Welcher Darsteller hatte in seiner Ära eigentlich die größten Widersprüche und Gegensätzlichkeiten?
Bei Connery gab es maskuline Aktivität (DN, FRWL) und große Passivität (GF, YOLT), bodenständige Ernsthaftigkeit (FRWL) und fast vollständige Märchenhaftigkeit (YOLT) sowie selbstparodierenden Camp (DAF). Schauspielerisch entwickelte sich Connery von einer authentischen, ambitionierten Darstellung in DN und auch noch FRWL hin zu einer fast vollständigen ironischen Distanz in DAF und NSNA.
Wirklich ernsthaft wurde es bei Moore dagegen nie, auch nicht mit FYEO. Von der Handlung, dem Bedrohungspotential und dem Anteil der fantastischen Elemente her stehen MR und FYEO allerdings schon an entgegengesetzten Enden des Spektrums. In der Darstellung sehe ich eine sarkastische Skrupellosigkeit auf der einen Seite (trickreiche Verführung einer Jungfrau in LALD, Gewalt und sexuelle Nötigung gegenüber Andrea in TSWLM) und ein Verantwortungsgefühl gegenüber Partnerinnen auf der anderen (Bibi und Melina in FYEO, Stacy in AVTAK).
Dalton schaffte mit seinen gerade mal zwei Filmen schon ein beachtliches Spektrum zwischen eher albernen und augenzwinkernden Szenen und gnadenloser Härte. Er bewegte quasi sich aus dem Moore-Universum in das Craig-Universum innerhalb von nur zwei Filmen. TLD wirkt insgesamt auch eher verspielt und mit dem typischen Glamour, während LTK durch sein US-Setting und der fehlenden Selbstironie eher profan und nüchtern rüberkommt.
Brosnan blieb dagegen innerhalb relativ gleichbleibender Parameter. Bei ihm finden die Extreme eher innerhalb der einzelnen Filme statt, von Trauer zu Ironie (TND) oder rauher Härte zu völligem Camp (DAD). Schwer zu sagen, welche seine beiden unterschiedlichsten Filme sind. In Bezug auf Anspruch und "Geballer" sehe ich einen relativ großen Bruch von TND zu TWINE, der mit DAD dann wieder rückfällig wurde.
Ich tendiere deshalb fast zu Craig. Man sah ihn noch relativ jung und draufgängerisch am Anfang seiner Karriere (CR) und ausgebrannt und müde gegen Ende derselben (SF). QOS ist der mit Abstand schnellste und hektischste Film der ganzen Reihe, SF dagegen sehr langsam geschnitten, episch lang und teilweise fast meditativ. Klassische, konservative Filmhandwerkskunst gab es in CR, wohingegen QOS sehr experimentell und progressiv ist. Und schließlich gibt es wohl eher unfreiweillig einen enormen Gegensatz zwischen einem intelligenten, selbstreflexiven Ansatz mit gewisser psychologischer Komplexität und Tiefe sowie ein subtiler Subtext in QOS und SF, und Camp mit platten, repetitiven Dialogen in SP. Rein bezogen auf das funktionierende, befriedigende Filmerlebnis stehen für mich CR und SP an fast entgegengesetzten Enden. Man hat bei SP leider das Gefühl, dass ein entscheidender Faktor abhanden gekommen ist. Das Hirn will Futter, kriegt aber keins. Der Craig-Ära kann man auf jeden Fall wohl am wenigsten vorwerfen, ein Schema des vorherigen Films zu kopieren.
Die obligatorische Liste sieht so aus:
1) Ära Daniel Craig (2006 bis Gegenwart)
(größer Kontrast: QOS und SP)
2) Ära Sean Connery (1962 bis 1971/1983)
(größer Kontrast: FRWL und DAF)
3) Ära Timothy Dalton (1987 bis 1989)
(selbstredend)
4) Ära Roger Moore (1973 bis 1985)
(größter Kontrast: MR und FYEO)
5) Ära Pierce Brosnan (1995 bis 2002)
(größter Kontrast: TWINE und DAD)