Das passt wohl als Diskussionsstart am besten hier herein...
# 24: S P E C T R E (2015)
Originaltitel: Spectre; GB 2015; Laufzeit: 148 Min.; Regie: Sam Mendes; Drehbuch: John Logan, Neal Purvis & Robert Wade und Jez Butterworth; Darsteller: Daniel Craig, Léa Seydoux, Christoph Waltz, Ralph Fiennes, Naomie Harris, Ben Whishaw, Monica Bellucci, Dave Bautista, Andrew Scott, Rory Kinnear, Jesper Christensen, Stephanie Sigman, Alessandro Cremona; Produktion: Barbara Broccoli und Michael G. Wilson
Drei Jahre sind seit Daniel Craigs letztem Einsatz vergangen. Und seine neueste Mission beweist nachdrücklich: Der Mann sitzt so fest im Sattel wie niemals zuvor. Schauspielerisch gefordert wird er allerdings nur wenig. Es fehlen wirklich starke Szenen und die Zeiten als Craig noch vollen physischen Einsatz bringen musste, sind mittlerweile auch passé. Dafür kann man den Engländer nun vor die Kamera stellen und er ist auf Knopfdruck "Bond. James Bond.". Etwas, was in dieser vollendeten Form bisher nur Sean Connery & Roger Moore erreicht haben. Ein Meilenstein, keine Frage. Nicht von ungefähr wird seinen beiden unmittelbaren Amtsvorgängern nachgesagt, nicht das Optimum aus ihren Möglichkeiten gemacht zu haben. Und so ist es auch Craigs gewachsenen Routine zu verdanken, dass die Schwächen der restlichen Besetzung durch seine Präsenz in der Hauptrolle ziemlich gut aufgefangen werden. Denn schauspielerisch wird in Spectre leider so wenig geboten, wie schon lange nicht mehr. Das mag auch der Filmstruktur und einer äußerst nachlässigen Figurenzeichnung geschuldet sein, aber hochwertige Leistungen bringen die Akteure auch von sich aus kaum.
Kleinere Highlights bieten da immerhin einerseits Jesper Christensen, der die eigentlich unglaubwürdige Wandlung seiner Rolle doch überzeugend zu vermitteln weiß, und andererseits Christoph Waltz, der mit seinem gewinnenden Overacting die Schwächen, die seiner Figur massiv anlasten, weitgehend übertünchen kann. Der einzig unbestreitbare Triumph des Ensembles ist indes Monica Bellucci, die als zwar gereifte, aber immer noch höchst sinnliche Charakterdarstellerin eine famose Performance auf den Punkt abliefert. Demgegenüber fällt der Rest leider stark ab. Ralph Fiennes, Naomie Harris und Ben Whishaw ist der Elan ihres Einstandes völlig abhanden gekommen, während Dave Bautista als erster großer und waschechter Handlanger seit Ewigkeiten erstaunlicherweise praktisch keinen Eindruck hinterlässt. Teils liegt es an ihm, teils wohl auch an der Rolle. An die Handlangerikonen der Serie kann er zwar erwartungsgemäß nicht heranreichen, aber selbst die zweite Garde braucht seine Konkurrenz nicht zu fürchten. Der Französin Léa Seydoux kann man mangelnden Einsatz sicher nicht vorwerfen, denn sie rettet durch ihre souveräne Leistung noch einiges, kann aber die Profillosigkeit ihres Parts nicht vollends kaschieren. Das ist sehr schade, denn mit mehr Biss, mehr Feingefühl und mehr Situationsdramatik von Seiten der Autoren, hätte Seydoux sicherlich mit ihrer Landsfrau Eva Green gleichziehen können. Für Andrew Scott bleibt am Ende nur eine Dreiviertel-Nebenrolle übrig und degradiert ihn zu einem irren Sparkassen-Moriarty. Rory Kinnear, Alessandro Cremona und Stephanie Sigman verkommen fast vollständig zu Statisten, was besonders im Falle der aparten Mexikanerin wirklich bedauerlich ist. Früher gönnte sich Bond selbst mit den Nebengespielinnen etwas mehr Zeit.
Auf dem Regiestuhl finden wir mit Sam Mendes einen alten Bekannten wieder. Rein inszenatorisch kann man dem Oscar-Preisträger wenig vorwerfen, außer vielleicht dass es seiner Regie bei diesem Film ein wenig an Nachdruck mangelt. Alle Szenen werden recht gleichförmig - ohne große Besonderheiten - aneinandergereiht. Auffällig ist das vor allem bei den Action-Sequenzen, die vielfältig vorhanden sind, aber sich alle mehr oder minder beliebig ausnehmen. Besonders drastisch fällt das bei der Autoverfolgungsjagd ins Auge, die – überspitzt formuliert – größtenteils wie eine gemütliche Abendspazierfahrt durch Rom wirkt. Insgesamt macht Mendes aber einen soliden Job. Als eigentlicher Knackpunkt für fast sämtliche Schwächen von Spectre erweist sich allerdings das fahrige Drehbuch von John Logan, Neal Purvis & Robert Wade und Jez Butterworth. Das Skript strotzt dermaßen von kopierten Ideen, direkten Zitaten und Einfällen vorheriger Filme, dass man fast von einer Revue-Nummer sprechen kann, die die Versatzstücke der drei Vorgänger ebenso zum Besten gibt, wie sie diverse Franchise-Klischees uninspiriert aufwärmt. Es fehlt aber vor allem an Struktur. Der Film gerät streckenweise so episodenhaft, dass irgendwann beinahe kein roter Faden mehr erkennbar ist. Vieles wird mal so nebenbei abgehandelt, was dazu führt, dass weder die Organisation Spectre als solche eine bedrohliche Aura entwickeln kann, noch die Brisanz um das Nine Eyes-Überwachungsprogramm eine wirkliche Gewichtung erhält. Dann gibt es noch die Rache eines schon lange vergessen geglaubten Stiefbruders. Man will irgendwie zuviel. Diese ganze Kuckucksthematik macht Oberhauser irgendwie klein, obwohl er groß sein könnte. Insgesamt funktioniert der Film bis zur Folterszene aber noch ganz gut. Dann allerdings wird Spectre richtig konfus, weil auch das angehängte Finale in London nichts mehr zu bieten hat: Abstruse Wendungen, hölzerne Dialoge, unmotivierte Abgänge. Das macht alles so einen wirren, improvisierten Eindruck. Die Idee mit der MI-6-Ruine als Panoptikum gefällt eigentlich, aber wirklich Kapital wird nicht daraus geschlagen. "You're a kite dancing in a hurricane, Mr. Bond.". Dieses Versprechen kann das Finale zu keinem Zeitpunkt einlösen. Bisher leider das schwächste Drehbuch der Craig-Ära.
Auch bei seinem zweiten Score kann mich Thomas Newman nicht überzeugen. Zwar passen seinen Melodien häufig zum Filmgeschehen, bleiben aber nicht in Erinnerung. Es fehlt irgendwie das gewisse Etwas, eine Klasse jenseits der schnöden Untermalung. Zumal manche Szenen – wie beispielsweise die Fahrt über den See – auch ohne Musik ausgekommen wären. Mit dem Titelsong von Sam Smith kann man ganz zufrieden sein. Kein Top-Lied, aber auch kein Kandidat für die hinteren Plätze. Die Titelsequenz von Daniel Kleinman ist in ihren Elementen durchaus gelungen und hübsch arrangiert. Wie einst bei Maurice Binder werden bei ihm nun aber auch ein paar Ermüdungserscheinungen sichtbar. Seine letzte, wirklich überragende Arbeit – Casino Royale – ist auch schon eine ganze Weile her. Das Production Design von Dennis Gassner fügt sich sehr harmonisch und stilsicher ein, ohne die ganz großen Akzente zu setzen. Hoyte van Hoytema`s Cinematographie ist über weite Strecken gelungen, wobei ich mir neben den blassen, mediterran-sepiahaften und den nüchternen, milchig-grauen Farbpaletten ein wenig mehr Abwechslung gewünscht hätte. In den Action-Momenten erreicht van Hoytema die Virtuosität seiner Vorgänger allerdings nur in Teilen.
Gesamtwirkung: Ein solider Franchise-Beitrag, der zwar sicherlich nicht den ganz großen Wurf darstellt, aber rundherum gute Unterhaltung zu bieten weiß. Während die Besetzung und der Stab das handwerkliche Niveau einigermaßen zu wahren wissen, reißt das unzulängliche Drehbuch den Film leider aufs Mittelmaß herunter. Dass der Film in Sachen Bedrohungsszenario und Spannung zum Ende hin immer mehr ins Trudeln gerät, verhindert zum Glück nicht, dass das Werk - trotz vorhandener (Story-)Brüche - als Quintessenz und Auflösung einer Ära weitgehend zufriedenstellend funktioniert.
Meine Wertung: 3,5 von 5 Punkten