HENCHMEN: Erich Kriegler


  • (...) Wenn man bedenkt, dass Pushkin ja eigentlich Gogol in TLD sein sollte wirft das auch wieder ein interessantes Bild auf Koskovs vermeintliche Lügengeschichte über "smiert spionam". Denn eigentlich erzählt er ja dann nur das, was Pushkin alias Gogol ohnehin schon jahrelang praktiziert hat: die (versuchte) Ermordung von gegnerischen Agenten. (...)


    (...) bedenkt man, dass FYEO vier Jahre vor Gorbatschows Machtantritt gedreht wurde, als noch niemand von Glasnost und Perestroika sprach, dann ist ein Tötungsbefehl gegen einen britischen Agenten nicht vergleichbar mit einem, der den Russen 1987 (TLD) untergejubelt wird. (...)

    Pushkin ist Gogols Nachfolger, so erzählt es uns der Film selbst. Die politischen Verhältnisse hatten sich - im Film, wie in der Realität - geändert, und selbstverständlich hatte ein KGB-Mann, der sich im Zuge von Glasnost und Perestroika nun wie ein Teddybärchen betrug, eine Vergangenheit. Ein Gogol oder ein Pushkin wären nicht in diese Ränge aufgestiegen, wenn sie nicht auch für Mütterchen Russland über Leichen zu gehen bereit gewesen wären. Was sie also 1987 vertraten, konnte völlig anders ausgesehen haben als in der Zeit vor Gorbatschow und dennoch keinen Widerspruch darstellen.

  • Pushkin ist Gogols Nachfolger, so erzählt es uns der Film selbst. Die politischen Verhältnisse hatten sich - im Film, wie in der Realität - geändert, und selbstverständlich hatte ein KGB-Mann, der sich im Zuge von Glasnost und Perestroika nun wie ein Teddybärchen betrug, eine Vergangenheit. Ein Gogol oder ein Pushkin wären nicht in diese Ränge aufgestiegen, wenn sie nicht auch für Mütterchen Russland über Leichen zu gehen bereit gewesen wären. Was sie also 1987 vertraten, konnte völlig anders ausgesehen haben als in der Zeit vor Gorbatschow und dennoch keinen Widerspruch darstellen.

    Das stimmt schon, allerdings argumentiert Koskov ja zur Unterstreichung seiner "Pushkin (im Ur-Skript Gogol) lässt gegnerische Agenten killen"-Geschichte damit, dass Pushkin verrückt geworden sei und vergleicht ihn und seine Methoden mit Stalin. Korrekt hätte er sagen müssen: "Pushkin (alias Gogol) ist immer noch verrückt und bedient sich immer noch der gleichen Methoden wie in den letzten 10 Jahren auch schon". Wenn schon verrückt dann immer oder gar nicht. ;)


    Aber natürlich hast du recht, dass niemand an die Spitze des KGB gelangt wäre ohne über Leichen zu gehen - und zwar nicht nur sprichwörtlich sondern wortwörtlich. Ich will nicht wissen welche Leichen zB ein Andropow im Keller gehabt hat. Allerdings beisst sich das eben etwas mit der Parallelwelt des Bonduniversums, in welcher der abwechselnd liebenswert-bärbeissige Gentleman-Chef M agiert und der als sein östlicher Konterpart und Vertreter der Entspannung stilisierte Gogol. Da gerade die Bondfilme immer darum bemüht waren die Russen nicht als Schurken und stattdessen als faire Gegner und/oder Verbündete zu zeigen ist ein direkter Liquidierungsbefehl bzw. ein regelrechtes Smiert Spionam in FYEO (wenn man die indirekte Beteiligung von Gogol via Kristatos/Gonzalez/Locque dazurechnet) schon bemerkenswert und zumindest für diese Parallelwelt ein deutlicher Stil- und Regelbruch.

  • (...) "Pushkin (alias Gogol)(...)


    (...) Da gerade die Bondfilme immer darum bemüht waren die Russen nicht als Schurken und stattdessen als faire Gegner und/oder Verbündete zu zeigen ist ein direkter Liquidierungsbefehl bzw. ein regelrechtes Smiert Spionam in FYEO (wenn man die indirekte Beteiligung von Gogol via Kristatos/Gonzalez/Locque dazurechnet) schon bemerkenswert und zumindest für diese Parallelwelt ein deutlicher Stil- und Regelbruch.

    Zu 1) ???


    Zu 2) Alle Bond-Filme werden immer irgendwo den "genetischen Fingerabdruck" der Fleming-Romane aufweisen, allen Appeasement-Bemühungen der Produzenten zum Trotz. Fleming hatte nicht diese Skrupel, daher wird ein vielleicht versteckt und leise angedeutetes Misstrauen das Genre immer durchziehen. Wie sagte der große James T. Kirk in Star Trek VI: "Die Klingonen waren nie vertrauenswürdig!" Genausowenig wie Kirk, wird auch ein filmischer James Bond die Haltung des kalten Kriegers nie ganz ablegen können. Daher würde ich die von Dir sehr scharfsinnig und sensibel aufgezeigte Problematik als einen Tribut an die Wirklichkeit deuten, personifiziert durch Erich Kriegler.


    Also das muß man Dir lassen, "Genosse": Du hast diesen farblosen DDR-Bürger in meinen Augen extrem aufgewertet!

  • Zu 1) ???

    Ursprünglich sah das Drehbuch von Maibaum und Wilson vor, dass General Gogol die Rolle die im fertigen Film General Pushkin übernommen hat einnehmen sollte. Man änderte das Drehbuch letztlich, da man wegen des Alters und Gesundheitszustandes von Gogol-Darsteller Walter Gotell Probleme beim Dreh und eine astronomische Versicherungssumme befürchtete. So kam es letztlich nur zu Gogols kleinem Gast-Auftritt am Ende des Films in der Oper und aus Gogol wurde Pushkin, der im fertigen Film aber immer noch als Alter Ego des langjährigen KGB-Chefs erkennbar ist. So würden Szenen wie die, in der Bond sich skeptisch über die Vorwürfe von Koskov gegen Pushkin zeigt weil er Pushkin viele Jahre kennt mit der Ur-Besetzung Gogol noch mehr Sinn machen, weil ja auch der Zuschauer einen langjährigen Bezug zur Figur hat. Auch würde sich dadurch die Schlüsselszene des Films, in welcher Bond Pushkin nicht exekutiert noch besser nachvollziehen lassen - eben wegen der gemeinsamen Vergangenheit der beiden (wobei das eigentlich auch keinen Sinn machen würde wie wir hier im Thread ja mittlerweile festgestellt haben, da Gogol zumindest zweimal den direkten Auftrag erteilt hat Bond zu liquidieren und Bond das eigentlich auch wissen müsste).


    Also das muß man Dir lassen, "Genosse": Du hast diesen farblosen DDR-Bürger in meinen Augen extrem aufgewertet!


    Mein Beitrag zum "Aufschwung Ost". :D

  • Als Kind der 70er Jahre erfolgte meine Sozialisierung im Bonduniversum in den frühen 80er Jahren. In der gleichen Zeit begann auch meine Begeisterung für diverse Sportarten, massiv geschürt durch damals im TV übertragene Sportgroßereignisse. Eines der ersten von mir bewusst verfolgten Großereignisse waren die Olympischen Winterspiele 1984 in Sarajewo, diejenigen von euch die damals ebenfalls diese Olympiade mitverfolgt haben können sich sicherlich noch an so prägnante Sachen erinnern wie den jodelnden Plüschwolf Vucko („Sarajevooouoooouooouoo“) oder den legendären Eistanz-Bolero von Torvill & Dean. Aus bundesdeutscher Sicht waren diese Spiele eher mau mit gerade mal vier Medaillen. Für drei dieser vier Edelmetalle sorgte der bayrische Biathlet Peter Angerer, der die deutsche Sportlerehre damit quasi im Alleingang rettete. Der blonde Sonnyboy Angerer sorgte damit nicht nur dafür, dass die bisherige Randsportart Biathlon nun endlich aus ihrem Schattendasein heraustrat sondern erlangte durch seine Gold-Silber-Bronze-Ausbeute auch selbst eine recht beachtliche Bekannt- und Beliebtheit. So war auch ich damals ein großer Fan von Angerer.


    Schön und gut, aber was hat das nun alles mit dem Bond-Henchman Erich Kriegler zu tun? FYEO war einer der Bondfilme, die ich erst vergleichsweise spät kennenlernte, um genau zu sein im Spätsommer 1990 über eine VHS der Warner-Collection. Als ich dann erstmals die Cortina-Szenen mit Kriegler sah dachte ich: moment mal, ein blonder deutscher Biathlet im Jahr 1980 – das ist doch nicht etwa Peter Angerer? Geschürt wurde mein Verdacht (oder ich sollte wohl aufgrund meiner Begeisterung für den medaillensammelnden Biathleten eher sagen meine Hoffnung) durch die Tatsache, dass ich wusste dass Angerer bereits 1980 an den olympischen Spielen in Lake Placid teilgenommen hatte. Zudem war mir damals bereits bekannt, dass mit Willy Bogner ja schon einmal ein deutscher Olympionike an den Bondfilmen massgeblich beteiligt war – so aus der Welt war das also nicht. Bei den Nahaufnahmen von Erich Kriegler wuchs dann aber meine Skepsis, denn so harte Gesichtszüge hatte Angerer dann doch nicht, oder? Ein Blick in mein damals gerade erworbenes Cinema-Filmbuch über die James Bond-Filme (das erste Stück Bond-Hintergrundliteratur in meiner Sammlung von vielen die noch folgen sollten) bestätigte dann diese Skepsis und ich wusste, dass ein gewisser John Wyman die Rolle gespielt hatte. Und dennoch musste ich bei jeder erneuten Sichtung von FYEO, welcher nach wievor einer meiner liebsten Bondfilme überhaupt ist, bei Erich Kriegler immer auch gleich an Peter Angerer denken. Vermutlich empfinde ich u.a. auch deswegen Kriegler als weit weniger farblos und beliebig wie er gemeinhin wahrgenommen wird.


    http://www.gritter.de/bilder/biathlon/peter_angerer.jpg
    http://media-cache-ec0.pinimg.…f1e84b1fe2591483a6db8.jpg

  • Ich sehe Gogol in FYEO anders. Vor den Craigern haben die Bonds nur wenig Zeit mit Ambivalenzen vertrödelt. Man kann Gogols Beteiligung an den Morden zwar rein interpretieren, aber ich halte mich da eher daran wie er im Film rüberkommt. Und das würde mich eher darauf schließen lassen daß er nicht direkt daran beteiligt war, sondern daß Kristatos das alles allein zu verantworten hat. Das würde auch seiner Rolle im Nachfolger OP entsprechen.

  • Ich sehe Gogol in FYEO anders. Vor den Craigern haben die Bonds nur wenig Zeit mit Ambivalenzen vertrödelt. Man kann Gogols Beteiligung an den Morden zwar rein interpretieren, aber ich halte mich da eher daran wie er im Film rüberkommt. Und das würde mich eher darauf schließen lassen daß er nicht direkt daran beteiligt war, sondern daß Kristatos das alles allein zu verantworten hat. Das würde auch seiner Rolle im Nachfolger OP entsprechen.


    Was die Morde an den Havelocks, Ferrara und Lisl anbelangt kann man das sicher so sehen. Bei Krieglers Mordanschlag auf Bond in Cortina tue ich mich aber schwer damit hier Kristatos als Drahtzieher zu sehen. Die Szene zwischen Kristatos und Kriegler auf Havelocks Boot, als Kriegler das ATAC an sich nehmen will und Kristatos ihm widerspricht zeigt ja ziemlich deutlich, dass Kriegler von Kristatos nur geduldet wird als Verbindungsmann zu seinem Auftraggeber Gogol. Dazu passt auch das Verhalten von Kristatos und Kriegler auf St. Cyrils: Kriegler sitzt eigentlich nur rum und beobachtet, während Kristatos seinen Männern wie zB Apostis direkte Anweisungen erteilt. Hier wird recht deutlich, dass Kristatos nicht Krieglers Vorgesetzter ist und daher im gegenüber auch nicht weisungsberechtigt. Ich sehe es daher als äußerst unwahrscheinlich an, dass Kriegler den Befehl zur Liquidierung von Bond direkt von Kristatos erhalten hat bzw. wenn er ihn erhalten hätte diesen ohne Bestätigung aus Moskau ausgeführt hätte. Dafür ist Kriegler zu sehr Gogols Mann.


    Persönlich glaube ich - so amüsant diese Gedankenspiele auch sind - dass diese ganze Verwicklung einfach nur eine Lücke im Drehbuch ist. Krieglers Attentat geht ja Hand in Hand mit den anschliessenden Versuchen von Locque und Kristatos Männern in Cortina, vermutlich haben Maibaum und Wilson hier einfach alle verfügbaren Henchmen gebündelt zu einer gemeinsamen Aktion gegen Bond um die Gefahr für den britischen Geheimagenten zu steigern. Dabei hat man wohl nicht bedacht, dass ein von Kriegler initiierter Mordanschlag auf Bonds Leben zwangsläufig eine Verbindung zu Gogol herstellt.


  • Persönlich glaube ich - so amüsant diese Gedankenspiele auch sind - dass diese ganze Verwicklung einfach nur eine Lücke im Drehbuch ist. Krieglers Attentat geht ja Hand in Hand mit den anschliessenden Versuchen von Locque und Kristatos Männern in Cortina, vermutlich haben Maibaum und Wilson hier einfach alle verfügbaren Henchmen gebündelt zu einer gemeinsamen Aktion gegen Bond um die Gefahr für den britischen Geheimagenten zu steigern. Dabei hat man wohl nicht bedacht, dass ein von Kriegler initiierter Mordanschlag auf Bonds Leben zwangsläufig eine Verbindung zu Gogol herstellt.


    So würde ich es auch vermuten.

  • Ich auch. Dass dies den Drehbuchautoren nicht aufgefallen ist, dürfte aber dennoch ein Zeichen für die damalige politische Lage gewesen sein: Der Kalte Krieg verschärfte sich nach einer längeren Phase der Entspannung ab ca. 1979 noch einmal deutlich und es wird oft vergessen, dass es in der ersten Hälfte der 1980er einige Situationen gab, die durchaus in einem "scharfen" Krieg hätten enden können. Zum Glück kam es nicht soweit.


    PS: Eigentlich ist es schon bemerkenswert, dass die Sowjets in FYEO zum ersten Mal in einen Bond-Film als "üble" Gegner Bonds auftreten (in FRWL werden die Russen zwar auch nicht als Unschuldslämmer dargestellt, aber insgesamt kommen sie doch einigermassen gnädig weg und der Bösewicht in FRWL ist ja eindeutig SPECTRE). Hingegen kommen die Chinesen - auch wenn sie nur implizit bezeichnet werden - sogar in zwei Bond-Filmen der 1960er ziemlich übel weg (GF, YOLT).

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