Mord im Orient-Express (2017, Kenneth Branagh)
Eine gelungene Neu-Verfilmung des Krimiklassikers. Der Film wirkt von der Machart her klassisch und konservativ, was der Story zu Gute kommt. Rückblenden sind beispielsweise einfach schwarz-weiß, ohne irgendwelche tricktechnische Spielereien. Letztlich kommt er nicht ganz an die Opulenz und den nostalgischen Glanz des Sidney-Lumet-Films von 1974 heran, weder filmisch noch schauspielerisch, aber das hat wohl auch niemand ernsthaft erwartet.
Anders als in dem alten Film sind die Passagiere des Zugs nicht völlig von der Außenwelt abgeschnitten, so dass man auch etwas von der Landschaft sieht. Auch der Ton ist ernster und tiefsinniger, und weniger ironisch, was ich allerdings sehr gut fand. Insofern ist Branagh als Poirot eine Figur, die mir wirklich besser gefallen hat als in der 74er Verfilmung. Inwieweit das dem Original von Christie eher entspricht, kann ich nicht beurteilen. Auch beginnt der Film nicht in Jordanien, sondern in Jerusalem. Das passt dazu, dass Branagh die ethnischen Vorurteile thematisiert, die in den 30ern grassierten.
Das Ensemble ist sehenswert. Johnnie Depp nimmt sich angenehm zurück, auch Judi Dench, Michelle Pfeiffer, Willem Dafoe, etc. konzentrieren sich auf ihre Rollen, ohne schauspielerisch besonders auftrumpfen zu wollen. Das ist sicher der Regie von Branagh zu verdanken. Bei Regisseuren, die mehr auf Effekte als auf Darstellerführung Wert legen, wäre wahrscheinlich ein Film herausgekommen, bei dem jeder den Anderen "an die Wand zu spielen" versucht.
Branagh hat angekündigt, im Erfolgsfall weitere Vorlagen um Poirot zu verfilmen, was ich auf jeden Fall begrüßen würde.