DER FILM: Der Morgen stirbt nie

  • Herrliches Review - danke. Hab mich beim Lesen prächtig amüsiert :D !


    Zitat

    Beim ersten Kinobesuch 1997 empfand ich TOMORROW NEVER DIES als deutliche Verbesserung gegenüber GOLDENEYE. Pierce Brosnan wirkte viel entspannter, die Action war knalliger und spektakulärer und vor allem die Musik war vergleichsweise phantastisch [...]. Aber natürlich gibt es sehr viel zu kritisieren. Vom nicht ausgeschöpften Thema des Films, teilweise uninspiriert wirkenden schauspielerischen Leistungen, unbondig wirkenden Settings bis hin zur Endlos-Ballerei im Finale.


    Wir haben wieder mal ziemlich gleiche Ansichten. Auch ich empfand TND nach dem für mich eher durchzogenen GE bei der ersten Sichtung für eine Verbesserung. Vor allem, weil er einfach viel "sicherer" wirkte und auf die bescheuerten Dialoge und die in vorauseilendem Gehorsam reingewürgte "political correctness" verzichtete. Heute sehe ich da trotzdem keinen wirklichen Vorsprung mehr für TND gegenüber GE - zu sehr wirken die Unzulänglichkeiten von TND für mich heute störend. Der Film wirkt für mich einfach atmosphärisch "trüb und kalt". So wie ein regnerischer, wolkenverhangener Januartag :thumbdown:


    Zitat

    Ursprünglich war die Sequenz etwas länger und ging detaillierter auf Carvers Vorgeschichte ein. Zudem gab es wieder zünftig hochprozentige Getränke, was durch die schaukelnde Fahrt nicht ohne Komik war. Aber das wurde leider ebenfalls herausgeschnitten.


    Ja - das ist wirklich schade :bamm: !

  • Bedankt seist du,
    dein Review, Martin, konnte ich bislang nur überfliegen, lese da beizeiten mal genauer (oder las es einst?), sehe aber schon ein Foto von einem E32 (Vorgänger des im Film verwandten E38 ), der E32 ist wohl das beste Fahrzeug, das jemals bayrische Hallen verließ, ein sportliches Wohnzimmer, selbst ein 730er wäre bereits ein Traum.
    Ja, TND hat Schwung, wenig Leerlauf, wie aus einem Gusse, das schlechte Ende ist leider wirklich schwer zu übersehen...., ein flüssiger Film für nicht allzu anstrengende Sonntagnachmittage, konsumierbar eben, aber in den richtigen Augenblicken auch mit Emotionen versehen.
    Und Carver fand ich zwar nie besonders gut, aber der irrsinnige Fanatismus schimmert schon sehr gut durch, Mackensy lässt ihn ja regelrecht kreischen:
    "Ich will Radio!!!, ich will Fernsehen!!!, wir werden rund um die Uhr auf Sendung sein!!!!!"

  • James Bond 007: Der Morgen stirbt nie


    Bond Marathon # 00…19; Originaltitel: Tomorrow Never Dies, GB 1997, Regie: Roger Spottiswoode, Drehbuch: Bruce Feirstein nach Ian Fleming, Darsteller: Pierce Brosnan, Jonathan Pryce, Michelle Yeoh, Teri Hatcher, Joe Don Baker, Judi Dench, Götz Otto, Ricky Jay, Vincent Schiavelli, Geoffrey Palmer, Julian Fellowes, Colin Salmon, Samantha Bond, Desmond Llewelyn u. a., Premiere: 09. Dezember 1997


    Zitat von James Bond 007: Der Morgen stirbt nie

    Undercover observiert James Bond einen illegalen Umschlagplatz von kriminellen Waffenhändlern am Khyber Pass. Bevor 007 das "Okay" der Einsatzleitung bekommt, wechselt ein hypermoderner amerikanischer Chiffriercomputer den Besitzer. Käufer ist der Hightech-Terrorist Henry Gupta. Dieser kann entkommen, bevor der Agent den Waffenbasar auflöst und einen mit Nukleartorpedos bestückten Jagdflieger vor einem nicht mehr zu stoppenden Raketeneinschlag der Marine in Sicherheit bringt. Der Doppel-Null-Mann hat mal wieder den Tag gerettet. Der entflohene Gupta plant derweil Düsteres. Mithilfe des frisierten Chiffriercomputers manipuliert er die Satelliten-Daten gestützte GPS-Ortung der Fregatte HMS Devonshire, die daraufhin in chinesisches Hoheitsgebiet fährt, anstatt in internationalen Gewässern zu bleiben. Die Volksrepublik sieht das als Verletzung ihrer Souveränität und schickt einige Abfangjäger, um die Fregatte zur Umkehr zu bewegen. Derweil nähert sich dem britischen Schiff unbemerkt ein Boot mit brandneuer Stealth-Technologie, das für das Radar völlig unsichtbar ist. Der Kommandant Richard Stamper lässt einen Fräsentorpedo abfeuern, der die Fregatte regelrecht durchsiebt. Das Schiff sinkt und setzt einen fatalen Notruf ab. Die Crew vermutet natürlich einen Angriff der Chinesen. Im Gegenzug lässt Stamper eine Jagdmaschine der Volksrepublik abschießen. Die wenigen Überlebenden der britischen Marine erschießt der Deutsche daraufhin eigenhändig mit chinesischer Munition. Man will einen Konflikt zwischen Großbritannien und China im südchinesischen Meer provozieren. Gupta und Stamper arbeiten für Elliot Carver, den mächtigsten Medienmogul der Welt. Dieser setzt - hoch zufrieden mit dem bisherigen Ablauf seines Plans - seine gewaltige mediale Maschinerie in Gang. In London brennt der Baum, nachdem an der vietnamesischen Küste die Leichen der Seeleute angespült wurden. M und Bond haben nur 48 Stunden für ihre Ermittlungen, bevor der Verteidigungsminister und die Admiralität die gesamte britische Flotte für einen Vergeltungsschlag mobilisieren wollen. M hat einige Hinweise, die zu Carvers Medienimperium führen, aber Nullnullsieben soll äußerst diskret vorgehen. Der Agent fliegt nach Hamburg. Hier trifft er Paris, seine einstige Geliebte, die nun Carvers Ehefrau ist und seinen chinesischen Konterpart Wai Lin, die Carver ebenfalls in Verdacht hat. Der Doppel-Null-Mann sabotiert eine Großveranstaltung des eitlen Tycoon und wird von dessen Männern brutal zusammengeschlagen – kann aber entkommen. Im Hotelzimmer verbingt James eine Liebesnacht mit Paris. Danach dringt er in Carvers lokale Niederlassung ein und entwendet Guptas manipulierten Chiffriercomputer. Im Hotel findet er Paris ermordet auf und wird von Carvers Killern gestellt. Seine Lage scheint aussichtslos. Der Medienzar will alles wie einen Selbstmord der beiden abtrünnigen Liebenden aussehen lassen. Wird 007 entkommen und den dritten Weltkrieg noch verhindern können…?


    Zitat von Scarpine (2013)

    Brosnans zweiter Einsatz artete bedauerlicherweise in eine mittelschwere Katastrophe aus. Neben dem dürftigen Skript und der einfallslosen Inszenierung, enttäuschen besonders die Cinematographie und das Production Design. Der Score und die Darstellergarde bewegen sich auf einem annehmbaren Niveau, während allein die Titelsequenz ein echtes und unbestreitbares Highlight darstellt. Trotz aller Schwächen gerät der Streifen solide und temporeich. Die Action-Szenen sorgen für Dynamik und die Schauspieler machen meist noch das beste aus dem, was sie vorgelegt bekommen. Insgesamt ist "Tomorrow Never Dies" ein schillernder Vertreter des hektischen Action-Kinos der 90er Jahre, der wie andere Filme der Zeit Non-Stop-Action und Militär-Look einer interessanten Handlung vorzieht und Kampf-Choreografien und coole Sprüche in den Vordergrund rückt, um dem Gelegenheitszuschauer leichtkonsumierbare, kurzweilige Unterhaltung zu bieten.


    Ähnlich wie bei seinem Vorgänger gehen die Meinungen der Fans über Tomorrow Never Dies stark auseinander. Für einige handelt es sich um den mit Abstand besten Bondfilm mit Pierce Brosnan als 007, für die anderen ist es einer der schwächsten Beiträge der ganzen Serie. Merkwürdig geschlossen fällt dagegen größtenteils das Urteil der Kritiker und Zuschauer aus, die Tomorrow Never Dies in der Regel als gekonnt arrangiertes, aber letztlich austauschbares Action-Entertainment erachten. Tatsächlich hat Brosnans zweite Mission ein vergleichbares Problem wie A View To A Kill. Im Grunde besitzt das Werk alle Elemente, um ein perfekter Franchise-Eintrag zu sein, und leistet sich in der Breite auch keine gänzlich unumschiffbaren Tiefpunkte, schafft es aber genauso wie Roger Moores Schwanengesang nicht, überdurschnittliche Klasse oder ein echtes Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln. Dabei besitzt das Werk genau so eine Trumpfkarte: Die manipulative Macht der Vierten Gewalt und einen Medien-Tycoon, der sich seine Nachrichten selbst liefert. Bedauerlicherweise bleibt die Umsetzung dieses vielversprechenden Ausgangsmaterials weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Statt auf erfrischende Art und Weise mit dem innovativen Sujet eine überzeugende Neuinterpretation im Rahmen der seriellen Struktur zu initiieren, greift man auf einen 08/15-Plot und ausgereizte Varianten der Vergangenheit zurück. Allgemeine Vernetzung und mediales Dauerfeuer hätten eine viel größere Projektionsfläche geboten, als die fade Reminiszenz an den erzählerischen Aufbau der Gilbert-Bondfilme am Ende illustriert. Gestohlene Atomraketen, der Konflikt zweier Nationen, ein Weltkrieg-III-Plot mit lachendem Dritten, brandneue Militärtechnik auf Seiten der Verschwörer, eine Agentin der Gegenseite als Partnerin und ein Oberschurke, der in gänzlich anderen Sphären schwebt. Selbst wenn man kein Franchise-Kenner ist, muss man nicht lange überlegen, um beim Bond Marke '97 an die Jahrgänge '67 und '77 - You Only Live Twice und The Spy Who Loved Me – zu denken. Besonders betrüblich ist in dieser Konstellation aber vor allem die Konzeption des Printmagnaten, der so viele mehr hätte sein können als ein reiner Blofeld- oder Stromberg-Verschnitt. Gerade in Anbetracht von solch prominenten Publicity-Egomanen wie Steve Jobs oder Elon Musk wird deutlich, wie groß das Potenzial einer Figur wie Elliot Carver war. Auch gealtert ist der Streifen indes kaum zu seinem Vorteil, auch wenn ich mich persönlich mit einigen schwierigen Aspekten mittlerweile versöhnt habe. Für Kritiker bietet der zweite Film von Brosnan wirklich reichlich Angriffsfläche. Von dem schablonenhaften Plot, einer nachlässigen optischen Gestaltung, mittelmäßigen Darstellern, Production Design-Talfahrten, endlosen Ballerorgien, allgegenwärtiger Product Placement-Penetranz bis hin zu dem völlig verkorksten Finale kann man wahrlich viele Haare in der Suppe finden. Trotzdem hat der Streifen auch seine Stärken. Der Hauptdarsteller liefert seine wohlmöglich beste und stilsicherste Performance in der Titelrolle ab, die Action präsentiert sich gefällig und knackig, über die gesamte Laufzeit wird flüssig und kurzweilig inszeniert und in den handwerklichen Sektionen wird bisweilen gute Arbeit geleistet. Alles in allem ist Tomorrow Never Dies ein standardhafter Reißer aus dem so oberflächlichen wie schnelllebigen (B-)Action-Kino der Neunziger Jahre, der zwar den mit GoldenEye eingeschlagenen Weg konsequent weitergeht, ohne dabei Trends zu setzen oder Perspektiven für die Zukunft aufzuzeigen.


    Die Darstellerriege hatte ich als eines der blassesten und langweiligsten Ensembles in der langen Geschichte der Reihe in Erinnerung. Mit der erneuten Sichtung urteile ich diesbezüglich deutlich milder und kann einigen Rollenauslegungen auch diverse positive Gesichtspunkte abgewinnen. Außerhalb der Kritik stand für mich eigentlich schon immer der fünfte Amtsinhaber. Wie ein Großteil der Fans würde ich in den Tenor, dass Pierce Brosnan in diesem Film seinen stärksten Auftritt als Nullnullsieben absolviert, vollmundig mit einstimmen. Der Ire agiert sichtlich cooler, abgeklärter, gelöster und zupackender als noch in seinem etwas verhaltenen Debüt. Ob Undercover auf einem verschneiten Terroristen-Basar, im Smoking auf einer Gala, in Marine-Uniform auf einem Militärstützpunkt oder leger im suburbanen Teil einer asiatischen Metropole: Stets befindet sich der Mann mit der Lizenznummer 005 smart, stilvoll und durchsetzungsstark auf der Überholspur. Eine souveräne Leistung, die Brosnan auch mit einer erkennbar engagierteren Spielfreude unterstreicht. An Jonathan Pryces Charakter und dessen Darstellung entzweien sich seit dem Kinostart die Gemüter. Jenseits der Frage, ob man den Part nicht sehr viel besser hätte schreiben und in Szene setzen können, werden Pryce häufig peinliche Überzeichnung und hemmungsloses Overacting vorgeworfen. Auch ich mochte Carver lange Zeit überhaupt nicht, kann mit ihm in der dargebotenen Form aber mittlerweile deutlich besser leben als früher. Der Plot und die Sprechzeilen meinen es bisweilen nicht gerade gut mit dem Charaktermimen, aber Pryce macht in der Regel noch das beste daraus. Die Größenwahn-Konfrontation mit Bond, die Interaktion mit seiner Gattin und die einsamen Momente mit den flimmernden Monitoren in seinem Medienzentrum sind eigentlich fähig gespielt und umgesetzt. Zwar würde ich den harschen Kommentar, dass ein überkandidelter Knallcharge von seinem Format auch ein passender Gegner für Batman in einem quietschbunten Joel Schumacher-Film derselben Dekade gewesen wäre, unterschreiben, aber angesichts eines cartoonigen Donald Trump im realen Oval Office der Gegenwart, kann man selbst diesem Aspekt einen gewissen ironischen Charme abgewinnen. Auch die beiden Hauptdarstellerinnen konnten früher bei mir überhaupt nicht punkten, aber auch sie leiden – wie ich fairerweise zugeben muss – unter einer Limitiertheit, die man vor allem dem Script anlasten muss. Teri Hatcher ist sicherlich keine brillante Aktrice, aber sie macht als verängstigte Ehefrau eines Soziopathen eine ganz gute Figur und als Zuschauer leidet man schon mit ihr. Ein wenig verloren erscheint Michelle Yeoh, die weder gute darstellerische Momente gewährt bekommt, noch ihre Martial Arts-Künste imposant einbringen darf. Auch die Liebesgeschichte zwischen Bond und ihr ist im Vergleich mit typologisch verwandten Leading Ladys wie Anya, Holly oder Pam erkennbar dürftiger entwickelt. In den Nebenrollen hinterlassen Judi Dench, Joe Don Baker und Vincent Schiavelli einen positiven Eindruck. Götz Otto markiert einen bedrohlichen Mann fürs Grobe. Die restliche Besetzung ist wenig einprägsam, auch wenn mit Cecilie Thomsen und Daphne Deckers aparte B(l)ondinen durchs Bild huschen. Als Moneypenny hat Samantha Bond in diesem Streifen sicherlich ihren pointiertesten Einsatz und auch Desmond Llewelyns Auftritt ist angenehm launig geraten.


    Sichtlich weniger experimentell als die Herangehensweise seines Vorgängers gebärdet sich die Kameraarbeit von Robert Elswit. Der Film ist zwar rasant und aus einem Guss fotografiert, aber es fehlen ein wenig die ikonischen Bilder, die interessanten Winkel, die kreativen Einstellungen. Insgesamt wirkt die Cinematographie ein Tick zu glatt und oberflächlich in den Arrangements. Hinzu kommt, dass die über weite Strecken blasse Farbpalette und Belichtung Tomorrow Never Dies einen recht biederen und sterilen Touch verleiht. Das sorgt in den schlechtesten Momenten - wie den Szenen rund um die HMS Devonshire, das Hotel Atlantic, das Parkhaus und die Druckerei - für einen uninteressanten schlichten TV-Look, in den besten Momenten - wie in Carvers Kommandozentrale, auf der Promotion-Party und auf der Stealth-Boot-Brücke - entwickelt der Film dagegen einen atmosphärischen silberblauen Techno-Touch. Unterm Strich eine unaufgeregte Kameraführung ohne echte Besonderheiten. Auf Daniel Kleinman ist wirklich Verlass. Der Vorspann steht in seiner optischen Opulenz den GoldenEye-Titeln in nichts nach und der Song von Sheryl Crow ist zwar Franchise-intern nicht allererste Wahl, aber entpuppt sich als ein überaus gefälliger Ohrwurm. Den Soundtrack empfinde ich nicht gerade als Offenbarung. Sicherlich gibt es zwei oder drei schöne Kompositionen, aber es wird schon zurecht der Vorwurf erhoben, dass David Arnold recht inflationär das James Bond-Theme einspielt. Ich glaube, der bis heute gute Leumund dieses Albums speist sich vor allem aus dem Umstand, dass viele Fans anno 1997 nach dem Éric Serra-Schock dank eines bondig klingenden Scores - gleich welcher Qualität – erleichtert aufatmen konnten. England, Frankreich, Deutschland, Mexiko und Thailand sind reizvolle Locations, auch wenn die Filmemacher zumeist nicht das Optimum aus den Drehorten herauskitzeln. Vor allem Hamburg wird reichlich stiefmütterlich behandelt. Auch die Dekors sind fast durchweg eine Enttäuschung. Das Medienzentrum ist gefällig, aber alle anderen Sets präsentieren sich vom Entwurf her uninspiriert und einfallslos. Besonders aus dem Innenleben des Stealth-Boots hätte Filmarchitekt Allan Cameron so viel mehr herausholen müssen. Die finale Ausgestaltung erinnert mehr an zweitklassige Militärfilme der Epoche, als an die ruhmreichen Glanzzeiten des Production Designs in der 007-Historie. Anders als bei GoldenEye war das Drehbuch-Chaos dieses Mal eine unglückliche Melange aus dem Druck von MGM, diversen Pannen und den stetigen Änderungswünschen von Regisseur Roger Spottiswoode. Das Ergebnis ist nicht dasselbe, aber genauso schwachbrüstig. Im Gegensatz zur recht abgehackt-sprunghaften Vorlage von Brosnans Einstand zerfasert das Script dieses Mal glücklicherweise nicht, gibt sich dafür aber in seiner stromlinienförmigen Ausprägung fader und hohler. Wieder haben viele Köche den Brei verdorben; bis zu vierzehn Autoren sind den Sekundärquellen zu entnehmen. Durch die immerwährenden Änderungen sind auch die zumeist konturlosen Figuren und schablonenhaften Situationen zu erklären, die den Schauspielern kaum Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Auch das vielversprechende Hauptthema trägt der Streifen eher wie ein entlastendes Alibi vor sich her, um es in der Folge fast über die gesamte Laufzeit hinweg halsbrecherischen Stunts und krawalligen Schusswechseln zu opfern. Ein eher maues Drehbuch, das aber von den ausführenden Kräften noch partiell aufgefedert wird. Auf dem Regiestuhl inszeniert Spottiswoode konstant geschmeidig und schnell. In Sachen Tempo und Timing reicht kaum ein anderer Regisseur der Reihe an den versierten Cutter und Action-Spezialisten heran. Doch die Schattenseiten sind ein gewisses Desinteresse an der Handlung, das Ausbleiben von Verweilmomenten und ein zu geringer cineastischer Erinnerungsfaktor. Tomorrow Never Dies ist ein grundsolider, aber letztlich trivialer Serieneintrag, der zwar als waschechter Event-Thriller auf der Höhe seiner Zeit zu bestehen vermag, aber – wie es in einer zeitgenössischen Kritik hieß – als Bondfilm "mehrere Schritte rückwärts macht".


    "James Bond. You know the rest." - So lieblos wie der "Morgen" in hoher Auflage und Stückzahl die Druckerpresse verlässt, so zugeschnitten und glattgebügelt präsentiert sich auch Pierce Brosnans Mission Media. Ein kinetisches Werk, dem man ohne zu zögern das Etikett "Fließbandprodukt" anheften möchte. Verschenkte Möglichkeiten, eine nachlässige Gestaltung und ritualisierte Routine ziehen den Beitrag sichtlich nach unten. Immerhin wissen sensationelle Augenblicke, zackige Zertreuungsaktionen und ein souverän aufspielender Hauptdarsteller den Zuschauer zumindest zeitweise für sich einzunehmen. Leider trifft die alte Weisheit, dass ein Film reifen kann wie ein guter Wein, in diesem Fall nicht zu. Denn auch wenn der Morgen niemals stirbt, gibt es doch kaum etwas Langweiligeres als die Nachrichten von gestern.


    00 00 00 00 00 Doppel-Null-Lizenzen

  • Das kann ich gut verstehen. Bei mir war der Film viele Jahre ganz unten, aber er macht sich ein wenig. Die Medien- und Computertechnik wirkt aus heutiger Sicht genauso nostalgisch wie das BMW-Modell und die allgemeine - damals neumodische, heute fast schon altbackene - Art einen Action-Film zu drehen. Tomorrow Never Dies ist ein schillernder Techno-Thriller, der perfekt in das Multiplex-Kino der Spät-Neunziger passte. Da hängen auch jede Menge Erinnerungen dran. Aber irgendwie zündet der Streifen nicht so richtig bei mir, was ich vor allem dem öden Script, der optischen (Nicht-)Gestaltung des Films und dem sehr schwachen Finale anlasten würde. Auch wenn es die Punktewertung nicht wirklich aussagt, hat das Werk doch bei mir Boden gut gemacht. Einige Aspekte stören mich bei weitem nicht mehr so stark wie früher, aber es reicht im Umkehrschluss eben trotzdem nicht, um den Streifen erkennbar nach oben klettern zu lassen. Ich bin mal gespannt, auf welchem Platz er im finalen Ranking landen wird...

  • Sehr gut geschrieben, Scarpine! Bei mir war der Eindruck diesmal leider eher umgekehrt. Ich mochte den Film immer als Actionknaller. Auch die kühl-entsättigte rot-blaue Farbgebung. Aber bei der letzten Sichtung wirkte vor allem das letzte Drittel wie vom Autopiloten gesteuert.

  • Dankeschön, Martin. :) Ich stimme dir schon zu. Der Unterschied ist wohl, dass das Werk bei dir immer ein besseres Standing hatte, während es bei mir von ganz unten kommt. Diese rot-blaue Farbgebung in den Schiffsszenen hat schon was; z. B. die Wirkung von Stampers strohblonden Haaren in diesem kühlen Techno-Blau. Was micht stört, sind vor allem die Szenen mit Tageslicht; maßgeblich in Hamburg, aber auch teilweise Bangkok. Das ist mir zu ambitionslos heruntergekurbelt. Man kann über GoldenEye sagen, was man will, aber der Film hat fast durchweg Bilder die kinowürdig sind. In Tomorrow Never Dies haben diverse Szenen und Sequenzen einen eher uninteressanten TV-Look. Besonders die Einstellungen rund um das Hotel Atlantic und das Parkhaus fallen da sehr negativ auf; z. B. wenn Stamper mit dem Walkie-Talkie auf dem Hochhausdach steht. Hier hätte ich mir etwas mehr Kreativität und Liebe zum Detail gewünscht, aber vermutlich saß Spottiswoode zu mahnend die Deadline im Nacken.


    Und das letzte Drittel fällt leider in der Tat stark ab. Bis zum spektakulären Halo-Jump hat der Film eigentlich noch ein ganz gutes Niveau und dann plötzlich kippt es. Die Tauchaktion gehört für mich zu den uninteressantesten Unterwasser-Sequenzen der Reihe: Das offensichtliche Modell des Schiffwracks, der unglaubliche Zufall, dass Bond und Wai Lin die Devonshire gleichzeitig untersuchen und die arg aufgebauschte plötzliche Dramatisierung des Tauchgangs. Dann die gewollt sinnlose Motorrad-Helikopter-Action, Wai Lins klischeehafter Operationsstützpunkt, die kitschige Pseudo-Suche nach dem Stealth-Boot, die komische Stimmung beim Anbringen der Sprengladungen und dann das völlig verschenkte und vergurgte Finale, in dem leider vor allem die Schurken sprichwörtlich untergehen. Auch finde ich, dass den Helden vom Script vieles zu leicht gemacht wird. Die Safeknacker-Szene hat weder Humor noch Spannung. In den früheren Filmen hat man da dramaturgisch mehr draus gemacht und Suspense aufgebaut. Bei der Präsentation geht Bond an einen beliebigen Stromkasten und knipst ein paar Schalter um, um Carvers Show zu beenden. Am Ende braucht Wai Lin auch nur irgendeinen Terminal umzuballern und schon stoppen alle Maschinen des Stealth-Boots. Es fehlt an Nervenkitzel und situativer Spannung. Nur die finale Rettung von Wai Lin ist ganz schön und malerisch geraten.


    Würde der Streifen am Ende nicht so massiv abbauen, läge er bei mir mit seinem Vorgänger gleichauf.

  • Tatsächlich hat Brosnans zweite Mission ein vergleichbares Problem wie A View To A Kill. Im Grunde besitzt das Werk alle Elemente, um ein perfekter Franchise-Eintrag zu sein, und leistet sich in der Breite auch keine gänzlich unumschiffbaren Tiefpunkte, schafft es aber genauso wie Roger Moores Schwanengesang nicht, überdurschnittliche Klasse oder ein echtes Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln.


    Dieser TND/AVTAK-Vergleich trifft genau ins Schwarze. Danke, denn diesen Aspekt hatte ich bisher "übersehen" :)

  • Merci für die umfangreiche Replik,
    das Finale sehe ich ebenfalls sehr kritisch, recht uninspiriert fürwahr, vor allen Dingen der vermeidbare Tod Carvers ist ein Treppenwitz ohnegleichen,


    nun, und zum "Look" des Films: Ebenfalls mehr als merkwürdig, stellenweise gefällt er sehr und hat viel Wiedererkennungswert, zugleich wirken diverse Parts eher billig geraten.
    Generell denke ich, dass speziell dieser Film einen besonderen Bonus genösse, konsumierte man auch die (Bond-)Videospiele aus jener Zeit, Technikfans kommen bei diesem Werke voll auf ihre Kosten, auch wenn vieles aus gegenwärtiger Sicht ulkig anmutet und vor 23 Jahren hochmodern hat sein sollen.

  • Zitat

    auch wenn vieles aus gegenwärtiger Sicht ulkig anmutet und vor 23 Jahren hochmodern hat sein sollen.


    Ja, der Film ist - wie übrigens so vieles aus der zweiten Hälfte der 1990er - nicht besonders gut gealtert. Darüber kann ich allerdings hinweg sehen - ist halt der Zeitgeist. Andererseits wird mir so schmerzhaft bewusst, dass ich langsam alt werde :D


    Und noch was zu TND: Auch wenn die Qualität der PB-Bonds teilweise eher durchzogen ist - das Schöne an der damaligen Zeit ist, dass die Verantwortlichen damals wieder für einen konsequenten Film-Rhythmus von zwei bis maximal 3 (DAD) Jahren gesorgt habe. Daher konnte man immerhin "beruhigt" sein, dass der nächste Bond-Film bald und ohne grosse Geburtswehen kommen wird. Heute dauert es jeweils Jahre, man muss das Schlimmste befürchten - inklusive der Frage, ob Bond im nächsten Film eine ausserirdische Queer verkörpert :bamm:

  • Wenn ich im FILMforum "mal" provokant sein darf und "everything or nothing" (27.2.04) abermals als Film bezeichne, so hat man den 2-Jahres-Rhythmus der Brosnan-Ära gleich nach dem 3er Ausreißer DAD (2002) ja auch wieder aufgegriffen ;) ,
    2006 folgte CR und 2008 QoS, so richtig übel wurde es also erst in der '10er Dekade, dorten dann aber dafür mächtig....
    Wie es von einem geschätzten Foristen vor einigen Wochen bereits Erwähnung fand: In gewisser Weise hat sich die Reihe von der Zeit zwischen 1989 und 1995 nie gänzlich erholt, zwischenzeitlich konnte sie vielleicht Luft holen und Brosnan brachte frischen Wind, aber am Ende des Tages muss ich für mich persönlich doch konstatieren, dass die Hauptfilmreihe nach meinem Dafürhalten im Jahre '62 begann und 1989 gewissermaßen verendete.

  • Ich habe mir den Film gestern nochmal auf Vox angesehen und bis auf die Ballerorgie am Schluss habe ich eigentlich kaum was auszusetzen. Aber bei mir kommen die Brosnan-Bonds im Schnitt sowieso alle deutlich besser weg als im Forumsschnitt hier.:-)
    Nur eins ist mir gestern aufgefallen: Warum lässt M für Carver einen für ihn deutlich positiveren Nachruf (Selbstmord statt Veröffentlichung seiner Verbrechen) verfassen und veröffentlichen?

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