Organisationen mit einem Heer an Mitarbeitern, die in einer finalen Schlacht womöglich noch vom 007-Thema untermalt untergehen, sind vorbei.


    Ich finde man kann Quantum gar nicht mit Spectre vergleichen. Spectre war ein straff organisiertes, kriminelles Syndikat an dessen Spitze der Gründer Blofeld stand. Das primäre Ziel der Organisation war immer Geld und das generierte man, indem man mit Geheimdienstinformationen handelte und die Parteien des Kalten Krieges gekonnt gegeneinander ausspielte. Blofeld spricht zwar von einer "pflichtbewussten Gemeinschaft", aber in Wirklichkeit ist er doch der alleinige Pate mit dem alles steht und fällt. Das sieht man ja auch daran, dass Spectre als Organisation immer mehr schrumpft, je mehr Blofeld in die Defensive gerät bzw. sich selbst zurückzieht.


    Quantum scheint mir etwas ganz anderes zu sein. Das ist kein kriminelles Mafia-Syndikat, das offensiv Straftaten begeht oder Leute exekutiert. Offenbar ist es ein loser Zusammenschluss von mächtigen Personen, die zusammen möglichst unerkannt ihren Einfluss vergrößern wollen. Es geht ihnen nicht primär um Geld. Das ist eher Mittel zum Zweck. Es geht darum, Macht und Einfluss zu vergrößern und auszubauen. Im Grunde ist Quantum so etwas wie eine große Lobbyisten-Gruppe, ein Zusammenschluss von Mächtigen, die ihre Ziele mit unsauberen Methoden durchsetzen, deren Ausführung aber "outgesourcten Bereichen" unterliegt. Deswegen konnten die Geheimdienste noch gar nicht feststellen, dass es diese Organisation gibt, weil sie gar nicht die Strukturen eines Syndikats aufweist. Man teilt das Geschäft auf: Leute wie Greene und Haines koordinieren das Ganze, planen Projekte und nutzen ihren gesellschaftlichen bzw. politischen Einfluss; die Personen aus der Bregenzer Oper sind sowas wie der Mittelbau, der Geld und Zusicherungen beschafft; Killer und unliebsame Partner wie Le Chiffre und Medrano werden offenbar eigens angeworben, stehen aber in keiner direkten Verbindung zu dem Rest. Personen wie Mr. White vernetzen dann als Mittelsmänner alle Parteien miteinander und sind somit die einzigen Glieder in der Kette, über die sich eine Verbindung der Gruppen zueinander nachweisen lässt. Insofern ist Bond mit White in der Tat ein dicker Fisch durch die Lappen gegangen.


    Natürlich wäre es albern, wenn man nun den Big-Boss der Organisation enthüllen würde. Das wäre wirklich gestrig. Aber wieso sollte nicht eine mächtige Kleingruppe an der Spitze stehen? In "24" und den "Bourne"-Filmen waren in die Verschwörungen auch immer drei, vier hochrangige Personen involviert. Das ist ja auch viel glaubhafter. Und Bond kann diese ja innerhalb eines Films zur Strecke bringen, ohne dass er dabei eine Privatarmee niederkämpfen muss. Und diese Art von Interessengemeinschaften, die Forster und Haggis in "Quantum of Solace" gezeichnet haben, gibt es in Wirtschaft und Politik ja in gewissem Rahmen tatsächlich und daher ist das durchaus ein hochmodernes Thema. Ich fände es gut, wenn man die Ereignisse um Quantum würdig und gelungen abschließt.


    Und zum Thema Blofeld-Rückkehr: Nein, nein und nochmals: Nein! Bei Comic-Franchises(Batman, Spiderman, Superman) mag es gerne gesehen sein, dass jede Generation die Hauptvillains neu serviert bekommt, aber das Bond-Franchise folgt einfach anderen Gesetzen. Quasi jeder Bondfilm steht für sich und EON will sich nicht wiederholen, sondern moderne, frische Geschichten erzählen. Man könnte aus Blofeld einen ganz anderen Charakter machen, aber wäre er dann noch Blofeld? Ich finde, dass man gerade in der jüngeren Franchise-Vergangenheit mit Le Chiffre und Raoul Silva zwei Villains hatte, die in erinnerungswürdiger Hinsicht ihre Schatten vorauswerfen. An diese Qualität sollte man anknüpfen und sich nicht auf alten Erfolgscharakteren ausruhen. Bei Goldfinger fordert kurioserweise niemand, dass er nochmals auftauchen sollte, obwohl er neben Blofeld DER Bondschurke schlechthin ist.



    Für mich wäre ein Villain nach klassischem Muster, aber ohne Bezug zu klassischen Figuren des Bondfranchise ideal. Also ein steinreicher Verrückter, der einen fiesen Plan und eine Armee an Bediensteten hat, die komischerweise blindlings für ihn in den Tod gehen. Also irgendwas zwischen Stromberg, Drax, Zorin oder Carver.


    Aber ist es nicht gerade dieses Feindbild, das du als unzeitgemäß bezeichnet hast? Bitte nicht falsch verstehen. Ich fände einen Villain dieses Typus` auch mal wieder toll (wie wär`s mit Thomas Thieme?) und er darf auch gerne ein gigantisches Geheimversteck haben, aber bitte keinen Endkampf mit einer Privatarmee. So was kann ich mir mit Craig gar nicht vorstellen. Dann lieber zwei, drei prägnante Handlanger, die ihren Job ordentlich machen.

    Für mich ist "Mission Impossible" als Kinoserie schon immer ein 08/15-Action-Franchise gewesen, weswegen ich mir den vierten Film aus Desinteresse auch gar nicht mehr angesehen habe. Die ersten drei Filme würde ich per Kurzkritik folgendermaßen bewerten:


    "Mission Impossible"


    Beim ersten Streifen dieser Reihe wundere ich mich bis heute, wieso dieser so hochgelobt wird. Der Film ist über weite Strecken lahm und vorhersehbar; die Story geradezu hanebüchen. Für mich eines von Brian de Palmas schwächeren Werken.


    2,5 von 5 Punkten



    "Mission Impossible 2"


    Der zweite Film ist in der Tat der schwächste. Die übertriebene Coolheit und die "bedeutungsschwangere" Inszenierung John Woos wirken in der dargebotenen Form geradezu albern. Auch die Story taugt hier wenig, bietet aber faktisch mehr Potenzial als die des ersten Teils.


    1,5 von 5 Punkten



    "Mission Impossible 3"


    Den dritten Hunt-Einsatz würde ich noch am besten einstufen, auch wenn dieser Streifen auch nicht gerade ein Meisterwerk ist. Aber hier ist die Handlung noch am brauchbarsten und die Wendungen sind unvorhersehbarer und glaubwürdiger als in den Vorgängern.


    3 von 5 Punkten

    Ich nutze ebenfalls das QoS-Design, da es so schön nostalgisch ist und an das alte Forum erinnert. Ich kann aber verstehen, wieso es für manche eine Zumutung ist. Die helle Schrift auf pechschwarzem Grund ist für die Augen schon sehr gewöhnungsbedürftig...

    Eine interessante Frage! Wie bei den zehn Lieblingsfilmen muss diese Aufzählung natürlich höchst subjektiv ausfallen...


    Platz 01: Stanley Kubrick


    Mein Geheimtipp: "Barry Lyndon" - 1975


    Platz 02: Fritz Lang


    Mein Geheimtipp: "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" - 1960


    Platz 03: Werner Herzog


    Mein Geheimtipp: "Encounters at the End ot the World" - 2007


    Platz 04: Terence Mallick


    Mein Geheimtipp: "Tree of Life" - 2011


    Platz 05: Tom Tykwer


    Mein Geheimtipp: "Winterschläfer" - 1997


    Platz 06: Christopher Nolan


    Mein Geheimtipp: "Following" - 1998


    Platz 07: Sergio Leone


    Mein Geheimtipp: "Per qualche dollaro in piu" - 1965


    Platz 08: Alfred Hitchcock


    Mein Geheimtipp: "Rope" - 1948


    Platz 09: Jean-Pierre Melville


    Mein Geheimtipp: "Le samouraï" - 1967


    Platz 10: Alfred Vohrer


    Mein Geheimtipp: "Ein Alibi zerbricht" - 1963

    Vielleicht verbinde ich diese "phantastische Welt", die mit MR scheinbar ihr Ende gefunden hat, unterbewusst auch mit den Bauten Ken Adams, die dem "over the top" ein Gesicht gegeben haben.


    Das habe ich ja auch in meinem "Moonraker"-Review angedeutet. 1979 fand eine Doppelzäsur statt. Einerseits wurden die Bondfilme danach nie wieder so phantastisch und andererseits nahm Ken Adam von der Reihe endgültig Abschied. Die Folge war, dass das Production Design seine stil-mitbestimmende Rolle verlor, da kein Nachfolger Adam würdig ersetzen konnte und zudem teuere, gigantische Sets offensichtlich auch nicht mehr gefragt waren. Aber auch in den kleineren Dekors konnten die Nachfolger Adams Standard nicht halten. Die einmalige Mischung zwischen Over-the-Top-Story und den damit verbundenen optischen Schauwerten ging verloren.


    DAD nehme ich dermaßen missglückt, dass ich diesen Film nicht einmal ansatzweise in der Tradition der klassischen Ken-Adam-OTT-Bondfilme sehe.


    Keine Frage. Der Vergleich ist gewagt, aber - wie ich finde - dennoch berechtigt. Kein Nachfolgefilm schnuppert zumindest im Ansinnen so sehr an dieser glorreichen Vergangenheit wie "Die Another Day". Es ist der einzige Bondfilm seit 1979, der nochmals in voller Breite überirdische Action mit dem Vorgeschmack auf futuristische Technologien verbindet: Die Pretitlesequenz, die Virtual Reality-Brillen, der unsichtbare Aston Martin, der Eispalast, die Traummaschine, der Laser, Graves` Anzug, die DNA-Transplantation zum Identitätenwechsel, Graves` Rennschlitten, der Ikarus-Satellit, die Antonov und das dicke Finale. Und der Eispalast ist tatsächlich das einzige Einzeldekorelement, das in Größe und Ideenreichtum wirklich an Adams Visionen anknüpfen kann. Dass dieses gigantische Set im Film nur unzureichend Verwendung findet und weitgehend in CGI-Effekten zusammenstürzen darf, steht auf einem anderen Blatt. "Die Another Day" besteht somit eigentlich aus vielen guten Ideen, die jedoch nie ein harmonische Ganzes bilden, weil das Drehbuch zu wenig Substanz, die Inzenierung zu wenig Klasse und die Effekte zu wenig Qualität besitzen. Aber vom Anspruch her sollte der Film - das haben Produzenten und Autoren mehrfach betont - an die großen Gilbert-Over-the-Top-Filme anschließen...

    @ Kronsteen


    Ja, die "James Bond of the Secret Service"/"Warhead"-Drehbücher sich eine spannende Geschichte für sich. Da waren viele tolle Ideen drin. Überhaupt vermisse ich den Aspekt des "Seiner-Zeit-Voraus-Seins", des abgehoben Phantastischen etwas in der Reihe. Vielleicht empfinde ich das aber auch nur, weil ich erst kürzlich "Moonraker" sah. Danach war irgendwie Schluss. Der einzige echte seiner Zeit vorauseilende Over-the-Top-Film nach 1979 war "Die Another Day" und der artete ja leider - zumindest in qualitativer Hinsicht - in eine mittelschwere Katastrophe aus. Von daher werden die Produzenten so etwas wohl vorerst nicht mehr wagen...


    @ DrShatterhand


    Die Hauptschurken im Roman "Diamonds Are Forever" sind die Brüder Jack und Seraffimo Spang, die den mafiösen "Spangeld Mob" in Las Vegas leiten. Sie unterhalten eine Diamantenschmuggel-Pipeline, die von dem Oberhaupt ABC kontrolliert wird. Im Film hat man den Mob durch Spectre und die Spangs durch Blofeld ersetzt, was zur Produktionszeit auch absolut legitim war und Sinn machte.

    McClory hat daraufhin geklagt und recht bekommen - für die Feuerball-Verfilmung mussten Broccoli & Saltzmann ihn als Produzenten beteiligen. In den 70ern hat er dann die Rechte an SPECTRE bzw. Blofeld komplett erstritten. Allerdings konnte er sie nur für eventuelle Thunderball-Verfilmungen nutzen...


    Wenn ich mich recht erinnere, haben Broccoli & Saltzman mit McClory 1965 einen Vertrag ausgehandelt, der diesen zur Mitproduktion von "Thunderball" befähigte und ihm einen Prozentsatz der Einnahmen zubilligte. In diesem Vertrag war ferner festgelegt, dass McClory seine Rechte 10 Jahre Ruhe lassen sollte. Deshalb konnte EON von Spectre/Blofeld bis 1975 weiter Gebrauch machen. 1975 begann der Ire dann mit den Planungen zu seinem ersten eigenen Bond-Projekt "James Bond of the Secret Service", für das er zusammen mit Len Deighton und Sean Connery das Drehbuch schrieb.


    Als man dann für "The Spy Who Loved Me" Blofeld wiederauftauchen lassen wollte, verhinderte McClory das gerichtlich. Aber auch sein eigenes Projekt stockte. Er konnte es erst 1983 zusammen mit dem Produzenten Jack Schwartzman unter dem Titel "Never Say Never Again" realisieren. Insofern kann man die Abservierung eines namenslosen Katzenliebhabers in "For Your Eyes Only" auch als stillen Kommentar von EON zu dieser Entwicklung lesen. Im Grunde sind die Produzenten aber auch selbst schuld. Hätten sie Blofeld innerhalb des 10-Jahresrahmens endgültig sterben lassen, hätten sie überhaupt keine Probleme diesbezüglich mehr gehabt. Für "Diamonds Are Forever" wurde der Tod Blofelds ja in spektakulärer Ausführung ins Drehbuch geschrieben, aber aus Kosten- und Laufzeitgründen nicht realisiert. EON selbst versuchte interessanterweise nochmals und letztmalig 1982 - zeitgleich zur Produktion von "Never Say Never Again" - Blofeld in "Octopussy" auferstehen zu lassen. Aber daraus wurde aus rechtlichen Gründen wieder nichts. Ein früher Skriptentwurf sah vor, dass Octopussys Hände durch Blofeld verkrüppelt wurden und diese zusammen mit Bond, der noch immer Rache für den Tod seiner Frau nehmen möchte, Jagd auf den Spectre-Boss macht. Das war der letzte Versuch EONs Blofeld im eigenen Franchise auftreten zu lassen. Seitdem wurden alle Gerüchte diesbezüglich verneint. Barbara Broccoli, 2008: "Es werden keine alten Schurken mehr auftreten.".


    Kevin McClory ist 2006 gestorben. Wer nun im Besitz seiner Rechte ist, ist unbekannt. Was die McClory-Rechte an sich angeht, so ist mir bekannt, dass man damit soviele "Thunderball"-Variationen drehen kann, wie man will. Allerdings darf man nicht sehr weit von der Originalstory abweichen. Außerdem kann man noch zehn weitere Bondgeschichten verfilmen, die McClory seinerzeit mit Fleming entwickelte. Ob es sich dabei allerdings nur um (Früh-)Versionen der "Thunderball"-Geschichte oder um eigene Storys handelt, kann ich nicht sagen.

    James Bond Rewatched


    # 11: Moonraker – Streng geheim (1979)


    OT: Moonraker; GB 1979; 126 Min.; R: Lewis Gilbert; D: Roger Moore, Lois Chiles, Michael Lonsdale, Richard Kiel, Corinne Clery, Geoffrey Keen, Toshiro Suga, Emily Bolton, Bernard Lee, Lois Maxwell, Desmond Llewelyn


    Nachdem "The Spy Who Loved Me" das Franchise qualitativ und finanziell in die Erfolgsspur zurückgebracht hatte, sollte Roger Moore mit seiner vierten Mission den Zenith seines Bond-Schaffens erreichen. "Moonraker" wurde nicht nur für die Dekade des dritten Leinwand-007s zu einem Wendepunkt, sondern auch für das Franchise als Ganzes. Das elfte Bondabenteuer setzte mit seinen ausufernd-phantastischen Elementen eine Zäsur. Weiter durfte und konnte sich der beste Agent Ihrer Majestät nicht mehr von den irdischen Gegebenheiten lösen, auch wenn man 23 Jahre später mit "Die Another Day" dieser magischen Grenze nochmals gefährlich nahe kommen sollte. Insofern geriet "Moonraker" zu einem ähnlichen Ausnahmefilm wie "On Her Majesty’s Secret Service" und "Diamonds Are Forever". Er führte die Serie handwerklich in ungeahnte Höhen, trat inhaltlich auf der Stelle und kreierte dennoch die einmalige Stimmung eines fast alle Grenzen sprengenden Science-Fiction-Action-Thrillers, der als Agentenstück viel zu abgehoben daherkam, sich aber gleichzeitig nicht so weit vom Boden löste, um als pure Science-Fiction zu gelten. Ein beindruckender (Genre-)Drahtseilakt, der auch heute noch – vor allem Angesichts seiner Entstehungszeit – einen gewissen Respekt verdient.


    Abermals versammelten die Macher ein hochklassiges Ensemble. Roger Moore zeigt sich in sehr guter Verfassung. Sieht man einmal von der Zentrifugenszene ab, wirkt er in keinem anderen seiner Filme so souverän und abgeklärt wie hier. Ihm zur Seite stellte man Lois Chiles, die ihre Holly Goodhead mit augenzwinkernder Damenhaftigkeit darstellt und so wunderbar mit Moore harmoniert, wie keine andere seiner Leading Ladys. Corinne Clery kann trotz der geringen Screentime sehr viel aus ihrem Charakter herausholen. Der französische Edelmime Michael Lonsdale spielt mit eleganter Widerwärtigkeit den Soziopathen Sir Hugo Drax. Unter der Oberfläche seines stoischen Gesichts scheint es beständig zu brodeln. Mit Richard Kiel, der noch einmal zurückkehren durfte, meinte es das Drehbuch leider nicht sonderlich gut, aber immerhin kann Toshiro Suga als sein Vorarbeiter das ganz gut kompensieren. Geoffrey Keen und Walter Gotell sind mit pointierten Kurzauftritten wieder mit von der Partie. Aus dem Mi6-Personal fällt dieses mal Bernard Lee wieder stärker ins Auge, der seinen letzten Auftritt absolvieren sollte. Er wurde zur Vorbildfigur, zum Prototypen des väterlichen, strengen (Geheimdienst-)Chefs und sollte erst 1995 eine würdige Nachfolgerin finden. Bildhübsche Darstellerinnen wie Emily Bolton, Anne Lonnberg, Blanche Ravalec und Irka Bochenko sorgen für den bislang höchsten Erotik-Faktor innerhalb der Serie.


    Ein drittes und letztes Mal sitzt Lewis Gilbert auf dem Regiestuhl. Der Over-the-Top-Regisseur schlechthin verabschiedet sich von der Reihe. Der Zuschauer sieht es gleichermaßen mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Mit Bedauern sah man die einmalige Mischung aus den gigantisch-futuristischen Adam-Sets, der geradezu gemäldeartigen Bildgestaltung und der episch-schleppenden Inszenierung Gilberts für immer aus der Serie verschwinden, während man den plakativen Momenten, der Tempoarmut und der inhaltlichen Einförmigkeit der Gilbert-Werke keine Träne nachweinte. Tatsächlich ist es dieser Film, bei dem sich die schleppenden Sequenzen am deutlichsten hinziehen. Dennoch präsentiert sich Gilberts Regie in den entscheidenden Action-Momenten als spannend und abwechslungsreich. Über das Drehbuch von Christopher Wood lässt sich sowohl Positives, als auch Negatives sagen. Es gelingt dem Autor Drax`s Gesinnung und Vorhaben glaubwürdig in das Jahr 1979 zu übertragen und auszubauen. Bedauerlich ist hingegen der Verzicht auf den Charakter der Gala Brand, die im Roman ein so vielschichtig-interessantes Verhältnis zu 007 unterhält. Immerhin schafft Wood mit der Figur der Holly Goodhead einen würdigen Ersatz. Gefallen findet man an den vielen frischen Details und Einfällen, während die plumpe Übernahme der Handlungsstruktur des Vorgängers und zu massiv eingesetzte Slapstick-Einlagen eher für Irritationen sorgen. Unterm Strich ein ordentliches bis mittelmäßiges Skript.


    John Barrys melodische Klänge erfreuen nach einmaligen Aussetzen wieder das Ohr des Zuschauers, auch wenn der Score zu diesem Film insgesamt nicht zu seinen Spitzentiteln zählt. Der Meister hat sich selbst die Messlatte aber auch ziemlich hoch gehängt. Mit Shirley Basseys drittem Titelsong kann man sehr zufrieden sein, auch wenn ihre beiden vorherigen Gesangsnummern wohl herausragender gerieten. Das Titeldesign von Maurice Binder fällt abermals sehr solide aus, während Ken Adam zum letzten Mal für die Serie die Dekors konzipierte. Auch hier erleben wir eine Zäsur. Nie wieder sollte das Production Design in der Reihe eine solch dominante Rolle wie vor 1979 spielen und keiner von Adams Nachfolgern sollte an sein Genie heranreichen. Die Schauplätze präsentieren sich mit Großbritannien, Frankreich, Italien und Brasilien so vielseitig wie selten. Jean Tourniers Cinematographie ist von einmaliger optischer Perfektion. Seine Bilder versprühen eine opulent-erhabene, gemäldehafte Erlesenheit, und zeigen in den Action-Szenen eine große Vielseitigkeit. Der Vorspann dürfte in filmischer Hinsicht noch immer zu den spektakulärsten Sequenzen der ganzen Reihe zählen.


    Gesamtwirkung: Mag der Reiz und die Faszination dieses Streifens in seiner schwebenden, gelösten Übererdigkeit liegen, so erweist sich diese aber auch gleichzeitig als dessen größter Fallstrick. Die langatmige Inszenierung und die wenig innovative Story können leider nicht mit der ansonsten hervorragenden Qualität in punkto musikalischer Untermalung, kreiertem Dekor, darstellerischer Klasse und handlungsörtlicher Vielseitigkeit mithalten. So gerät "Moonraker" inhaltlich leider in weiten Teilen zu einem uninspiriertem Aufguss des Vorgängerfilms, der seine Gigantomie größtenteils erfolgreich dafür nutzt seine weitgehende inhaltliche Unzulänglichkeit zu überdecken. Schade, denn die handwerkliche Erstklassigkeit der Produktion hätte das Potenzial zu einem wirklich meisterlichen Bondwerk geboten.


    Meine Wertung: 3,5 von 5 Punkten

    Klassische Henchmen gibt es eigentlich schon seit "The World is not Enough" nicht mehr. "Die Another Day" war mit Zao und Miranda Frost hingegen nochmal ein Ausreißer. Früher war das Konzept in der Regel zwei prägnante Handlanger pro Film zu etablieren (Fiona & Vargas, Wint & Kidd, Tee-Hee & Samedi usw.) oder einen speziell in den Mittelpunkt zur rücken (Grant, Oddjob, Beißer, Schnick Schnack, Necros). Seit der Jahrtausendwende ist man in der EON-Serie davon etwas abgekommen, was wohl vor allem auch damit zusammenhängt, dass die Oberschurken Bond physisch immer ebenbürtiger wurden (Sanchez, Trevelyan, Renard, Graves, Le Chiffre, Silva). Klassische Henchmen waren eigentlich kaum noch notwendig. In der Folge wurden die Filme von lauter kleineren Charakteren bevölkert, die eigentlich nur auftreten, um von Bond eliminiert zu werden. Diese Figuren sind in der Regel sehr profillos und austauschbar, während die früheren Haupthandlanger meist auch eine dramaturgische Rolle für die Filmhandlung spielten (Grant, Fiona, Necros, Onatopp & Ourumov).


    Hier eine kleine Aufzählung:


    "The World is not Enough": Davidov, Cigar Girl, Gabor, Bull, Arkov, Akakievich
    "Casino Royale": Dimitrios, Carlos, Mollaka, Obanno + Lieutenant, Dryden, Fisher, Valenka, Kratt, Leo, Gettler
    "Quantum of Solace": Mitchell, Slate, Lt. Orso, Colonel of Police, Yusef, Elvis, Greenes Fahrer


    Mit "Skyfall" ging man wieder einen leicht anderen Weg. Hier kann man eigentlich nur Patrice benennen. Aber er ist mehr ein externer Auftragskiller und hat mit Silva eigentlich nichts zu tun. Hier geht die Gefahr allein vom Hauptschurken und seinem Intellekt aus. Alle seine Lakaien sind namen- und profillos.


    Das nur als kleiner Exkurs. Elvis reiht sich in diese Entwicklung, die wohl maßgeblich von den Drehbuchautoren ausging, einfach nur ein. Mal sehen, wie sich das in Zukunft weiter entwicklen wird.

    .

    Kurzer Hinweis:

    Der Hauptverantwortliche für das Production Design bei "The man with the golden gun" (1974) war Peter Murton.



    ***


    Ei, was ein böser Schnitzer meinerseits. Vielen Dank, für den Hinweis, photographer. Ich werde es im Text korrigieren. Das kommt davon, wenn man meint, dass der hauptverantwortliche Production Designer im Sinne der Bond-Familie gleich wiederverflichtet wird, wenn Ken Adam nicht zur Verfügung steht, und man zu faul ist in den Kredits nachzuschauen. :blush:

    Was aber hast du nur gegen das 1,85:1 Format?
    Selbst groß angelegte Filme wie die Zurück in die Zukuft Reihe, Spider-Man 1, Predator, Aliens, Terminator oder Avatar sehen auch in diesem Format toll aus.


    Gegen das Format habe ich persönlich gar nichts. Aber die Bondfilme wirken durch das Breitwandformat schlicht "bigger". Man merkt schon den Unterschied zwischen "Thunderball" und seinen drei Vorgängern. Alles wirkt irgendwie "fetter" und die Landschaften kommen viel besser zur Geltung. Ich glaube einfach, dass "Live And Let Die" und "The Man wih the Golden Gun" eben im Cinemascope-Verfahren noch besser gewirkt hätten. Gerade bei der Verflogungsjad durch die Sümpfe im Ersteren und in den Asienszenen des Letzteren.

    James Bond Rewatched


    # 10: Der Spion der mich liebte (1977)


    OT: The Spy Who Loved Me; GB 1977; 125 Min.; R: Lewis Gilbert; D: Roger Moore, Barbara Bach, Curd Jürgens, Richard Kiel, Shane Rimmer, Caroline Munro, Walter Gotell, Bernard Lee, Lois Maxwell, Desmond Llewelyn


    Nach dem mittelprächtigen Ergebnis des letzten Bondstreifens und dem Ausscheiden von Harry Saltzman, nahm sich EON mit dem nunmehr allein federführenden Produzenten Albert R. Broccoli eine längere Vorbereitungszeit für den neuen Bondfilm. Diese längere Pause mit einer sorgfältigeren Vorproduktion sollte sich auszahlen. Das zehnte 007-Abenteuer "The Spy Who Loved Me" revitalisierte die Serie mit großem kreativen Input, nachdem sie mit "The Man with Golden Gun" schon Gefahr lief, ihre führende Rolle im Actionthriller-Sektor zu verspielen. Ingesamt geriet das Werk sogar so gut, dass es sich zu einem Klassiker und einem Musterbond im Stile des großen "Goldfinger" entwickeln sollte.


    Bonds zehnter Einsatz kann mit einem der großartigsten Ensembles der klassischen Franchise-Ära aufwarten. Hauptdarsteller Roger Moore präsentiert sich mit großer Spielfreude und liefert in diesem, seinem dritten Film wohl seine beste darstellerische Leistung ab. Ihm Gegenüber steht der deutsche Alt-Star Curd Jürgens. Der "nordische Kleiderschrank" zeichnet den verrückten Weltverbesserer Stromberg mit stoischer Gleichgültigkeit und reiht sich in die Riege der kultigsten Oberschurken mit ein. Die Bondgirls liefern durch die Bank sehr gute Leistungen ab. Sowohl Barbara Bachs attraktive und plichtbewusste Anya Amasova, als auch Caroline Munros lasziver Vamp Naomi wissen zu gefallen. Unter den Nebendarstellern sticht besonders Richard Kiel als Strombergs Chef-Handlanger Beißer hervor. Zwar mag dieser zu den Kultfiguren der Reihe gehören, aber die überflüssigen Gags, die schon hier und schlimmer noch im nächsten Streifen auf seine Kosten gemacht werden, hinterlassen einen schalen Beigeschmack. Kiel spielt großartig auf, aber mehr Ernst und ein gelungener Abgang hätten den Charakter noch kultiger und unheimlicher erscheinen lassen. So wird Beißer irgendwo zwischen beinhartem Killer, Karikatur und einer absoluten Witzfigur verortet. Eine (teil-)vergebene Chance. Auf der Helferseite gefallen Shane Rimmer, Walter Gotell und Geoffrey Keen, während Desmond Llewelyn einen seiner besten Auftritte als Q absolvieren darf.


    Für die Inszenierung zeichnet sich mit Lewis Gilbert ein alter Bekannter verantwortlich. Seine zweite von drei Regiearbeiten für die Reihe sollte sich als seine beste herausstellen. Der Stil-Mix seiner Larger-than-life-Bondfilme gerät Gilbert in "The Spy Who Loved Me" am gelungensten. Er findet die richtige Mischung aus Leichtigkeit, Spannung, malerischen Momenten und dynamischen Hetzjagden. Gilberts Regie ist temporeicher und zielgerichteter als bei seinen beiden anderen Bondstreifen. Die Drehbuchentwicklung von Roger Moores drittem Einsatz gehört in dieser Hinsicht sicherlich zu den spannendsten Kapiteln in der Franchise-Historie. Zahllose Treatments und Entwürfe verbanden sich später zu einem phantastischen Bondabenteuer und es entstand das beste Drehbuch seit "On Her Majesty’s Secret Service". Dass Stromberg auf einem früheren Blofeld-Konzept basiert, spürt man noch teilweise. Dennoch stecken in dem Skript jede Menge frische Ideen und knisternde Spannung. Letztendlich werden von den knapp zehn involvierten Autoren nur Richard Maibaum und Christopher Wood in den Kredits genannt, die wohl auch die größte Arbeit am Drehbuch leisteten. Dass Flemings Roman kaum eine gelungene Filmvorlage für einen Bondstreifen des Jahres 1977 liefern konnte, stand außer Frage. Der Autor selbst hatte ja verfügt, dass von diesem – auch aus seiner Sicht – misslungenen Buch nur der Titel übernommen werden durfte. Insgesamt haben die Drehbuchautoren eine hervorragende Leistung vollbracht, aber dennoch muss ein wenig Kritik an dieser Stelle anklingen. Neben der genannten Probleme mit der Beißer-Figur, fallen einige Humorismen zuviel und die geringe Nutzung des Potenzials einiger Hauptcharaktere ins Auge. Hierbei sind insbesondere Amasova und Stromberg zu nennen. Sowohl Strombergs Meeresverehrung und seine Visionen, als auch Amasovas Rache-Motiv werden nur angeschnitten und plakativ in den Raum gestellt. Aus diesen interessanten Elementen hätte man noch mehr herausholen können.


    Mit Marvin Hamlisch gibt sich wieder ein Gastkomponist die Ehre. Sein Score ist zwar gut und weist einige interessante Themen auf, erreicht aber nicht ganz die Qualität von Barrys und Martins Schöpfungen. Der von Carly Simon beigesteuerte Titelsong ist äußerst gelungen und kann sich unter die besseren Titellieder einreihen. Auch Maurice Binder präsentiert sich wieder auf einem besseren Niveau als zuletzt, auch wenn seine Titelsequenz hier eher zum guten Durschnitt seiner Kreationen zu zählen ist. Ken Adam liefert sein zweitbestes Production Design für die Reihe ab. Die Unterwasserfahrzeuge, der Lotus, das Innenleben des Liparus-Tankers und Atlantis sind ein einziger Traum. Echte Meisterklasse ist Strombergs Kommandozentrale im Speisesaal von Atlantis. Die Schauplätze sind mit Großbritannien, Kanada, Sardinien und Ägypten herrlich ausgewogen ausgesucht. Die Cinematographie von Claude Renoir lässt die Locations zu einem einzigen Triumph geraten. Renoirs malerische Bildkompositionen schaffen mit ihren kräftigen Farben eine ungeheure Leinwandopulenz. "The Spy Who Loved Me" ist sicherlich einer, der am schönsten fotografierten Streifen der Serie. Zudem ist es lobenswert, dass man nach zwei Aussetzern zum Breitwandformat zurückkehrte. Auch die Action-Momente werden von der Kamera fulminant eingefangen. Hierbei erfreuen insbesondere die Vortitelsequenz, der Zugkampf, die Verfolgungsjagd mit anschließender Unterwasser-Action, die Liparus-Erstürmung und das Atlantis-Finale das Auge des Zuschauers.


    Gesamtwirkung: Die erste längere Franchise-Pause zahlte sich aus. Das zehnte 007-Abenteuer präsentiert seinen Titelhelden in neuer Frische und auf der Höhe der Zeit. Das beste Drehbuch der Siebziger, die spielfreudige Besetzung, die pointierte Regie und das gigantische Production Design erheben den Film zum stilbildenden Klassiker der Reihe. Lediglich die nicht voll überzeugende Charakterisierung einiger Hauptfiguren, einige platte Gags und der nicht ganz so eindrucksvolle Soundtrack, lassen den Film nicht unter den Besten rangieren.


    Meine Wertung: 4,5 von 5 Punkten

    James Bond Rewatched


    # 09: Der Mann mit dem goldenen Colt (1974)


    OT: The Man with the Golden Gun; GB 1974; 125 Min.; R: Guy Hamilton; D: Roger Moore, Christopher Lee, Britt Ekland, Maud Adams, Hervé Villechaize, Clifton James, Bernard Lee, Lois Maxwell, Desmond Llewelyn


    Nachdem Roger Moores erster Einsatz zu einem großen Erfolg geworden war, machten sich die Produzenten eilig daran einen Nachfolgefilm hinterher zuschieben, um Moores Image als neuer 007 zu festigen. Zu eilig, wie sich bald herausstellen sollte. Die Hektik und Schnelle mit der die Produktion vorangetrieben wurde, wirkte sich schließlich in belastender weise auf die Drehbuchentwicklung und die Dreharbeiten aus. Das Ergebnis war ein mittelprächtiger Bondstreifen. So kam selbst Albert R. Broccoli knapp ein Jahrzehnt später zu der Einschätzung, dass "The Man with the Golden Gun" jener Film der Reihe sei, denn er rückblickend doch in Teilen anders umgesetzt hätte.


    An der Besetzung kann man kaum Anstoß finden. Das Ensemble agiert in der Breite sehr gut. Zu Roger Moores Performance muss man sagen, dass es sich zwar nicht um seinen schlechtesten Bond-Auftritt handelt, aber auch keineswegs um seinen besten. Der titelgebende Oberschurke wird mit düsterer Würde von Charakterdarsteller Christopher Lee verkörpert. Und er ist es auch, der mit seiner bösartig-charmanten Interpretation aus der Schauspielerriege heraussticht und einen der besten Bond-Villains zeichnet. Die Titelfigur des Francisco Scaramanga überragt förmlich diesen Streifen. Als Bondgirls machen Britt Ekland und Maud Adams eine sehr gute Figur. Die Rolle der Andrea glänzt mit Vielschichtigkeit, während der Charakter der Mary Goodnight leider zum einem naiven Dummchen gemacht wurde. In Flemings Roman ist sie zwar auch nicht die Allerhellste, wird aber immerhin nicht auf so plakative Art und Weise als unfähig dargestellt. Die Helfer hinterlassen überhaupt keinen guten Eindruck. Sowohl Clifton James` erneuter (Spaß-)Auftritt, als auch Soon-Tek Oh`s Lt. Hip können nicht wirklich überzeugen. In beiden Fällen muss die mäßige Charakterzeichnung aber in erster Linie den Skriptautoren zu Last gelegt werden. Hervé Villechaize kann als linkisch-verschlagener Schnick Schnack glänzen. Ohne Frage einer der hinterhältigsten Henchmen überhaupt. Die Mi6-Stammcrew agiert gewohnt gut, wobei insbesondere Bernard Lees sarkastische Ausfälle den Zuschauer zum Schmunzeln bringen.


    Das dritte Mal in Folge und das vierte und letzte Mal insgesamt zeichnet sich Guy Hamilton für die Inszenierung verantwortlich. Die Regie bei diesem, seinem letzten Bondfilm ist wohl – wenn auch nur knapp – seine zweitschlechtste. Die ganz großen Schlampigkeiten wie in "Diamonds Are Forever" werden zwar größtenteils vermieden, dennoch verläuft der Film sehr schleppend, ohne großes Tempo und gibt auf diese Weise über weite Strecken seine inhaltliche Belanglosigkeit preis. Von der hart-kompromisslosen Dynamik des Vorgängerwerks ist hier nur noch wenig zu spüren. Es war die bessere Entscheidung Hamilton nicht auch noch das nächste Bondabenteuer inszenieren zu lassen. Über die Arbeit von Richard Maibaum und Tom Mankiewicz lässt sich bei diesem Film nur wenig Gutes sagen. Das Drehbuch ist äußerst schwach, wenn auch nicht völlig misslungen. In diesem Fall war es äußerst angebracht den Romanplot weitgehend zu ignorieren und nur die Hauptfiguren zu übernehmen. Die neuen Storyansätze sind nicht schlecht, werden aber nicht konsequent genug genutzt. Es ist den Autoren nicht gelungen Scaramangas persönliche Fehde und die Handlung um den Solex-Generator angemessen miteinander zu verknüpfen. Stattdessen laufen die Handlungsstränge nebeneinander her und lassen den Plot unstringent erscheinen. Zudem fallen die lieblose Gestaltung mancher Nebenfiguren, die plakative Verwendung von Eastern-Elementen und einige überflüssige Gags negativ ins Auge. Als wirklich gelungen kann man eigentlich nur die Ausgestaltung des Schurkencharakters und das Inselfinale betrachten.


    John Barrys Rückkehr ist wieder einmal ein Triumph. Zwar kann sein Score zu diesem Film nicht mit seinen allerbesten Werken mithalten, aber er besitzt dennoch eine hohe atmosphärische Klasse. Der Titelsong von Lulu hingegen gehört eher zu den schlechteren Liedern der Reihe. Auch Maurice Binders Titeldesign kann leider nicht überzeugen. Es gehört – aufgrund des beliebigen Umgangs mit den Hauptmotiven – zu seinen schwächsten Kreationen. Peter Murton ist als neuer Production Designer an Bord. Die Hotelsuiten, Hai Fats Domizil, und Scaramangas Inselversteck mit dem Spiegelkabinett sind glamourös und vielseitig ausgefallen. Von Hongkong über Macao bis hin zu Thailand und der malerischen Insel Khao Phing Kan atmet "The Man with the Golden Gun" innerhalb der Serie soviel Asien-Spirit wie sonst wohl nur "You Only Live Twice". Die Cinematographie von Gastkameramann Oswald Morris und Ted Moore, der nach sieben Einsätzen Abschied von der Serie nahm, präsentiert sich in angenehmen Farben und schafft schöne, mediterrane Stimmungen. Leider drehte man abermals nur im Normalformat. In den Action-Szenen kann die Kameraführung nicht ganz mit der Dynamik des Vorgängerwerks mithalten. Immerhin versprühen die Kabinenschlägerei, Scaramangas nächtliches Attentat, die Auto-Verfolgungsjagd und die Spiegelkabinett-Szenen einen gewissen optischen Reiz.


    Gesamtwirkung: Man merkt dem Streifen seine kurze Vorbreitungszeit an. Teilweise zeigt der Film Fließbandprodukt-Qualitäten und weist auf erste Ermüdungserscheinungen der Reihe hin. Eine schwach ausgearbeitete Story, eine altbackene Inszenierung, einige unpassende Einfälle und die offensichtliche Anbiederung an den Eastern, gereichen dem Werk keinesfalls zur Ehre. Auf der Habenseite stehen ein gutes Ensemble, tolle Drehorte, ein angenehmer Score und die Präsens des großen Christopher Lee, dem es mit seiner Darstellung eines der einprägsamsten Bondschurken gelingt den schwächelnden Film sichtlich aufzuwerten.


    Meine Wertung: 3 von 5 Punkten

    @ Maibaum & Spree


    Wie gesagt, ich halte das Drehbuch für sehr gelungen. Was ich mit "Kritik" betitele, ist letztlich Optimierungsdenken. Ich stimme zu, dass die Romanhandlung als Ganzes nicht gerade der Renner ist und habe ja auch angemerkt, dass diese auf gelungene Weise durch eine zeitgemäße Story ersetzt wurde.


    Meine Kritik bezog sich mehr darauf, dass man einige interessante Details und Spannungsmomente noch hätte in die Filmhandlung einarbeiten können. Zum Beispiel Mr. Bigs wahren Namen Buonaparte Ignace Gallia und die fanatische Verehrung durch seine Anhänger. Letzteres wird im Film eigentlich nur sehr spärlich angedeutet. Zudem hätte ich von der Beschreibung her eher einen Darsteller mit einer kräftigeren Statur erwartet. Dennoch hat Yaphet Kotto seine Sache sehr gut gemacht. Ich finde er zählt zu den unterschätzten Villains.


    Aus dem Roman hätte verschiedene Spannungsmomente den Film noch aufwerten können: Leiter macht sich allein auf die Suche nach Solitaire und wird verstümmelt, Bond findet und tötet den verantwortlichen Handlanger The Robber, ein Finale auf Bigs Jacht "Secatur" mit dem Kielholen. Auch der Tod des Villain hätte nicht so albern gewirkt. Im Roman wird Big von Haien getötet, im Film explodiert er in einer leidlich anzusehenden Szene. Das sind so kleine Dinge, die man hätte besser machen können. Dass diese Elemente ihren Reiz haben, zeigt sich ja daran, dass sie in den späteren Filmen "For Your Eyes Only" und "Licence To Kill" noch Verwendung fanden.

    Meine Wertung geht an Barrys Score zu "You Only Live Twice".


    Ich bin bei meiner James Bond Rewatched-Reihe zwar erst bei "The Man with the Golden Gun" angekommen, aber die schwebende Leichtigkeit von Barrys Klängen hat mich bisher in Lewis Gilberts Regie-Einstand eindeutig am meisten gepackt.

    James Bond Rewatched


    # 08: Leben und Sterben lassen (1973)


    OT: Live and Let Die; GB 1973; 121 Min.; R: Guy Hamilton; D: Roger Moore, Yaphet Kotto, Jane Seymour, Clifton James, Gloria Hendry, Julius W. Harris, Geoffrey Holder, David Hedison, Bernard Lee, Lois Maxwell


    Da nun auch Erfolgsbond Sean Connery keinen weiteren Film mehr drehen wollte, mussten sich die Macher wieder nach einem neuen Hauptdarsteller umsehen. Schließlich einigte man sich auf Roger Moore, der bereits schon vorher für die Rolle in Betracht gezogen worden war und sich bei den Zuschauern durch Serien wie "The Saint" und "The Persuaders" zunehmend zum Publikumsliebling entwickelte. Dennoch war man auf Seiten der Macher – wegen des neuen Stils und des neuen 007 – unsicher und nervös, was sich auch an manchen Justierungen in "Live And Let Die" noch zeigt. Dennoch geriet der Streifen in der Folge zu einem guten Bondfilm.


    Die Darstellerriege verkündet zwar abermals keine großen Namen, macht dafür insgesamt wieder einen etwas souveräneren Eindruck. Neuling Roger Moore macht von Beginn an eine sehr gute Figur. Bei seinem Einstand spürt man kaum Unsicherheiten und seine Performance zählt auch eindeutig zu den gelungensten seiner sieben 007-Auftritte. Mit dem doppelgesichtigen Drogenbaron Mr. Big ist ein ganz neuer Villain-Typus auf dem Bond-Parkett präsent, der allerdings im Laufe der Serie noch öfter auftreten sollte. Kotto vermag es den zielgerichteten Kriminellen glaubhaft zu interpretieren und darf zudem den bisher menschlichsten 007-Schurken zeichnen. Bei den Bondgirls sieht es dagegen schon durchwachsener aus. Mag man Jane Seymour als naiv-verschlagene Solitaire noch eine gute Leistung attestieren, so kann man Gloria Hendry die ihr angedachte Figur in all ihren interessanten Facetten zu keinem Zeitpunkt abnehmen. Eine der ersten großen Fehlbesetzungen innerhalb der Reihe. Ähnlich sieht es auf der Helferseite aus. David Hedisons Felix Leiter-Darstellung ist überzeugend, während Clifton James` leidlich-klamaukiger Part eindeutig zum Vergessen ist. Durchgängig überzeugend sind dagegen sind die Handlanger, von denen insbesondere Julius W. Harris und Geoffrey Holder lobend hervorgehoben werden müssen. Für das Fehlen von Desmond Llewelyn wird der Serien-Fan mit einem herrlichen komischen Besuch von M und Moneypenny in Bonds Wohnung entschädigt.


    Erneut gibt sich Guy Hamilton als Spielleiter die Ehre und dieses Mal muss man seinen Namen in den Kredits zum Glück nicht als Drohung verstehen. Von seinen Versäumnissen aus dem Vorgänger bleiben eigentlich nur der Klischee-Polizist Pepper und einige billige Szenen wie die des explodierenden Villain übrig. Ansonsten spürt man mehr Ernst, mehr Spannung, mehr Dynamik. Wären Hamiltons typische Anflüge von Ironie und Sarkasmus nicht allgegenwärtig, könnte man bei der geradlinig-harten Inszenierung fast Terence Young auf dem Regiestuhl vermuten. Guy Hamilton knüpft mit "Live And Let Die" wieder an den Stil der Filme vor 1967 an. Mit dem Drehbuch von Tom Mankiewicz kann man eigentlich nicht sonderlich hart ins Gericht gehen. Das Skript ist auf der Höhe der Zeit und ersetzt den Plot der Vorlage effektiv durch eine zeitgemäße Geschichte über die Monopolisierung des amerikanischen Drogenmarktes. Und doch kann man Kritik nicht völlig aussparen. Neben dem verunglückten Pepper fällt vor allem ins Auge das Mankiewicz die Romanhandlung doch gar zu sehr kürzte. Auf die Ikonenhaftigkeit des Schurken und die Möglichkeiten zur Spannungssteigerung, die eines der packendsten Fleming-Werke hergegeben hätte, werden unverständlicherweise verzichtet. Dennoch ist das Filmskript als solches sehr gelungen.


    Nach der schier ungebrochenen Dominanz John Barrys erleben wir nun einen neuen Komponisten. George Martin gibt sein Gastspiel und das kann man nur begrüßen. So grandios Barrys Arbeit auch ist, eine Abwechslung tut immer mal gut. Besonders, wenn sie so gelungen ausfällt wie bei Martins dynamisch-atmosphärischen Klängen. Paul McCartney interpretiert einen der besten und einprägsamsten Titelsongs, während Maurice Binder eines seiner besten Titeldesigns beisteuert. Selten innerhalb der Serie hatte die Titelsequenz in Verbindung mit dem Song und in Relation zum (Gesamt-)Film solch einen atmosphärischen Biss. Abermals musste Ken Adam durch Syd Cain vertreten werden und wieder konnte der Ersatzmann nicht groß punkten. Die Sets bleiben kaum in Erinnerung und auch das Bösewicht-Versteck enttäuscht weitgehend. Die Locations präsentieren sich durch die Bank großartig. Vom New Yorker-Stadtteil Harlem über die Sümpfe Louisianas und die Clubs von New Orleans bis hin zum karibischen Jamaika unterstützen alle Schauplätze ganz prächtig die exotische Voodoo-Thematik. Die Cinematographie von Ted Moore zeigt sich wieder erdiger und weniger farbenfroh, was aber gut zur Stimmung des Streifens passt. Hingegen stellt die Verwendung des Normalformats gegenüber dem Cinemascope-Verfahren einen eindeutigen Rückschritt dar. In dynamischer Hinsicht ist die Kameraführung aber stets auf der Höhe des Geschehens. Die Verfolgungsjagden zu Land, zu Wasser und durch die Insellandschaft zeigen sich wieder intensiver und packender als im unmittelbaren Vorgänger.


    Gesamtwirkung: Trotz eines betont ironisch-dandyhaften neuen Hauptdarstellers kehrt man mit dieser Produktion weitgehend zu Härte und Zynismus der frühen Filme der Serie zurück. Das Ensemble, der Score und der neue Mann sorgen für jede Menge Frische. Lediglich eine zu laxe Handhabung der Vorlage durch den Skriptautor, leichte darstellerische Defizite, durschnittliche Dekors, das Drehen im Normalformat und kleine technische Pannen schmälern den Eindruck des dynamisch-mysteriösen Voodoo-Trips.


    Meine Wertung: 4 von 5 Punkten

    Welche Nachklappkonfrontation? Gibt es da irgendwelche näheren Details zu?


    Ja, es gibt aus verschiedenen Quellen mehrere Hinweise auf dieses finale Bond-Blofeld-Duell, das wohl tatsächlich im Drehbuch stand, aber aus Spielzeit- und Kostengründen nicht realisiert wurde.


    Die Handlung sollte nach der Bohrinsel wie folgt weitergehen:


    Blofeld entkommt in seinem Mini-U-Boot und Bond verfolgt ihn (wenn ich mich recht erinnere) mit seinem Wetterballon bis zur einer kleinen Insel. Die Verfolgungsjagd endet in einer Salz-Mine und es kommt zum Kampf Mann gegen Mann. Am Ende stößt Bond Blofeld in einen Salzgranulator. Als Leiter und Whyte eintreffen, fragt Whyte irritiert: "Where is that bastard Blofeld?" und als der Granulator blutbeflecktes Salz auswirft, erwidert Bond: "Bastard? He is the salt of the earth!". Danach wäre die Handlung - wie bekannt - mit dem Ablegen der "Port Elisabeth" und dem letzten Auftritt des Killerduos weitergegangen...


    EDIT: Gerade bei imdb/trivia zum Film gefunden:
    Maibaum may have thought the eventual oil rig finale a poor substitute, but it was originally intended to be much more spectacular. Armed frogmen would jump from the helicopters into the sea and attach limpet mines to the rig's legs (this explains why frogmen appear on the movie's poster). Blofeld would have escaped in his BathoSub and Bond would have pursued him hanging from a weather balloon. The chase would have then continued across a salt mine with the two mortal enemies scrambling over the pure white hills of salt before Blofeld would fall to his death in a salt granulator, becoming, in Bond's words, "the salt of the earth." Permission was not granted by the owners of the salt mine, and it also made the sequence too long. Further problems followed when the explosives set up for the finale were set off too early; fortunately, a handful of cameras were ready and able to capture the footage.


    Ich hatte es etwas anders in Erinnerung und glaube, es wurde auch in manchen anderen Quellen leicht variabel geschildert. Es ist möglich, dass hier auch verschiedene Draft-Zustände wiedergegeben werden. Diese Beschreibung erklärt aber die Taucher, die auf vielen Plakaten zu sehen sind, aber im Film niemals auftauchen.

    @ MisterBond & Spree


    Vielen Dank! :prost:


    Jetzt wird es aber erstmal eine kleine Review-Pause geben und im August widme ich mich dann der Moore-Ära.
    So wie ich die sieben Filme in Erinnerung habe bzw. wie sie sich bei der Neusichtung präsentieren werden, könnte ich mir vorstellen, dass da doch die eine oder andere wesentlich kontroversere Bewertung bei herauskommt. Die meisten Moore-Streifen stehen bei einigen hier ja sehr hoch im Kurs bzw. gehören sogar zu den jeweiligen Favoriten. Ich denke, da wird es sicherlich die eine oder andere hitzige Diskussion geben und da freue ich mich schon drauf. Bei den ersten sieben EON-Filmen deckte sich meine Bewertung ja fast ausschließlich - von Nuancen abgesehen - mit einer gewissen "Common-Sense"-Einschätzung.

    James Bond Rewatched


    # 07: Diamantenfieber (1971)


    OT: Diamonds Are Forever; GB 1971; 120 Min.; R: Guy Hamilton; D: Sean Connery, Jill St. John, Charles Gray, Lana Wood, Jimmy Dean, Bruce Glover, Putter Smith, Bernard Lee, Lois Maxwell, Desmond Llewelyn.


    Nach dem – aus der damaligen Sicht der Produzenten und Kritiker – (finanziell) fehlgeschlagenen Experiment "On Her Majesty’s Secret Service" und dem direkten Ausscheiden des Neulings George Lazenby, versuchten die Macher krampfhaft zu alten Erfolgmustern zurückzukehren. Dieses Erfolgsmuster hieß "Goldfinger". Also mussten Guy Hamilton, Ken Adam und vor allen Dingen Sean Connery wieder mit von der Partie sein. Mit einem einmaligen Angebot köderten United Artists und EON den Schotten noch einmal die Hauptrolle zu übernehmen. Finanziell sollte sich dieses Kalkül auszahlen. "Diamonds Are Forever" geriet zum erfolgreichen Kassenschlager, aber aus heutiger Sicht kann man das Werk – trotz allen Wohlwollens – wohl kaum als ein Musterbeispiel für Qualität innerhalb der EON-Serie ansehen. In Punkto Selbstreferenzialität, Zeitgeist-Assimilierung und tagesaktueller Kolportagestimmung nimmt "Diamonds Are Forever" aber eine Ausnahmestellung innerhalb des Franchises ein.


    Abermals erleben wir keine durchgängig überzeugende Besetzung. Sean Connery kann zwar wieder mit deutlich erhöhter Spielfreude und mehr Ironie punkten, aber sein zunehmendes Alter und seine offensichtliche Unfitness machen sich nach 5 Jahre Pause schon stärker bemerkbar. In dem Charaktermimen Charles Gray als drittem Leinwand-Blofeld sollte er eigentlich einen würdigen Antagonisten finden, aber weit gefehlt. Grays Darstellung hätte zu einem echten Triumph werden können, hätte das Drehbuch seinen Part nur ernsthafter angelegt. Tiffany Case hat mit ihrem Romanvorbild kaum mehr etwas gemein und wird von Jill St.John nur unzureichend Profil gegeben, während Lana Wood als wunderbar naiv-erotisches Eye-Candy – auch dank dramatischem Ende – weit mehr überzeugen kann. Die Helfer in Gestalt von Norman Burton und Jimmy Dean präsentieren sich leider nur in ihrer Unterdurschnittlichkeit. Die Mi6-Stammmanschaft kann hingegen wieder mit pointierten Auftritten punkten und Bruce Glover und Putter Smith liefern als Killerduo Mr. Wint & Mr. Kidd ein echtes Kabinettsstückchen ab.


    Die Rückkehr von Erfolgsregisseur Guy Hamilton gibt leider keineswegs zu Jubelstürmen Anlass. Seine Inszenierung ist lahm, in den filmischen Mitteln weitgehend einfallslos und in manchem Momenten geradezu schlampig. Es gereicht ihm letztlich zum Vorteil, dass die Pulphaftigkeit des Plots, die vielen skurrilen Einfälle und sarkastischen Momente, die zu einem gewissen Teil auf sein Konto gehen dürften, die mäßige Regieleistung über weite Strecken vergessen lassen. Als kleines inszenatorisches Highlight darf immerhin die nächtliche Ersteigung des Whyte-Domizils mit der anschließenden, atmosphärischen Konfrontation mit Blofeld gelten. Das Skript von Richard Maibaum und Tom Mankiewicz darf man guten Gewissens als die bisher schwächste Drehvorlage bezeichnen. Mag man noch vertreten können, dass der Romanplot erheblich aufgepeppt wurde, so rätselt man voller Unverständnis, wie man die spannenden Spectreville-Geschehnisse und die packende Zugjagd der Vorlage im Mittelteil des Films durch eine mäßige Autoverfolgungsjagd und eine banale Fabrikflucht ersetzen konnte. Neben Logiklöchern, einer unzureichenden Verwendung des Diamantenthemas als Projektionsfläche (im Vergleich zu "Goldfinger"), enttäuscht vor allem das Bohrinselfinale. Hier tragen aber die Produzenten eine erhebliche Mitschuld. Ihr Drängen, den Film – nach dem enttäuschenden Ergebnis des Vorgängers – um jeden Preis unter 120 Minuten zu halten, erweist in qualitativer Hinsicht als Bumerang. Es wurden Zusammenhänge verkompliziert, die mit den geschnittenen Szenen leicht verständlich gewesen wären. Zudem hätte die im Drehbuch eigentlich angedachte Nachklappkonfrontation Bonds mit Blofeld, die nie gedreht wurde (aber das Kapitel Blofeld würdig abgeschlossen hätte), den Film in der Endabrechnung sichtlich aufgewertet.


    Abermals erfreuen John Barrys gelungene Kompositionen das Ohr des Zuschauers. Dieser Soundtrack gehört abermals zu seinen gelungensten Arbeiten. Bei diesem, ihrem zweiten Titelsong trumpft Shirley Bassey wiederum mit souveräner, gesanglicher Klasse auf und kann sogar beinahe an ihren Kultohrwurm aus dem Jahre 1964 heranreichen. In Maurice Binders Titeldesign verbinden sich Frauen und Diamanten zu einer schönen optischen Fabel, die sich unter die Riege der besseren Schöpfungen des Designers einreihen kann. Die Dekors von Ken Adam erreichen zwar nicht die monumentale Größe seiner Kreationen für die Gilbert-Bondstreifen, präsentieren sich aber in subtil-kreativer Verspieltheit. Sah man jemals ein edleres Schlafzimmer als in Bonds Las Vegas-Suite oder eine schönere, nach modernen Formen konstruierte Kommandozentrale als die von Blofeld im Whyte-House? Auch im "Kleinen" kann Adam Großes schaffen. Die Locations sind mit London, Amsterdam, Las Vegas und der Bohrinsel vortrefflich ausgewählt. Kein anderer Bondstreifen mit dem Schauplatz USA konnte das Amerika-Feeling so konsequent beschwören wie dieser. Hinter der Kamera finden wir Routinier Ted Moore wieder. Seine Cinematographie fängt die schillernde Glitzerwelt von Las Vegas in den frühen Siebzigern in kräftigen, bunten Farbtönen ein. Ein echter Genuss für das Auge. In dynamischer Hinsicht kommt die Kameraführung aber nicht an Michael Reeds Virtuosität heran, was aber in Hamiltons müder Regie mitbegründet sein mag. Kleine Highlights kann man lediglich mit der Vortitelsequenz, dem Aufzugskampf und dem letzten Einsatz des Killerpärchens benennen.


    Gesamtwirkung: Pulp, Slapstick und Selbstreferenzialität sind die Schlagworte, die uns in Guy Hamiltons zweiter, schundig-schöner Regiearbeit, entgegengeworfen werden. Von der Vorlage bleiben nur Bruchstücke, von Hamiltons einstiger inszenatorischer Größe ebenso. Die gelungene Kameraarbeit, der eingängige Score und das vortreffliche Production Design, werden leider durch eine hausbackene Regie, ein unter seinen Möglichkeiten bleibendes Ensemble und ein höchst mittelprächtiges Drehbuch nicht im gebotenen Maße unterstützt. Ohne Frage ein großer, amüsanter Unterhaltungsfilm, aber ein qualitativ-überzeugender Bondstreifen sieht freilich anders aus.


    Meine Wertung: 2,5 von 5 Punkten