Bond = B-Film?

  • Wie wir alle wissen, gibt es im Franchise einige Wiedererkennungswerte, z.B. das Bond-Theme, „Mein Name ist Bond“, Wodka Martini usw., die Bond stets als Bond identifizieren, egal in welchem Jahrzehnt wir sind oder wer Bond gerade spielt. Das „Ersterkennungsmerkmal“ ist sicher die Gunbarrel-Szene mit dem Agenten, der auf das Zielrohr schießt, bevor der unsichtbare Schütze ihn
    erwischen kann. Dieser Knalleffekt zeigt direkt auf, was der Zuschauer zu erwarten hat: Thrill, Schauwerte, Sensationen - und: ein Superheld!


    Angesichts der Tatsache, dass frühere Pulp-Stoffe (Science Fiction, Fantasy, Krimi, Comics) heute wenigstens 90 % der Hollywood-Großproduktionen ausmachen: Wo seht Ihr James Bonds Anteil daran? Wie alle im Pulp verwurzelten Genre-Filme war DN im Verständnis seiner Entstehungszeit sicher noch ein B-Film – inhaltlich wie produktionstechnisch (vielleicht auch noch FRWL) –, zumindest in den USA wurde er, wenn ich mich nicht täusche, auch als Bestandteil eines Double-Features aufgeführt. Ab GF stieg das Produktionsniveau deutlich, Bond wurde eine eigene Marke, allerspätestens ab TSWLM wurde 007 zum Sinnbild der Großproduktion, ab MR der Gigantomanie, aber bei letzterem gab es ja auch schon “Star Wars“, „Superman“ etc., sprich: Der frühere B-Film (inhaltlich) war der neue A-Film (finanziell) geworden.


    Da Bond sich seit den späten 70ern kommerziell wie ikonographisch in bester Gesellschaft befand, gab es keinen Grund, vom bewährten Konzept abzuweichen, auch wenn die Einspielergebnisse seit FYEO erstmal prinzipiell nachließen – bis zu Brosnan, der dann bewies, dass es auch extrem selbstreferenziell = unoriginell vielleicht ewig hätte weitergehen können!


    Dass die Macher trotz des Riesenerfolges von DAD einen radikalen Schnitt vornahmen, indem sie den etablierten Bond Pierce Brosnan abservierten und 007 mit Daniel Craig so radikal erdeten wie nie zuvor, war die vielleicht mutigste und beste Entscheidung innerhalb der Franchise-Geschichte. Auffällig ist dabei seit Beginn der Craig-Ära der Umgang mit den Bond-Standards (bis SF das Bond-Theme höchstens im Abspann, kein Q, keine Moneypenny, Variationen der Gunbarrel-Szene).


    In diesem Sinne meine Frage: War James Bond nie etwas anderes als eine (später aufgeblasene) B-Film-Reihe? Entwickelte sich Bond vom B-Film rasch zum Qualitätsprodukt und hielt diesen Status? Hat Bond den B-Film aus der Nische zum Massenphänomen geführt und steht heute an der Spitze intelligenten Genre-Kinos? Hat Bond den Genre-Film in neue Höhen geführt, befand sich trotz allen Erfolgs qualitativ auf dem absteigenden Ast und wurde dank des Kurswechsels mit Craig (menschliche Abgründe, Aufwertung der Nebenfiguren, kein klischeehaftes Ende) vorm Abstieg in den „Mainstream-Mainstream“ bewahrt? Und wenn Bond bei allem Produktionsaufwand stets eine B-Film-Reihe gewesen sein sollte: Wurde die Reihe durch die Craig-Filme aufgewertet? (Die Diskussion um den (Un-)Sinn der A/B/C/.../Z-Film-Klassifizierung von Filmen erübrigt sich in diesem Kontext natürlich.)


    Was denkt Ihr?

  • 1. Es ist kein Zielfernrohr, sondern eben ein "Gun Barrel" ein Pistolenlauf. Das was da so Irismäßig aussieht sind die Züge innerhalb eines Laufes.


    2. Ich gebe dir mit dem Rest vollkommen recht. Bond war schon bei Fleming Pulp und die Filme sind auch Pulp. Nur ist eben jenes Anfang der 60er (wohl eben durch Bond selbst) Chic geworden und so konnte aus B-Stoff ein A-Franchise werden.


    Auch wenn DN recht preiswert Produziert wurde (OK, knapp 1 Million Pfund waren 1000 Jahresgehälter eines Facharbeiters, also Heute um die 15 Millionen Euro [grob geschätzt]. Für einen Blockbuster recht wenig aber definitiv weit über einem B-Movie Etat.), er sah nicht so aus.
    Broccoli und Saltzmann sparten am richtigen Ende: Kein super bekannter Regisseur, kein Hauptdarsteller aus der A Riege und als weibliche Hauptrolle der Glücksgriff mit der Andress.


    Man kann sagen, DN war zu 50% pures geniales Timing und Marketing und zu 50% schlicht Glück.

  • Für mich gibt es ein klares Erennungsmerkmal, dass die Bond-Serie von Anfang an von den sogenannten B-Movies abhebt: Sie war von Anfang an als langfristige Serie ausgelegt.
    Harry Saltzman hatte sich die Rechte für ALLE Bücher Flemings gesichert (mit Ausnahme von "Casino Royale", der bereits verwertet wurde). Man war sich einig, mehrere Filme drehen zu wollen. Zudem wurde Sean Connery für sage und schreibe 5 (!) Filme verpflichtet, ohne dass man gewusst hat, wie "Dr. No" ankommen würde.
    Der Erstling "Dr. No" ist zudem schon mit sehr vielen klassischen Elementen gespickt, die auf Jahrzehnte hinaus das Genre im allgemeinen und das Bond-Franchise im Besonderen prägen sollten. Schon der "Opener", also die allererste Szene, in der Bond vorkommt, ist dermaßen gezielt konstruiert, dass es heutzutage geradezu so wirkt, als sei man sich anno 1962 bereits ganz genau bewusst gewesen, dass man mit dieser simplen Vorstellung "Bond. James Bond" eine im gleichen Maße ungalubliche wie beispiellose Marke für die Ewigkeit setzen würde.
    Von der bereits erwähnten Gunbarrel will ich jetzt gar nicht erst anfangen.
    Die Bond-Macher haben sehr frühzeitig erkannt, dass sie mit einer gewissen Kontinuität in der Serie (Slyvia Tranch als Übergange von DN zu FRWL, Kronsteen verweist auf Dr. No) eine konstante Note setzen kann.
    Der moderne Schnitt, die neue Auslegung von Action, die noch junge Komponente der Erotik im Film - das alles spricht für eindeutig dagegen, dass die Bond-Serie mehr oder weniger zufällig vom B-Movie zum Hit wurde. Für mich war Bond nie ein B-Movie. Und das sage ich jetzt nicht als Bondfan, sondern versuche mit aller Objektivität zu urteilen, die mir möglich ist. ;)

  • Sehe ich auch so: Die Handlung zumindest von DN (aber sicher nicht von FRWL) hat einige B-Movie-Züge - der Film für sich ist aber sicher kein B-Movie. Technisch gesehen war DN Anfang der 1960er mehr als up to date und konnte es locker auch mit weit teureren Produktionen aufnehmen.

  • Für mich gibt es ein klares Erennungsmerkmal, dass die Bond-Serie von Anfang an von den sogenannten B-Movies abhebt: Sie war von Anfang an als langfristige Serie ausgelegt.

    Gerade der von Anfang an angestrebte Seriencharakter ist es m.E., der die Bond-Filme in die Tradition der B-Filme
    stellt (die Bezeichnung meine ich nicht qualitativ, sondern in Bezug auf die Qualifikation zur Entstehungszeit: Bond war kein Prestigeprojekt eines Studios hinsichtlich irgendwelcher Preise, Feuilletons etc., sondern wollte einfach gut gemachte Unterhaltung sein). Es geht um eine Identifikationsfigur, die den Zuschauer durch ein Spektakel führt. Gerade das Serielle, also weitgehend typisierte Figuren, die auch im Laufe mehrerer Filme keine Entwicklung durchlaufen, so dass auch die Reihenfolge der Filme weitgehend egal ist: Das ist B-Movie-Tradition (Charlie Chan, Mr. Moto, Sherlock Holmes, Tarzan etc.), nur das bei Bond eben alles, was vornehmlich dem Wiedererkennungswert dienen sollte, von Anfang an so vorzüglich gelang, dass es prompt (spätestens mit GF) eine eigene Marke wurde. Das anfängliche Budget wurde optimal genutzt, alle Beteiligten lieferten Höchstleistungen, so dass schon DN in der Tat teurer wirkt, als er war, aber wenn wir Gonzos Umrechnung nehmen, würde ein Actionfilm für 15 Million Euro heute kaum als Großproduktion gelten. Dass sich Figuren und Beziehungen entwickeln, ist erst ab GE (der Umgang von Moneypenny und M mit Bond) zu beobachten und erst mit CR und Craig wirklich in den Vordergrund gerückt. Während bei Brosnan Bond selbst stets der Alte blieb und die Nebenfiguren sich mit ihm arrangierten (M) bzw. von der plakativen 90er-„Moderne“ ins alte Muster zurückkehrten (Moneypenny), wurde mit Craig ja nun über drei Filme die Entwicklung Bonds thematisiert, in dieser Ausführlichkeit auch durchaus zum Unwillen einiger Fans. Aber damit orientierten sich die Produzenten an einer Entwicklung, die mit Christopher Nolans „Batman Begins“ Einzug ins Blockbuster-Kino gehalten hatte. Also an einem Comic-Film …

  • Ich denke, dass es eine Frage ist, wie man "B-Movies" definiert.


    Ich habe mal auf wikipedia nachgelesen und folgendes gefunden:



    Also ich sehe da sehr wenig Berührungspunkte Bonds zum B-Movie. Höchstens die Ausrichtung auf den kommerziellen Erfolg - aber wer, außer einigen Kunstfilmen vielleicht, hat die nicht. Das ist für mich daher noch keine Verifizierung, dass es sich um einen B-Movie handelt.

  • Wie ich schon schrieb (und es sich z.T. auch im Wikipedia-Artikel findet): Zu Beginn der Reihe ein moderates Budget, Genrefilm, eine auf reine Unterhaltung ausgerichtete Handlung, international eher unbekannte Darsteller (mit Stars war man sich ja nicht einig geworden), eher typisierte denn psychologisch ausgefeilte Figuren ...


    Es ging mir ja nicht darum, Bond in irgendeiner Art und Weise "abzuwerten" oder gegen die "Kunstfilmer" auszuspielen (da müssten auch eher die letzteren mehrheitlich zittern), sondern nur, Traditionen zu benennen, die Bond aufgreift und mit seiner Langlebigkeit geprägt und verändert hat.

  • Hat Bond aber nicht eher eine Tradition selbst geschaffen? Ich denke nicht, dass er sich an vorigem stark orientiert hat. So wie ich es oben schon geschrieben habe, sind für mich die Bondfilme (auch schon DN) in seiner Ausrichtung mit Action und Sex etwas komplett Neues. Vielleicht könnte man dies Anfang der 60er schon fast als künstlerischen Beitrag werten. ;)


    Der Charakter eines B-Movies wäre meiner Meinung nach nur dann erfüllt, wenn man sich auf 2 Pole bei den Filmen festlegen müsste: Auf der einen Seite den mit Stars gespikten, teuren und anspruchsvollen "A-Movie" und auf der anderen Seite den "B-Movie". Bond befindet sich mit seinen ersten beiden Filmen für mich in einer Grauzone zwischen diesen beiden Extremen.


    Ich verstehe sehr gut, dass Du die Bondfilme nicht abwerten willst! :) Finde die Diskussion ja durchaus sehr interessant.

  • Vielleicht ist der Ausdruck Pulp doch besser geeignet als B Movie.

    Das mag stimmen.


    @ Kronsteen: Klar ist Bonds spezifische Mischung aus Action, Exotik und Sex schon etwas Neues gewesen (eben die Bond-Formel), gerade eine so offene (inzwischen längst eher züchtige) Darstellung von Sexualität wäre ja auch vor allem im amerikanischen Kino, wo damals selbst Ehepaare stets in getrennten Betten schlafen mussten, zuvor faktisch unmöglich gewesen (außer "getarnt", etwa in den Vampir-Filmen von Hammer; die sind zwar britisch, hatten aber mit einer Zensurbehörde zu kämpfen, die sich hinter der amerikanischen nicht verstecken musste). Dennoch finden sich diese Bestandteile durchaus (um mal das Reizwort B-Film zu vermeiden) im Genrekino, insbesondere bevor in den 30ern die Zensurbestimmungen drastisch verschärft wurden. Man denke an die frühen Tarzan-Filme mit Johnny Weissmuller oder an den Fu-Manchu-Film mit Myrna Loy als Boris Karloffs sadistische Tochter: Gerade bei DN ist ja immer wieder auf Fu Manchu verwiesen worden (exotischer Schauplatz, asiatischer Superschurke mit SF-Elementen), und dass in den 60ern dann eine neue Fu-Manchu-Reihe (mit dem späteren Bond-Villain Christopher Lee) gestartet wurde, dürfte wiederum nicht zuletzt auf den Erfolg von Bond zurückzuführen sein.


    M.E. ist, wie im ersten Beitrag bereits angedeutet, Bonds filmhistorische Leistung nicht zuletzt, dem Genrefilm einen ganz neuen Stellenwert verschafft zu haben. Anfang der 60er Jahre wäre kaum jemand auf die Idee gekommen, in einen Science-Fiction-Film (Ausnahme: Jules Verne als Literaturverfilmung) oder gar eine Comicverfilmung viel Geld zu investieren. Wenn solche Filme in Farbe gedreht wurden, galt das schon als Ausrufungszeichen. Heute bilden solche, gleich als Serie angelegten Filme den Großteil der Big-Budget-Produktionen, für die sich auch Stars vor und hinter der Kamera nicht lange bitten lassen. Der Genre-Film ist der typische A-Film geworden, und das auch durch Bond!

  • Für mich stellt sich die B-Movie Frage primär anhand des Budgets. Auch wenn 1 Mio. Pfund aus heutiger Sicht lächerlich tief erscheinen, so müsste man es doch mit Budget anderer Filme aus der gleichen Zeit vergleichen. Ich denke, dass man damals mit einer Kiste durchaus solide finanziert war. Zum Vergleich: "The Good The Bad And The Ugly", der gemäss IMDB derzeit nicht nur als der beste Western, sondern auch als einer der besten Filme überhaupt agiert, kostete 1966 gerade mal 1.5 Mio. USD. Okay, die Italiener konnten damals sicher kostengünstiger produzieren, als die Briten oder Amerikaner, und mit Techniscope liess sich sicher auch etwas Kohle sparen - aber dennoch... Man hat jedenfalls - im Gegensatz zu einigen Szenen in DN - nie den Eindruck, dass bei "the Good..." irgendwie auf die Kosten geachtet werden musste. Wäre daher interessant zu erfahren, wie die Budgets anderer Filme Anfang / Mitte der 1960er aussahen (Exzesse wie "Cleopatra" einmal ausgenommen).

  • Wenn ich mich richtig erinnere, musste Jack Arnold für seine SF-Filme Mitte bis Ende der 50er Jahre mit ca. 1 Million Dollar pro Stück auskommen, und das waren für das Universal Studio alles andere als Prestigeprojekte. Eine Großproduktion wie "Giganten" hat laut Wikipedia 5,4 Millionen gekostet.

  • Interessante Diskussion, Leute.


    Ich finde, das Feirefiz recht hat: Bond ist ganz klar im B-Movie verwurzelt, genau genommen in den Serials der 20er-, 30er- und 40er Jahre. Wenn man sich diese alten Heuler zu Gemüte führt (YouTube oder Open Domain) wird man, gerade was die Villains angeht, überraschend viele Vorbilder für Bond finden. Fleming selber z.B. hat http://en.wikipedia.org/wiki/The_Perils_of_Pauline_(1933_serial) als Vorbild genannt, eine Serie von haarsträubenden Abenteuern rund um den Globus, die sicher auch INDIANA JONES inspiriert haben. Und auch der Roman-Bond bekennt sich offen zum Pulp, besonders bei ausgeflippten Büchern wie MOONRAKER oder GOLDFINGER.


    Den Bond-Filmen kommt meiner meiner Meinung nach der Verdienst zu, als erste die Pulp-Story von Papp-Kulissen, Spielzeug-Explosionen und an Fäden hängenden Modell-Flugzeugen befreit zu haben. Lucas und Spielberg waren die Nachzügler.


    Eine Besonderheit ist natürlich, dass es aufgrund Flemings Biographie und Detailkenntnis durchaus authentische Elemente in den Büchern gibt, die Bond eine realistische Seite ermöglichen, auf die die Serie von Zeit zu Zeit (neuerdings immer öfter) zurückgreift und uns eine spannende Bandbreite an Filmen beschert.

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