Roman und Comic: Casino Royale

  • Vor längerer Zeit ist mir ein Sammelband mit Comicstripversionen der Bond-Romane von Ian Fleming in die Hände geraten. Sie entstanden in den 1960er Jahren und wurden in einer englischen Tageszeitung veröffentlicht. Daraufhin kam ich auf die Idee, die Romane und die daraus entstandenen Comicstripversionen zu vergleichen. Ich wollte wissen, wie originalgetreu die Comicversionen sind, was anders ist und – falls möglich – warum es Unterschiede gibt. Beginnen will ich mit dem ersten Roman – Casino Royale. Der Sammelband der Comicstrips heißt „The James Bond Omnibus Vol. 1“ (den zweiten habe ich inzwischen auch, alle Flemingromane können also abgedeckt werden).


    Bei einem Blick aufs Inhaltsverzeichnis des Sammelbandes fällt auf, daß die Comicversion von CR die längste aller enthaltenen Comics ist. Das lässt vor dem Lesen des Romans auf eine sehr getreue Comicversion schließen, in der nicht viel weggelassen wurde. In der Tat fehlt dem Comic nicht allzu viel, und manche Dinge wurden für den Comic umstrukturiert.


    So beginnt der Roman bereits mit Bond im Casino, worauf eine Rückblende folgt, die erläutert, was Bond nach Royale in das Casino getrieben hat. Wenn man so will, ist das ein Einstieg à la J.J. Abrams (Alias, M:I 3). Diesen Beginn gibt es im Comic nicht, hier wird die Chronologie eingehalten. Der Hintergrund zu und der Grund für Bonds Mission werden im Roman durch ausführliche Memos erläutert, die vom „Head of S“ kommen. Man kann sich vorstellen, daß das Abdrucken von Memos in einem Comic schnelle langweilig wird, daher wird der Inhalt der Memos im Comic in ein Gespräch zwischen Bond und dem „Head of S“ eingebettet. Bei diesem Gespräch wird auch bereits Vesper Lynd eingeführt, die im Roman erst konkret erscheint, als Bond sie in René Mathis´ Begleitung in einer Bar in Royale trifft.


    Ein anderes eher statisches Element ist Bonds Beschreibung, wie er ein 00-Agent geworden ist. Im Roman geschieht dies, als Bond und Vesper in einem Restaurant sitzen, im Comic wird diese Erläuterung in eine Autofahrt Bonds mit Vesper verlegt. Warum die Comicschreiber das machten, erschließt sich mir nicht. Kann es sein, daß schon eine Autofahrt alles dynamischer erscheinen lässt? Ebenso verfahren die Comicschreiber mit den Baccarat-Regeln, die Bond im Roman sehr ausführlich darstellt. Hier kann man schon nachvollziehen, daß die Comicschreiber das deutlich abkürzen; sie beschränken sich auf eine kurze Darstellung, die in einem Panelbild abgehandelt wird.


    Den Verlauf des Kartenspiels gestalten die Comicschreiber ebenfalls flotter; sie zeigen lediglich die Karten, die Bond und Le Chiffre in den jeweiligen Runden ziehen. Sie verzichten auch auf den Gebrauch des Französischen, der im Roman im Casino natürlich allgegenwärtig ist.


    Einige Dinge, die im Roman vorkommen, fehlen im Comic, was unterschiedliche Gründe hat. So diskutiert Bond im Roman seine Absicht, seinen Agentenposten aufzugeben, mit Mathis. Diese Diskussion findet im Comic gar nicht statt. Ich vermute, daß die Comicschreiber dies entweder nicht dynamisieren konnten (siehe Bonds 00-Werdegang weiter oben) oder sie es als unnötig für den Plot erachteten (das vermute ich eher). Was ebenfalls fehlt, ist der letzte Satz des Romans: „The bitch is dead.“ Im Comic heißt es schlicht: „She is dead.“ Hier wird der Grund für die Änderung darin liegen, daß die Comicstrips in einer Tageszeitung abgedruckt waren, die auch Kindern zugänglich waren, und da wollten die Comicschreiber keine Jugendgefährdung begehen. Aus ebendiesem Grund wird man auch die Foltersequenz geändert haben. Bond ist im Comic nicht völlig nackt, sondern behält seine Unterhose an; der Teppichklopfer wird als Folterinstrument beibehalten, aber es wird nicht gezeigt, wohin genau Le Chiffre schlägt; Bond wird ganz allgemein mit dem Teppichklopfer geschlagen.


    Schließlich und endlich erlauben sich die Comicschreiber ein paar Ergänzungen. Im Roman wird aus Vespers Abschiedsbrief klar, daß sie eine Doppelagentin für die Russen war, die an hoher Stelle platziert war. Implizit wird deutlich, daß im Secret Service deshalb eine Menge verändert werden muss, um den Schaden möglichst gering zu halten; im Comic wird auf diese Änderungen stärker eingegangen, und sie werden beschrieben. Desweiteren bauen die Comicschreiber einen fließenderen Übergang zu „Live and let die“ ein, indem sie das Instruktionsgespräch zwischen M und Bond aus jenem Roman bereits in den „Casino Royale“-Comic einbauen. Tatsächlich endet der CR-Comic mit einem Panel, das M und Bond mit dem fettgedruckten Titel „Live and let die“ zeigt.


    Der Comic zum Roman „Casino Royale“ erweist sich als sehr romangetreu und ist eine gelungene visuelle Umsetzung des Romans; wahrscheinlich liegt das u. a. daran, daß er der längste aller Comics ist, die mir vorliegen, und daß nach den knapp fünf Jahren, die zwischen Roman und Comic verstrichen waren, der Romanplot durchaus Spannung versprach und als für die Masse interessant genug galt.

    The needs of the many outweigh the needs of the few or the one.
    I have been and always shall be your friend.
    I´ve been dead before.
    Live long and prosper.


    He is not really dead as long as we remember him.

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