Ich habe mich schon oft gefragt, was denn nun das Geheimnis dafür ist, dass Bond so viele Jahrzehnte überlebt hat und auch kein Ende in Sicht ist - im Gegenteil.
Natürlich spielt es eine Rolle, spannende Geschichten zu schaffen, die Zuschauer durch neue Gadgets und tolle Stunts ins Kino zu locken und sie mit exotischen Drehorten und skurrilen Figuren zu unterhalten.
Doch diese "Bondformel" kann nicht das alleinige Kriterium sein. Zu viele andere Serien haben auch ein bestimmtest Muster, dem sie folgen, was ihnen zwar kurzfristigen Erfolg, aber noch lange keine Langlebigkeit im harten Filmgeschäft garantiert.
Was also stattet die Filme nicht nur inhaltlich, sondern auch systematisch und strukturell so aus, dass sie immer wieder funktionieren?
Ich bin hierbei auf den Gedanken gekommen, dass es - wider Erwarten - an einer eher geringen Festlegung der eigenen Werte liegen könnte.
Das alte Vorurteil, dass die Bondfilme immer dasselbe seien, ist meiner Meinung nach nur bedingt richtig. Mag es vielleicht für das Grundgerüst, das Muster, gelten, so ist die Ausschmückung von diesem so unterschiedlich, dass es neben den allseits bekannten Konstanten (M, Q, Moneypenny, selbe Schauspieler, ähnliche Dramaturgie) fast nichts gibt, das die einzelnen Filme im allgemeinen und die Person "James Bond" im Besonderen festlegen würde. Es findet somit nahezu in jedem Film eine Art Reboot statt.
Der Charakter einer Serie ist der, dass die Folgen aufeinander aufbauen. Bei James Bond wird hinsichtlich dessen lediglich dem Mindestmaß genüge getan. Nur das grobe Gerüst wird als Handwerkszeug verwendet, während der Inhalt kaum Anknüpfungspunkte an vorige Folgen hat. Ganz anders als bei (deshalb natürlich mit weniger Folgen bzw. anderer Zeitsanne ausgestatteten) anderen Kinoserien wie z.B. "Zurück in die Zukunft", "Terminator" oder "Rocky". Gerade wenn Serien zu sehr aufeinander aufbauen, obliegen sie einem sich selbst auferlegten Strukturzwang, der i.d.R. zu viele Folgen unmöglich macht. Irgendwann wird es langweilig ("Die Hard") oder zu komplex ("Matrix").
Nur durch ein ständiges "Sich neu erfinden" wird es möglich, sogar einen Darstellerwechsel zu vollziehen - eine Disziplin, die bisher nur wenigen gelungen ist, sofern sie es überhaupt gewagt haben.
Es ist daher die Kombination aus der Vertrautheit durch die vermeintliche Konstanz in den Filmen, also dem Muster (der Formel), dem sie folgen, und aus der Innovation und Kreativität, die dieses Muster jedesmal mit Inhalt und Leben füllen. Die wenigen Konstanten (weniger als man gemeinhin denkt) dienen hierbei dem Erkennungswert und der Stringenz. Das Gros des Films ist aber eine Zurückstufung zum Punkt 0 am Anfang eines jeden Films. Es gibts nur sehr wenige Querverweise zwischen den Filmen (meist in Bezug auf "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" und die dortige Hochzeit Bonds) - i.d.R. ist Bond in jedem Film wieder "neu" am Start und beginnt ein neues Abenteuer, das eben in groben Zügen dem Rahmen der Serienmuster entspricht.
Hätte man Anfang der 60er versucht, der "Serie" (ich bin mir manchmal gar nicht sicher, ob dieser Begriff im Zusammenhang mit Bond überhaupt passt?!) eine auf sich aufbauende Handlung zu geben, wären neue Folgen in zunehmendem Maße mit "Altlasten" dermaßen vollgestopft worden, dass ich ihr nach "Man lebt nur zweimal" 1967 keine große Zukunft mehr bescheinigt hätte. Man stelle sich nur vor, Sylvia Trench wäre in "Goldfinger" noch einmal aufgetaucht und würde so langsam Ansprüche erheben.
Ich würde daher die romantisierende Theorie, dass alle Filme in einem chronologischen Kontext stehen, ebenso in Frage stellen, wie die in Fankreisen beliebte These, dass es nur 2 mal ein Reboot gibt: Zu "Der Hauch des Todes" 1987 und zu "Casino Royale" 2006. Sprich dass wir insgesamt 3 in sich schlüssige Zeiträume haben:
- Das alte Reich: Connery/Lazenby/Moore (1962 - 1985)
- Das mittlere Reich: Dalton/Brosnan (1987 - 2002)
- Das neue Reich: Craig (seit 2006)
...um es mit dem alten Ägypten zu vergleichen.
Diese Einteilung ist zwar bezüglich der Zeiträume schlüssig, da beispielsweise ein Moore-Bond altersmäßig durchaus die Vorgeschichte des Connery-Bonds übernehmen könnte, aber sie ist für mich eher eine Romantisierung der Serie als dass sie den Fakten entspricht. Die wenigen Zusammenhänge untereinander dienen hier eher dem Erkennungswert als der Chronologie.
Gerade weil ich in jedem Film eine Art "Neuanfang" sehe, habe ich auch kein Problem damit, wenn die erhoffte chronologische Abfolge der Filme durch einzelne Aussagen, Jahresangaben oder Umstände konterkariert wird. Mich hat es da z.B. nie gestört, dass in "Skyfall" nun auf einmal der Aston Martin DB5 ausgerechnet das Autokennzeichen "BMT 216A" trägt, das er bereits in "Goldfinger" trug, obwohl er nach dem "Reboot" von "Casino Royale" dieses Kennzeichen gar nicht kennen dürfte. - Völlig egal!! Bond erfindet sich in jedem Film neu und legt keinen allzu großen Wert auf das, was früher in den Filmen vorkam (ich vernachlässige jetzt die bereits mehrfach angesprochenen charaktristischen Begleit-Konstanten wie M, Q usw.).
Dadurch, dass man (v.a. in neueren Filmen) dazu überging, Jahresangaben nicht wie der Teufel das Weihwasser zu meiden, führt man eine vermeintliche Chronologie der Serie ohnehin ad absurdum. Oder hat sich jemand schon mal Gedanken darüber gemacht, dass in "GoldenEye" die Szene der Vortitelsequenz 9 Jahre vor der eigentlichen Handlung spielt, also (der vermeintlichen Chronologie nach) in etwa zu dem Zeitpunkt als (Dalton-)Bond gerade Koskovs Machenschaften in "Der Hauch des Todes" auf der Spur war?
Nein. Für mich ist genau jener Neuanfang am Beginn einer jeden neuen Folge (vielleicht mit Ausnahme von "Ein Quantum Trost") der Garant dafür, dass es diese "Serie" (ich bleibe jetzt einfach mal bei dieser Begrifflichkeit) nun schon über ein halbes Jahrhundert gibt - ohne Vorbelastungen, ohne Altlasten und ohne zu verworrene Zusammenhänge, die zu viel Chronologie zwangsweise mit sich bringen würde.
Das Grundgerüst ist aber natürlich vorhanden - so wie ein Pianist sein Instrument zur Verfügung hat, mit dem er eben nur bestimmte muskialische Stimmungen ausdrücken kann. Welche Tasten dieser Klaviatur aber angestimmt werden, unterscheidet sich von Stück zu Stück, beziehungsweise von Film zu Film, wesentlich mehr, als man es gefühlt vielleicht wahrnimmt.
Eure Meinungen?