Roman und Comic: From Russia, With Love

  • Mittlerweile habe ich den fünften Bond-Roman Ian Flemings, "From Russia, With Love", und auch den entsprechenden Comic gelesen, und ich möchte Euch wieder meine Eindrücke schildern.


    Aus der Anzahl der Seiten im Roman darauf zu schließen, ob im Comic etwas fehlt, ist inzwischen müßig. Mein Roman ist eine alte Pan-Edition von 1965, die ich irgendwann mal auf einem Grabbeltisch erstanden habe; die Orientierungswerte, die ich bei den ersten drei Romanen gewinnen konnte, nutzen hier nichts. Mittlerweile bekommt man aber beim Lesen eines Romans ein Gespür dafür, was z. B. wegen Actionmangels wohl über Bord geht.


    Es ist erstaunlich, daß Fleming zunächst eine Anmerkung macht, bevor der Roman selbst beginnt. Er weist darauf hin, daß Smersh tatsächlich existiert und der Chef der Organisation (Stand damals) General Grubozaboyshikov ist. Fleming unterstreicht, daß seine Beschreibung des Generals korrekt ist. Smershs Hauptquartier befindet sich tatsächlich in der Sretenka Ulica 13. Die Teilnehmer der Besprechung im Konferenzraum in Teil 1 des Romans sind laut Fleming ebenfalls reale Personen.


    Die Aufteilung des Romans ist sehr interessant und zeigt schon vor der ersten Comicseite, daß die Comicschreiber Kopfschmerzen bekamen. Der Roman besteht aus zwei Teilen, nämlich aus "The Plan" (ein Drittel des Romans) und "The Execution". Bond wird am Ende des fünften Kapitels zum ersten Mal genannt, und er erscheint selbst erst am Beginn des zweiten Teils! Das muss eine Zeitung, die Bond-Comics druckt, natürlich in den Wahnsinn treiben, denn ein Bond-Comic ohne Bond geht ja gar nicht.


    Die Comicmacher nehmen sich daher die Freiheit, den Romanaufbau komplett durcheinanderzuwürfeln und fangen quasi mit Teil 2 an, damit Bond gleich von Beginn an dabei ist. Leider zerstört das den Plot des Romans, denn so erfährt man nur stückweise im Verlauf des Comics von Smershs ganzem Manöver. Interessanterweise kommt den Comicmachern einer ihrer Kunstgriffe zu Hilfe: Wie in den Comics zuvor wird die Geschichte wieder aus Bonds Sicht erzählt. Das bedeutet, daß er von Smershs Manöver wirklich erst gegen Ende der Geschichte erfahren kann und der Verlauf des Comics nachvollziehbarer wird. Dennoch ist es schade, daß Flemings literarisches Arrangement zerstückelt wird.


    Ein Problem beim Roman stellt die Chronologie dar. Der Roman wurde im Jahre 1956 geschrieben; es ist aber nicht ganz klar, wann der Roman angesetzt ist. Recht bald tauchen einige "Continuity"-Eelemente auf: Es wird an die Geschichte mit LeChiffre erinnert, an den russischen Henker, der Bond nicht getötet hat, und an Mr. Big. Auch Drax und seine Rakete werden erwähnt; hier heißt es, die "rocket affair was three years ago". Das hieße, "Moonraker" hat sich 1953 ereignet. Das könnte passen, wenn man bedenkt, daß FRWL 1956 geschrieben wurde. Leider passen dazu zwei Zeitangaben überhaupt nicht: Bond bekommt seinen Auftrag, an Tatjana Romanova und die Spektor heranzukommen, am Donnerstag, dem 12. August, und er fliegt am Freitag, dem 13. August, in die Türkei. Das einzige Jahr, auf das diese Daten passen, ist das Jahr 1953. Fand "Moonraker" etwa 1950 statt? Eher nicht, zumal Fleming auf einen "Burgess and Maclean case" hinweist, der sich im März 1956 abspielte. Mit der Chronologie kommt der Roman heftig ins Schleudern, worum sich der Comic nun jedoch überhaupt nicht kümmern muss.


    Im Roman tauchen auch andere "Continuity"-Elemente auf: Tiffany Case wird aufgegriffen; nach dem Ende von "Diamonds are Forever" lebte sie einige Zeit bei bzw. mit Bond, letztendlich ist sie aber wieder in die USA zurückgekehrt. Am Ende des Romans taucht auch René Mathis auf; er hilft Bond dabei; Rosa Klebb festzunehmen und nach England zu verfrachten. Mathis ist inzwischen Chef des Deuxième Bureau. Ebenso erscheint Bonds eigene Sekretärin, Loelia Ponsonby.


    Der "Continuity" widersetzt sich übrigens die Lampe über Ms Bürotür, die anzeigt, daß er nicht gestört werden will. Diesmal leuchtet sie rot (das bedeutet im fünften Roman die dritte Farbe).


    Fleming gelingt es, in seinem Roman die Atmosphäre der Angst und Unterdrückung in der Sowjetunion jener Zeit sehr gut wiederzugeben; das zeigt sich etwa im Verhalten der Mitglieder von MGB, GRU und RUMID während der Erarbeitung des Plans und im Verhalten Tatjana Romanovas vor und während ihrer Besprechung mit Rosa Klebb. Man gewinnt auch beim Lesen den Eindruck, daß auf russischer Seite alles hässlich und grau in grau ist. Dazu sprechen die Russen meist nur kurze, simple Sätze. Außerdem sehen die Männer, die in Istanbul im Besprechungsraum der russischen Botschaft zusammenkommen, alle ziemlich mies aus. Dahinter könnte allerdings auch ein Stilmittel Flemings stecken.


    Die beschriebene Atmosphäre und auch das Verhalten der Personen auf russischer Seite kommt im Comic leider nicht herüber. Zum einen liegt das daran, daß von Teil 1 des Romans im Comic nur noch wenig übrig ist, zum anderen aber auch daran, daß die Comiczeichner natürlich nicht die Möglichkeiten hatten wie Fleming, um Atmosphäre zu transportieren; allein die Tatsache, daß die Comics schwarz-weiß sind, lässt hier Verständnis für die Comiczeichner aufkommen.


    Was mich allerdings verwundert, ist die zeichnerische Darstellung verschiedener Charaktere. Grant hat im Comic einen dicken Schnurrbart und ist auch ziemlich stabil; im Roman wird er jedoch deutlich anders beschrieben und kommt tatsächlich so herüber wie im späteren Film. Im Comic fühlt man sich an Hugo Drax erinnert. Bei Rosa Klebb wird ziemlich viel verschenkt; meiner Meinung nach ist sie im Comic nicht hässlich genug. Während sie im Roman beschrieben wird als eine kurze Frau mit birnenförmigem Körper, kurzem Hals und einem Krötengesicht, das ein nikotingefärbter Bart ziert, erscheint sie im Comic als kleine Frau ohne viel Auffälligkeiten, deren Haar streng zu einem Dutt gebunden ist (das schien so die Standarddarstellung osteuropäischer Frauen in höheren Positionen zu sein).


    Auch bei Tatjana Romanova hätten sich die Zeichner strenger am Roman orientieren können. Dort hat sie dunkles Haar, das fast auf ihre Schultern fällt und am Ende zu Locken tendiert. Ihre ganze Erscheinung erinnert sehr an Greta Garbo, und so agiert sie auch im ganzen Roman. Im Comic durchläuft sie einen speziellen Kurs, um Bond anlocken und verführen zu können, wovon im Roman keine Rede ist (Das ist mir jedenfalls nicht aufgefallen.); außerdem wird sie umfrisiert und verliert dadurch ihre Garbo-Erscheinung. Im Roman passiert das definitiv nicht.


    Erstaunlicherweise unterlaufen den Comicschreibern Fehler bei den Namen der Charaktere. Aus Rosa Klebb wird einmal "Rosa Krebs", und Kronsteen heißt in zwei Panels hintereinander "Klonsteen"! Da hat wohl jemand tief geschlafen.


    Die Comicschreiber beweisen auf der anderen Seite durchaus Improvisationsgeschick. Das Messer, mit dem Bond Grant im Zug ersticht, kommt aus einem Diplomatenkoffer, den Bond von der Waffenabteilung bekommt und in dem das Messer versteckt ist. Im Comic wird der Koffer ignoriert; da das Messer aber wichtig ist, beschloss man, daß Bond es aus einer Lederscheide am Unterschenkel zieht.


    Zu weiteren Improvisationen waren die Comicmacher auch diesmal wegen Jugendschutzes gezwungen. Im Comic ist die erste Begegnung zwischen Bond und Tatjana Romanova viel jugendfreier gehalten. Im Roman liegt Tatjana bereits in Bonds Bett, und sie trägt lediglich ein schwarzes Halsband; Bond trägt nur einen Bademantel. Im Comic hingegen sind beide noch in voller Montur und stehen in Bonds Hotelzimmer; als es dann ins Bett geht, sieht man nur Schatten der beiden, und zwar vom geheimen Filmraum aus, in dem die beiden gefilmt werden.


    Dem Jugendschutz ist auch die Sequenz zum Opfer gefallen, in der Rosa Klebb in schreiend bunter Kleidung und grellem Make-up versucht, Tatjana zu verführen. Klebb erscheint wie die billigste Nutte der Welt. Zu gerne hätte ich das im Comic gesehen, aber wie gesagt - da war wohl der Jugendschutz vor.


    Kürzungen erfährt auch die Sequenz, in der Bond und Kerim Bey sich bei der Zigeunergruppe um Vavra aufhalten. Der Leser erfährt einiges interessantes dazu, wie man sich als Gast bei Zigeunern verhalten soll (etwa niemals mit der linken Hand essen), und der Kampf zwischen zwei Frauen um einen Mann nimmt einen gewissen Raum ein. Im Comic werden die Hintergrundinformationen ziemlich eingeschränkt; man liest nur noch Kerim Beys Ermahnung an Bond, beim Kampf der Frauen auf keinen Fall einzugreifen, und auch der Kampf ist recht kurz gehalten. Das ist schade, aber wie bei allen Hintergrundinformationen, die Fleming irgendwo liefert, sahen die Comicschreiber wohl eine Actionbremse, die sie vermeiden mussten.


    Eine andere Unklarheit betrifft die Unterstützung, die Bond am Ende von Mathis erfährt. Mathis kommt mit zwei Agenten in das Hotel, in dem Rosa Klebb abgestiegen ist. Die drei sind als Wäschefahrer verkleidet und schleppen Klebb in einem großen Wäschekorb weg. Im Comic ist dieses Manöver deutlich ein Plan Bonds; im Roman ist das nicht so deutlich; der Plan existiert bereits, aber es ist nicht ersichtlich, wer ihn sich ausgedacht hat. Ich hatte beim Lesen den Eindruck, daß es Mathis´ Plan war.


    Das Ende des Comic ist positiver gestrickt als das des Romans. Im Roman bekommt Bond am Ende seines Kampfes mit Rosa Klebb einen vergifteten Schuhdorn ins Schienbein gerammt; schnell zeigt das Gift seine Wirkung, und er fällt am Ende um - die letzte Aktion im Roman. Im Comic wird Bond noch in ein Krankenhaus gebracht, durch eine langwierige Behandlung gerettet und wieder dienstfähig gemacht. Das bedeutet natürlich, daß es mit Bond weitergeht; das Romanende ließ das nicht unbedingt erwarten. Ich frage mich, ob Fleming zu diesem Zeitpunkt schon die Nase voll hatte von seiner literarischen Figur oder ob er nur experimentieren wollte. Im Moment scheint mir das Experiment wahrscheinlicher, es passt zum ungewöhnlichen Aufbau des Romans mit seinen zwei Teilen und dem ungewöhnlich späten Auftauchen von Bond selbst.


    Unter dem Strich haben wir einen Roman, der es den Comicmachern ziemlich schwer gemacht hat. Flemings Plotaufbau wird durch die Comicmacher zerstört, doch durch ihren Kunstgriff, die Geschichte aus Bonds Sicht zu erzählen, wird der Schaden gemildert. Der Jugendschutz sorgt dafür, daß die Comicmacher einige Elemente entschärfen mussten bzw. sie gar nicht erst hineinnahmen. Sehr bedauerlich ist die zeichnerische Darstellung verschiedener Charaktere, die so gar nicht der Beschreibung im Roman entspricht. Erstaunlich sind letztlich die Fehler, die den Comicschreibern bei den Namen von Klebb und Kronsteen unterlaufen. Letzten Endes kann man die Umsetzung des Romans aber durchaus als zufriedenstellend bezeichnen.

    The needs of the many outweigh the needs of the few or the one.
    I have been and always shall be your friend.
    I´ve been dead before.
    Live long and prosper.


    He is not really dead as long as we remember him.

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