Roman und Comic: Goldfinger

  • Eine ganze Weile hat es gedauert, bis ich mir den "Goldfinger"-Roman und seine Comicversion vornehmen konnte. Hier sind nun aber meine Beobachtungen, die ich hier gerne darlege. Beim Lesen des Romans und des Comics sind mir einige Dinge aufgefallen:
    - Die Chronologie im Roman ist etwas durcheinander. Es wird deutlich, daß "Casino Royale" im Jahre 1951 passierte und daß Bond seit sechs Jahren ein 00-Agent ist. Somit ereignet sich die Goldfingergeschichte im Jahre 1957. Später lesen wir aber, daß Colonel Smithers von der Bank of England 1954 auf Goldfinger aufmerksam wurde und nun seit fünf Jahren hinter ihm her ist. Das plaziert den Roman im Jahre 1959. Das wird dadurch unterstützt, daß Bond am Ende des Romans verzweifelt über ein Flugzeugunglück über Persien nachdenkt, das "back in `57" passierte.
    - Die 00-Abteilung besteht aus drei Leuten: aus Bond, aus 008 und einem dritten Agenten, dessen Codenummer aber nicht genannt wird.
    - Verwirrung kommt auf, als Bond 008 ins Spiel bringt und anführt, daß 008, wenn er Bond ersetzen würde, dann von M die Lizenz zum Töten bekommt. Eigentlich geht man doch davon aus, daß ein 00-Agent diese Lizenz ständig hat und nicht erst aktiviert bekommt, wenn es nötig ist.
    - Der Roman wartet wieder mit einigen Continuity-Elementen auf. Da ist zunächst einmal Junius Dupont, der im CR-Roman auftauchte. Er saß mit seiner Frau neben Bond, als der sein Baccaratduell mit Le Chiffre ausfocht; von ihm kommt auch die Aussage, daß CR im Jahre 1951 spielte. Bei seinem Besuch in der Bank of England erinnert sich Bond an den Diamantenschmuggel in "Diamonds are Forever". Auf seinem Weg zum Golfplatz wird die "bloody Moonraker affair" erwähnt, die in der gleichen Gegend stattfand. Ein weiteres großes Continuity-Element ist Felix Leiter, der Bonds Nachricht zu "Operation Grand Slam" erhält und dann alle Hebel in Bewegung setzt, Goldfinger und seine Truppe festzusetzen.
    - Es gibt auch ein paar Continuity-Elemente, die nicht so offensichtlich sind und voraussetzen, daß man die vorigen Romane kennt. So kommt der Club "Blades" vor, den man aber nur wiedererkennt, wenn man "MR" gelesen hat. Ebenso erwähnt Bond Vesper, zu der aber nichts gesagt wird. Wer "CR" nicht kennt, fragt sich eventuell, wer das ist.
    - Beim Lesen des Romans fühlte ich mich immer mal an "MR" erinnert. Ebenso wie dort passiert in "Goldfinger" eigentlich lange nichts (von einem Action-Standpunkt aus betrachtet). Dazu tut sich "GF" durch detaillierte Beschreibungen hervor, vor allem beim Golfduell zwischen Bond und Goldfinger. Genau wie Drax ist Goldfinger Mitglied im Club "Blades" (scheint ein Sammelbecken für Kriminelle zu sein ...), und schließlich wird Lord Lonsdale wieder erwähnt.
    - Bond hat sein Auto gewechselt und fährt nun einen Aston Martin DB III, der auch ein paar Extras hat: auswechselbare Scheinwerfer, Stahlstoßstangen, einen Colt .45, eine Homer-Peilanlage und eine Menge clever versteckte Hohlräume.
    - Bereits in den späten 50er Jahren gab es das Klischee des schlechten Autofahrers - den Mann mit Hut! " ... that infallible badge of a bad driver, a hat clamped firmly on the exact centre of his head, ..." "The usual tense figure, hands held too high up on the wheel, and the inevitable hat, this time a particularly hideous black bowler, square on a large bullet head."
    - Jill und ihre Schwester Tilly tragen den Nachnamen Masterton. Im Film wurde daraus bekanntlich Masterson. Wie es zu dieser Änderung kam, kann ich mir nicht erklären.
    - Bond wird von Dupont in der "Aloha suite" untergebracht, die pro Nacht $200 kostet; Bond erwähnt, daß er in drei Wochen sein Jahresgehalt aufbrauchen würde, wenn er das Zimmer selber bezahlen würde. Das bedeutet, daß Bond pro Jahr $4.200,- verdient. Heutzutage lässt sich nicht mehr nachvollziehen, wie gut dieser Verdienst war.
    - Seltsam ist vor dem Hintergrund allerdings, daß er $4.200,- verdient, die $10.000,-, die er durch das Auffliegenlassen Goldfingers kassiert, einfach an Jill Masterton weiterreicht. Wofür ihm M auch später den Kopf wäscht.


    Die erwähnte mangelnde Action lässt einen vermuten, daß die Comicmacher entsprechende Kürzungen vorgenommen haben, um möglichst flott zum interessantesten Teil, der Operation Grand Slam, zu kommen, aber weit gefehlt. Die Comicmacher folgen dem Roman ungewohnt treu und lassen, was die Story angeht, kaum etwas aus. Natürlich gibt es erwartbare Kürzungen. So wird das Gespräch zwischen Colonel Smithers und Bond ebenso abgekürzt wie das Golfduell zwischen Bond und Goldfinger. Durch die Kürzung des letzteren gehen aber auch ein paar der Schummeleien Goldfingers unter, ebenso wie die Tatsache, daß Bonds Caddy Hawker den Ball findet, den Goldfinger in einem Bunker sucht, und seine Tasche draufstellt.


    Was Jill Masterton angeht, erfahren wir im Roman ihren Vornamen recht früh, wogegen er im Comic erst später erwähnt wird, nämlich als Tilly Bond von Jills Ermordung erzählt. Bei dieser Gelegenheit verschenken die Comicmacher etwas, was Tilly erzählt und sicher tolle Bilder abgegeben hätte: die Art, wie Jill zu Tode gekommen ist. Während die Filmemacher sofort erkannt haben, was für ein Bild ein komplett goldenes Mädchen hergibt, ist diese Idee den Comicmachern nicht gekommen. Schade, das hätte sicher ein bemerkenswertes Panel ergeben.


    Inzwischen fällt es auf, daß die Bösewichter in den Comics nicht so hässlich sind wie Fleming sie in den Romanen darstellt. Goldfinger wird beschrieben als: "short, not more than five feet tall"; "thick body"; "blunt, peasant legs, almost directly on the shoulders a huge and exactly round head"; "crew-cut, carroty hair", "moon-shaped face". Das einzige, was im Comic dieser Beschreibung entspricht, ist die Tatsache, daß Goldfinger recht dick ist. Auch die Gengsterbosse scheinen im Roman weit hässlicher als im Comic; Billy Ring hat ein "pale , pear-shaped face" und "downy skin", und er hat einen konstanten "tic in his right eye-lid"; schließlich ist seine Unterlippe zerschnitten, was ihm immer das Grinsen eines Halloweenkürbis verleiht. Mister Solos Gesicht ist "dark, heavy"; er ist ein "big, chunky man" und trägt "thick, horn-rimmed spectacles". Im Comic ist von diesen Beschreibungen nichts zu sehen. Ob sich die Comicmacher dieser Beschreibungen schämten und die Figuren deshalb nicht so zeichneten?


    Was sich die Comiczeichner jedoch bei Goldfinger leisteten, ist ein Patzer gleich im allerersten Bild. Goldfinger hat eine dicke Zigarre im Mund, was überhaupt nicht zu seiner Aussage passt, daß er das Rauchen ablehnt, weil er nicht versteht, wie jemand freiwillig schädlichen Rauch einatmen kann. Verstärkt wird dieser Patzer noch dadurch, daß der Comic-Goldfinger diese Aussage ebenso macht. Zwischen diesen Teilen liegen jedoch viele Panels und entsprechend viele Veröffentlichungstage, sodaß man wohl damit rechnen konnte, daß sich kein Leser an die Zigarre erinnert.


    Wie schon in "Diamonds are Forever" glänzen die amerikanischen Gangster durch schlechtes Englisch. Fleming scheint für Amerikaner wenig übrig gehabt zu haben, was durch eine Aussage Bonds untermauert wird: "You know what these Americans are - always chewing something."


    Es kommt im Comic wie schon gewohnt zu Abweichungen vom Roman. Einige davon lassen sich aus dem Stand nicht erklären. So lacht Bond im Gespräch mit M laut auf, als dieser Goldfinger erwähnt, im Comic unterdrückt Bond jedoch das Lachen. Tilly Masterton hat im Roman schwarze Haare, nicht jedoch im Comic. Bei der Konferenz mit den Gangsterbossen markiert Bond Helmut Springer mit einem Minuszeichen als unzuverlässig; im Roman tut er dies mit einem Fragezeichen. Oddjob hat im Roman gleich lange Finger ohne Fingernägel; im Comic hat er Fingernägel und Finger normaler, unterschiedlicher Länge. Bei Oddjob fällt stärker auf, dass er von Goldfinger aufgefordert wird, eine Katze verschwinden zu lassen – im Comic mit den Worten „Remove it for good.“, im Roman dagegen mit „You may have it for dinner“. Oddjob isst also auch Tiere, und das anscheinend gerne: „The Korean´s eyes gleamed.“


    Im Roman zeigt Bond stellenweise einige Selbstzweifel und Abscheu, was seinen Beruf angeht, so etwa zu Beginn, als er an die Erschießung eines mexikanischen Verbrechers denkt, oder später, als er liest, wie SMERSH-Agenten mit ihren Opfern umgehen. Diese Dinge sind im Comic ausgespart, ebenso wie eine gewisse Unkonzentriertheit, die Bond im Roman an den Tag legt. Goldfingers Anlage in der Schweiz ist mit einem Radarscanner ausgestattet, den Bond zwar sieht, aber bei dem er sich anscheinend nichts denkt! Daß Goldfinger so ein Teil nicht als Dachschmuck hinsetzt, sollte eigentlich klar sein, spätestens zu dem Zeitpunkt im Roman (Bond wird entdeckt und mit Tilly zu Goldfinger gebracht und „befragt“).


    Eine sehr schöne Bilderreihe ist im Comic in der Sequenz enthalten, in der Goldfinger Bond und Tilly in die USA bringt. Bond sieht im Gesicht reichlich mitgenommen aus, seine Haare sind durcheinander, und er ist unrasiert. Darauf wird im Roman überhaupt nicht eingegangen; hier haben die Comicmacher einen realistischen Touch eingebracht.


    Der Sprachgebrauch ist in Roman und Comic wieder dort "zivilisiert" worden, wo Flüche und Beleidigungen aufkommen. So bezeichnet Bond Goldfinger im Comic als "You lousy ---", als jener offenbart, was hinter GB wirklich steckt. Im Roman wird das Kürzel "s.o.b." benutzt anstelle des kompletten Ausdrucks "son of a bitch". Als Bond auf Goldfingers Folterbank liegt, sagt er zu Goldfinger im Verlauf des Gesprächs "Then you can go and ---- yourself." Natürlich wusste jeder, welches Wort dort stehen sollte. Im Comic tauchen diese beiden Formulierungen nicht auf, was vermutlich daran liegt, daß Zeitungen wie der "Daily Express", in dem der Comic erschien, auch jugendlichen Lesern zugänglich war und die Sprache deshalb sauber bleiben musste.


    Rassistische Kommentare, die der Roman aufweist und die sich auf Oddjob und die anderen Koreaner beziehen, wurden im Comic weggelassen: „Those terms included putting Oddjob and any other Koreans firmly in his place, which, in Bond´s estimation, was rather lower than apes in the mammalian hierarchy“. Ich kann jetzt nicht beurteilen, ob Bond generell über Koreaner so dachte oder in diesem Fall eine Art Motivation suchte, Oddjob und Goldfinger auf alle Fälle aufzuhalten. Die Bemerkung war jedenfalls so stark, dass sich die Comicschreiber entschlossen, sie nicht einzubauen.


    Die größte Lücke, die sich die Comicschreiber im Vergleich mit dem Roman leisten, ist das Thema Homosexualität. Pussy Galore und ihre Truppe sind lesbisch, ebenso Tilly Masterton. Davon ist im Comic keine Rede, und Bonds Ansichten dazu werden auch verschwiegen: Pussy ist eine „beautiful lesbian“; Tilly sieht Pussy mit „worshipping eyes and yearning lips“ an. Bond sieht Tilly als ein Beispiel für jemanden, „whose hormones got mixed up. [Bond] knew the type well. … they and their male counterparts were direct consequences of giving votes to women and ‚sex equality’. As a result of fifty years of emancipation, feminine qualities were dying out or transferred to the males. Pansies of both sexes were everywhere, not yet completely homosexual, but confused, not knowing what they were.” Wenn man da so liest, fragt man sich, ob Homosexualität damals für eine Krankheit gehalten wurde, die man heilen konnte, oder für einen korrigierbaren Geisteszustand. Zu gerne würde ich wissen, ob Fleming da seine eigene Meinung eingebettet oder generelle gesellschaftliche Standpunkte wiedergegeben hat. In DAF hat man so eine Betrachtungsweise jedenfalls nicht gesehen.


    Man kann verstehen, dass sich die Comicschreiber dazu entschlossen haben, diesen Block auszusparen; schließlich mussten sie sich immer darüber im Klaren sein, dass ihr Comic auch von Kindern und Jugendlichen gelesen wurde, die mit diesem Thema nicht „behelligt“ werden sollten. Doch auch erwachsene Leser sollten sicher nicht zu Proteststürmen provoziert werden, die eventuell der Auflage geschadet hätten.


    Wenn man von der Aussparung des Themas Homosexualität absieht, ist den Comicschreibern mit ihrer Version von „Goldfinger“ eine getreue Wiedergabe des Romans gelungen, die die zu erwartenden Kürzungen beinhaltet. Die Auslassung des Homosexualitätsaspekts ist m. E. der Massenkompatibilität des Comics in Tageszeitungen zuzuschreiben.

    The needs of the many outweigh the needs of the few or the one.
    I have been and always shall be your friend.
    I´ve been dead before.
    Live long and prosper.


    He is not really dead as long as we remember him.

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