Kurzgeschichte und Comic: Risico

  • Mittlerweile habe ich die Kurzgeschichte "Risico" lesen können und mir auch den entsprechenden Comic zu Gemüte geführt. Nun möchte ich Euch vorstellen, was der Vergleich der beiden Versionen zeigt.


    "Risico" ist die erste James-Bond-Kurzgeschichte, die die Umsetzung in einen Comic erfahren hat. Elemente dieser Kurzgeschichte wurden im Film FYEO verarbeitet.


    Bei einer Kurzgeschichte kann man im Gegensatz zu den Romanen eigentlich davon ausgehen, daß nichts weggelassen wurde, zumindest keine elementaren Dinge, doch auch an "Risico" wurde beim Erstellen des Comics hier und da etwas gekürzt. Erstaunlicherweise nehmen sich die Comicmacher andererseits sogar die Freiheit, etwas dazuzudichten.


    "Risico" enthält wieder Continuity-Elemente, allen voran eines aus "Goldfinger". Es wird nochmal darauf verwiesen, daß Bond in dem Roman von einem Auftrag zurückkehrt, in dem er einen mexikanischen Drogenzüchter zur Strecke bringt. Um dieses Element zu erkennen, muss man allerdings den Roman gelesen haben. Das gleiche gilt für die Figur des Ronnie Vallance; da er nicht eindeutig zugeordnet wird, muss man die entsprechenden Quellen kennen, in denen er vorkommt. Im Comic fehlen diese Continuity-Elemente.


    Gleich der Beginn von Kurzgeschichte und Comic unterscheiden sich. Die Kurzgeschichte beginnt quasi á la J.J. Abrams: Bond befindet sich in einem Restaurant, und der Leser weiß nicht, was er dort will oder soll. Er trifft dort Kristatos und bietet ihm eine Bezahlung für eine Leistung an. Danach schwenkt die Kurzgeschichte in Ms Büro zurück, wo der Leser den Hintergrund zu Bonds Aufenthalt im Restaurant erfährt. Im Comic wird dieser Sprung ignoriert; gleich zu Beginn sehen wir Bond in Ms Büro, wo er seinen Auftrag erhält und auch den Hintergrund der ganzen Geschichte um Kristatos erfährt. Dieser Hintergrund wird von den Comicmachern auch gleich ausgespart, da er wohl das Tempo des Comics zu sehr verringern würde.


    Die Macher des Comics rauben dem Leser an ein paar Stellen leider Überraschungs- und Spannungsmomente. Im Restaurant lässt Colombo (Bond und Kristatos sitzen quasi in der Höhle des Löwen) einen Stuhl an Bonds Tisch transportieren, der ein Tonbandgerät enthält. Leider wird das Gerät auch gleich erwähnt. Vielleicht hätte man das Manöver ohne Worte mit ein paar Bildern hinkriegen können, doch ich glaube, zumindest hätte man den Satz "It contains a tape recorder." weglassen können, um dann ein Überraschungsmoment einbauen zu können. Auch im folgenden Panel hätte man "the special chair" anstelle von "the chair with its tape recorder" schreiben können.


    Colombo hört das Tonband ab, um herauszukriegen, was Bond und Kristatos besprochen haben. Was er hört, kommentiert er in der Geschichte mit "Son-a-beech". Dieser Ausspruch bleibt im Comic natürlich außen vor.


    Als Reaktion überlegt sich Colombo eine Falle für Bond; er benutzt seine Geliebte Lisl Baum als Köder. In der Geschichte ist es nicht so offensichtlich, daß das eine Falle ist, im Comic wird das deutlich gesagt und auch mehrere Male betont.


    Die Ausweitungen der Comicmacher kommen bei Bonds Reise nach und Aufenthalt in Venedig ins Spiel. Darauf werden vier Panels verwandt, was meines Erachtens überraschend viel ist. Es werden sogar Schießübungen Bonds eingebaut. Vor seiner Reise nach Italien gibt es ein Bild, in dem Bond einer Sekretärin (Moneypenny? Loelia Ponsonby?) eine Postkarte ankündigt. Komischerweise vertauschen die Comicmacher auch etwas in der Beziehung von Lisl Baum und Bond. Als Bond sich als Schriftsteller ausgibt und sagt, eine gute Geschichte sei ihm Diamanten wert, verlangt sie einen "van Cleef diamond clip", den Bond zusagt. Im Comic bietet Bond ihr diesen Clip von sich aus an.


    Nachdem Colombo Bond geschnappt hat, konfrontiert er Bond mit den Tonbandaufnahmen. Anscheinend hat man einen Remix gemacht, den die Stellen, die Colombo vorspielt, sind vorher so nicht gesagt worden. So sagt Bond im Restaurant unter anderem: "But if this man tried to destroy me, I will destroy him." Auf dem Tonband hört man aber "If the man tries to destroy me, I will destroy him.". Etwas später sagt Kristatos im Restaurant: "Some call him 'the dove'. He is Enrico Colombo ...". Auf dem Tonband hört man jedoch "... call him 'the dove'. Enrico Colombo ...". Die Wahrscheinlichkeit, daß diese Unterschiede auffielen, war relativ gering, da in der Regel pro Tag ein Panel veröffentlicht wurde und die betroffenen Panels nicht aufeineinaderfolgten.


    Ein zweites Mal rauben die Comicmacher den Lesern Überraschung und Spannung, als Colombo mit seinem Schiff und Bond sein Ziel ansteuert. In der Geschichte ist es ein "rendezvous with some piece of information at Ancona". Es handelt sich dabei um ein Schiff, das Rohopium ablädt und das gekapert werden soll. Im Comic wird Bond dagegen gleich damit konfrontiert, wieder auf Kristatos zu treffen; daß Kristatos auch in Ancona ist, findet Bond in der Geschichte erst am Ende des Gefechts heraus, als er eine Falle wittert. Er findet heraus, daß das Lagerhaus, in dem das Opium gelagert wird, mit einem Sprengsatz versehen ist, und erst dabei macht er Kristatos ausfindig. Dieser Unterschied wird im Comic letztlich jedoch nicht so ersichtlich; die Denkblase "KRISTATOS!" liest sich hier eher wie "Endlich habe ich ihn gefunden!" als wie "Oh! Es ist Kristatos!".


    Nachdem Kristatos erledigt ist, kommt es in der Kurzgeschichte zu einer emotionalen Szene, in der Colombo Bond umarmt und küsst, sehr zu Bonds Schrecken. Colombo kommentiert auch gleich die englische Angst vor Emotionen. Dieser emotionale Moment ist im Comic abgeschwächt worden, denn dort legt Colombo lediglich seine Hand auf Bonds Schulter. Dennoch erscheint die Sprechblase "For God´s sake, Colombo!", auf die gleich Colombos Kommentar folgt. Vor dem Hintergrund der abgeschwächten Darstellung ergibt Bonds Sprechblase weniger Sinn. Wollte man durch die abgeschwächte Darstellung den Eindruck der Homosexualität verhindern? Das würde zumindest dazu passen, wie man im Comic zu GF dieses Thema komplett ignoriert hat.


    Alles in allem orientiert sich der Comic durchaus eng an der Kurzgeschichte und hat dabei auch die fast schon üblichen Änderungen (Sprache, Sequenzen mit zu wenig Action), aber er nimmt sich auch überraschende Eigenheiten. Schade ist der Spannungs- und Überraschungsraub im Restaurant und am Hafen von Ancona. Eine zufriedenstellende Adaption mit Tendenz nach oben.

    The needs of the many outweigh the needs of the few or the one.
    I have been and always shall be your friend.
    I´ve been dead before.
    Live long and prosper.


    He is not really dead as long as we remember him.

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