Roman und Comic: Diamonds Are Forever

  • Inzwischen habe ich den vierten James-Bond-Roman, „Diamonds Are Forever“, durchgelesen und auch die Comicversion aus dem „Daily Express“ gelesen. Nun möchte ich Euch meine Eindrücke schildern.


    Vor dem Lesen des Comics war es schwierig, von der Seitenzahl des Buches darauf zu schließen, wie romangetreu der Comic sein würde. Mein Buch hat insgesamt 277 Seiten; die ersten drei Romane waren alle in einem Buch zusammengefasst und hatten einen kleineren Druck als mein DAF-Roman. Die Tatsache, daß der Comic jedoch 36 Seiten lang ist, ließ darauf schließen, daß viel vom Roman im Comic auftaucht, und das ist tatsächlich so. Es fehlt nicht überragend viel, und bei nur wenigen Elementen hätte man sich gewünscht, daß sie im Comic vertreten wären. Dafür nahmen sich die Comicschreiber die Freiheit, Dinge umzustrukturieren und sogar zusätzlich einzubringen.


    DAF ist der erste Roman, der verstärkt einige sogenannte Continuity-Elemente einbringt:
    - „Lil“ ist der Spitzname für Bonds Sekretärin Loelia Ponsonby, die in MR erwähnt wurde. Hat man MR allerdings nicht gelesen, weiß man nicht, was es mit dem Namen „Lil“ auf sich hat.
    - Ronnie Vallance, Mitarbeiter von Scotland Yard, taucht ebenfalls auf und erschien auch zum ersten Mal in MR.
    - Felix Leiters schwere Verletzung in LALD wird erwähnt. Die Spuren der Verletzung sind nicht zu übersehen: Leiter humpelt, und seine rechte Hand wurde durch einen Stahlhaken ersetzt. Tiffany Case nennt ihn im Verlauf des Romans entsprechend mal „Captain Hook“.
    - Eine weitere Referenz an LALD sind Gedanken an Mr. Big, die Bond in einem Schlammbadhaus kommen.


    Interessant ist der Sprachgebrauch im Roman. Die Amerikaner sind im Roman sofort zu erkennen, denn sie sprechen alle viel mehr Umgangssprache, die auch so abgedruckt wird. Dadurch entsteht der Eindruck, daß das amerikanische Englisch schlechter ist als das, was Bond und andere Engländer benutzen. Natürlich ist auch Leiters Englisch amerikanisch, aber es kommt nicht so arg umgangssprachlich herüber wie das der Bösewichte.


    Im Verlauf des Romans fliehen Tiffany Case und Bond auf einem Schienenfahrzeug vor Serrafimo Spang, der sie in seinem dicken Zug „Cannonball“ verfolgt. Gerade als Tiffany sagt, daß genug Sprit an Bord sein, gibt der Motor natürlich seinen Geist auf, und Bond kommentiert dies: „’----´ said Bond, once.“ Man kann das Wort mit dem „F“ vorneweg vor dem geistigen Auge sehen, aber natürlich (der Roman ist aus den späten 50ern) wurde es nicht gedruckt. Auf der anderen Seite dürfen Äußerungen, die schon eher rassistisch sind, nicht fehlen. Der Jockey Tingaling Bell will eine Schlammbehandlung im Schlammbadhaus und nennt den anwesenden Bademeister einen „Black bastard“! Der Bademeister nimmt dies aber anscheinend humorvoll hin, zumindest gibt es keine Anmerkung, daß ihn die Bemerkung verletzt. Es lässt sich nicht ersehen, ob Bells Äußerung wirklich rassistisch oder humorvoll gemeint ist.


    Auch Bond zeigt im Roman arrogante, vielleicht sogar rassistische Äußerungen; früh im Roman äußert er sich über amerikanische Gangster: „There´s nothing so extraordinary about American gangsters,“ protested Bond. “They´re not Americans. Mostly a lot of Italian bums with monogrammed shirts who spend the day eating spaghetti and meat-balls and squirting scent over themselves.” Diese Einstellung behält er auch später noch bei: “Typical, thought Bond. Mike Hammer routine. These American gangsters were too obvious. They had read too many horror comics and seen too many films.” Man muss sagen, daß sich Bonds Einstellung im Laufe des Romans ändert, als er hautnah miterlebt, daß mit dem Mob nicht zu spaßen ist.


    All diese sprachlichen Dinge sind im Comic gar nicht bis kaum vorhanden, und auch der Wandel in Bonds Einstellung dem Mob gegenüber wird nur kurz angesprochen. Was ebenfalls wegfällt, ist die Nachdenklichkeit, die Bond in diesem Roman an den Tag legt, zum einen wegen seines Verhältnisses zu Tiffany und zum anderen wegen seines Tötens der Gegner.


    Im Verlauf des Romans entwickelt Bond recht bald eine gewisse Sympathie für Tiffany, die bald in der Frage endet, ob er sie vielleicht heiraten wolle. Es passt dazu, daß er spürbar nervös wird, als M ihn befragt, was er mit Tiffany in London mache. Im Comic gibt es lediglich eine kurze Sequenz, in der Tiffany und Bond über das Heiraten sprechen. Am Ende des Romans wird Bond ziemlich nachdenklich darüber, daß er fünf Leute töten musste; es gefällt ihm überhaupt nicht, doch er sieht ein, daß es nötig war. Am Ende muss er auch noch ABC, den Drahtzieher des Schmugglerrings, töten, was ihm ebenfalls eher gegen den Strich geht. Auch diese Nachdenklichkeit bzw. dieses Missfallen sind im Comic nicht enthalten.


    Ein anderes sehr interessantes Gefühlsbild Bonds geht im Comic auch unter. Bond sucht ein Schlammbadhaus auf, aber der Ort ekelt ihn an, und es finden sich viele negative Beschreibungen. Man hat schon fast das Gefühl, er kommt sich wie in einem KZ vor, als er von einem „tall Belsen chimney with its plume of innocent smoke“ spricht. Wenn ein „Belsen chimney“ keine besondere Art von Schornstein ist, dann kommt eigentlich nur ein KZ-Verweis in Frage.


    Es ist schade, daß das Charakterbild, das von Tiffany im Roman entworfen wird, im Comic leider nicht anzutreffen ist. Sie tritt Männern gegenüber ziemlich ablehnend bzw. abwehrend auf. Leiter erklärt dies im Roman damit, daß sie als Jugendliche von mehreren Männern vergewaltigt wurde und danach ein unstetes Leben geführt hat. Ihr Verhalten gegenüber Bond, das lange von Stimmungs- und Verhaltensschwankungen gekennzeichnet wird, wird dadurch natürlich erklärt, aber dieser Hintergrund wird im Comic leider nicht eingebracht.


    Dazu kommt, daß der Roman mit dieser Nachdenklichkeit Bonds endet. Hier machen sich die Comicschreiber eine Umstrukturierung und eine eigenhändige Ergänzung zunutze; sie verlegen den Inhalt eines Telefonats zwischen Bond und M, in dem es u. a. um Tiffany geht, an das Ende des Comics und stellen noch eine Szene dazu, in der Tiffany Bond freudig in dessen Wohnung begrüßt. Ich glaube, hier ging es darum, den Comic mit einem Happy End zu beschließen und den Leser nicht eventuell verwirrt zurückzulassen.


    Interessant ist die Darstellung verschiedener Personen im Comic, wenn man sie mit der Beschreibung im Buch vergleicht. Man kann davon ausgehen, daß Tiffany so gezeichnet ist wie Fleming sie beschreibt, wobei „blonde“ das einzige sichtbare und beurteilbare Merkmal ist. Bei Shady Tree sieht es etwas anders aus. Er hat im Roman rote Haare, was im Comic bestätigt wird, aber auch einen Buckel, wovon im Comic nichts zu sehen ist.


    Es überrascht etwas, daß die Macher des Comics eine Gewaltszene einfügen, die im Roman zwar erwähnt, aber nicht beschrieben wird. Wint und Kidd treten Bond mit Fußballschuhen und verpassen ihm ein sogenanntes „Brooklyn Stomping, eighty-per-center“. Fleming schreibt lediglich, daß sich Wint und Kidd Fußballschuhe anziehen, und auf der nächsten Seite ist schon alles geschehen. Im Comic sehen wir zwei Bilder, in denen Wint und Kidd in Aktion zu sehen sind. Gut, streng genommen sehen die Bilder aus wie zwei Leute, die um einen Mann auf dem Boden herumtanzen, aber die Ergänzung dieser Bilder überrascht doch etwas – erst recht, wenn man sieht, daß im Roman Wint und Kidd den Bademeister im Schlammbadhaus zusammenschlagen, daß das im Comic aber gar nicht gezeigt wird.


    Wint und Kidd werden im Comic auch an anderer Stelle ergänzt, nämlich in besagtem Schlammbadhaus. Im Roman bemerkt man sie erst, als eine Stimme im Schlammbadraum alle Anwesenden dazu auffordert, sich still zu verhalten. Im Comic werden sie schon angekündigt, indem man zeigt, wie Wint und Kidd ins Badhaus marschieren.


    Eine weitere Freiheit, die sich die Comicmacher nehmen, ist die Darstellung von ABC am Ende des Romans. Er übernimmt am Ende der Geschichte die Abholung der letzten geschmuggelten Diamanten und landet dazu am Übergabeplatz in Afrika. Im Roman erkennt man ihn nicht, weil er einen Helm und eine dicke Pilotenbrille trägt; wir wissen aus dem Handlungsverlauf, daß es ABC ist. Die Comiczeichner verzichten auf Helm und Brille und zeigen das wahre Gesicht, das Rufus B. Saye oder besser gesagt Jack Spang gehört (und auch der Beschreibung Flemings entspricht). Vielleicht wollten die Comicmacher sichergehen, daß jeder weiß, wer ABC ist. Der Comic lief schließlich über längere Zeit, und da konnte man als Leser natürlich das ein oder andere vergessen.


    Die Aufzählung dieser vielen Unterschiede und Diskrepanzen erweckt vielleicht den Eindruck, daß der Comic zu DAF schlecht ist, doch das ist gar nicht der Fall. Es handelt sich hier um eine sehr romangetreue Umsetzung, die leider auf ein paar interessante Charakterelemente verzichtet, zum Zwecke eines Happy Ends Umstrukturierungen vornimmt und manche Dinge gerafft darstellt, aber ansonsten dem Roman halt treu folgt. Gut gemacht!

    The needs of the many outweigh the needs of the few or the one.
    I have been and always shall be your friend.
    I´ve been dead before.
    Live long and prosper.


    He is not really dead as long as we remember him.

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