Roman und Comic: "Thunderball"

  • Es hat etwa drei Jahre gedauert, bis ich den Roman und den Comic durch hatte und meine Vergleiche anstellen konnte; das kommt dabei heraus, wenn man einen neue Stelle antritt und dann zwei Jahre in einem leseintensiven Lehrgang verbringt.


    „Thunderball“ führt den Bond-Bösewicht überhaupt ein: Ernst Stavro Blofeld. Nun ja, was die Romane angeht, ist er eher einer von mehreren, denn in „You Only Live Twice“ stirbt er bereits; seine Haltbarkeit geht bei Fleming also gerade mal über drei Romane.


    Hat man den Roman gelesen und geht dann an den Comic, freut man sich zunächst, wie werkgetreu der Comic voranschreitet. Doch irgendwann erreicht man das Panel, in dem Petacchi den Bomber landet, und stellt fest: Der Rest fehlt fast komplett!


    Der Roman enthält einige Continuity-Elemente. Der Blades-Club wird wieder erwähnt; Felix Leiter erscheint wieder, ebenso wie M, Moneypenny, Bonds persönliche Sekretärin Loelia Ponsonby und seine Haushälterin May. Leiters Arbeit bei Pinkerton wird ebenfalls erwähnt. Im späteren Verlauf des Romans erwähnt Bond den Moonraker-Fall.


    Neu ist die Nennung eines anderen Doppel-Null-Agenten; zu Beginn des Romans wird 009 genannt.


    Das Amüsement, das im Moment zum Bond-25-Arbeitstitel „Shatterhand“ herrscht, hat es vielleicht 1961 auch gegeben, denn eine der handelnden Figuren ist der Physiker Kotze. Seinen Namen spricht man aber „Kutz“ aus.


    M legt (ebenfalls zu Beginn des Romans) gut los, denn er hält Bond seinen ungesunden Lebensstil vor und doziert über einen gesünderen Lebensstil. Sein Vortrag könnte gut aus diesem Jahrzehnt stammen, aus einem Roman von 1961 hätte ich das nicht erwartet.


    Wann genau sich die Geschichte ereignet, wird nicht sofort klar. Man lernt zunächst, daß sie nach dem Ungarn-Aufstand von 1956 stattfindet; später kommt heraus, daß sie nach der Auflösung von SMERSH 1958 angesiedelt ist. Später wird dann klar, daß sie im frühen Juni 1959 spielt.


    Beim Lesen des Romans bekam ich den Eindruck, daß EON sich hier für den Film SPECTRE bedient hat. In einer Sequenz heißt es: „Blofeld had come to an interesting conclusion about the future of the world. He had decided that fast and accurate communication lay, in a contracting world, at the very heart of power. Knowledge of the truth before the next man, in peace or war, lay, he thought, behind every correct decision in history and was the source of all great reputations.”


    Das Nummernsystem, mit dem Spectre arbeitet, ist auch im Roman gegeben, allerdings kommt hier noch ein Element hinzu: Um Mitternacht an jedem ersten Tag eines Monats rotieren die Nummern. So ist Blofeld im Roman Nummer 2.


    Ian Fleming kehrt einige Male politische Inkorrektheit und Sexismus hervor. Besonders „angetan“ haben es ihm anscheinend Frauen am Steuer. An einer Stelle heißt es: „ … tenants in the Avenue d´Jéna have names ending in ‚escu‘, ‚ovitch‘, ‚ski‘ and ‚stein‘, and these are sometimes not the endings of respectable names.“


    Fleming äußert sich auch dazu, wie man Frauen herumkriegen kann oder konnte: “He would only drive the car really fast when he wanted to get a girl. They melted in a fast car. Why was that? The sense of surrender to the machine, to the man whose strong, sunburned hands were on the wheel? But it was always so. You turned the car into the wood after ten minutes at 150 and you would almost have to lift the girl out and lay her down on the moss, her limbs would be so trembling and soft, ...” Weiter heißt es: “His fingers played with the controls delicately as if they were the erotic trigger points of a woman.”


    Später kommt Fleming so richtig in Fahrt, wenn es um Frauen am Steuer geht: “Women are often meticulous and safe drivers, but they are seldom first-class. In general, Bond regarded them as a mild hazard and he always gave them plenty of road and was ready for the unpredictable. Four women in a car he regarded as the highest potential danger, and two women nearly as lethal. Women together cannot keep silent in a car. [...] Two women in the front seat of a car constantly distract each other´s attention from the road ahead and four are more than doubly dangerous ...”.


    Domino ist dagegen von einem anderen Schlag: “But this girl drove like a man.” Das führt zu dem Schluss, daß „ … in bed she would fight and bite and then suddenly melt into hot surrender.”


    Dennoch findet Fleming auch in Dominos Auto etwas, was Frauen am Steuer generell gefährlich macht: „ … her driving mirror, an accessory rarely used by women except for making up their faces.“


    Der Daily Express, der die Comics veröffentlichte, nutzte diesen Comic für dezente Eigenwerbung: In einem Panel sieht man ein halbes Plakat, das die Namen „Daily Express“ und „James Bond“ erkennen lässt; auch Bonds Gesicht ist zur Hälfte zu sehen.


    Wie gesagt überrascht der Comic einen damit, daß fast alles zwischen Petacchis Landung und dem Finden des Bombers durch Bond fehlt. Auch die Ermordung Lippes fehlt. Domino kommt gar nicht vor; somit fällt auch die Verbindung zwischen ihr und Giuseppe Petacchi völlig unter den Tisch. Felix Leiter ist im letzten Panel nicht als solcher erkennbar; sein Handhaken ist nicht sichtbar. Die Benutzung des US-Atom-U-Boots „Manta“ und der Endkampf unter Wasser sind sehr verkürzt, und der Kampf ist auch verringert, was die Zahl der Beteiligten angeht. Largo verkommt völlig zur Randfigur; ob er am Ende stirbt, gibt der Comic nicht her.


    Ich habe keine Ahnung, warum der Comic mittendrin plötzlich so verstümmelt wurde. Hier wurde viel verschenkt. Die Konfrontation zwischen Bond und Largo im Casino wäre sehr interessant gewesen; auch Bonds Erkundungstauchgang zur Disco Volante hätte gutes Comicmaterial hergegeben, ebenso das letzte Spectre-Meeting auf der Disco Volante, in dessen Verlauf Largo Nummer 10, einen Russen, erschießt. Unter dem Strich bleibt daher leider nur eine mangelhafte Umsetzung der Romanvorlage.

    The needs of the many outweigh the needs of the few or the one.
    I have been and always shall be your friend.
    I´ve been dead before.
    Live long and prosper.


    He is not really dead as long as we remember him.

  • Vielen Dank! Das freut mich sehr, das zu hören. Den nächsten Vergleich (The Living Daylights) habe ich auch schon in Angriff genommen.

    The needs of the many outweigh the needs of the few or the one.
    I have been and always shall be your friend.
    I´ve been dead before.
    Live long and prosper.


    He is not really dead as long as we remember him.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!