Thorsten Beckmann
präsentiert
Ian Flemings James Bond 007
in
BEYOND THE TRUTH
1 - Après-Ski mit Aprewski
James Bond stoppte gekonnt bei ein paar Tannen. Er stützte
sich auf seine Skistöcke und sah sich um. Schnee rieselte auf seinen Skianzug.
Ein leichter Wind ging und kein Wölkchen trübte den blauen Himmel. Irgendwo
hier musste sie sein, die Skihütte von Morris. Henry Morris war ein
professioneller Dieb und Einbrecher. Man sagt er wäre an dem tollkühnen Versuch
die Kronjuwelen aus dem Tower von London zu rauben, der nur durch einen
glücklichen Zufall entdeckt und verhindert werden konnte, beteiligt und sogar
der führende Kopf der Bande gewesen. Doch man konnte ihm nichts nachweisen. Nun
war es eben diesem Morris geglückt streng geheime Pläne von neuen U-Boot-Typen
zu stehlen. Im Ministerium ging man davon aus, dass er nun versuchte die CD mit
den Daten gewinnbringend an einen anderen Geheimdienst zu verkaufen. Man folgte
seiner Spur bis nach Innsbruck wo Bond herausfand, dass Morris hier eine
Skihütte besaß. Wer der Abnehmer für die CD sein würde, war ihm ebenfalls klar.
Es konnte sich nur um den russischen Geheimdienst handeln. Äußerste Vorsicht
war geboten und er musste schnell zuschlagen, wenn er Morris erledigen und den
russischen Kontaktmann überraschen wollte.
Plötzlich wurden Bonds Gedankengänge unterbrochen, etwas
zischte dicht an seinem rechten Ohr vorbei, hinter ihm splitterte Holz. Ein
Schuss hatte die melancholische Stille der verschneiten Bergwelt beendet! Rasch
sah Bond sich um und erblickte unweit von sich zwei bewaffnete Männer hinter
einer Schneewehe. Es mussten angeheuerte Schläger von Morris sein, kein Schütze
des russischen Geheimdienstes hätte ihn auf diese kurze Distanz so verfehlt.
Bonds Armmuskeln spannten sich an, schnell und kraftvoll stieß er sich ab und
glitt an den Tannen vorbei Richtung Tal. Doch auch seine beiden Verfolger
verloren keine Zeit und setzten ihm sofort nach. Einer von beiden musste eine
Maschinenpistole haben, denn Bond hörte die Schüsse, merkte wie der Schnee um
seine Skier und Skistöcke herum aufgrund der Kugeleinschläge aufstob. Er wagte
nicht zurückzublicken, sein Gehirn arbeitete beinahe automatisch an einem Plan
um die beiden loszuwerden. Als Bond schließlich merkte, dass sein Vorsprung immer
größer wurde und die beiden Schläger wohl ebenso schlechte Skifahrer wie
Schützen waren, fasste er einen Plan. Ganz in der Nähe war ein Abhang, eine
steile Felswand…
Bond verlangsamte etwas, änderte seine Richtung und hielt
auf den Abhang zu. Seine beiden Verfolger kannten die Gegend anscheinend
ebenfalls und teilten sich, um ihn in die Enge zu treiben. Dies war Bond nur
recht, so konnte er sie sich einzeln vorknöpfen. Er blickte zurück, schätzte
die Wege der beiden Schläger ein und hielt weiter auf den Abhang zu. Drohend,
wie eine bodenlose Pforte zum Tod kam der Abhang immer schneller immer näher
und während sein Verfolger schon langsamer wurde hielt Bond unbeirrt auf den
Abgrund zu.
Erst im letzten Moment riss er die Skier herum, machte eine
90°-Drehung und schnitt elegant am Abhang vorbei bis er schließlich stoppte. Sein
Verfolger kam unaufhörlich näher und auch von der anderen Seite konnte Bond
schon den herannahenden Schläger sehen. Wie er es vermutet hatte, hatten beide
ihre Waffen weggesteckt um sich ganz auf das Skifahren zu konzentrieren, denn
jeder Fehltritt könnte hier mit einem tiefen Fall bestraft werden. Die beiden
Schläger fühlten sich ganz siegessicher, Bond war in die Enge getrieben und
wohl bald im freien Fall ins Tal zurückkehren. Ein Schubs würde schon genügen.
Sie kamen immer näher, unaufhaltsam auf Bond zu. Dieser reagierte blitzschnell.
Er streckte seine rechte Hand aus, die spiegelnde Substanz auf der Innenfläche
des Handschuhs reflektierte die Sonnenstrahlen geradewegs in die Skibrille von
Bonds direktem Verfolger. So geblendet kam er ins Schlingern, seine Skier
streiften einen großen Stein, der Mann verlor das Gleichgewicht und segelte mit
lauten Aufschrei über die Klippe!
Geschwind drehte Bond sich jetzt zu dem anderen Schläger um,
der von Wut getrieben nun auf direktem Kollisionskurs mit ihm war und immer
näher kam. Bond hob seinen linken Skistock, zielte und feuerte. Ein Stahlnagel
durchbrach fast geräuschlos die Luft, den Skianzug des Schlägers und ging
direkt in sein Herz. Der Mann zuckte zusammen, sein Körper erschlaffte,
schlingerte über den Rand des Abgrunds und fiel.
Bond sah ihm ohne mit der Wimper zu zucken nach. „Der erste
Mann, dem ich das Herz gebrochen habe.“
Unbeschwert als wäre gar nichts passiert, setzte Bond seinen
Weg zur Skihütte fort und erreichte schließlich kurze Zeit später sein Ziel.
Einsam und ganz idyllisch lag die kleine, dunkle Blockhütte
in einem verschneiten Winkel. Man könnte sie für verlassen und leer halten wenn
da nicht frische Spuren von Skiern wären, die direkt zur Tür der Hütte führten.
James Bond, gekleidet in einen weißen, unauffälligen Skianzug hielt auf ein
kleines Tannenwäldchen in der Nähe zu, nachdem er die Hütte ausgekundschaftet
hatte. Dort legte er die Skistöcke beiseite, schnallte sich die Skier an und
verstaute alles hinter einem der Bäume. Schließlich zog er die weiße Skimütze
über das Gesicht und tastete sich langsam zur Blockhütte vor. Seine einzige
Deckung bestand aus seinem Anzug, denn die Hütte besaß an jeder Seite ein
Fenster und hatte dementsprechend keinen toten Winkel. Langsam und sehr bedacht
robbte Bond immer weiter vor. Regelmäßig hielt er inne und lauschte, doch jedes
Mal war sein eigener Atem das Einzige was er hörte. Schließlich erreichte er
die Westseite der Hütte, an der das Kaminholz lagerte. An der Nordseite befand
sich die Tür. Schnell stand Bond auf und presste sich neben dem Fenster an die
stabile Holzwand der Hütte. Er griff sich einen der Holzscheite, klopfte damit
gegen das Fenster und schmiegte sich an der Wand entlang zur nordwestlichen
Ecke. Er hob das Holzscheit hoch und lauschte angespannt, jederzeit bereit
zuzuschlagen.
Leise hörte man schwere Schritte auf Holzbohlen, Morris
öffnete die Tür, seinen Revolver entsichert und schussbereit in der Hand. Er
wusste schon lange, dass man ihn verfolgte und er hatte eigentlich fest damit
gerechnet, dass Roland und Wilhelm, die beiden Schläger, die er extra noch zu
seinem Schutz in Innsbruck angeheuert hatte, ihm genug Zeit verschafften um den
Deal über die Bühne zu bringen und zu verschwinden. Doch etwas musste schief
gelaufen sein oder hatte das Geräusch am Fenster eben einen ganz anderen Grund?
Der schmächtige Morris ging vorsichtig weiter und trat mit
schneller Bewegung um die Ecke, doch Bond reagierte sofort und Morris spürte
einen harten Schlag, einen stumpfen Schmerz und ging bewusstlos zu Boden. Der Schuss,
der sich löste, verpuffte wirkungslos in der kalten Bergluft.
Bond nahm den Revolver an sich, durchsuchte Morris und
schleifte ihn schließlich in die Hütte. Die Hütte war nur spärlich
eingerichtet. Rechts waren ein Vorratschrank und eine kleine Sitzecke, links
ein Bett und der Tür gegenüber war der Kamin, stilvoll mit einem Bärenfell
davor. Morris’ Skier und Skistöcke lehnten neben der Tür. Bond wuchtete Morris
auf das Bett und sah sich dann um. Die gestohlene CD lag offen auf dem Tisch
der Sitzecke. Er nahm sie an sich, setzte sich auf einen der beiden alten Holzschemel,
die vor dem Tisch standen, und wartete mit gezücktem Revolver darauf, dass
Morris wieder zu sich kam.
Es dauerte nicht lange bis Morris sich regte. Mühsam
richtete er sich auf und hielt sich das schmerzende, aufgescheuerte Kinn. Sein
schlankes, eingefallenes Gesicht und die tiefen Ränder unter seinen Augen
ließen keinen Zweifel, dass dieses Genie unter den Dieben Englands dem
Rauschgift ergeben war. Bond blickte ihn hart an. „Wer ist ihr Kontaktmann,
Morris? Mit wem wollten sie sich hier treffen?“
Morris’ Gehirn arbeitete auf Hochtouren, er lotete seine
Chancen zur Flucht ab. „Sie… sie können die Waffe ruhig senken, Mister. Die CD
haben sie schon und körperlich überlegen sind sie mir auch. Stecken sie die
Waffe weg und ich werde ihnen alles sagen, was sie wissen wollen.“
Bond taxierte Morris misstrauisch, lenkte aber schließlich
ein und steckte den Revolver weg. „Also? Wer ist ihr Kontaktmann?“
„Nun, wie sich sicher denken können ist es ein Russe. Agent
des russischen Auslandsgeheimdienstes, dem SWR.“ Morris’ rechte Hand löste sich
von seinem Kinn. Er stützte sich damit neben dem altmodischen Federkissen auf.
„Soviel kann ich mir schon selber zusammen reimen, Mr.
Morris. Der Name und zwar schnell!“
„Ja, schnell können sie haben, sehr schnell.“ Etwas in
Morris’ Ton gefiel Bond nicht. Instinktiv setzte er sich in höchste
Alarmbereitschaft. „Der Name meiner Kontaktperson ist Aprewski. Einfach nur
Aprewski.“ Morris sprach ungewöhnlich sanft. Kaum hatte er das letzte Wort
vollendet, holte er blitzschnell mit seiner rechten Hand einen Dolch unter dem
Kissen hervor, hob sie stichbereit empor und stürzte sich auf Bond!
Bond, der schon auf eine Attacke vorbereitet war, stützte
sich mit den Armen am Tisch hinter sich. Morris’ Hand sauste tödlich hinab, er
fühlte einen Stoß, einen stechenden Schmerz, Blut breitete sich auf dem
Skianzug aus. Morris’ glasige Augen blickten ihr Gegenüber erstaunt an. Bond
hatte just in dem Moment kurz bevor die Klinge ihn erreichte mit einem harten
Tritt Morris’ Hand abgelenkt. So abgelenkt, dass sich der Dolch unnachgiebig in
Morris’ Bauch bohrte. Morris schwankte, fiel gurgelnd hintenüber und blieb tot
auf dem Bärenfell liegen. Eine blutige Spur seiner Hand kündete am Bettpfosten
von seinem letzten Versuch Halt zu finden.
„Kleinvieh macht nur Mist“, kommentierte Bond und stand auf.
Er zog den blutverschmierten Dolch aus dem Körper des unbedachten Diebes und
hob Morris schließlich auf das Bett wo er den recht klein gewachsenen Mann mit
der Federbettdecke bedeckte. „Nicht jeder hat so eine weiche letzte Ruhe. Sie
sollten mir dankbar sein, Mr. Morris.“
Der Geheimagent setzte sich wieder auf den Schemel und holte
Morris’ Revolver hervor. Er wartete und lauschte. Nachdem er eine knappe halbe
Stunde in der Hütte ausgeharrt hatte, hörte Bond wie sich jemand der Hütte
näherte. Er stand auf, presste sich neben der Tür an die Wand und hielt die
Waffe bereit. Es klopfte. „Aprewski?“, fragte Bond mit verstellter Stimme.
„Da“, war gedämpft von draußen zu hören. „Treten sie herein. Sie sind spät.“
Langsam öffnete sich die Tür und eine Person in dunklem
Skidress betrat die Hütte. Ein Klicken ertönte, die Person zuckte zusammen.
Bond hatte den Revolver entsichert. Er war genau auf den Kopf mit der
dunkelblauen Skimütze gerichtet. „Sie sind zu spät, wollte ich sagen“, begann
Bond hart. „Der Deal findet nicht statt!“ Eine Regung durchfuhr Aprewski. „Keine
Mätzchen“, warnte der britische Agent.
„Keine Angst. Ich werde mich nicht wehren. Aber vielleicht
kann man sich irgendwie gütlich einigen.“ Aprewski zog sich die Skimütze vom
Kopf, wendete eben diesen Bond zu und sah ihn an. Bond ließ langsam den Revolver
sinken. Er blickte in blitzende graublaue Augen in einem ebenmäßigen, hellen
und jugendlichen Gesicht, das von braunen, leicht gewellten, schulterlangen
Haaren eingerahmt wurde. „Ich heiße Anna“, formten ihre vollen, sinnlichen
Lippen. Der Brite war ihrem Charme sofort erlegen und auch Anna schien an dem
was sie sah Gefallen zu finden. „Mein Name ist James.“
„James Bond nehme ich an.“ Dieser nickte. „Was haben sie mit
Morris gemacht?“