DIE DREHBUCHAUTOREN: Neil Purvis und Robert Wade

  • Neal Purvis & Robert Wade waren nach Richard Maibaum und Tom Mankiewicz die wohl einflussreichsten Autoren der Franchise-Geschichte. Sie wirkten von 1998 bis 2012 an den Skripten zu fünf Bondfilmen mit. Auffällig war bei ihnen, dass auf eine temporeiche, frische erste Filmhälfte häufig eine nicht mehr so überzeugende zweite Hälfte folgte. Purvis und Wade konnten meist eine grundsolide Handlung aufbauen, aber in der Feinjustierung und im Charakterdesign gingen sie zumeist nicht so gründlich zu Werke. Größter Schwachpunkt ihrer Arbeit bildeten die Dialoge, die nicht selten durschnittlich gerieten oder in Einzelfällen sogar gar nicht überzeugen konnten.


    Ähnlich wie Richard Maibaum musste sich das Duo häufig eine Endkontrolle durch andere Autoren gefallen lassen. So schrieben Bruce Feirstein und Paul Haggis ihre Drehbücher zu "The World Is Not Enough" und "Casino Royale" drehfertig, während ihre Entwürfe zu "Quantum of Solace" und "Skyfall" von den späteren Hauptautoren Paul Haggis und John Logan stark verändert wurden.


    "Die Another Day", das einzige Drehbuch, das sie alleine schreiben durften, gilt vielen als eines der schwächsten der ganzen Serie. Demgegenüber war ihr Drehbuch zu "The World Is Not Enough" gelungen und besaß nur deshalb nicht so viel Durchschlagskraft, weil die Produzenten und ausführenden Kräfte noch nicht den Mut zu echten Stilbrüchen – wie sie erst nach 2006 üblich wurden – besaßen. Mit "Casino Royale" schafften es Purvis & Wade den angestaubten Erstlingsroman Flemings überzeugend in die Gegenwart zu übertragen, was – trotz späterer Schützenhilfe durch Paul Haggis – als hervorragende Leistung gelten darf.


    Der angeblich 160 Seiten starke Entwurf zu "Quantum of Solace" wurde von Marc Forster abgelehnt und Paul Haggis schrieb dann – diese Fassung des Autorenduos benutzend – ein völlig neues, kompakteres Drehbuch. Auch bei "Skyfall" schrieben Purvis & Wade die ersten Entwürfe, allerdings führte John Logan so viele Revisionen durch, dass vom Material des Autorenduos nicht allzu viel übrig geblieben sein dürfte. 2012 gaben die beide Autoren dann ihren Rückzug vom Franchise bekannt. Purvis & Wade erkannten wohl die Zeichen der Zeit. Ihre Ideen fanden zuletzt in den filmischen Umsetzungen immer weniger Niederschlag und nach 14 Jahren routinierter Arbeit sahen sie wohl ein, dass sie dem Franchise kaum mehr neue und frische Impulse geben konnten.


    EDIT: Purvis & Wade haben nachweislich noch zwei weitere Drehbücher geschrieben, die keine Verwendung fanden:


    2003 erstellten sie das Skript für einen "Jinx"-Film, der aber nie realisiert wurde.


    2004 schrieb das Duo ein Drehbuch für Brosnans fünften Einsatz (damals "Bond 21"), das aber, nachdem die Querelen zwischen den Produzenten und Pierce Brosnan überhand nahmen und man schließlich eine Verfilmung von "Casino Royale" ins Auge fasste, fallen gelassen wurde.


  • Womit die sechste Drehbuch(mit-)arbeit des amerikanischen Autorenduos feststehen dürfte:


    "The World is not Enough" (mit Bruce Feirstein)
    "Die Another Day"
    "Casino Royale" (mit Paul Haggis)
    "Quantum of Solace" (mit Paul Haggis)
    "Skyfall" (mit John Logan)
    "Bond 24" (mit John Logan)


    Ich mochte keines ihrer Drehbücher wirklich.


    Auch wenn ich sicher nicht zu den erklärten Befürwortern von Purvis & Wade gehöre, finde ich dein Urteil ein wenig hart, Kronsteen. Manches hatten auch die Produzenten und Regisseure zu verantworten. Purvis & Wade waren nicht immer an mittelmäßigen Drehbüchern bzw. Filmen allein schuld.


    Ihr Erstling "The World is not Enough" hatte eine innovative Story und das Skript machte auch einen guten Eindruck, auch wenn es freilich nicht perfekt war. Beispielsweise war Renard hier noch ein französischer Terrorist, was seinen Spitznamen auch plausibler erklärte. Bruce Feirstein überarbeitete das Skript und schließlich gaben ihm Regisseur Michael Apted und seine Co-Autorin Dana Stevens den letzten Schliff. Wirkliche Verbesserungen brachten diese Überarbeitungen leider nur punktuell und es fehlte noch der Mut zu echten Stilbrüchen, wie man sie dann ab 2006 wagte. So geriet der Streifen nur zu einem Routineprodukt, obwohl er das Potenzial zu einem ganz großen Bondfilm gehabt hätte.


    "Die Another Day" war durch Purvis & Wade ursprünglich düsterer angelegt, aber die Produzenten und Regisseur Lee Tamhori wollten in eine fantastischere Richtung gehen. Freilich entschuldigt das nicht die teils unterirdischen Dialoge (ihr größter Schwachpunkt!) und die schwache Plot-Ausarbeitung. Definitiv das schwächste Bond-Skript des Duos.


    "Casino Royale" haben sie von der Rahmenhandlung her sehr gut adaptiert und modernisiert. Auch die Charaktere sind hier stimmiger ausgearbeitet. Gelungen ist zudem die Idee aus Le Chiffre einen Terroristenfinanzier zu machen, der sich durch Attentate und Leerverkäufe an der Börse bereichert, was auch hervorragend zu seiner Spielermentalität passt. Paul Haggis hat das Drehbuch zwar veredelt, was ich keinesfalls kleinreden möchte, aber die größte Arbeit am Skript haben eindeutig Purvis & Wade geleistet.


    Bei "Quantum of Solace" spielten die Beiden nur eine unwesentliche Rolle. Ihr "Bond 22"-Drehbuch wurde von Marc Forster verworfen und Paul Haggis schrieb dann auf den Ideen von Purvis & Wade aufbauend ein neues Skript, das aber nicht fertig wurde und durch Marc Forster, Daniel Craig und Joshua Zetumer beendet wurde. Am endgültigen filmischen Produkt hat das Autorenduo folglich nur einen geringen Anteil.


    Für "Skyfall" schrieben Purvis & Wade die ersten Versionen, wobei wesentliche Ideen vermutlich auf Regisseur Sam Mendes zurückgehen, der schon sehr früh an der Entwicklung beteiligt war. Zudem hatte man eine Outline von Starautor Peter Morgan als Grundlage. John Logan hat das Drehbuch dann in Absprache mit Mendes und Eon ziemlich oft überarbeitet, sodass ich auch hier den Einfluss der beiden Amerikanern als eher gering einstufen würde.


    Gleiches gilt nun für "Bond 24", wo sie Logans Skript meines Erachtens nur drehfertig schreiben sollen, ohne groß die Handlung zu verändern.


    Demnach wären nur "The World is not Enough", "Die Another Day" und "Casino Royale" wenn man so will "echte" Purvis & Wade-Skripts, während bei den Craig-Missionen Nummer 2, 3 und 4 ihr Autorenanteil eher gering ausfällt. Was bei den Drehbüchern des Duos ins Auge sticht, ist, dass auf eine temporeiche erste Hälfte häufig eine langatmige bzw. schwächere zweite Hälfte folgt. Purvis & Wade können eine grundsolide, zeitgemäße Handlung entwickeln und beherrschen die 007-Standards recht souverän. Große Schwächen offenbarrt das Duo hingegen bei der Interaktion der Charaktere und den Dialogen; hier fällt vor allem "Die Another Day" ab, wo sie keinen Co-Autor hatten. Folglich kann ein Autor, der die Charakterentwicklung und die Dialogausarbeitung sehr gut beherrscht, aus einem finalen Purvis & Wade-Skript ein sehr gutes Bond-Drehbuch machen, was sich an "Casino Royale" ja deutlich gezeigt hat. Interessant ist nun, dass Purvis & Wade zum ersten Mal selbst den finalen Feinschliff besorgen müssen und das ausgerechnet im Bereich der Dialoge, die eher nicht zu ihren Stärken zählen. Es bleibt folglich abzuwarten, wie sie sich nun bei "Bond 24" schlagen werden...


    EDIT: Fieser Doppelpost! Und ich merke gerade, dass ich vor einem halben Jahr bereits eine allgemeine Einschätzung von Purvis & Wade`s Fähigkeiten abgegeben habe. Ja, ja, vergesslich ist der Mensch... :blush:

  • Genaueres ist mir darüber auch nicht bekannt. Purvis & Wade haben jedoch vor einigen Jahren in einem Interview gesagt, dass der Film ursprünglich düsterer und realistischer angelegt war. Die ganze Geschichte rund um den Verrat in Nordkorea und Bonds Folterung war hier bereits enthalten, allerdings hätte M ihn anscheinend dauerhaft fallengelassen und nicht nach 40 Minuten schon wieder "Verwendung" für ihn gehabt. Vermutlich wäre hier Bonds Rehabilitierung erst am Ende des Films erfolgt. Anstelle von Chang hätte hier noch Wai Lin Bond zur Flucht von Hongkong nach Kuba verholfen. Die frühen Drafts waren zudem noch stark an die Original-Geschichte von Ian Flemings "Moonraker" angelehnt, was man aber auch an der finalen filmischen Version noch erkennt.


    Anstelle der Rakete benutzt der Villain, der als reicher, englischer Wohltäter gilt, aber in Wirklichkeit eine andere (nationale) Identität besitzt, einen Satelliten, um seine Ziele zu erreichen. In den frühen Fassungen war Miranda Frost noch die Roman-Heldin Gala(tea) Brand (Assistentin des Villain), die allerdings auf der Seite der Guten gestanden und Bond geholfen hätte, Drax/Graves zu stoppen und am Ende seine Unschuld zu beweisen. Vermutlich wäre die ganze Stimmung auch melancholischer gewesen, da Gala Brand am Ende des Romans nach den gemeinsam bestandenen Abenteuern bekanntlich gesteht, dass sie einen Verlobten hat und die Beiden daher nicht zusammenkommen. Der übliche Schluss, wo Bond sich mit dem Girl vergnügt wäre somit wohl auch weggefallen und 007 wäre am Ende allein und nachdenklich zurückgeblieben. Alles in allem hätte "Die Another Day" so einen deutlich düsterere Atmosphäre ähnlich wie beispielsweise "Skyfall" gehabt.

  • Wie im anderen Thread versprochen, einmal ein exemplarischer Blick auf die Stoffentwicklung...


    Drehbuch-Genese von The World Is Not Enough


    Im Frühjahr 1998 kamen Neal Purvis & Robert Wade zu einem Meeting mit den Produzenten zusammen. Die beiden Autoren waren Broccoli und Wilson aufgefallen, weil sie mit Let him have it und Plunkett & Macleane sehr gute Drehbücher für britische Filme geliefert hatten, die den Produzenten gefielen. Purvis & Wade wurden unter Vertrag genommen und legten Mitte 1998 ihren ersten Entwurf vor. Ihre Zielsetzung sah so aus: Purvis & Wade wollten einerseits wieder stärker zu den flemingschen Wurzeln zurückkehren und gleichzeitig Bond stärker als klugen, professionellen Agenten zeigen, der eher gezielt mit seiner Walther PPK umgeht, anstatt seine Gegner ständig mit einer MP in B-Actioner-Manier schnöde niederzumähen. Letzteres war ein häufig geäußerter Kritikpunkt bei den beiden vorausgegangen Serieneinträgen gewesen. Ihr First Draft und Second Draft mit dem Arbeitstitel Elektra besitzen bereits die Grundstruktur des späteren Films und auch zentrale Handlungsorte, unterscheiden sich aber auch in wesentlichen Punkten vom finalen Endprodukt. Zunächst einmal soll die Filmidee eines weiblichen Gegenspielers auf den Autorenveteranen Richard Maibaum zurückgehen. Barbara Broccoli umschrieb die Idee so: Bond glaubt, er habe seine neue Tracy gefunden, aber in Wahrheit ist diese Frau eher ein neuer Blofeld. Vermutlich hat diese Idee den früheren Produzenten Saltzman und Broccoli Sr. nie gefallen und erst die zweite Produzenten-Generation hatte den Mut, sie dann filmisch umzusetzen. Was sind nun also im einzelnen die Unterschiede? Zunächst einmal muss man dafür – der Übersicht halber – klären, wie die Abfolge der Überarbeitungen in etwa vor sich ging. Zuerst schrieben Purvis & Wade das First Draft und dann diverse weitere Entwürfe nach Änderungswünschen der Produzenten. Dann kam Regisseur Michael Apted an Bord. Auch er wollte Änderungen. Deshalb übergab man das Script an dessen Ehefrau, die Autorin Dana Stevens, die den Fokus der Story in ihren Drafts maßgeblich verschob. Schließlich waren sich Regisseur und Produzenten einig, dass man sich ein wenig in eine Sackgasse manövriert hatte. Deshalb holte man Bruce Feirstein, den (Co-) Autoren von GoldenEye und Tomorrow Never Dies zurück, um das Drehbuch zu komprimieren, aufzupeppen und final drehfertig zu schreiben. Nun zu den soweit bekannten Änderungen:


    Vortitelsequenz


    Die Pretitlesequenz begann bei Purvis & Wade in Havanna (Kuba), nicht in Bilbao (Spanien) wie im fertigen Film (Havanna schaffte es dafür dann in den nächsten Bond Die Another Day). Die Explosion im MI6-HQ, bei der Sir Robert King ums Leben kommt, fand bereits vor der eigentlichen Filmhandlung statt. Als Folgeerscheinung hat Bond mit einer Verletzung zu kämpfen. Es steckt ein Metallschrapnell in seiner Schulter (verdächtige Parallele zu Skyfall). In Havanna versucht Bond den Hintermännern des Attentats auf die Spur zu kommen. Bevor der entscheidende Mann auspacken kann, wird er von der Attentäterin Sashenka Firo (Cigar Girl) ermordet. Firo kann über die Dächer Havannas fliehen. Auch Bond entkommt auf spektakuläre Weise. Zurück in London versucht Firo, die fürchtet, dass Bond sie identifizieren könnte, 007 zu ermorden. Aber der Anschlag schlägt fehl und die Attentäterin flieht mit einem Motorboot über die Themse. Bond jagt sie mit einem Jet pack, statt mit einem Superboot. Er landet auf der Vorderseite des Bootes und verliert beim Aufprall das Jet pack. Firo und Bond schießen aus kurzer Distanz aufeinander. Während der Schuss der Attentäterin daneben geht, verwundet Bond Sashenka schwer und diese stürzt ins Bootsinnere. Durch den Schusswechsel gerät das Boot in Brand und rasch erhellt eine Explosion den Himmel. Die Flammen umhüllen Bond und auch die Kamera und brennen den Zuschauer so in die Hauptitelsequenz.


    Dana Stevens hat dann die Location Havanna gegen Genf ausgetausscht. Der Kontaktmann ist hier der Bankier Lachaise und aus Sashenka Firo wurde bei Stevens das "Cigar Girl", weil sie 007 die Zigarren offeriert. Das Cigar Girl wird hier als eine blonde schweizer Sexbombe beschrieben. Die Action ist näher an der finalen Version, wurde am hauptsächlich durch Bruce Feirstein noch umgeschrieben. King wird bei der MI6-Explosion ermordet. Nun verfolgt Bond das Cigar Girl mit Qs hyermodernen, aber unfertigen Speedboot. Anders als im Film hat es hier aber noch keine Tauchfunktion. Die Anfangslocation ist bei Feirstein nun Bilbao und das Cigar Girl heißt nun Giuletta Da Vinci, vermutlich weil man hier schon Maria Grazia Cucinotta für die Rolle ins Auge gefasst hatte, die schwerlich als blonde Schweizerin durchgehen würde. Im Film fällt ihr Name dennoch kein einziges Mal. Dafür hat Raymond Benson ihre Rolle im Roman zum Film ein wenig mehr ausgestaltet. Auch die Verfolgungsjagd mit dem Heißluftballon ist hier sehr ähnlich, nur ohne Dialog mit der Attentäterin. Bond stürzt in Richtung Millenium Dome, nachdem das Cigar Girl sein Tau durchschnitten hat und gibt einen Schuss auf die Gasflasche ab, woraufhin der Ballon samt Attentäterin in die Luft fliegt. Bond verletzt sich bei seinem Sturz an der Schulter und in seinem Auge reflektiert sich die Explosion mit Feuer und Rauch, die uns in die Main Titles katapultiert (simultan zu den Flammen bei Purvis & Wade). Aber auch die zweite Idee hat Apted nicht übernommen. Bei ihm hängt Bond beim Übergang in die Titel nur in den Seilen.


    Weiterer Handlungsverlauf & Charaktere


    Purvis & Wade sahen in dem Flammen-Ende der Pretitle eine Art Cliffhanger, denn nach den Titeln geht es mit einer Beerdigung weiter, wobei zunächst nicht klar ist, ob es Bonds Beerdigung ist. Erst durch den Dialog zwischen M und Tanner erfahren wir, dass es Sir Roberts Begräbnis ist. Bond tritt in dieser Szene nicht in Erscheinung. In einem weiteren Draft ist die Szene schon näher am finalen Ergebnis. M sagt Bond, dass er warten solle und macht sich mit ihrer Entoruage auf zur Beerdigung. Bond beobachtet das Begräbnis aus der Ferne. Dabei fällt ihm ein weiterer Mann mit Sonnenbrille auf, der merkwürdig isoliert abseits steht. Es ist Renard, der inkognito seinen Triumph genießt. Als Bond ein weiteres Mal hinüberblickt, ist der ihm noch unbekannte Mann verschwunden, als sei er nur eine Halluzination gewesen. Die ganze Stimmung dieser Szene erinnert insgesamt sehr an Sciarras Beerdigung in Spectre. Danach trifft Bond auf eine Trauernde und spricht mit ihr über den Verstorbenen. Erst dann wird klar, dass es sich um Elektra handelt und Bond entschudligt sich bei ihr. Bei Purvis & Wade kommt Robinson nicht vor, weshalb Tanners Rolle größer ist. Bei Stevens und Feirstein sind Tanner und Robinson vorhanden und teilen sich schließlich die Dialoge. Dr. Molly Warmflashs Rolle ist in vorherigen Drafts kleiner. Bei Purvis & Wade heißt sie Dr. Greatrex; bei Stevens Dr. Molly Greatrex. Bei Purvis & Wade hatte Q eine größere Rolle im Film (es sollte Desmond Llewelyns Abschiedsperformance werden). Auch hat er hier keinen Asisstenten. R war eine Erfindung von Dana Stevens.


    Die weiteren Szenen im MI6-Quartier in Schottland verlaufen realtiv synchron zum fertigen Film mit geringen Dialog- und Sprecheränderungen. Es gibt nur einen längeren Dialog über den Öl-Goldrausch, der seit dem Ende der Sowjetunion in der Region am Kaspischen Meer eingesetzt hat. Auch die ganze Sequenz in Aserbaidschan, wo Bond Elektra trifft, sie einem Anschlag entgehen und schließlich einander näherkommen, kommt der finalen Version sehr nahe. Usprünglich sollte Bond hier mit seiner Tarnidentität David Somerset (From Russia With Love) beim Sicherheitschef Sascha Davidov vorstellig werden. Davidovs Rolle ist in vorherigen Versionen etwas größer. Dafür gibt es keinen Dr. Arkov, der an seiner Stelle beim Schurkentreffen liquidiert wird. Davidov bringt den kurz vor der Abreise stehenden Wissenschaftler kaltblütig um, damit er seinen Platz einnehmen kann. Auch das Treffen mit Renard ist anders. Als Bond mit Elektra im Casino ist, entdeckt er Davidov, der mit einer Prostituierten verschwindet. In einem edlen Anbau des Casinos freut sich Davidov auf sein Schäferstündchen. Während er sich auszieht, sieht er in seinem Spiegel wie die halbnackte Hure sich auf dem Bett räkelt. Sie fragt ihn mehrmals nach seinen Bett-Vorlieben: Willst du lieber das oder das? Als Davidov das nächste Mal in den Spiegel blickt, sieht er in das furchterregende Gesicht von Renard, der fragt: "Lieber tot oder nicht tot?" Renards Männer packen Davidov und Renard hält ihm einen speziellen Öl-Leuchter über den Kopf, aus dem heißes Öl tropft. Renard verzieht keine Miene, als ein Tropfen seine Hand trifft. Mit Schrecken sieht Davidov, dass die "Hure" sich jetzt militärische Kleidung anzieht. Sie ist ein Mitglied von Renards Gruppe. Renard gibt Davidov nach seinem Versagen eine letzte Chance, lässt aber einen Öl-Tropfen auf dessen Kopf fallen. Davidovs schreit unter Qualen; ein Teil seiner Haare und Kopfhaut ist versenkt. Renards Handlanger lassen Davidov zu Boden klatschen und dieser bleibt derangiert allein zurück. Renard kommt auf Dach des Casinos und sieht, wie Bond mit Elektra in den Wagen steigt. Durch die Berührungen der Beiden wird klar, dass sie schon ein sehr inniges Verhältnis pflegen. Als ein Handlanger den stoischen Renard mehrmals fragt, wie man das Problem mit Bond lösen soll, antwortet Renard schließlich mit einem Grabesblick, dass er sich persönlich um Mr. Bond kümmern werde.


    Im Casino wird auch ein Russe namens Dimitri eingeführt, der zu Zukovskys Entourage gehört und aus dem später die Figur des Bullin (Goldie) wurde. Dimitri/Bullin ist hier ein russischer Geschäftspartner von Zukovsky mit dem Spitznamen "die Boa", der seit den alten KGB-Zeiten einen Hass auf 007 entwickelt hat und Zukovsky deshalb am Ende verrät. Bond verfolgt die Boa nach dem Bombenattentat über die Strassen Istanbuls und den Basar. Drei Handlanger kommen bei der temporeichen Jagd ums Leben und die Boa bricht sich schließlich im Kampf mit 007 das Genick. Bond und Christmas werden von Gabor und Renards Leuten gefangengenommen und zum Jungfrauenturm gebracht. Danach geht das Geschehen wie bekannt weiter. Aber auch andere Charaktere waren vorher anders angedacht. Christmas Jones war ursprünglich eine französisch-polynesische Frau mit Kurzhaarschnitt und französischem Akzent. Bei Purvis & Wade ist sie eine Versicherungsfahnderin vom Lloyds of London`s South Bureau, welche die Pipeline versichern, und kommt parallel zu Bond Elektras Treiben auf die Spur. In späteren Drafts war Jones eine Kopfgeldjägerin im Lara Croft-Stil. Stevens und Feirstein machten sie zu einer Atomphysikerin und änderten ihren Hintergrund, da MGM unbedingt eine bekannte amerikanische Schauspielerin in einer Hauptrolle haben wollte (man wollte seitens des Studios ja ursprünglich auch Sharon Stone oder Catherine Zeta-Jones als Elektra). Somit wurde aus Christmas Jones eine amerikanische Spezialistin, die an einer Atomanlage in Kasachstan arbeitet. Bekanntermaßen wählte Michael Apted schließlich Denise Richards für die Hauptrolle. Nach dem ursprünglichen Konzept war Tiffani Thiessen für den Part im Gespräch.


    Die Probleme begannen, als Dana Stevens in ihren Drafts den Fokus der Story maßgeblich verschob. Es war ihre Idee, M an die Front zu schicken. Bei Purvis & Wade war M zwar emotional involviert, reist Bond aber nicht nach und wird daher auch nicht entführt. Zugleich baute Stevens die Dualität zwischen M und Elektra – von der Stevens begeistert war – immer weiter aus und alle anderen Figuren wie Renard, Christmas und selbst Bond wurde mehr oder minder zu Randakteuren. Zugleich sorgten die zunehemenden Dramaelemente und Dialogduelle für zuviel Leerlauf und zu wenig Action in der Handlung. Apted und die Produzenten sahen, dass sich die Dinge in die falsche Richtung entwickelten und engagierten den bonderfahreren Bruce Feirstein, um alle diese Schwierigkeiten zu lösen. Die Maßgabe war, Ms Part wieder zu reduzieren und die Hauptkonfrontation zwischen Bond, Renard, Elektra und M zu verteilen. M wird natürlich auch hier entführt. Diese Idee stammte bekanntlich aus dem ersten Post-Fleming-Roman Colonel Sun von Kingsley Amis, der auch andere Franchise-Beiträge inspirierte. Ferner sollte Feirstein die „Ostlastigkeit“ der Story verstärken und Zukovskys Rolle ausbauen. Hierbei sollte er vor allem Streichdialoge aus den GoldenEye- und Tomorrow Never Dies-Drafts einarbeiten (im letzteren Film war die Rolle des Mafiabosses ja ganz gestrichen worden). Auch machte Feirstein aus Renard nun den ehemaligen KGB-Agenten Viktor Zokas, der später als "der Anarchist" bekannt wurde und mit ehemaligen KGB-Kollegen zusammenarbeitet. Feirstein`s wichtigste Aufgabe jedoch war es, für genügend knallige Action-Höhepunkte zu sorgen. So sind fast alle späteren Action-Sequenzen des Films aus dem Archiv. Die Atombombenentführung im Untergrundbunker und der Angriff mit den Kreissägen-Helikoptern stammen aus Michael Frances First Draft zu GoldenEye und die Ski-Verfolgungsjagd hat ihren Ursprung in dem unrealisierten Bond17-Script (für Daltons dritten Einsatz) von Michael G. Wilson & Alfonse Ruggiero Jr. (erstes Treatment) und diversen anderen Autoren.


    Grundkonzeption


    Die größten Änderungen zum ursprünglichen Konzept von Purvis & Wade betreffen Renard und seine Rolle in der Geschichte. Beim Autorenduo ist Renard der Mann hinter allem. Er hat Elektra die unberührte Unschuld in Person verdorben. Er hat quasi das unbeschriebene Blatt, das sie vor der Entführung war, beschrieben und sie zu einem eiskalten Engel gemacht. Das Ganze erinnert ein wenig an die Krankenhausszene in The Dark Knight, wo der Joker bei Dent einen Gedanken pfanzt: All it takes is a little push. Renard macht das ähnlich, weil M und King das Lösegeld nicht bezahlen, macht er Elektra klar, dass ihr Vater und die mütterliche M keinen Finger für sie krumm machen und sie ihrem Schicksal überlassen. Im späteren Film sind davon immerhin noch Sätze wie "Ihre Leute lassen sie hier elendig verrotten. Die tun genauso wenig wie ihr damals!" und Ms "Zufrieden mit dem, was Sie erschaffen haben?" übriggeblieben. Somit fiel Elektra infolge des Stockholm Syndroms in Renards Hände. Sie sind ein Paar und Elektra hilft ihm ihren Vater durch das Austauschen der Anstecknadel zu ermorden und sich für das 009-Attentat am MI6 zu rächen. Elektra war hier nach außen hin das unschuldig-gebrochene Mädchen (im Film präsentieren Apted und Marceau sie uns kurioserweise von Anfang an als starke, dominante Frau), während sie ihre dunkle Seite verbirgt. Im Finale besiegt Bond schließlich die Beiden und tötet Renard. Der Bann ist gebrochen. Elektra bleibt verletzt und verwirrt am Boden liegend (ähnlich wie Oberhauser in Spectre) zurück und wird in eine Klinik eingeliefert. Im Gespräch mit M erfährt Bond später, dass Elektra sich von dem Stockholm Syndrom langsam wieder erholt und Bond will sie bald darauf in der Klinik besuchen. Dieses Ende kam aber nicht gut an und man wollte Elektra lieber als die Hauptschurkin, die alle Männer und Personen um sie herum manipuliert und am Ende von Bond getötet wird (als erstes Hauptbondgirl!). Dadurch änderte sich auch Renards Rolle stark. In den Purvis & Wade-Drafts ist er eine deutlich brutalere und angsteinflössendere Figur. Erst bei Bruce Feirstein wurde er – wie oben erwähnt – zu einem russischen Ex-KGB-Agenten.


    Bei Purvis & Wade war Renard (frz. der Fuchs) ein französischer Ex-Fremdenlegionär namens Claude Serrault, der mit einer um sich gescharten Söldnergruppe mittlerweile als Freelancer arbeitet. Er wird als sehr großer, muskulöser Mann beschrieben, der eine sehr bedrohliche, physische Präsenz besitzt. Er trägt einen militärischen Kurzhaarschnitt und wirkt mit seiner nur halb verheilten Schusswunde am Kopf furchterregend. Er erinnert hier fast mehr an Tom Hardys Bane, als an den Renard des Films. Kurioserweise ist Robert Carlyle, obwohl er ein toller Schauspieler ist, physisch mit seiner Körpergröße von 1,70 m und seinem drahtigen Körperbau beinahe das komplette Gegenteil des Drehbuch-Renards. Auch erinnert Renard hier – infolge seiner Verletzung – mit seiner wahnsinnigen Rachsucht und der nihilistischen Grundgesinnung stärker an Javier Bardems Raoul Silva als an den filmischen Renard. Da der Schurke ursprünglich als Franzose angelegt war, erklärt sich auch, weshalb Bardem für die Rolle überhaupt in Betracht gezogen wurde. Als russischen Ex-KGB-Mann habe ich mir Bardem nie so wirklich vorstellen können, aber zu dem Zeitpunkt war Renard auch noch Claude Serrault und nicht Viktor Zokas. Zumal es sowieso komisch ist, wieso ein russischer Agent einen französischen Spitznamen hat. Im Film ist es merkwürdigerweise auch noch so, dass er "Renard, der Anarchist" ist, was als "Der Fuchs, der Anarchist“"umständlich doppelt gemoppelt erscheint. Als der Fokus dann auf Elektra als Hauptschurkin verlagert wurde, wurde aus Renard dann Draft für Draft ein immer weniger eindrucksvoller Zweitschurke. Der Rest der Handlung verläuft über weite Strecken realtiv synchron zum finalen Endprodukt. Nur das Ende war ein klein wenig anders. Während Bond im Film sagt, dass er immer dachte, dass Christmas nur einmal im Jahr käme, hauchte Christmas ursprünglich zu ihm: "Christmas is coming early this year." ;)

  • Erstmal vielen Dank für die spannenden Ausführungen :)


    Im Finale besiegt Bond schließlich die Beiden und tötet Renard. Der Bann ist gebrochen. Elektra bleibt verletzt und verwirrt am Boden liegend (ähnlich wie Oberhauser in Spectre) zurück und wird in eine Klinik eingeliefert. Im Gespräch mit M erfährt Bond später, dass Elektra sich von dem Stockholm Syndrom langsam wieder erholt und Bond will sie bald darauf in der Klinik besuchen. Dieses Ende kam aber nicht gut an und man wollte Elektra lieber als die Hauptschurkin, die alle Männer und Personen um sie herum manipuliert und am Ende von Bond getötet wird (als erstes Hauptbondgirl!).


    Also hier bin ich froh, dass man von der ursprünglichen Idee abkam. Sorry, aber das wäre doch ziemlicher Kitsch gewesen :S

  • Ja, da bin ich ganz bei dir. Man muss dazu sagen, dass diese Idee auch nur ganz am Anfang der Stoffentwicklung verfolgt wurde. Meine Vermutung ist hier, dass das die Sicherheitsschuh-Variante seitens Eon darstellte, da man sich wohl nicht sicher war, ob die drastischere Variante (Hauptbondgirl als wahnsinnige Strippenzieherin, die auch noch Bond getötet werden muss) beim Publikum ankommen würde. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns hier noch inmitten der Brosnan-Ära in den 90er Jahren befinden und man zwar dramatisch-emotionale Momente wollte, diese aber nicht zu konsequent und drastisch sein durften. Von daher begrüße ich Elektra als Hauptschurkin auch sehr, verstehe aber andererseits nicht, wieso man dafür Renards Rolle immer biederer und ausdrucksloser gemacht hat. Das macht wenig Sinn, weil sie ja nicht nur als Schurken-Duo agieren, sondern Renards Aufgabe in der Dramaturgie ja auch ist, über zwei Drittel der Handlung das Augenmerk Bonds und des Zuschauers auf sich zu ziehen (und von Elektras Involvierung abzulenken). Aber das war wohl auch keine Absicht, sondern den vielen Überarbeitungen geschuldet. Trotzdem ist es irgendwie schade, dass von dem bitterbösen Renard der früheren Drafts im Film nur noch ein Bruchteil übriggeblieben ist.

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