Agentur ARGUS
Ian Flemings
James Bond 007
in
einer
Kurzgeschichte
von
Thorsten Beckmann
1 – Ein unmoralisches Angebot
Der britische Geheimagent James Bond saß im Büro seiner
Chefin. Es ging um einen neuen Auftrag, doch Bond war nicht richtig bei der
Sache. Seine Gedanken kreisten unaufhörlich um eine Frau, Havanna Westham, der
Tochter der MI6-Legende und früherem 007 Sir Henry Westham. Er hatte sie bei
seinem letzten Auftrag in Bath kennen gelernt und einige tragische Ereignisse
mit ihr in Kuba durchgemacht. Er hatte Havanna wieder neuen Lebensmut geben
können, nachdem sie von dem größenwahnsinnigen und rachedurstigen Pflanzer
Perez vergewaltigt und ihr Vater und ihr Cousin von Perez’ Tochter ermordet
worden waren. Nicht ganz zu Unrecht, wie sich herausstellte, war doch Sir Henry
Westham in Wirklichkeit ein skrupelloser Mann und einer der größten
Drogenbarone Europas gewesen. Doch nun war Havanna weg, hatte sich von Bond
getrennt, um endgültig mit ihrer Vergangenheit abzuschließen. In seinem Inneren
fühlte Bond, dass es die richtige Entscheidung war, doch schmerzte es ihn
trotzdem. Ein leises Seufzen entrang sich seiner Kehle.
„Haben sie mich verstanden, 007?“ Ms schneidende Stimme riss
den Agenten aus seinen Gedanken und ließ ihn auffahren. Schuldbewusst
schüttelte er den Kopf. M stöhnte. „Reißen sie sich zusammen, 007! Ich weiß ja,
dass sie die Wahrheit über Sir Henry erschüttert hat und es ist auch tragisch
dass seine Tochter nun auch weg ist, aber Sir James Molony hat sie für
einsatzfähig erklärt und ich erwarte, dass sie diesen Auftrag gewohnt
professionell angehen.“
Bond nickte und schluckte all seine Gefühle hinunter.
„Jawohl, Madam.“
„Gut“, erwiderte M ganz ruhig. „Dann beginne ich noch einmal
von vorne. Man hat uns auf sehr ungewöhnliche Weise ein verlockendes Angebot
unterbreitet. Es geht hierbei um Entwicklungsergebnisse von geheimer
amerikanischer Forschung im Bereich der Nachrichtentechnik. Ergebnisse, die
unserem eigenen Satellitenprojekt um Dr. Reginald Jameson und dem unglücklichen,
verstorbenen Sir William Otterborough sehr zugute kommen könnten, wenn sie denn
wirklich echt sind und halten was uns da versprochen wird.“
„Ein sehr zwiespältiges Angebot“, gab Bond nachdenklich
zurück. „Es hieße ja fast unsere eigenen Freunde drüben beim CIA zu bestehlen.
Wer macht uns denn das Angebot?“
M zuckte mit den Schultern. „Der kalte Krieg ist vorbei,
007. Mittlerweile haben wir auch bei den Russen Freunde. Sehen sie es einfach
als Industriespionage bei einem benachbarten Konzern an. Heutzutage geht es
hauptsächlich um Informationen und nicht mehr darum dem anderen zu schaden.“
Sie macht eine ausladende Geste mit den Händen. „Aber jetzt wird es wirklich
interessant. Das Angebot stammt von der Agentur Argus. Schon einmal davon
gehört?“ Bond musste verneinen. „Dachte ich mir. Wir wissen selbst nicht sehr
viel darüber. Eine international operierende Detektivagentur mit Sitz in Bern,
Eigentümer ein gewisser A. R. Gus. Über Gus selbst ist praktisch gar nichts
bekannt, außer dass er ebenfalls Schweizer ist. Uns liegen keinerlei Daten über
ihn vor. Kein Geburtsdatum, keine Beschreibung. Gus scheint nur als
Unterschrift und Stimme am Telefon zu existieren.“ M öffnete die Akte, die vor
ihr auf dem Schreibtisch lag und reichte Bond ein Blatt Papier daraus. „Hier
sehen sie auf welchem Wege uns das Angebot unterbreitet wurde.“ Bond nahm das
Papier entgegen. Es war die Kopie von Vorder- und Rückseite einer Visitenkarte.
„Eingeworfen in den Briefkasten der Universal Exports Filiale in Bern von einem
vermummten Unbekannten. Der Stationsleiter Weber kam ohne Umschweife zu der
Entscheidung diesen Fall uns zu übertragen und forderte für den Fall einen
Doppelnullagenten an. Nach der uns bekannten Sachlage eine verständliche und
richtige Entscheidung. Das Original befindet sich zurzeit zur Analyse in der
Abteilung Q.“
Bond nickte und betrachtete noch einmal die Kopie. Auf der
Vorderseite befand sich ganz normal die Adresse, während auf der Rückseite
etwas handschriftlich geschrieben stand.
Biete Ergebnisse der Forschungen des Nachrichtentechnikers Masterson,
derzeit tätig im gleichnamigen amerikanischen Projekt.
Senden sie einen Vertreter an umstehende Adresse.
A. R. Gus
Gefolgt wurde dieses Angebot von einer Chiffrenummer. Bond
vermutete, dass diese Nummer in direktem Zusammenhang mit dem Masterson-Projekt
stand um die Echtheit der angebotenen Dokumente zu beweisen. Er ließ die Kopie
wieder sinken. „Und ich soll jetzt die Qualität der Ware und die Person des
Verkäufers überprüfen, nehme ich an.“
„So ist es“, bestätigte M. „Aber seien sie auf der Hut.
Möglicherweise hat Mr. Gus auch noch anderen Parteien die Unterlagen zum Kauf
angeboten um einen Höchstpreis zu erzielen.“
„Daran habe ich auch schon gedacht.“
M lächelte leicht. Es hätte sie auch gewundert, wenn Bond
diesen Punkt nicht auch schon mit eingerechnet hätte. „Miss Moneypenny gibt
ihnen das Flugticket und Q die Ausrüstung. Sie kennen das ja. Viel Glück,
Bond.“
Der Agent stand auf und verließ das Büro. Im Vorzimmer wurde
er von Moneypenny schon sehnsüchtig erwartet. „Interessanter Auftrag, James?“
„Routine“, entgegnete Bond und griff nach seinem Mantel am
Garderobenständer. „Als ich das letzte Mal in Mitteleuropa war, war das um eine
CD wiederzubekommen, jetzt wird uns eine angeboten.“ Moneypenny nickte wissend
und seufzte. „Ja, ich habe Stunden damit verbracht Informationen über diese
Agentur Argus zu suchen. Internetrecherche und Unmengen an Anrufen, Abteilungen
hier im Hause, Weber in Bern, alle anderen großen europäischen Detekteien und
dergleichen mehr. Sehr frustrierend das Ganze.“
Bond sah Moneypenny lächelnd an. „Das kann ich mir denken.
Und wie gerne würde ich dir beim Frustabbau helfen, Penny, doch leider ruft die
Pflicht.“
„Wäre ja auch noch schöner, wenn ich hier die ganze Arbeit
hätte und du nur auf der faulen Haut liegen könntest“, gab die Sekretärin
zuckersüß zurück und reichte dem Agenten das Flugticket und alle weiteren
wichtigen Unterlagen.
Wenige Augenblicke später fand sich James Bond in der
Abteilung Q wieder. Vorbei an den tüftelnden Technikern und Unmengen an
technischen Geräten und profanen Gegenständen, die es aber mit Sicherheit auch
in sich hatten, fand Bond Q schließlich
in einem kleinen Nebenraum. Q stand neben einem Schreibtisch mit Mikroskop,
Reagenzgläsern und einem speziellen Hochleistungsscanner darauf und hatte die
Hände in den Taschen seines weißen Kittels vergraben. Am Schreibtisch saß ein
hagerer Mann mittleren Alters mit dunkelbraunen Haaren und einem ebensolchen
Vollbart. Er untersuchte gerade die Visitenkarte mit einem Uhrmacherglas.
„Hallo Q.“
Q wendete sich zur Tür. „Ah, 007. Kennen sie schon Mr.
Holmes?“
„Den berühmten Detektiv?“
Q verdrehte die Augen. „Nein, unseren Graphologen. Warum
bestrafen sie mich eigentlich immer mit ihren vorsintflutlichen Witzchen?“
Bond nickte Mr. Holmes kurz zu und grinste dann Q an. „Oh,
immerhin hielten sich die von mir verursachten Schäden bei der letzten Mission
in Grenzen. Mal schauen ob ich sie noch zusammenbekomme… eine Fensterscheibe,
ein Hemd, den Lack und die Titanversiegelung des Jaguars und… das war es
eigentlich. Den Taschenrechner und den Kugelschreiber habe ich ihnen unversehrt
zurückgebracht.“
„Ich hörte da noch von einem ganzen Haus, dass sie in Schutt
und Asche gelegt haben…“
Bond wurde wieder etwas ernster. „Nun, Havanna hätte es
sowieso abreißen lassen. Es hat zu viele schlimme Erinnerungen in ihr geweckt.“
„Nun gut“, gab sich Q schließlich zufrieden. „Aber über den
Jaguar müssen wir noch reden.“ Er wendete sich dem Graphologen zu. „Was hat die
Analyse ergeben?“