Kurzgeschichte und Comic: From a View to a Kill

  • "From a View to a Kill" wurde als zweite Kurzgeschichte im James-Bond-Kanon in einen Zeitungscomic umgesetzt. Abgesehen vom Titel und der Tatsache, daß ein Teil der Geschichte in Paris spielt, wurde meines Wissens kein Element dieser Geschichte filmisch verarbeitet.


    Ein motorisierter Bote des Royal Corps of Signals wird auf seinem Weg zum SHAPE-Hauptquartier ermordet - von einem Unbekannten, der genau die gleiche Uniform wie der Bote trägt und ein baugleiches Motorrad benutzt. Der Mörder stiehlt die Unterlagen, die der Bote bei sich trug, und dessen Uhr und Brieftasche, um es wie einen Raubüberfall aussehen zu lassen.


    Bond wird beauftragt, die Sache zu untersuchen. M hofft, daß Bond irgendetwas auffällt, das alle anderen übersehen haben. Dazu kommt, daß der Secret Service zu einem großen Teil unabhängig neben SHAPE agiert und sich diese Unabhängigkeit nicht nehmen lassen will. Blieben der Mord und der Raub unaufgeklärt, müsste sich der Secret Service einreihen. Entsprechend groß ist der Druck, der auf M ausgeübt wird.


    Bond gelingt es tatsächlich, einen Ansatzpunkt zu finden. Er erfährt, daß bis vor kurzem in einem Waldstück in der Nähe des Tatorts eine Gruppe Zigeuner wohnte. Bond untersucht den Ort und stellt ein paar Ungereimtheiten fest: angekratzte Baumstämme, deren Kratzspuren mit Dreck getarnt wurden.


    Bond beobachtet den Ort und entdeckt eine Gruppe von Männern, die ein unterirdisches Lager aufgeschlagen haben. Einer von ihnen ist der als britischer motorisierter Bote verkleidete Mörder, und auch das britische Motorrad wird aus dem Untergrundlager nach oben transportiert. Die Gruppe tut alles, um unentdeckt zu bleiben: Mit einem Periskop wird die Umgebung beobachtet, bevor die Gruppe nach oben kommt. Der Eingang zum Lager ist wie ein Busch aufgemacht, der elektrisch geöffnet wird. Alle Männer benutzen Schneeschuhe, um keine Spuren im Gras zu hinterlassen.


    Bond stellt eine Falle und fährt die übliche Strecke, getarnt als motorisierter Bote des Corps. Tatsächlich stelllt ihm der Mörder nach, aber Bond kann ihn erledigen und fährt zum Lager zurück. Dort gelingt es ihm, die Komplizen des Mörders ans Tagelsicht zu locken, aber er fällt auf, weil er das Codewort nicht nennen kann und auch keine Schneeschuhe benutzt.


    Es kommt zum Kampf mit den Komplizen, und Bond wird fast getötet, aber sein Beinahe-Mörder wird erschossen - von Bonds Assistentin Mary Ann Russell, die ihm in Frankreich zur Verfügung gestellt wurde.


    Die Comicschreiber halten sich sehr eng an die Textvorlage; es gibt nur sehr wenige Änderungen, die auch gar nicht so sehr ins Gewicht fallen. So schart Bond im Verlauf der Geschichte vier Männer des Secret Service um sich, die ihm helfen. Im Comic sinkt diese Zahl, da sind es zunächst zwei, später drei Männer, die ihn unterstützen.


    Das Aussehen der Leute ist schwierig zu beurteilen, da der Comic in schwarz-weiß gezeichnet ist und Farben so ausfallen. Eine sichtbare Abwichung bei Mary Ann Russell ist, daß sie im Comic ihr Haar hochgesteckt trägt, es in der Geschichte aber lang herunterfällt. Wing Commander Rattray, Chef der Station F in Frankreich, wird als "fattish man with pink cheeks and fair hair brushed straight back" und als "heavy smoker" beschrieben. Die beiden letzten Elemente stimmen überein, zumindest hat Rattray im Comic ständig eine Zigarette im Mund. Die "pink cheeks" fallen dem Schwar-weiß zum Opfer. Ob er "fattish" ist, kann ich nicht beurteilen.


    Colonel Schreiber, der das SHAPE-Hauptquartier in Europa leitet, wird als "middle-aged with greying hair" beschrieben. So richtig "greying" ist es nicht, aber "middle-aged" passt.


    Fleming macht in FAVTAK wieder Gebrauch vom J.J.Abrams-Stil: Nachdem er Colonel Schreiber getroffen hat, befindet er sich plötzlich vier Tage später in totaler Tarnkleidung auf einem Baum und beobachtet den Lagerplatz der Zigeuner. Die Ereignisse der fehlenden vier Tage erzählt Fleming danach. Diese Anordnung der Ereignisse wurde im Comic zugunsten einer geraden Chronologie der Ereignisse fallen gelassen.


    Ein paar Dinge, die in der Kurzgeschichte Raum finden, lassen die Comicschreiber weg, zum Teil aus nachvollziehbaren Gründen. Einer der Gründe, warum M Bond ins Rennen schickt, ist, daß Bond laut M den "invisible factor" wahrnehmen kann, etwas, was andere nicht sehen, weil es für sie selbstverständlich ist. Bond denkt an Ms Beurteilung, als ihm angesichts des Zigeunerlagerplatzes und der Spuren dort ein Licht aufgeht. Es ist schade, daß darauf im Comic nicht eingegangen wird, es gäbe Bonds Einsatz und auch seinem Fund ein stärkeres Gewicht.


    Was im Comic auch fehlt, ist Bonds Einstellung zu Paris. Er hasst Paris seit 1945, und er stellt (erneut?) fest, daß man in Paris nicht ordentlich betrunken werden kann. Ebenso gibt es biographische Elemente, die erwartbar nicht berücksichtigt wurden. Bond war zum ersten Mal in Paris, als er 16 Jahre alt war. bei der Gelegenheit wurde er auch entjungfert.


    "From a View to a Kill" ist eine Geschichte, die eher "down to earth" ist und mehr traditionelle Spionageabwehr beschreibt. Sie folgt eher "Risico" und "Diamonds are Forever" und hat keine offensichtliche Verbindung mit den Romanen, die SMERSH als (Hintergrund-)Gegner beinhalten. Sie ist aber sehr interessant und gut, und die Comicschreiber haben einen sehr vorlagengetreuen Comic abgeliefert, der nur wenige Abweichungen aufweist. Gut gemacht.

    The needs of the many outweigh the needs of the few or the one.
    I have been and always shall be your friend.
    I´ve been dead before.
    Live long and prosper.


    He is not really dead as long as we remember him.

  • Danke für diese Erinnerung. Ich war sehr erstaunt, dass es im Film AVTAK angebliche Parallelen zu Flemings Geschichte geben sollte. Hat mich mein Gedächtnis doch nicht getäuscht.

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