James Bond Rewatched
# 17: GoldenEye (1995)
OT: GoldenEye; GB 1995; 130 Min.; R: Martin Campbell; D: Pierce Brosnan, Sean Bean, Izabella Scorupco, Famke Janssen, Gottfried John, Joe Don Baker, Robbie Coltrane, Judi Dench, Samantha Bond, Desmond Llewelyn
Sechs Jahre nach seinem letzten Einsatz kehrte James Bond auf die Kino-Leinwand zurück. Rechtstreitigkeiten und Fehlentwicklungen hatten die Serie so lange pausieren lassen. Und nun sollte nach dieser gefühlten Ewigkeit wieder ein neuer 007-Streifen in die Filmtheater kommen und den britischen Geheimagenten in der Gegenwart verankern. War James Bond noch zeitgemäß? Er war es. Dass war die positive Antwort, die Pierce Brosnans Erstling zugeben wusste. Der Film läutete eine neue Ära ein und wurde zu einem großen finanziellen Erfolg. "GoldenEye" sollte in gewisser Hinsicht zur Blaupause für alle folgenden Filme der Brosnan-Ära werden. Ein Umstand, der ihm später häufig zum Nachteil ausgelegt werden sollte.
Abermals versammelte man ein hochklassiges Ensemble. Der Ire Pierce Brosnan geht als neuer Hauptdarsteller sofort in seiner Rolle auf, tut sich aber naturgemäß schwer sie von Beginn an in voller Breite auszufüllen. Als seine Partnerin erleben wir Izabella Scorupco, die die Rolle der bedrohten Computerprogrammiererin Natalya Simionowa als einfühlsames Alltags-Bondgirl interpretieren darf. Famke Janssens orgastische Killerin Xenia Onatopp ist da von einem ganz anderen Kaliber. Sie steht zwar ebenfalls mit beiden Beinen im Leben, gleicht in ihrer schrillen Anlage aber eher einer Comicgestalt. Dennoch holt die Niederländerin alles aus ihrem Part heraus. Als Oberschurke Alec Trevelyan sehen wir Sean Bean, der seine Sache zwar grundsätzlich nicht schlecht macht, aber mit seinem teilweise an den Tag gelegten Overacting der schon in der Anlage mit Problemen behafteten Figur keinen Gefallen tut. Als sein Helfershelfer agiert Alan Cumming, der seinen klischeehaften Charakter mit seiner überkandidelten Art bis zur Schmerzgrenze ausreizt. Der Zweitschurke Ourumov wird von dem deutschen Charaktermimen Gottfried John herrlich skrupellos und hinterhältig gezeichnet. Er ist die interessanteste Figur des Films, die ein viel zu schnelles Ende ereilt. In den Helferrollen liefern Joe Don Baker und Robbie Coltrane echte Glanzleistungen ab, während Michael Kitchen und Tchéky Karyo in pointierten Nebenrollen gefallen. Desmond Llewelyn darf in einem sehr denkwürdigsten Auftritte einen Kalauer nach dem anderen zum besten geben. Neu im Team sind Samantha Bond, die eine ungewohnt emanzipiert-freche Moneypenny verkörpert, und Judi Dench, die eine würdige Nachfolgerin Bernard Lees werden sollte und bereits hier ihre Klasse unter Beweis stellen darf.
Mit Martin Campbell nimmt ein neuer Mann auf dem Regiestuhl Platz. Man merkt von Beginn an eine dynamisch-frische Herangehensweise an das Sujet und doch macht die Inszenierung über die ganze Länge des Films eher einen durschnittlichen Eindruck. Gekonnt arrangierte Szenen wechseln sich ab mit geradezu nervös abgespulten Passagen. In den Action-Sequenzen beweist Campbell dagegen großes Geschick und verleiht dem Streifen an den entscheidenden Stellen die notwendige Rasanz, während die emotionalen Szenen merkwürdigerweise einen hölzernen Eindruck hinterlassen. Unterm Strich eine akzeptable Leistung. Über das Drehbuch lässt sich viel sagen, da die Skriptentwicklung zu diesem Film wohl die spannendste überhaupt innerhalb des Franchises sein dürfte. Kurzum: Der Stoff hätte wesentlich mehr Potenzial geboten. Die vielen Autoren und Überarbeitungen haben die Handlung leider komplett weichgespült. Von der Frische des Erstentwurfs von Michael France ist kaum mehr etwas zu spüren. Die Handlung ist zäh, einige Dialoge gewollt und verzichtbar und aus dem Trevelyan-Charakter und seiner Beziehung zu Bond wird viel zu wenig Kapital geschlagen. Darüber hinaus fallen dem Zuschauer allerlei Albernheiten auf die Nerven. Mag man die irre Xenia noch durchgehen lassen, kann man angesichts eines nervös-hektischen Boris, eines selbst im Tode dümmlich grinsenden Admirals und einer augenrollenden Psychologin Caroline nur den Kopf schütteln. Was hat man sich nur bei solchen Pappkameraden gedacht? Insgesamt fällt das Skript mittelprächtig aus, während der Cast und die souveräne Action einiges herausreißen.
Mit Éric Serra sorgt ebenfalls ein neuer Komponist für frischen Wind. Leider für den falschen. Serra`s Score fällt weitgehend einfallslos aus und stört das Filmgeschehen sogar teilweise. Sicherlich der schwächste Soundtrack eines 007-Streifens. Der Titelsong von Tina Turner hingegen ist echte Meisterklasse und gehört zu den allerbesten 007-Hymnen. Daniel Kleinman erweist sich gleich bei seinem Debüt als vortrefflicher Nachfolger des großen Maurice Binder und schafft mit seinem Vorspann, der um die zerfallene Sowjetunion kreist, eines der besten Titeldesigns der Reihe. Mit Peter Lamonts Production Design kann man kaum hart ins Gericht gehen. Manches wirkt beliebig, aber Sets wie der Statuenfriedhof und das russische Archiv sorgen schon für ein gewisses Ambiente. Die Schauplätze sind mit der Schweiz, England, Frankreich, Monaco, Russland und Puerto Rico sehr ausgewogen ausgesucht. Phil Meheuxs Cinematographie animiert nicht gerade zum Jubeln. Der ganze Streifen ist in düsteren grau-braunen Farbtönen fotografiert. In den Action-Momenten kann die Kameraführung dagegen punkten ohne jedoch an die ganz große Virtuosität früherer Tage heranzureichen.
Gesamtwirkung: Nach sechs Jahren Pause etablierte dieser ambitionierte Streifen 007 wieder erfolgreich in der Filmwelt. Dennoch weist der Film insgesamt zu viele Schwächen auf, um ihn als Highlight durchgehen zu lassen. Das Drehbuch besitzt zu viele schleppende Passagen, zu viele überflüssige Dialoge und zu wenig Tiefe. Die Inszenierung hat eine zielgerichtete, aber zugleich ungewöhnlich hektische Note. Score, Production Design und Cinematographie bewegen sich auf einem bestenfalls mittelklassigen Niveau, während allein das wunderbare Darstellerensemble vollkommen glänzen kann. Mag "GoldenEye" zwar qualitativ nicht in voller Breite überzeugen können, so muss man dennoch anerkennen, dass dieser Streifen innerhalb der Reihe zu den stilbildendsten und wichtigsten Bondfilmen im Hinblick auf die Serienkontinuität gehört.
Meine Wertung: 3,5 von 5 Punkten