Die Filme von Steven Spielberg

  • Da der Meister heute 70 Jahre alt wird, hier der offizielle Thread für den sicher bekanntesten und einflussreichsten Regisseur der Gegenwart: Steven Allan Spielberg (* 18.12.1946 in Cincinatti).


    [Blockierte Grafik: http://theredlist.com/media/.cache/database/films/cinema/directors-/steven-spielberg/1468679918-035-steven-spielberg-theredlist.jpg]


    Spielberg verdanke ich einige der prägendsten Kino- und TV-Momente überhaupt. E.T. Der Außerirdische, Unheimliche Begegnung der dritten Art oder Jurassic Park im Kino, Der weiße Hai und Zurück in die Zukunft - bis heute mein absoluter Lieblingsfilm - im Fernsehen. Sie verkörpern die einzigartige Magie und Strahlkraft des Kinos an sich für mich in einer sehr reinen und konzentrierten Form. Letztens hab ich einen Film-Marathon in chronologischer Reihenfolge begonnen und will zu den einzelnen Filmen hier was schreiben. Momentan bin ich noch beim Bonusmaterial von Jaws. Eigentlich wollte ich auch seine frühen TV-Produktionen wie 'Columbo' oder 'Haus des Bösen' in Reihenfolge sehen, muss sie aber noch nachholen. Einige Frühwerke wie 'Amblin' oder auch Teile seiner ganz frühen Super-8-Versuche wie 'Firelight' und 'Ecape to Nowhere' findet man auf youtube. Letztere allerdings nur so unvollständig, so dass es wenig Sinn macht, sie groß zu bewerten.


    Amblin' (1968 )
    Der 26 Minuten kurze Film folgt einem jungen Mann und einer jungen Frau, die durch die USA trampen und sich dabei ineinander verlieben, und das komplett ohne Dialoge. Wenn man bedenkt, wie aufwändig eine 35-mm-Produktion damals war, wirkt dieser Film schon sehr professionell und ausgereift. Jede Szene ist sorgfältig aufgebaut und strotzt vor Bildideen. Erzählerisch wirkt der Film zwar spielerisch leicht, aber Spielberg liefert in den 26 Minuten auch eine sehr schöne Metapher für eine langjährige Beziehung zwischen Mann und Frau mit Höhen und Tiefen ab, was für einen 22-Jährigen Regisseur erstaunlich reif wirkt. Er bewies schon mit diesem kleinen Werk ein krasses Gespür für alle filmischen Aspekte.


    Duell (Duel, 1971)
    Ursprünglich als Fernsehfilm der Woche nach einer Kurzgeschichte von Richard Matheson konzipiert, die im Playboy erschienen war, schaffte es Duell später sogar in die Kinos jenseits des großen Teiches. Spielberg hatte hier nur begrenzte Mittel und zehn Tage Drehzeit zur Verfügung, was aus heutiger Sicht eine unglaubliche Leistung ist. Der Thriller hat im Lauf der Jahre nichts von seiner Spannung und seiner archaischen Faszination verloren. Ähnlich wie in dem ebenfalls von Matheson geschriebenen Die unglaubliche Geschichte des Mr. C wird ein moderner Mann aus seiner alltäglichen Welt gerissen und muss sich dem uralten Kampf um die nackte Existenz stellen. "There you are, right back in the jungle again!"


    Sugarland Express (1974)
    Wie Amblin' und Duell ein Roadmovie, das sich gewissermaßen mit den Rollen von Mann und Frau in der modernen Zeit beschäftigt. Und das in jeweils drei verschiedenen Lebensphasen - das Kennenlernen in Amblin', die Bewährungsprobe des ersten Babys wie hier oder später die eingefahrene Ehe in Duell. In allen drei Filmen scheitern Männern an den Erwartungen von Frauen. Bei Duell wird das eigentlich nur durch ein Telefonat am Anfang deutlich, durchzieht sich aber thematisch doch durch den gesamten Film. Dieser Film hier ist im Vergleich zum Happy End von Duell jedoch so etwas wie der Gegenentwurf.


    Insofern könnte man diese drei ersten Filmen sogar als eine Art thematische Trilogie sehen. Moderne Männer auf der Straße des Lebens, oder so. Paradoxerweise wirken sie vom Thema und der Ambition her reifer und erwachsener als viele der nachfolgenden Filme, die Spielberg erst so richtig berühmt machen sollten. Während er hier sozusagen die Probleme zwischen Mann und Frau thematisiert, widmet er sich später oft der Perspektive des Kindes auf problematische Eltern.


    Der weiße Hai (Jaws, 1975)
    Der Superknüller, nachdem das Kino nicht mehr dasselbe war wie vorher. Die Massen strömten quasi von den Stränden weg hin zu den Kinos. Viele Filmhistoriker sehen in Jaws ja den ersten Blockbuster und die Geburt des High Concept. Seither findet man in fast jedem Katastrophenfilm eine Variation des opportunistischen Bürgermeisters, der aus Profitgründen die Gefahr herunterspielt.
    Ich erinnere mich noch lebhaft, wie ich ihn das erste Mal im TV gesehen habe, spät abends zu Besuch bei Onkel und Tante. Nachdem meine Eltern schon zu Bett gegangen waren, meinte mein Onkel "Jetzt wollen wir erstmal Blut sehen." Das gab es dann auch nicht zu knapp. Und die Szene, als Quint in das Maul des Hais rutscht, Horror pur...


    Dabei waren die Dreharbeiten an sich für Spielberg eine ähnlich extreme Tour de Force wie für die Protagonisten. Es gibt nicht umsonst Pläne für einen eigenen Film über die Entstehung des Films. Der Roboterhai namens Bruce war ja nicht weniger launisch als der Hai im Film.

  • Unheimliche Begegnung der dritten Art (Close Encounters of the Third Kind, 1977)
    Zusammen mit Star Wars gilt der Film ja als Grundstein des modernen Science-Fiction-Blockbusters, bei dem das Staunen über Effekte im Vordergrund steht und Charaktere und Story überschattet. Und tatsächlich sind die Effekte hier auch heute noch beeindruckend. Vor allem die Arbeit mit Licht ist faszinierend, und erhielt zu Recht einen Oscar für 'Best Cinematography'. (Den Oscar für Spezialeffekte räumte dann natürlich Star Wars ab.) Verglichen mit heutigen SF-Blockbustern bietet Unheimliche Begegnung aber eine erstaunlich unkonventionelle und vielschichtige Story. Würde man alle Effekte aus dem Film entfernen, bliebe immer noch eine interessante und einmalige Geschichte übrig, die verschiedene Interpretationen zulässt, und aus der man sogar einen Autorenfilm machen könnte. (Herauskommen würde dann wahrscheinlich so etwas wie Take Shelter.)


    Man kann Unheimliche Begegnung als die Geschichte eines Familienvaters sehen, der sich zunehmend von seiner Frau und seinen Kindern entfremdet aus Gründen, die für die Familie und selbst für den Zuschauer bis kurz vor Schluss unverständlich bleiben, und der eine andere Frau kennenlernt, die ihn versteht. (Interessant ist in dieser Lesart die Szene, als Julian kurz ihr Dekolletee mit dem Sonnenbrand zeigt.) Insofern wirkt der Film auch wieder wie eine Verarbeitung des Kindheitstraumas der Scheidung der Eltern. Auf ein Kind wirkt die erkaltende Liebe der Eltern wahrscheinlich genauso rätselhaft und unerklärlich wie die Kontaktaufnahme mit Außerirdischen. Die Szene, in der Junge aus dem Haus heraus entführt wird, ist in diesem Sinne vielleicht das stärkste Bild des wiederkehrenden Motivs der 'gestörten Idylle'. Andererseits ist der ganze Film auch eine Metapher für Kunst an sich, das Getriebensein von einer Vision und die damit einhergehende Einsamkeit, die Suche nach den richtigen Ausdrucksmitteln und schließlich die Erlösung, wenn alles einen Sinn ergibt. Sowie auch Kunst, speziell Musik als universelle Sprache. Nicht zuletzt ist Unheimliche Begegnung damit auch ein Plädoyer für die friedensstiftende Macht der Kommunikation, das die allgemeine Hoffnung der End-Siebziger im Zuge der Entspannungspolitik wiederspiegelt. Wenn Menschen und Aliens einen Weg der Verständigung finden, dann müssen es auch Amerikaner und Russen.


    Als die Protagonisten gegen Ende in das angeblich verseuchte Gebiet rund um den Devil's Tower gefahren werden, erinnert das ein bisschen an das Ende von GF. Vielleicht nicht ganz unabsichtlich, da Spielberg ja großer Bondfan ist. Bei MR gabs dafür ja gleich zwei Anspielungen auf Spielberg-Filme, mit Jaws und dem Unheimliche-Begegnung-Theme als Türöffner. Wahrscheinlich dachte Spielberg deshalb, dass die Bond-Produzenten Interesse an ihm hätten.


    Unterm Strich ist Unheimliche Begegnung der dritten Art einer von Spielbergs vielschichtigsten Filmen, eine Schnittstelle zwischen seinen ernsthafteren und seinen Effekt-Filmen.

  • 1941 (1941 - Wo bitte geht's nach Hollywood, 1979)
    Der erste große Sucker in der Retrospektive. Dabei hatte ich mich auf den Film gefreut und war wirklich bereit, ihn zu mögen und als unterschätzte kleine Perle oder sowas zu sehen. Zumal es die erste große Zusammenarbeit von Spielberg und den beiden Bobs Gale und Zemeckis war. Aber ist irgendwie absolut nicht meine Art von Humor. Keine einzige der Figuren wirkt auf mich auch nur annähernd sympathisch, kein einziger Gag zündet. Viele der typischen Spielberg-Filmverrisse wie 'seelenlose Achterbahnfahrt' trifft auf diesen Film leider so ziemlich zu. Für eine Parodie des Hurra-Patriotismus' dieser Zeit oder des Krieges an sich kann er sich dann doch viel zu wenig von der Selbstverliebtheit in ebenjene Zeit lösen. Obwohl gerade hier das größte Potential gewesen wäre. Der Film müsste entweder wesentlich kranker-sarkastischer oder aber mehr auf den tragikomischen Aspekt einer Hauptfigur fixiert sein.


    Auf der Haben-Seite sind eigentlich nur die Old-School-Effekte, wie die durch L.A. tieffliegenden Flugzeuge und natürlich das ins Meer rollende Riesenrad. Und Christopher Lee, der Prototyp des dämonischen Deutschen, der noch in einigen späteren Filmen auftauchen sollte. Das Interessante ist auch, dass - so sehr der Film auch als Gegenpol zu Unheimliche Begegnung gedacht ist, Spielberg hier auch Bezug nimmt auf einen modernen Mythos der Ufologen, der sogenannten Luftschlacht um Los Angeles im Februar 1942.


    Raiders of the Lost Ark (Jäger des verlorenen Schatzes, 1981)
    Aber da ist er wieder, der Magier Spielberg. Wie Phönix aus der Asche. Vielleicht hatte es dieses "Flops" bedarft, um sich der eigenen Qualitäten bewusst zu werden. Wo 1941 chaotisch und planlos war, ist Raiders fixiert und durchgestylt bis auf die kleinste Einstellung. (Auch bei Gale/Zemeckis wirken viele Ideen, die schon in 1941 vorhanden waren, bei Back to the Future wesentlich pointierter und ausgereifter.) Ich sehe hier den Prototypen des modernen Blockbusters eher als bei Jaws.


    Wobei andererseits der Bruch zu 1941 auch nicht so riesig ist. Beide Filme nähern sich auf eine ziemlich unbedarft-naive Weise einer Thematik an, die Spielberg in ihren jeweiligen Tragweite erst später ergründen sollte. Der Zweite Weltkrieg in Empire of the Sun und Saving Private Ryan, der Nationalsozialismus in Schindler's List.


    Das Interessante an Indiana Jones ist auch, dass Lucas und Spielberg hier stellvertretend mit ihrem Helden das klassische große Hollywood-Kino eine Wiederauferstehung feiern lassen, das mit dem Film Noir eine erste und mit New Hollywood eine zweite, schwerere Brechung fand. Das Wieder-Aufsetzen des Hutes als große filmgeschichtliche Geste. Auch in dieser Beziehung ist Raiders der große, erfolgreiche Bruder von 1941, wo sich der alte Mythos von Hollywood nur im naiven, klischeehaften Staunen der Japaner zeigt.

  • Etwas außer der Reihe:


    Used Cars (Mit einem Bein im Kittchen, 1980, Regie: Robert Zemeckis)
    Der Vollständigkeit halber sollte man beim Spielberg-Kosmos wohl auch Filme berücksichtigen, bei denen er nur als Produzent fungierte. Mit Stammregisseuren wie Robert Zemeckis oder Joe Dante prägten sie selbigen ja teilweise fast genauso stark wie die von Spielberg selbst inszenierten Filme.


    'Used Cars' war eine seiner ersten größeren Produktionen. Der Humor ist ähnlich wie in '1941' unkonventionell und etwas brachial, aber funktioniert hier aufgrund der Low-Budget-Atmosphäre wesentlich besser. Der Film nimmt das Gebrauchtwagenhändler-Milieu auf die Schippe, ebenso wie den Größenwahn der US-Autoproduktion der 70er, und eigentlich die 1970er insgesamt ein bisschen.


    Kurt Russell verkörpert das Klischee eines skrupellosen und schmierigen Gebrauchtwagenverkäufers, der sich auf seine Moral besinnen muss, um seine große Liebe zu gewinnen. Wenn man Russell, alte US-Schlitten, die 70er allgemein und einen augenzwinkernd-trashigen Humor mag, macht der Film trotz seines Alters Spaß.


    E.T. The Extraterrestrial (E.T. - Der Außerirdische, 1982)
    Tja, was soll man zu diesem Film noch groß zu schreiben. Der Spielberg-Film schlechthin, das zentrale und quintessentielle Werk. Und wohl auch Spielbergs persönlichster Film. Er sagte dazu einmal, dass er sich in diesen Film verliebt hatte, obwohl er das immer zu vermeiden versuchte. Er verarbeitete damit wahrscheinlich ultimativ sein Scheidungstrauma und wurde durch die Dreharbeiten dazu bereit, eine eigene Familie zu gründen. Film ist eben immer auch ein bisschen Therapie.


    Vielen Kritikern ist der Film ja zu 'süß' oder zu kitschig. Da der Film aber als modernes Märchen konzipiert ist und aus der emotionalen und naiven Sichtweise von Kindern heraus erzählt wird, konnte ich das nie nachvollziehen. Da kann man auch kritisieren, dass Schneewittchen am Ende wieder lebendig wird oder Peter Pan fliegen kann. Dann hat man aber irgendwie das Wesen von Märchen nicht verstanden. Ich sehe den Film als das vielleicht perfekteste Beispiel für ein magisches Kino des Staunens. Auf jeden Fall ein ziemlich sicherer Top-5-Bestandteil.


    Twilight Zone - The Movie (Unheimliche Schattenlichter, 1983)
    Der Film war als Hommage an eine der einflussreichsten Fernsehserien überhaupt gedacht. Jeweils vier Segmente wurden von vier verschiedenen Regisseuren inszeniert: John Landis übernahm neben dem Intro die erste Episode 'Time Out', in der ein Rassist in der Zeit zurück versetzt wird zum Vietnamkrieg und ins Nazideutschland. Es ist das einzige der vier Segmente, das nicht auf einer Original-Episode beruht. Nummer 2 ist von Spielberg und heißt 'Kick the Can'. Es ist in einem Altenheim angesiedelt und erinnert etwas an 'Cocoon'. Dann kommen 'It's a Good Life' von Joe Dante mit einer sehr aparten Kathleen Quinlan und 'Nightmare at 20,000 Feet' von Madmax-Erfinder George Miller.


    Die letzte Episode ist die gelungenste, nicht zuletzt weil sie auf der berühmtesten Twilight-Zone-Folge beruht. Geschrieben übrigens von Richard Matheson, von dem auch 'Duell' stammt. Im Original war William Shatner in einer passablen schauspielerischen Leistung zu sehen. Hier gibt John Lithgow den panischen Fluggast, der ein Monster auf der Tragfläche eines Flugzeugs zu sehen glaubt. Lithgow sehe ich immer sehr gern, er wäre ein toller Bondgegenspieler oder Joker gewesen.


    Überschattet wurde die Produktion von einem der grausigsten Dreh-Unfälle überhaupt. Auf einem Set, das den vietnamesischen Dschungel darstellen sollte, stürzte ein Hubschrauber auf Darsteller Vic Morrow und zwei Kinder, die dadurch geköpft bzw. aufgespießt wurden. John Landis musste sich vor Gericht verantworten, wurde aber freigesprochen. Den Film danach fertig zu stellen war sicher nicht leicht.


    Obwohl ich Achtziger-Horrorfilme sehr mag, zündet 'Unheimliche Schattenlichter' nicht so richtig. Es gibt nette Effekte und Monster von Rob Bottin. Aber es hätte dann doch ein bisschen gruseliger sein können. Landis' Segent leidet verständlicherweise unter dem Unfall und hat ein anderes Ende als geplant. Ausgerechnet das von Spielberg inszenierte Segment ist leider das am wenigsten spannendste in einem eher mittelmäßigen Film, obwohl es durch Scatman Crothers ('The Shining') und die anderen Schauspieler aber auch ganz unterhaltsam ist.


    Indiana Jones and the Temple of Doom (Indiana Jones und der Tempel des Todes, 1984)
    Trotz der herausragenden Actionszenen zu Beginn und am Ende wirkt der Film ziemlich unrund und unangemessen brutal und düster. Ein Punkt, der ja auch immer wieder kritisiert wurde und wird – zuletzt auch hier im Star-Wars-Thread. Mir stößt dieser schwere Mittelteil auch jedesmal unangenehm auf. Es wirkt ein bisschen, als hätte man in 'Octopussy' ein paar Szenen aus 'Lizenz zum Töten' eingebaut. Vielleicht ist das ja auch dem schockierenden Unfall am Set des Vorgängerfilms geschuldet, und vielleicht wollte Spielberg unter diesem Eindruck Tod und Leid nicht zu cartoonhaft darstellen.


    Immerhin rückte der Film das Problem der Kinderarbeit in den öffentlichen Fokus. Dem Thema Sklaverei blieb Spielberg ja dann auch mit dem nächsten Film treu. Das gesamte Indien-Setting inklusive Ekel-Dinner erinnert stark an den "offiziellen" 83er Bond-Beitrag, wofür sich AVTAK ja dann wiederum an die Minenszenen von 'Tempel des Todes' anlehnte. Eine Art filmischer Dauer-Flirt.

  • So, nach etwas mehr als fünf Jahren (unglaublich, wie die Zeit vergeht...) möchte ich hier mal weitermachen. Es gab zwei Filme, die sich im Verlauf des Marathons als Flaschenhals-Ereignisse erwiesen haben. Der eine war 'Hook', der andere ist 'Schindlers Liste'. Leider sind die fünf Filme, die ich im Anschluss an 'Temple of Doom' gesehen hatte, in der Erinnerung nicht mehr ganz frisch. Inklusive 'Hook', an den ich mich am wenigsten erinnern kann, auf den ich aber auch am wenigsten Lust habe, ihn noch mal anzuschauen.


    Aber erstmal geht es weiter mit zwei Episoden von Amazing Stories, nach dem 'Twilight-Zone-Film ein weiterer Ausflug von Spielberg in phantastische Anthologien. Die Serie wurde von ihm produziert und die meisten Folgen auch von ihm geschrieben. Den Pilotfilm und eine Doppelfolge der ersten Staffel inszenierte er selbst. Daneben bietet die Serie eine illustre Zahl von Regisseuren, darunter Robert Zemeckis, Joe Dante, Clint Eastwood, Peter Hyams, Burt Reynolds, Danny DeVito oder Martin Scorsese. Es hatte schon einen gewissen Reiz, zwei noch unbekannte Werke aus Spielbergs Hoch-Zeit zusehen, auch wenn sie nur sehr kurz waren.


    Amazing Stories: The Ghost Train (Unglaubliche Geschichten: Der Geisterzug ,1985)

    Eine Familie holt den Großvater zu sich nachhause. Dieser freut sich zwar sehr, seinen Enkel wiederzusehen, ist aber wenig davon begeistert, dass sein Sohn das Haus auf der Strecke einer früheren Eisenbahnlinie gebaut hat. Als der alte Mann selbst ein Kind war, ist er auf den Schienen eingeschlafen. Als sich ein Zug näherte, machte der Lokführer eine Vollbremsung, durch die der Zug entgleiste und alle Passagiere starben. Nun ist er von der Idee besessen, dass der Zug noch einmal einfährt, um ihn abzuholen.


    Die Grundidee ist sehr vielversprechend. Leider hat mich die Auflösung dann nicht so ganz überzeugt, auch wenn sie für eine Serienepisode sehr trickreich und aufwändig realisiert ist. Aber es zeigt sich hier schon sehr gut das Grundthema der Serie, ein Plädoyer für den Glauben an das Phantastische, Magische. Es geht häufig um Generationenkonflikte oder auch um klassische Bühnenmagie. Etwa in den Folgen 'The Amazing Falsworth' und 'Mr. Magic' (die ich ehrlich gesagt insgesamt überzeugender und runder fand).


    Amazing Stories: The Mission (Unglaubliche Geschichten: Die Notlandung, 1985)

    Die Folge ist als Zweiteiler angelegt und wurde 1986 noch einmal als Spielfilm veröffentlicht, zusammen mit den Folgen 'Mummy Daddy' (Die Mumie) und Robert Zemeckis' Doppelfolge 'Go the head of the Class' (Der ungeliebte Lehrer) aus der zweiten Staffel. Die Geschichte spielt während des 2. Weltkriegs und dreht sich um die Besatzung eines Bombers. Der wird von Trümmern eines deutschen Flugzeugs getroffen, wodurch der kugelförmige Waffenturm unter dem Rumpf des Bombers so eingeklemmt wird, dass man den jungen MG-Schützen darin nicht herausholen kann. Gleichzeitig wurde das Fahrwerk beschädigt, so dass auf dem Rumpf schliddernd notlanden müsste - was den jungen Soldaten mit Sicherheit töten würde.


    Die Atmosphäre ist hier wirklich außerordentlich gut gelungen und hat etwas von 'Das Boot' in der Luft. Im Prinzip nimmt die Story an Bord einer 'Flying Fortress' der US-Luftwaffe einiges von 'Memphis Belle' (1990) vorweg. Kamera und Ton der Folge gewannen auch einen Emmy. Die Besetzung ist mit Kevin Costner als Captain sowie Kiefer Sutherland hochkarätig. Im Prinzip ist es nach Indiana Jones und 1941 sogar Spielbergs erste ernsthaftere Auseinandersetzung mit dem Thema Zweiter Weltkrieg. Aber ähnlich wie bei 'Der Geisterzug' funktioniert die Schlusswendung für mich nicht so richtig, trotz einer tollen Grundidee und überdurchschnittlichem Handwerk, sondern wirkt etwas 'too much' und gewollt. Vielleicht brauchte Spielberg die massive Größe und Vorbereitung von Kinofilmen, um seinen 'I want to believe'-Ansatz etwas zu erden und glaubwürdig zu machen. Grundsätzlich muss ich auch feststellen, dass mit vielen früheren Anthologie-Serien nicht so richtig warm werde. Das hatte ich auch bei 'Tales from the Crypt'. Die meisten Regisseure neigen hier aufgrund der Kürze zu einer sehr klischeehaften Überspitzung. 'Black Mirror' war eigentlich die erste Serie, die mich vollständig von diesem Konzept überzeugt hat.


    Aber vielleicht geht man auch mit zu hohen Erwartungen an eine Serie von 1985, die damals sicher Maßstäbe setzte und Zuschauer begeisterte. Mal schauen, wie sich die Folgen noch so entwickeln.

    • Offizieller Beitrag

    Da ich die Woche größtenteils mit Grippe darnieder lag, hatte ich mal etwas Zeit hier weiterzumachen.



    The Color Purple (Die Farbe Lila, 1985)

    Der erste von Spielbergs bewusst als künstlerisch anspruchsvoll und nicht als reine Unterhaltung angelegte Film - wenn man von Sugarland Express mal absieht, der ja auch schon eher in Richtung Drama ging. Der Film gefällt mir von diesen historischen Dramen insgesamt mit am besten, da hier der Anspruch und Spielbergs spielerischer Inszenierungsstil noch sehr gut harmonieren. Obwohl er mir als Drama über die Diskriminerung der Schwarzen durch Weiße in Erinnerung war, ist es eher ein Film darüber, dass es auch innerhalb der schwarzen Gemeinschaft Unterdrückung und Gewalt gab, wie hier etwa gegen Frauen. Eigentlich selbstverständlich, weil menschlich, wurde aber seinerzeit wohl als Rassismus kritisiert. Und das, obwohl es auf den Erinnerungen von Alice Walker basiert, die auf Spielbergs Wunsch die historische Genauigkeit des Dreharbeiten überwachte.


    Empire of the Sun (Das Reich der Sonne, 1987)

    Ebenfalls ein Film, der auf einer autobiografischen Vorlage beruht und in einer historischen Epoche angesiedelt ist. Geradezu bombastisch finde ich hier die Massenszenen relativ am Anfang in Shanghai, die man wohl zu den aufwändigsten historischen Massenszenen der Filmgeschichte zählen kann. Sehr beeindruckend auch das Spiel des damals 13jährigen Christian Bale, der schon früh sein schauspielerisches Ausnahmetalent zeigt. Wie immer wartet Spielberg mit sehr schönen visuellen Ideen auf, die hier aber oft wie ein Selbstzweck wirken. Etwa die an sich sehr beeindruckende Szene, wenn Jim die Atombombenexplosion von Hiroshima als eine Art Zeichen höherer Gewalt deutet. Das hat aber auf die Handlung wenig Auswirkungen, da er schon kurz darauf wieder ernüchtert ist.


    Indiana Jones and the Last Crusade (Indiana Jones und der letzte Kreuzzug, 1989)

    Endlich kehrt Spielberg zurück zu reiner Kinomagie, was ihm nach dem enttäuschenden Einspielergebnis von Empire auch wieder an die Spitze der Kinocharts brachte. Spielberg beweist hier, dass der dritte Teil einer Trilogie nicht zwingend der Schwächste sein muss (was George Lucas mit 'Die Rükkehr der Jediritter' nicht ganz gelang). Im Gegenteil, Crusade konkurriert für mich seit Jahren mit dem ersten Indy-Film um den ersten Platz. Die Idee, den strengen Vater eines Kinohelden ins Spiel zu bringen, sorgt für selbstironischen Humor mit Screwball-Qualitäten. Insgesamt leider der letzte Film für mich, der die Spielberg-typische Popcorn-Achterbahn in der bekannten, unglaublich unterhaltsamen Perfektion zeigen. Ab hier zeigt sich zunehmend sein Bestreben, den 'Geruch von Popcorn', wie er selbst nannte, loszuwerden. Das schaffte er zwar, aber er verlor damit auch zunehmend diese einmalige Strahlkraft und Kino-Magie.


    Always (1989)

    An diesem Film, ein Remake eines Kriegsfilms aus den 40ern, zeigt sich wieder Spielbergs Begeisterung für das Fliegen. Aber es ist für mich leider eines der Werke, die nicht so richtig zünden. Wenn man bedenkt, dass ein Jahr später mit 'Ghost' eine Geister-Romanze einen Megahit landete, fragt man sich schon, woran das liegt. Ich denke, die Regie war zu versponnen und selbstverliebt, und mit Richard Dreyfuss und Holly Hunter nicht massenkompatibel besetzt.


    Hook (1991)

    Süßer der Williams nie klingelte... Und ein weiterer Film, mit dem ich wenig anfangen kann. Grundsätzlich tue ich mich eh schwer mit dieser Peter-Pan-Begeisterung der US-Amerikaner. Neben 'The Wizards of Oz' ist das ja eine Art archetypische Erzählung, die sich in Hollywoodfilmen immer wieder findet. Ich finde beide dramaturgisch bei weitem nicht so grandios und universal, wie es von diversen Drehbuchgurus vermittelt wird. Tatsächlich habe ich den Film trotz zweimaligen Sehens schon wieder komplett vergessen. Und für den Marathon war es einer von zwei Bottle-neck-Filmen, die ich lange vor mir her geschoben habe, insofern werde ich ihn wohl kaum ein drittes mal sehen. Spielberg selbst sieht ihn ja auch als einen seiner eher missglückten Filme.


    Jurassic Park (1993)

    Und da war er trotz Unkenrufen wieder, der Popcorn-Magier, und er schlug wieder ein wie ein Asteroid. 'Jurassic Park' stellt in meiner Biographie einen der Filme dar, die mich besonders beeinflusst haben. Und zwar insofern, dass ich den unbedingt sehen wollte, aber niemanden in meinem Umfeld zum mitkommen motivieren konnte. Die kleinen lokalen Kinos hatte alle dichtgemacht, und die neu erbauten Cineplexxe waren alle weiter entfernt. Mit viel Mühe und indem ich Fahrt- und Kinokosten komplett übernahm, konnte ich einen Kumpel schließlich überreden, dafür in ein 70 Kilometer entferntes UCI zu fahren. Der (Neu-)Beginn einer wunderbaren Freundschaft zum Kino, die ich die kompletten 90er hindurch mit mindestens einem Film pro Woche zelebrierte. Tja, ich war jung und das Benzin billig.


    Gemessen an diesem Einfluss fand ich den Film an sich dann gar nicht soo gut wie erwartet. Ich hatte vorher den unter dem Titel 'Dino Park' erschienenen Roman von Michael Crichton gelesen, und fand den wesentlich härter und auch philosophisch und wissenschaftlich viel tiefgehender. Ich weiß noch, dass der Film in einer Jugendzeitschrift als "Der weiße Hai an Land" beworben wurde, und exakt das hatte ich auch erwartet. Okay, manche Szenen gehen schon in diese Richtung, vor allem die T-Rex-Attacke in der Mitte, aber man merkt doch schon deutlich die angestrebte Kompatibilität für die kindlichen Saurierfans. Aus heutiger Sicht ist es aber schon ein moderner Klassiker, und leider auch einer der letzten großen Spielberg-Popcornfilme.


    Schindlers List (1993)

    Das war der zweite Film, den ich sehr lange vor mir hergeschoben hatte. Nicht, weil ich ihn nicht so gelungen finde, sondern weil er eben sehr schwer ist und man dafür in der richtigen Stimmung sein muss. Ich tue mich eh zunehmend schwerer mit Filmen, die drei Stunden und länger sind. Auf der rein handwerklichen Ebene ist er unglaublich beeindruckend und im Prinzip perfekt. Sicher Spielbergs beste Arbeit. Von allen Versuchen, die goldene Schwarz-weiß-Ära Hollywoods wiederzubeleben, finde ich ihn am gelungensten. Einige Einstellungen könnten eins zu eins aus einem der klassischen Noirs der 40er stammen. Auch schauspielerisch sehr beeindruckend, vor allem von Liam Neeson und Ralph Fiennes. Spielbergs Mission, die Kritiker verstummen zu lassen, die meinten, er könne nur Popcorn und sei für dramatischere Stoffe nicht reif genug, war mit diesem Film ultimativ gelungen. Das Wunderkind war so erwachsen geworden, wie man es nur werden kann. Diesen Film im selben Jahr wie 'Jurassic Park' herauszubringen, war schon ein unglaublicher Coup, und zementierte Spielbergs Platz in der Filmgeschichte mit Ausrufezeichen.


    Auf der inhaltlichen Ebene finde ich den Film allerdings nicht so perfekt wie auf der handwerklichen. Komischerweise traut man sich bei diesem Film kaum, Kritik anzubringen. Aber ich glaube nicht, dass ein Thema einen Film automatisch unangreifbar macht. Und es gab ja auch viele prominente Regisseure wie Godard, die den Film kritisierten. Ein Aspekt betrifft etwa die Szene gegen Ende, als ein von Schindler angeforderter Waggon mit Arbeiterinnen irrtümlich im KZ landet, die Waschräume dort sich aber dann doch als normale Waschräume entpuppen. Solche Dinge zur Erzeugung von Suspense zu benutzen, empfinde ich auch als irgendwie unpassend. Auch dass Spielberg ganz allgemein die geschichtlichen Hintergründe benutzt, um eine klassische Hollywood'sche Heldenreise zu zeigen, mit einem strahlenden Helden und einem fiesen Schurken, der am Ende seine gerechte Strafe kriegt, hinterlässt bei mir ein komisches Gefühl. Der Film entlässt den Zuschauer mit einer Art Absolution, die es in der Realität so nie gab. Ich glaube, dass viele Deutsche ihn deshalb so hoch schätzen. Die Kritik, dass der Film hier einen guten Deutschen als Helden präsentiert, teile ich dagegen nicht, denn die gab es nun mal tatsächlich häufiger, als man heute den Eindruck bekommt.


    The Lost World: Jurassic Park (Vergessene Welt: Jurassic Park, 1997)

    Auf den hatte ich mich nach 'Schindlers Liste' richtig gefreut. Ich mag einige Sequenzen, wie den Angriffe der T-Rexe auf den Trailer, und vor allem den T-Rex am Ende in San Diego. Die obligatorischen Kinderdarsteller sind nicht so extremst nervig und man sieht mehr Saurier-Action. Aber insgesamt fällt er doch schon ein ziemlich ab gegenüber dem ersten Film. Lustig finde ich bei den Jurassic-Filmen immer, dass man ständig betont, wie hochentwickelt die Saurier waren entgegen früherer Vorstellungen, aber sie gleichzeitig als extremst blutrünstig darstellt. Wenn man bedenkt, wie übertrieben die Darstellung einer realen Tierart wie weißen Haien bei ihm ist, dann frage ich mich immer, wie das wohl erst bei ausgestorbenen Tieren sein mag.


    Amistad (1997)

    Einer der Filme, zu dem ich mich wieder überwinden musste, aber er hat mir dann doch ziemlich gut gefallen. Die Inszenierung ist wie gewohnt sehr hochwertig, ebenso wie die schauspielerischen Leistungen. Nur den obligatorischen Schlussmonolog von Anthony Hopkins samt Happy End fand ich dann etwas zu erwartet und filmtypisch. Insgesamt hat mich Matthew McConadings mehr beeindruckt. Kritisieren kann man hier natürlich, ähnlich wie bei 'Schindlers Liste', dass die Opfer des historischen Unrechts hier nicht die Helden sind, sondern die typischen Hollywood'schen Männer. Und dass er trotz der Anklage nationaler Schuld letztlich doch ein Hoch auf die US-amerikanischen Werte darstellt. Immerhin hält sich Spielberg aber im Großen und Ganzen an den historischen Rahmen, anders als Kollege Ridley Scott mit seinem Freestyle-Fabulieren etwa.


    Was mir hier etwas negativ aufgefallen ist, ist teilweise die musikalische Untermalung von John Williams, vor allem während des Schlussplädoyers von Hopkins. Die ganze Zeit dudelt pathetische Musik im Hintergrund, was auf mich wirkt wie eine ständig unter das Bild gelegte wehende US-Flagge. Und auf Dauer mich auch einfach gestört hat. John Williams ist ein großer Komponist, keine Frage, aber diesen gottgleichen Status, den er unter Filmmusikliebhabern genießt, habe ich nie wirklich verstanden. (Ist aber wohl größtenteils den religionsartigen Kult um Star Wars geschuldet.) Aber so eine Dauer-Untermalung empfinde ich nicht als dezent oder meisterhaft, vor allem wenn sie das Gesagte und Gezeigte quasi verdoppelt. Der Fachbegriff dafür ist glaube ich Mickymousing. Diese Szene steht für mich exemplarisch für das, was mich an Spielbergs Historienepen oft stört, dass die Emotionen des Zuschauers immer und mit allen filmischen Mitteln in eine exakt vorbestimmte Richtung gesteuert werden sollen. Bei Filmen wie E.T. stört mich das nicht, im Gegenteil, bei differenzierten und tiefergehenden Themen schon.


    Aber abgesehen von dieser vielleicht etwas harsch klingenden Kritik fand ich den Film schon sehr gut. Bei aller Kritik muss man eben bei all seinen Filmen schon sagen, dass sie unglaublich gut gemacht sind.


    Saving Private Ryan (Der Soldat James Ryan, 1998)

    Den habe ich mir mal in 4K gegeben. Rein handwerklich beeindruckt er enorm. Ich glaube, dieses Zusammenspiel aus Pyrotechnik, Maskenbildnerei, Stuntarbeit, Kamera und Schnitt ist hier von allen Antikriegsfilmen am perfektesten umgesetzt. Manche Szenen sind schon splatter-artig, was der Realität des Krieges aber ja leider entspricht. Ich kann mich erinnern, dass einige Zuschauer während der Invasionsszene am Anfang rausgegangen sind. Die ganze Eingangssequenz am Omaha-Beach ist wahrscheinlich die beste und realistischste Umsetzung von Kriegsgeschehen der Filmgeschichte. Leider wird der restliche Film für mich dem nicht mehr ganz gerecht.


    Und da sind wir leider auch hier bei einem Aber. Ich glaube, der Film ist für sehr viele US-Zuschauern aus einem sehr ähnlichen Grund der beste Antikriegsfilm ever, aus dem sehr viele Deutsche 'Schindlers Liste' für den besten Film zum Thema Holocaust halten. Er konzentriert sich auf eine Episode im historischen Gesamtgeschehen, die nicht typisch für die Historie an sich ist. Er blendet bestimmte Teile der Geschichte bewusst aus, zeigt innerhalb dieses gesteckten Rahmens aber enormes Leid, so dass man zwar mit dem Gefühl aus dem Kino kommt, hier Geschichte so realitätsnah wie möglich erlebt zu haben, gleichzeitig aber mit einer Art Katharsis und Absolution, wie sie die typischen Hollywoodmärchen bieten. Der Teil der Geschichte, den 'Der Soldat James Ryan' vollständig ausblendet, sind Gräueltaten an der Zivilbevölkerung durch Soldaten. Die einzige Szene, die dem vielleicht am nächsten kommt, ist die Episode, wenn der Trupp auf ein zerstörtes Wohnhaus trifft und Eltern ihnen ihre kleine Tochter anvertrauen wollen. Aber das, was bei Filmen wie 'The Deer Hunter', 'Platoon' oder 'Die Verdammten des Krieges' erschütternd thematisiert wird, wird hier praktisch vollständig ausgeblendet. Und deshalb kann er für mich nicht die Auszeichnung 'Bester Antikriegsfilm' bekommen.


    Trotz all der extremen Gewalt ist der Film im Kern doch ein Heldengesang auf Opferbereitschaft und Kameradschaft, und damit sicher ganz im Sinne des US-Militärs. Dass man als ein guter aufrechter Mensch aus dem Krieg kommen kann, das zentrale Element hier, steht in völligem Gegensatz zu Filmen wie etwa 'Full Metal Jacket'. Tom Hanks ist praktisch das Idealbild eines Captains im Krieg, dem gegenüber steht der unmenschliche Hunne, der einmal theatralisch um sein Leben fleht, dann aber heimtückisch einem GI das Messer reinrammt. Damit schafft der Film seltsamerweise das Gegenteil von dem, was 'Schindlers Liste' auszeichnet, eine differenzierte Darstellung von Deutschen jenseits der üblichen Hollywood-Schurkenklischees.


    Aber auch hier klingt das als Kritik vielleicht etwas zu hart, denn insgesamt ist der Film ebenfalls sehr sehenswert und weit über dem Durchschnitt.



    Damit bin ich erstmal durch mit Spielbergs Streber-Phase. Jetzt freue ich mich erstmal auf ein paar etwas leichtere Werke.

  • Vielen Dank für Deine Reviews. Ich kenne zwar nicht alle Filme und selbst "Jurassic Parc" habe ich erst etwa vor 8 Jahren zum ersten Mal gesehen :S . Als ersten Film dieser Reihe habe ich tatsächlich "Jurassic World" mal während eines Transatlantikfluges gesehen ;) . Und dann später auch The Lost World - das war im Vergleich zum ersten Teil tatsächlich stark inferior. Aber so was gab's ja nicht zum ersten Mal in der Filmgeschichte.


    Interessant Deine Anmerkungen zu "Schindler's List" und "Saving Private Ryan". Beide Filme habe ich schon sehr lange nicht mehr gesehen - wohl primär deshalb, weil es mir einfach zu schwere Kost ist. Ich habe mir das im Detail nie so genau überlegt, kann Deiner Kritik aber durchaus zustimmen

  • Danke für die ausführliche Darstellung, Martin! :thumbup:


    Hier mal meine Top 10 zu Spielberg;


    01. Duell

    02. Der weiße Hai

    03. Jurassic Park

    04. Indiana Jones und der letzte Kreuzzug

    05. Jäger des verlorenen Schatzes

    06. Indiana Jones und der Tempel des Todes

    07. Catch me if you can

    08. Schindlers Liste

    09. E.T.

    10. Unheimliche Begegnung der dritten Art

  • Weiter geht es mit den Nullerjahren:


    A.I. Artificial Intelligence (2001)

    Hier trafen sich zwei Legenden des Kinos. Stanley Kubrick bat Spielberg, sein letztes Filmprojekt umzusetzen, da er Zweifel hatte, die Emotionalität des Stoffes adäquat umzusetzen. Was mich ein bisschen wundert, denn in seinen frühen Filmen wie 'Paths of Glory' oder 'Spartacus' hatte er ja diese doch sehr gut vermitteln können.


    Obwohl Spielberg schon drei ikonische SF-Filme geschaffen hatte, ist 'A.I.' sein erster Ausflug in die Zukunft. Eine gewisse Ironie dabei ist das Erscheinungsjahr 2001, für das Kubrick ja Weltraumtourismus und bemannte Flüge zum Jupiter vorhergesagt hatte. In ähnlicher Weise wird man in der entsprechenden Zeit sicher über A.I. lächeln. Das geht schon mit den Twin Towers im überfluteten New York los, die Wochen nach dem Filmstart bereits Geschichte waren. Das sagt schon einiges aus über die Brauchbarkeit von Zukunftsvisionen. Ich schätze, mit den Waterworldszenarien dieser Zeit könnte es ähnlich aussehen. Wobei andererseits das Thema AI - eine Abkürzung, die damals noch ungewohnt war und heute jeder kennt - mit all seinen ethischen Fassetten sehr vorausschauend beleuchtet wird.


    Damals im Kino war ich letztlich sehr enttäuscht. Nach einer grandiosen ersten Hälfte, die der Magie von Spielbergs frühen Filmen sehr nahe kommt, ging der Film immer und immer weiter, und nahm immer absurdere Wendungen, bis schließlich Aliens aus der Zukunft ein Happy End erzwangen. Mein jetziges Urteil ist da etwas milder. Zum einen, weil man mittlerweile gelesen hat, dass die Aliens eigentlich die weiterentwickelten Androiden sein sollen. Zum anderen ist das "Happy End" ja eigentlich gar nicht so happy, sondern hat schon eine gewisse Tragik. Mein Eindruck einer wesentlich gelungeneren ersten Hälfte ist aber gleichbleibend. Es scheint, dass dieser Teil noch von Kubrick stammt, und der Rest dann von Spielberg. (Tatsächlich ist aber die gesamte Story schon von Kubrick.) Was den familiären Teil des Films so gut macht, ist neben dem wirklich überragenden Spiel von Joel Haley Osment auch der Umstand, dass die Zukunft und ihre Technologien sich hier nicht so in den Vordergrund drängen. Die Geschichte könnte in zehn Jahren spielen oder in 50. Nachdem David ausgesetzt wurde, überschlägt sich der Film dann aber mit bizarren Zukunftsvisionen, angefangen von einem seltsamen mond-artigen Ballon, vermutlich eine Selbstreferenz Spielbergs.


    Das Ende in der Zukunft leidet auch aus heutiger Sicht zum einen an der Übertreibung, dass 2000 Jahre nach den Ereignissen die Menschheit samt Tierwelt komplett ausgestorben sein soll und die Ozeane bis zum Grund (!) gefroren. Zum anderen sehen auch die Alien-Androiden FX-technisch nicht so überzeugend aus. Und die Handlung zieht sich auch ziemlich hin. David taucht zum Grund, wird gerettet, taucht dann wieder, etc. Das hätte man deutlich straffen können. Immerhin funktionierte diesmal das Ende als Science-Fiction-Variante eines Märchens.


    Was mir an dem Film sehr gefällt, sind nicht nur die vorausschauenden Warnungen im Umgang mit KI. Eigentlich geht es im Film sogar weniger um das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine, sondern mehr um die Verantwortung, die man übernimmt, wenn man Kinder in die Welt setzt. Deren Liebe kann man nicht einfach abschalten, und wenn sie nicht erwidert wird, pflanzt sich das Trauma über Generationen hinweg immer weiter fort.


    Insgesamt hat der Film gegenüber dem Kinobesuch 2001 schon deutlich gewonnen, auch wenn er nicht unbedingt das Beste aus den beiden Welten Spielbergs und Kubrick darstellt. Und hier gibt es, ähnlich wie in 'Catch Me If You Can' später, eine kleine Anspielung auf James Bond - in Form der Suchmaschine Doctor Know.



    Minority Report (2002)

    Und gleich darauf der zweite Ausflug in die Zukunft. Auf den hatte ich mich richtig gefreut, und ich hatte ihn auch als sehr gut in Erinnerung. Und tatsächlich ist es ein phantastisch geschriebener, inszenierter und gespielter Science-Fiction-Thriller - bis auf das Ende. Dazu später mehr. Hier arbeitete Spielberg erstmals mit Tom Cruise zusammen, der mit seinem Superstar-Status den Film auch sehr gut trägt. Cruise war hier nach 'Magnolia', 'Eyes Wide Shut' und den beiden Mission-Impossible-Erfolgen auf einem Karriere-Höhenflug. Auch Colin Farrell ist gut als ermittelnder Cop. (So richtig überzeugt hatte mich Farrell als Darsteller aber erst später mit 'Brügge sehen und sterben'.) Herausragend fand ich damals wie heute aber Samantha Morton.


    Faszinierend ist 20 Jahre später, mit wie vielen Dingen der Film richtig lag. Vor allem die Weiterentwicklung der Computertechnologie mit Touch-Screens und Flachbildschirmen wirkt, im Gegensatz zu vielen anderen SF-Filmen, immer noch überzeugend. Aber auch vollautomatisierte Autofabriken, Genmanipulation und allgegenwärtige Überwachung wirken unangenehm vorausschauend. Auch insgesamt überzeugt mich die Optik. Spielberg wandte hier wie in 'Soldat Ryan' den Effekt der Bleichauslassung an, der die Bilder intensiver und körniger aussehen lässt.


    Leider hinterlässt das Finale - genau wie damals im Kino - einen etwas trübenden Nachgeschmack. Ich weiß nicht, ob Spielberg das bewusst ambivalent und etwas ironisch gestaltet hat. Anderton wird gefangen genommen und in den Wachkoma-Knast gebracht, und der Wärter sagt noch, dass die meisten Gefangenen in einer Art ständigen Traum die Erfüllung ihrer Wünsche erleben. Und tatsächlich wirken die nachfolgenden Szenen genau so. Seine Frau wird zur toughen Hobbypolizistin, durchschaut den Bösewicht und holt Anderton aus dem Knast. Die Schurken erhalten ihre gerechte Strafe und die Pre-Cogs leben glücklich in einem sonnendurchfluteten Häuschen am See. Da Spielberg auch schon in A.I. ein, aus meiner Sicht, aufgesetztes Happy End fabriziert hatte, wirkte das hier auf mich ebenfalls unglaubwürdig und gewollt. So als ob er unbedingt seinen Ruf als "Träumer und Märchenerzähler des Kinos" wahren wollte. Wenn er es allerdings tatsächlich ambivalent haben wollte mit der Möglichkeit des Traumes, macht es das für mich leider nicht unbedingt besser.


    Was mich ebenfalls an diesem Happy End stört, ist dass das Pre-Crime-Programm vollständig eingestellt wird. Der Film stellt hier eine falsche Wahl zwischen einem perfekten System vor, oder einem imperfekten und damit unmenschlichen. Aber es ist letztlich nur ein einziger Fall, in dem es manipuliert wurde, und selbst in einer unperfekten Form rettet es immer noch tausende von Menschenleben. Der Film stiehlt sich damit auf eine intellektuell etwas unredlich wirkende Weise aus seinem anfänglich gestellten moralischen Dilemma. Abgesehen von diesem Wermutstropfen ist es perfekt inszenierter Thriller mit einem bis dahin oscarreifen Drehbuch.



    Catch Me If You Can (2002)

    Im selben Jahr wie 'Minority Report' veröffentlichte Workoholic Spielberg auch noch dieses Werk, das insgesamt auf mich wesentlich runder als die beiden Vorgänger wirkt. Und auch wesentlich leichter und beschwingter. Leonardo Di Caprio ist absolut perfekt besetzt als Hochstapler, dem man einfach nicht böse sein kann. Grandios auch wie immer Christopher Walken, der für die Rolle auch mehrere Preise bekam.


    Da Spielberg selbst sich ja als Jugendlicher einfach in einem leeren Büro auf dem Studiogelände einmietete und so tat, als arbeite er dort, hat die Story auch einen gewissen autobiografischen Aspekt, der zusätzlich durch die traumatisierende Scheidung der Eltern verstärkt wird. Vielleicht ist der Film hier eine Art Vorstudie zu The Fabelmans, mal schauen.


    Genial sind für einen Bondfan natürlich die Sixties-Atmosphäre im Allgemeinen und die Goldfinger-Hommage im Besonderen. So kriegt man einen kleinen Einblick, wie sich ein Bondfilm von ihm angefühlt haben würde. Insgesamt der vielleicht perfekteste Film von ihm in den 00er Jahren.



    Terminal (2004)

    Nach dem Doppelback düsterer Zukunftsvisionen mit A.I. und MR gibt es hier nun ein Doppelpack leichtfüßiger Komödien im Stil beschwingter Jazz-Fingerübungen. Terminal wirkt inspiriert von der spielerischen Leichtigkeit und dem altmodischen Charme von Ernst Lubitsch oder Billy Wilder. Ein großer Pluspunkt ist, dass sich Spielberg hier trotz dieser Beschwingtheit dafür entschieden hat, kein verzuckertes Rundum-Happy-End zu liefern, sondern die Liebesgeschichte mit C.Z. Jones unglücklich zu beenden.


    Trotzdem gefällt mir der Film insgesamt nicht so gut wie der Vorgänger. Die Figuren und die Situationskomik wirken auf mich oft etwas zu künstlich und gewollt. Dass sich zum Beispiel eine Frau wie Officer Torres in irgendeinen Hilfsarbeiter verliebt, funktioniert so wohl nur im Spielberg-Universum. Oder auch, dass sich der sonst ziemlich egoistische Putzmann am Ende verhaften lässt. Und dass Tom Hanks keinerlei Freunde und Familie in seinem Heimatland zu haben scheint und nur wegen eines sehr abstrakten Versprechens kurz nach New York will. Die kalte und auf Dauer deprimierende Sterilität des Mikrokosmos Flughafen ist gut eingefangen, wirkt sich aber auch ein bisschen zu Ungunsten des Films aus. Davon abgesehen aber ein recht kurzweiliger und spaßiger Film.



    War of the Worlds (Krieg der Welten, 2005)

    Und es folgt wieder ein Doppelpack düster-pessimistischer Filme. 'Krieg der Welten' ist vielleicht sogar Spielbergs düsterster Film nach 'Schindlers Liste', was als Verarbeitung von 9/11 auch nicht verwundert. Obwohl der Film einer der erfolgreichsten 2005 war und gute Kritiken erhielt, wird er heute oft eher negativ gesehen. Ich finde ihn allerdings sehr gelungen, da er es schafft, sowohl zeitgenössische Stimmungen umzusetzen als auch sowohl die Atmosphäre des Romans von H.G. Wells als auch der berühmten Verfilmung von 1953 sehr gut in die Gegenwart zu übertragen. Die Sequenz mit dem verrückten Ogily ist beispielsweise aus dem Roman übernommen. Ich denke, besser könnte man das Feeling des Romans nicht modern umsetzen.


    Insgesamt wirkt der Film wie ein kompletter Gegenentwurf zu 'Close Encounters', was viel über die Veränderung des jeweiligen Zeitgeists aussagt. Das ohrenbetäubende Dröhnen, mit dem sich die Tripods verständigen, wirkt insofern auch wie eine böse Version der musikalischen Völkerverständigung am Ende von CEotTK. Auch sonst erschafft Spielberg düstere Bilder irgendwo zwischen Hyronimus Bosch und Lynch, mit dem brennenden Zug, den im Fluß treibenden Leichen, herabfallenden Kleidungsstücken oder dem als Dünger versprühten Blut.


    Dakota Fanning hatte mich damals im Kino eher genervt, diesmal empfand ich ihre schauspielerische Darbietung aber doch als recht beeindruckend. Tom Cruise überzeugt mich ebenfalls. Wermutstropfen ist aber auch hier etwas zu viel Happy End zum Schluß. Georg Seeßlen hat sich zu diesem fast schon pathologischen Hang zu angeklebten Happy Ends geäußert und trifft es wohl sehr gut: "Aber Spielberg ist unfähig, sich tiefer auf seinen eigenen Alptraum, seine eigene Diagnose seines Landes einzulassen. Er kann nicht anders, er muss das Rettende inszenieren, und er inszeniert es, als hätte er Angst vor sich selber bekommen, das macht es auf absurde Art authentisch. In seiner schon wieder so kitschigen Errettungsphantasie spürt man immer noch das kleine Kind, Steven Spielberg in der Vorstadt, das die Eltern streiten hörte. In Krieg der Welten fasst Steven Spielberg nicht nur sein filmisches Werk noch einmal zusammen, sondern auch sein großes Dilemma."


    Interessant ist zumindest im Licht von Spielbergs Biographie, dass er hier die Perspektive des Vater einnimmt, der sich von seiner Familie entfremdet hat. Neben 'Catch Me' ist es für mich auf jeden Fall Spielbergs überzeugendster Film der 00er.



    Munich (München, 2005)

    Im selben Jahr erschien dieser ebenfalls eher pessimistische und brutale Spionagethriller. Man kann nur staunen über das unglaubliche Output von Spielberg. Und man fragt sich manchmal, ob etwas mehr Zeit für den jeweiligen Film oft nicht besser gewesen wäre. München hinterließ diesmal auf mich einen ähnlich zwiespältigen Eindruck wie seinerzeit im Kino. Ähnlich wie bei 'Catch me if you can', 'Terminal' und 'Krieg der Welten' ist es auch hier ein Stoff, der bereits schon einmal von mindestens einem anderen Film erzählt worden ist. Der Film beruht auf einem Buch, dessen Historizität sehr umstritten ist, und das im Film Gezeigte wirkt auf mich dann auch nicht authentisch. Dass der Mossad, der wahrscheinlich effektivste und skrupelloseste Geheimdienst der Gegenwart, eine derartig amateurhafte Gurkentruppe losschickt, um Attentäter zu jagen, die Israelis in Deutschland ermordeten, wirkt auf mich ähnlich realitätsnah wie aus Bernstein-Insekten geklonte Saurier.


    Dazu kommt, dass mir letztlich kein Charakter des Films wirklich sympathisch ist, und überhaupt keine der Seiten. Eric Bana hat mich allgemein nie so richtig mitgerissen, obwohl er mich hier in seiner Siebziger-Aufmachung sehr oft an Lazenby in OHMSS erinnert. Craig kann ich mittlerweile nur noch mit Mühe ertragen, und auch die restlichen Darsteller ragen nicht unbedingt heraus. Interessant sind immerhin Hugo Drax und Dominic Greene als Vater-Sohn-Gespann. Ein großer Pluspunkt ist die Siebziger-Jahre-Atmosphäre, die sehr aufwändig umgesetzt wurde. Spielberg kehrt hier ja ins Jahr 1972 zurück, in dem sein erster Film 'Duell' ins Kino kam. Im Gedächtnis bleibt auch der Mord an einer Auftragskillerin in Amsterdam.


    Man merkt dem Film deutlich an, dass er im Jahrzehnt von Bourne entstand. Geheimdienste werden als amoralisch und ineffektiv dargestellt, Agenten als semi-soziopathisch - was sicherlich auch alles der Realität entspricht - oder von Zweifeln an ihrem Job zerfressen und korrumpiert. Hätte Craig hier die Hauptrolle gehabt, würde der Film wie eine Vorwegnahme seiner gesamten Ära wirken. Junger Haudrauf wird mit Attentaten beauftragt, kriegt Zweifel und wird am Ende Opfer seiner eigenen Paranoia. Immerhin gibt es hier am Ende nicht Zuckerguss mit der Holzkelle, sondern eine bedeutungsschwangere Schlusseinstellung, die für mich in ihrer Aussage aber auch eher fragwürdig ist.



    Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull (Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels, 2008)

    Gegen Ende des Jahrzehnts kehrte Spielberg in sein ureigenes 'Königreich' zurück, den high-end-produzierten Popcorn-Blockbuster. Und enttäuschte leider so ziemlich auf ganzer Linie. Die Schwächen des Films wurden ja schon hinreichend besprochen. Zuviel CGI - obwohl es besser aussieht wie in manch anderem Film dieser Zeit -, zu viele Schauplätze, die gefaket oder beliebig aussehen, ein völlig abstruses Grundkonzept, lächerliche Ideen wie 'nuke the fridge', etc. pp. Verglichen mit den ersten drei Indy-Filmen, die in puncto Timing etc. perfekt sind, wirkt die Inszenierung hier manchmal fast schludrig. Zu Gute halten muss man Spielberg wohl, dass es drehbuch-technisch, ähnlich wie bei 'Temple of Doom', ein reiner Freundschaftsdienst gegenüber George Lucas war und er dessen völlig selbstüberschätzten dramaturgischen Ambitionen folgte.


    Dabei ist der Anfang noch sehr vielversprechend. Die Idee, dass die Bösen auf dem Weg zu ihrem Verbrechen von Normalos angesprochen und für Gute gehalten werden, ist sehr ähnlich dem Anfang von 'München', wo andere Sportler den Attentätern noch helfen. Auch der Kampf im Lagerhaus und die Episode auf dem Atomtestgelände sind klassisch Indy. Das mit dem Kühlschrank ist dann zwar eine nette Anspielung auf das ursprüngliche Drehbuch von 'Zurück in die Zukunft', aber übertreibt es doch etwas mit der Glaubwürdigkeit. Diese in der Reihe zu beobachtende zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber den eigenen Filmgesetzmäßigkeiten nervt hier und auch im Nachfolgerfilm. So nach dem Motto 'Hey, das Ganze ist doch eh märchenhaft und abstrus, also warum nicht noch Aliens, quer durch die Wüste fliegende Kühlschranke, Zeitreisen, etc... So eine Einstellung führt dann zu Filmen wie DAD.


    Trotzdem finde ich den vierten Teil unterm Strich immer noch besser als den fünften. Harrison Ford nehme ich die Action noch ab, er wirkt immer noch charmant und spitzbübisch, und ist kein Grummelgreis. Er ist noch Herr der Lage, und muss nicht von irgendeiner Dumpfbacke k.o. geschlagen und nachhause getragen werden. Und ähnlich wie bei diversen Bondfilmen machen auch die eher doofen Ideen und mäßigen Effekte immer noch einen leicht trashigen Spaß. Ich frage mich aus heutiger Sicht, warum man nicht noch ein bisschen mehr Mühe in diesen Film investieren konnte, denn rein von der Story um Marion ist es ein gelungener und würdiger Abschluss. Oder warum Spielberg nicht nach nicht ganz so langer Zeit wieder ein eigenes Drehbuch als Abschluss realisierte. Unterm Strich wirkt er für die Art von Popcorn-Kino mittlerweile zu unmotiviert.



    Mit Kristallschädel endete auch die Zeit, in der ich Spielberg-Filme obligatorisch im Kino gesehen habe. Die Tim-und-Struppi-Verfilmung wirkte auf mich uninteressant und eher wie diese überambitioniert vorangetriebenen CGI-Filme von Robert Zemeckis. Und auch sonst hatte ich seinerzeit das Gefühl, dass Spielberg sein Mojo verloren hatte und eher durchschnittliche Filme dreht. Insofern beginnt ab hier mit Ausnahme von 'Gefährten' und 'Ready Player One' komplettes Neuland.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!