Joker (Todd Phillips, 2019)
Eins der wenigen Highlights dieses Jahr, auf die ich mich wirklich gefreut habe. Und bei denen man irgendwie schon vorher wusste, dass man sie mögen wird. Der Film hat eigentlich alles, was es dazu braucht. Joaquin Phoenix sehe ich ausgesprochen gern, ich mag den Batman-Kosmos und den Joker (mein einziger großer Berührungspunkt mit dieser Art Comic) und nicht zuletzt die New-Hollywood-Atmosphäre des New Yorks der Siebziger und frühen Achtziger, und Underdog-Stories. Wobei diese Elemente wohl auch nicht zufällig so ausgewählt wurden. Dabei liegt mir Batman aber auch nicht so am Herzen, dass mich die Abweichungen und künstlerischen Freiheiten stören, im Gegenteil. Obwohl DC nicht gerade für ihr weitsichtiges und überragendes Management bekannt sind, so mag ich ihre Kreationen unterm Strich doch wesentlich mehr als das penetrant-omnipräsente Marvel. Marvel mag die höhere Durchschnitts-Qualität haben, aber wenn DC mal große Würfe gelingen - wie mit Nolans Dark-Knight-Trilogie und jetzt Joker - dann erreichen sie Sphären, von denen Marvel nur träumt. Ich kann mir zu keinem Marvelschurken einen Film vorstellen, der den Goldenen Löwen von Venedig abräumt. Dafür sind die Figuren dort noch viel zu sehr in ihren kindlich-schlichten Ursprüngen verhaftet - was andererseits aber sicher auch den Zuschauererfolg vor allem in den USA erklärt.
Man kann dem Film sicherlich vorwerfen, dass er sich relativ eindeutig an Klassikern wie Taxi Diver oder King of Comedy orientiert - nicht zuletzt durch De Niro selbst. Genau das machen ja jetzt auch viele Feuilletonisten, nachdem Regisseur Phillips eine überempfindliche Atmosphäre in der Comedyszene kritisiert hat. Andererseits waren die Filme dieser Ära eben wirklich herausragend, und ich glaube, viele Zuschauer wünscht sich langsam diese Art Film zurück. In diesem Sinne könnte man sich darüber streiten, ob der Hype um den Film ein Indiz dafür ist, dass der "Superheldenfilm" erwachsen geworden ist und ernstgenommen wird, aber ob sich das Publikum wieder nach anspruchsvollen Eventfilmen sehnt, die sozialkritische Themen aufgreifen. Der Film schafft den Spagat zwischen diesen beiden Erwartungen außerordentlich gut.
Joaqin Phoenix ist phantastisch. Wie immer, möchte man fast sagen. In Bezug auf die Gewalt hatte ich schlimmeres erwartet, vor allem durch Meldungen von Zuschauern, die während der Vorstellung raus mussten. Der Film hat schon explizite Szenen, aber ich würde behaupten, der aktuelle Rambo ist da wesentlich härter. Die Atmosphäre und das kontroverse Kultpotential des Films erinnert ein bisschen an Fight Club, der vor genau 20 Jahren ähnliche Diskussionen auslöste. Insgesamt funktioniert der Film auch erstaunlich gut für ein Publikum, dass mit Superheldencomics nichts anfangen kann, und überhaupt kein Vorwissen mitbringt. (Hier hab ich auch mal einen Artikel zum Thema geschrieben)