DER FILM: Dr. No

  • DN ist wohl der stillste Bondfilm in puncto Musikuntermalung. Eigentlich gibt es neben dem Bondthema nur drei kleinere Liedchen (Three Blind Bice, Mango Tree, Jump Up), von denen nur der Mango Tree öfter instrumental eingesetzt wird. Mir fiel aber auf, dass der Soundtrack deutlich umfangreicher ist. Dort erscheinen z.B. fetzige Titel wie Jamaican Rock und Twisting mit James, die im Film leider nicht eingesetzt werden. Finde ich sehr schade, denn das hätte die Atmosphäre noch verstärkt. Weiß jemand warum der Soundtrack vom Film abweicht?

    Whisper, das Tor! Aber langsam Whisper, langsam. Unsere Gäste sollen Zeit haben, sich zum Dinner zu versammeln.

  • Nachtrag: im englischsprachigen Wikipedia werden alle 18 Tracks des Soundtracks aufgelistet. Bei 7 steht in Klammern "unused" dahinter:


    3. "Jamaican Rock" (not heard in the film, a possible unused title track)

    7. "Twisting with James" (a version of "Dr. No's Fantasy" unused in the film)

    8. "Jamaica Jazz" – (unused in the film, an instrumental of "Jump Up")

    9. "Under the Mango Tree" – (Instrumental unused in the film)

    11. "Dr. No's Fantasy" (unused in the film)

    15. "The Boy's Chase" (unused in the film; Norman recalled it was written for the car chase when Bond is driven from the airport)

    17. "The James Bond Theme" (an unused instrumental version of "Dr. No's Fantasy")


    Warum Nr. 9 als "unused" deklariert wird verstehe ich allerdings nicht. Der Mango Tree wird ja schließlich im Film instrumental dargeboten (ich meine sogar mehrfach).


    Trotzdem schade, dass dem Film viele schöne Stücke vorenthalten wurden. Gerade die Musik spielt für mich in den Bondfilmen eine wichtige Rolle und trägt stark zur Atmosphäre der Filme bei.

    Whisper, das Tor! Aber langsam Whisper, langsam. Unsere Gäste sollen Zeit haben, sich zum Dinner zu versammeln.

  • Im Zuge meines diesjährigen Bondembers war gestern Dr. No dran, deshalb eine Review von mir ;)

    Als eine meiner Freundinnen vor ein paar Jahren vom Bondember inspiriert war, schenkte sie ihrem Mann eine DVD-Gesamtausgabe - und dann begannen sie chronologisch. Nach DN wars dann aber schon wieder vorbei und sie diskutierte mit mir über Sexismus und Feminismus.


    Oh, forget about the girls once, Bond!

    Ehrlich gesagt kann ich das immer noch nicht so richtig nachvollziehen... Gerade Bonds erste Dame Sylvia Trench ist nicht nur für die frühen 60er eine extrem unabhängige Frau. Ein derart direktes Verführungsangebot würde in einem aktuellen Film vermutlich als empowerment gefeiert. Sylvia weiß genau, was sie will. Und sie hat keinerlei Probleme, das zu artikulieren (und zu bekommen).

    Honey Ryder kommt im Roman (dort Honeychile Rider) deutlich besser weg: Bond gesteht ihr dort nämlich zu, dass es Dinge von Bedeutung gibt, von denen er keinerlei Ahnung hat (und geht keineswegs arrogant oder herablassend mit ihr um) - hier hat sie auch die rettende Idee mit dem Schilfrohr. Eine meiner Lieblingsszenen ist Honeys Badeszene im Hauptquartier von Dr. No - die im Film dann leider zu einer sehr, sehr unerotischen Dekontaminierungsprozedur verkommt. Wie Tiffany aus DAF hat auch Honey eine Missbrauchsvergangenheit - aus der sie sich selbstständig befreit hat. Dass sie im Roman eine schiefe, weil gebrochene Nase hat, die Bond immer attraktiver findet, je länger er mit ihr zu tun hat, gehört für mich ebenfalls zu den kleinen Besonderheiten der Romane.

    Im Film ist sie halt einfach naives Eye Candy. Allerdings hätte man auch hier aus dem "male gaze" mehr rausholen können. Trotzdem: Die Bikiniszene ist natürlich absolut ikonisch! (wusste schon Botticelli, auf die sie sich bezieht).


    Miss Taro, nun ja... Auf die hätte ich wirklich verzichten können, insbesondere weil sich Bond ihr gegenüber im Film wirklich wie ein sexistischer Ar*** benimmt. Aber vermutlich nehmen sich da beide nix.


    I take pleasure in great beauty:

    Ich bin immer überrascht, wie früh viel vom Filmdesign und der Handlung schon steht, wenngleich man in DN natürlich sieht, dass es bis FRWL bzw. GF noch einiges an Entwicklung gab: Gunbarrel, Punkte, tanzende Menschen (hier ja noch mit Männern), Bondformel mit 3 Mädels, geschüttelter Martini, herrlich ausgestaltete Setdesigns im Haus des Bösewichts (sogar der Kamin von Dr. No ist realistisch oben geschwärzt!), ikonische Kleider...


    Bang Bang:

    Ja, ein paar Stunts sind schlecht gealtert und die eingeblendete Autoszene (durchaus Standard in zeitgenössischen Filmen!) sowie der Kinnhaken Bonds gegen seinen Fahrer vom Flughafen gehören dazu - allerdings wäre es mehr als unfair, einen über 60 Jahre alten Film mit heutigen Filmen mit entsprechenden Möglichkeiten zu vergleichen. Und vor diesem Hintergrund finde ich einige Stunt und Explosionen trotzdem ziemlich spektakulär, zumal im Vergleich zu zeitgenössischen Werken - haben die eigentlich ein echtes Auto in die Schlucht gestürzt?!


    Bond and some sentimental rubbish:

    Ich mag es, dass Bond hier richtig ermittelt, seine Hausaufgaben sehr ordentlich macht und dass man so viel vom 60er-Jahre-Kingston sieht.

    Bond schwitzt, blutet und zerhaut sich richtig seine Klamotten (noch wird kein Anzug ruiniert, daher komme ich klar damit :saint: )


    Die Charakterisierung von Bond finde ich allerdings nicht gut gelungen, da konnte man sich irgendwie nicht so richtig entscheiden. Wenn sich seine Arroganz und sein Egoismus durchgezogen hätte, hätte ich damit weniger ein Problem gehabt.

    So aber benimmt er sich zwar in der Regel arrogant und egoistisch (beginnend mit der Kippenszene im Casino, in den 60ern eine absolut unerhörte Provokation) - außer an einigen Stellen, in denen der Flemingsche Bond wieder völlig unmotiviert erscheint: Dass Connery-Bond beispielsweise unter Lebensgefahr Honey aus ihrer Fesselung im/am Wasser (wie kommt sie da überhaupt hin?! Und warum?!) ist deutlich Fleming - und passt nicht zu Connery-Bonds vorherigem Verhalten.

    Ähnlich stört mich auch seine quasi nicht vorhandene Reaktion auf den Tod von Quarrel (den ich, weil ich kurz gezwinkert (!) habe, auch gar nicht richtig gesehen habe - es scheint einfach im Film sehr deutlich so, als wird er halt nicht mehr gebraucht und dann rausgestrichen).


    Weniger Probleme habe ich mit dem Erschießen von Professor Dent: Er greift Bond an und wird dann (von vorne!) erschossen. Ob er im betreffenden Moment noch eine Waffe hat oder von Bond kurz vorher entwaffnet wurde, spielt meines Erachtens keine Rolle. Den zweiten Schuss in den Rücken hätte es ggf. nicht mehr gebraucht. Aber mein Mitleid hält sich in Grenzen.


    No, I´m just looking:

    - Felix "It´s never to dark to be cool" "Drop it" "Deus ex machina" Leiter. Oh, (John) Lord! :love: Seine Einführung, in der Bond ziemlich dumm aus der Wäsche kuckt, ist megalässig, und, sorry, James: Die bessere Figur macht er auch 8) (wobei ich auch deutlich sagen muss, dass Connery nun überhaupt nicht mein Typ ist. Was nicht bedeutet, dass ich ihn für einen schlechten Bond halte.)


    Fazit:

    Nicht mein absoluter Bond (Dr.) No (One) und ich würde ihn auch nicht als Einstieg empfehlen - aber: Filmhistorisch und auch für das Franchise absolut wegweisend (und je mehr man über Bond weiß, desto mehr Spaß macht es, ihn zu sehen :love: )

  • weil sich Bond ihr gegenüber im Film wirklich wie ein sexistischer Ar*** benimmt

    Nunja, sie wollte Bond so lange hinhalten, bis Dent ihn erschießen kann. Da ist eine Reaktion wie ein sexistisches Ar*** noch das mindeste. ;)

    Ich bin immer überrascht, wie früh viel vom Filmdesign und der Handlung schon steht

    Ken Adam begeistert mich immer wieder aufs Neue. Sensationell, wie er das Tarantel-Set ohne Inhalt konzipiert hat, weil hierfür kein Budget mehr da war. In bester Adam-Manier ohne dass man die genaue Architektur des Raumes versteht. Diese Stimme aus dem Off ("Mich warnen?") hat mich schon als Kind fasziniert.

    Zu Ken Adam empfehle ich das Buch James Bond, Berlin, Hollywood - Die Welten des Ken Adam.

    Ich mag es, dass Bond hier richtig ermittelt, seine Hausaufgaben sehr ordentlich macht und dass man so viel vom 60er-Jahre-Kingston sieht.

    Geht mir genauso. Die erste Stunde ist mit das Stärkste, was James Bond zu bieten hat. Knallharte Ermittlungen in einer richtigen Detektivgeschichte.

    Zudem auch historisch interessant, da wir mit 1962 einen kleinen Einblick in eben jenes Jahr erhalten, in dem Jamaika vom Vereinigten Königreich unabhängig wurde.

    Ähnlich stört mich auch seine quasi nicht vorhandene Reaktion auf den Tod von Quarrel

    Ich denke, dass man in den 60ern noch sehr vorsichtig mit zu viel Emotionen bei Helden insgesamt und bei Bond im Speziellen war. Es war noch eine Zeit, in der v.a. Männer als stark galten, wenn sie ihren Emotionen nicht allzu viel Lauf ließen.

    Wir hatten es an anderer Stelle ja auch über Lazenbys Reaktion bei Tracys Tod. Hier ist Bond ähnlich verhalten. Ein verzweifelter, heulender Bond wie wir ihn bspw. in CR erleben, wäre damals noch unmöglich gewesen.

  • insbesondere weil sich Bond ihr gegenüber im Film wirklich wie ein sexistischer Ar*** benimmt.

    Ich das wie Kronsteen: Die Szene stört mich nicht. Er bringt sie ja auch weder um, noch verletzt er sie physisch - er übergibt sie "nur" der Polizei. Das mit Dr. Dent stört mich da schon eher. Wenn es da eine entsprechende "Vorgeschichte" gegeben hätte, die Bonds Hass auf Dent auf hervorgehoben und erklärt hätte (so wie etwa bei Locque in FYEO), wäre das schon eine andere Sache gewesen

  • Ich das wie Kronsteen: Die Szene stört mich nicht. Er bringt sie ja auch weder um, noch verletzt er sie physisch

    Nunja, sie wollte Bond so lange hinhalten, bis Dent ihn erschießen kann. Da ist eine Reaktion wie ein sexistisches Ar*** noch das mindeste. ;)

    Da habe ich mich vermutlich falsch ausgedrückt: Mir geht es absolut nämlich gar nicht um die Szene bei ihr zuhause (und auch gar nicht darum, dass er mit ihr Sex hat). Sondern um das, was vorher passiert. Flemings Bond ist auch nicht besonders zimperlich, um sie zum Reden zu bringen, das meiste davon passiert aber eben auf Quarrels Veranlassung hin (und Bond verhindert, dass er ihr den Arm bricht und ist über diese Möglichkeit auch recht schockiert). Damit kommt er meines Erachtens definitiv besser weg als der Filmbond, was aber auch wieder zu seinem grundsätzlichen Vorgehen passt.

    Miss Taro hätte ich am liebsten komplett gestrichen - die Integration von Professor Dent als Handlanger und einer der Mitspieler von Strangways finde ich dagegen ziemlich gelungen.

    Das mit Dr. Dent stört mich da schon eher.

    Was genau stört dich denn daran? Dass Dent im Moment des Schusses nicht bewaffnet ist? Oder der Rückenschuss?


    Ich denke, dass man in den 60ern noch sehr vorsichtig mit zu viel Emotionen bei Helden insgesamt und bei Bond im Speziellen war. Es war noch eine Zeit, in der v.a. Männer als stark galten, wenn sie ihren Emotionen nicht allzu viel Lauf ließen.

    Wir hatten es an anderer Stelle ja auch über Lazenbys Reaktion bei Tracys Tod. Hier ist Bond ähnlich verhalten. Ein verzweifelter, heulender Bond wie wir ihn bspw. in CR erleben, wäre damals noch unmöglich gewesen.

    Definitiv - aber es gibt ja noch ein Mittelding zwischen völliger Emotionslosigkeit und heulendem Elend... Bei Lazenby gelingt das meines Erachtens nach richtig gut - man merkt deutlich, dass er verzweifelt ist, ohne dass man dabei Tränen sieht oder auch sehen müsste. Und damit verletzt er auch nicht die Vorstellungen des Zuschauers vom starken Bond. Insofern ist das dramaturgisch ziemlich geschickt gelöst. Ähnlich geschickt hat ja auch Moore seine Filmküsse gespielt: Da ist immer irgendwie ein Arm davor. Damit überlässt er das Geschehen ebenso der Fantasie des Zuschauers - und vermeidet peinliche Filmküsse, die total gespielt oder übertrieben ausgeführt wirken (ich denke da etwa an Beißer Brosnan :S )

  • Dass Dent im Moment des Schusses nicht bewaffnet ist?

    Ja, genau das. Dent war da wehrlos. Er hat zuvor versucht, Bond zu erschiessen (was ihm auch gelungen wäre, hätte das Bond nicht vorausgesehen) - von daher kann man Bond durchaus das Gegenrecht zugestehen, Dent dann ebenfalls zu erschiessen. Aber im Vergleich zu ähnlichen Situationen in anderen Bond-Filmen, war es hier nicht Notwehr, kein Totschlag, nicht im Affekt, sondern "Mord". Das passt für mich einfach nicht so ganz zum Charakter des Film-Bonds

  • Aber im Vergleich zu ähnlichen Situationen in anderen Bond-Filmen, war es hier nicht Notwehr, kein Totschlag, nicht im Affekt, sondern "Mord". Das passt für mich einfach nicht so ganz zum Charakter des Film-Bonds

    Ok, das kann ich nachvollziehen - im Grunde gehts mir genauso mit Bonds Verhalten gegenüber Miss Taro in Pussfellas Restaurant/Bar....

  • Daran erkennt man eben, dass es sich um den ersten Bond-Film handelt ;)

    Ja, ich denke, das erklärt es für mich schon. Bonds Persona als Gentleman Spy und die damit einhergehende Souveränität in jeder Lebenslage (je nach Darsteller mehr oder weniger ausgeführt), die ihn ja auch von anderen ähnlichen "Helden" unterscheiden, wird in DN einfach nicht so deutlich.

    Da ist es dann auch konsequent, dass Bond blutet und sich die Klamotten zerreißt...

    Für mich muss Bond (siehe LTK) keineswegs ein Ritter in schimmernder Rüstung sein (obwohl ja in TND genau dies sein Codename ist), aber ich habe schon Probleme damit, wenn er im Bezug auf die Verhältnismäßigkeit gerade bei Schwächeren deutlich über das Ziel hinausschießt - gegenüber villains habe ich weniger Probleme, bei deutlich unterlegeneren Personen aber schon (z.B. bei Andrea in TMWTGG).

    Aber ich glaube, ich habe damit auch ein grundsätzliches und nicht nur bondfilmisches Problem.

  • Mich hat die Exekution von Dent nie gestört. Bond hatte einfach keine Zeit auf Hilfe zu warten und wollte sich ihm nicht weiter nähern um ihn zu fesseln. Dent war schließlich voll entschlossen Bond zu töten. Hätte er ihn zurück lassen sollen, damit er noch mehr Unheil anrichtet?


    Es gibt ja auch ähnliche Situationen, in denen sogar der Moore-Bond aktiv jemanden exekutiert hat, der sich nicht mehr wehren konnte: z.B. Stromberg und Locque (wobei ich immer das Gefühl hatte, dass der auch ohne das Zutun Bonds abgestürzt wäre). Hat mich auch nie gestört. Ich war sogar überrascht, als ich im Making of von FYEO etwas von "redefined 007" hörte.

    Whisper, das Tor! Aber langsam Whisper, langsam. Unsere Gäste sollen Zeit haben, sich zum Dinner zu versammeln.

  • z.B. Stromberg und Locque (wobei ich immer das Gefühl hatte, dass der auch ohne das Zutun Bonds abgestürzt wäre)

    Diese beiden Szenen (das mit Locque hatte ich ja selber schon erwähnt) finde ich da deutlich "vertretbarer" als das mit Dr. Dent (Apropos: warum komme ich beim Namen "Dr. Dent" eigentlich immer auf einen Zahnarzt :/ ;) ? Klingt wie der Bruder von "Dr. Best" 8o). Denn sowohl Stromberg wie auch Locque haben "Freunde" (Vertraute, Techtelmechtels, was auch immer) von Bond direkt oder indirekt auf dem Gewissen. Dr. Dent kam noch erst gar nicht dazu, jemanden Bond Nahestehendes umzubringen

  • Apropos: warum komme ich beim Namen "Dr. Dent" eigentlich immer auf einen Zahnarzt :/ ;) ? Klingt wie der Bruder von "Dr. Best" 8o ).

    Geht mir auch so :P

    Dr. Dent kam noch erst gar nicht dazu, jemanden Bond Nahestehendes umzubringen

    Was dann ja auch beweist, dass Bond richtig reagiert hat :D Der Rückenschuss kommt aber halt doch dramaturgisch nicht so toll und ich kann grundsätzlich das Problem auch nachvollziehen. Der Argumentation von Whisper stimme ich aber vollumfänglich zu.

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