DER FILM: Goldfinger

  • Gestern Abend stand der Klassiker mal wieder auf dem Programm. Ich möchte dazu eben erläutern wie es dazu kam: In letzter Zeit tue ich mich etwas schwer damit, mich jederzeit auf jeden Bond-Film einzulassen. Irgendwie braucht es dazu Anlässe, zum Beispiel der Besuch einer Freundin in Istanbul, oder Weihnachten - manche werden verstehen. Das mag daher kommen, dass ich die Filme in den letzten Jahren einfach sehr, sehr oft gesehen habe. Daher komme ich meist bei Filmen an, die mir am wenigsten geläufig sind, bzw. die ich am längsten nicht mehr gesehen habe. Gestern war das allerdings anders. Ich würde behaupten, dass auch bei mir Goldfinger einer der geläufigsten Bond-Filme ist. Schon in meiner Kindheit/Jugend strahlte der Film etwas besonderes aus.


    Ich verstehe jedoch ziemlich genau, was die Kritiker des Werkes hier ab und an bemängeln. Mangelnde Exotik, Bonds Passivität, schwache Damen die schon allein von den Rollen her sehr wenig hergeben... Bis auf den letzten Punkt kann man diese Dinge aber auch sehr gern mögen. Ich mag die Locations - gerade da sie zur Abwechslung nicht so knallbunt sind - sehr gerne. Das kann auch damit zusammenhängen, dass mich die USA der 50er und 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts schon seit meiner Jugend ziemlich faszinieren. Und irgendwie fängt GF das ein. Bonds Passivität finde ich auch eher lässig als lästig. Es geht von ihm in den allermeisten Szenen eine unheimliche Gelassenheit aus, die Dinge zum Schluss schon noch regeln zu können. Über die weiteren bekannten Stärken des Films muss ich mich wohl nicht weiter äußern, das wurde hier schon hinreichend getan (Stichworte: Ikonen und Blaupause für die Gesamte Serie). Jedoch ist mir Fröbes Leistung schon noch ein paar Worte wert: Ich finde er trägt den Film echt fast schon allein. Und vor allem nicht durch eine larger-than-life Darstellung sondern durch einen Facettenreichtum den einfach kaum ein Bösewicht so wieder hinbekommen hat. Mal leicht prollig und überheblich bzw. nicht gerade elegant (gerade wenn er besonders selbstsicher ist), mal übergeschnappt (Vorstellung seines Plans), mal hemdsärmelig (am Ende von Fort Knox). Und dann gibt es auch wieder diese Momente in denen er zumindest auf mich leicht verschüchtert bzw. überrascht von seiner eigenen Macht wirkt. Oder ist es sein Versuch Understatement zu demonstrieren? Auf alle Fälle hat mich gerade dieser Mix gestern sehr fasziniert!
    Um zum Schluss jedoch auch noch einen negativen Punkt anzuschneiden: Nach wie vor völlig unnötig und ärgerlich jedoch trotzdem unheimlich unterhaltsam ist die Verschrottung des DB5. Irgendwie wirkt Bond in der gesamten Szene ab dem Beginn im Wald seltsam abwesend, bzw. fahrlässig. Wie schon erwähnt, die Szene hat hohen Unterhaltungswert und ich sehe sie eigentlich ganz gerne, aber das Gefühl von 'das muss jetzt einfach so sein, weil es das Drehbuch vorschreibt' hält sich bei mir hartnäckig.


    In den vorangegangenen Beiträgen war ja öfter mal die Rede, ob es nun Schwache Teile sind, die im Film trotzdem zu etwas Besonderem werden, oder ob es sehr starke Elemente sind, die über den Film als Ganzes strahlen. Ich würde beides miteinander verknüpfen: Nach meiner gestrigen Sichtung bin ich der Ansicht, dass es sehr viele ganz besondere Elemente sind, die sich im Gesamten zu einem ganz außergewöhnlichen Film verbinden, der in meiner Rangliste sehr weit oben rangiert.

  • Schöne Schilderung Deiner Eindrücke, Ahab!


    Das hier würde mich mal genauer interessieren:


    Und dann gibt es auch wieder diese Momente in denen er zumindest auf mich leicht verschüchtert bzw. überrascht von seiner eigenen Macht wirkt.


    An welche Szenen denkst Du da zum Beispiel?

  • Der Eindruck entstand bei mir vor allem in der Szene als er Bond in seinem Golfclub verabschiedet und den Scheck ausstellt. Bond hat ihn über alle Maße geärgert und wenn man Goldfingers Macht und Einfluss bedenkt und wie er bisher über Leichen gegangen ist, so wirkt er auf mich so als würde er sich nicht so ganz trauen diese Macht auch hier voll auszuspielen. Er scheint fast verunsichert wie er mit der Situation umgehen soll. Während ich bei Drax (und der ähnlichen Situation nach der Szene mit dem Scharfschützen auf dem Baum) den Eindruck habe Bond darf durch die Überheblichkeit des Gegenübers noch ein wenig weiterspielen, so wirkt Goldfinger nach dem Golfmatch recht unberechenbar und unsicher.
    Wie gesagt, das sind persönliche Eindrücke, die sich vielleicht auch nur mir aufdrängen.

  • Interessant! Das ist eine meiner Lieblingsszenen und als du von "verschüchtert" gesprochen hast, wusste ich, dass du diesen Ausdruck von Fröbe meinst, obwohl ich das eher in die Kategorie Understatement einordnen würde. Beide Interpretationen gefallen mir aber außerordentlich gut.

  • Mister Auric GF verfügt über bemerkenswerte Selbstüberschätzung und ist von seinen wahrlich wahnsinnigen Ideologien überzeugt, drum werte ich es als Understatement. Ich finde Ahabs Ansatz aber auch außerordentlich interessant, denn durchaus wahr dürfte es sein, dass er immer eindeutiger feststellen musste (fast Schritt für Schritt stärker bemerkte), dass es eher unvorteilhaft ist Bond zu unterschätzen.

  • Connery und Fröbe harmonieren einfach einmalig miteinander, da wird JEDE Szene zum Fest. Herrlich finde ich auch immer einen Moment, der sich im Drehbuch wie ein Nichts gelesen haben muss, nämlich die gegenseitige Begrüßung, nachdem Bond und Goldfinger einander im Golfclub vorgestellt wurden. Beide sagen einfach nur "Guten Tag", aber Gldfinger misstrauisch, tastend, in der Tat ein wenig schüchtern, Bond hingegen mit distanzierter Lässigkeit, hinter der freilich absolute Konzentration auf den Gegner steht. Dennoch überbetont keiner von beiden, es geschieht absolut beiläufig, gleichzeitig absolut auf den Punkt, und alles, was zwischen beiden folgt, lässt sich aus diesen wenigen Worten und Sekunden herleiten. Meisterhaft - anders kann ich das nicht nennen!

  • "Was wohl derBesitzer dieses Clubs dazu sagen wird?"
    "Gar nichts, Mr. Bond. Der Club gehört mir."


    Absolut grandios, da merke ich nichts von Unsicherheit. Fröbe ist sich seiner Macht gerade da durchaus bewusst und lässt es Bond spüren.



    Sah mir in den letzten drei Wochen wieder die ersten vier Bondfilme ran und GF bleibt für mich das Maß aller Dinge (außer einem Film, Langzeituser wissen was ich meine).
    Die Spielfreude von Connery und Fröbe ist grandios. Das einzige was man besser hätte machen können: Die Szenen als die Leute um Fort Knox eingeschläfert werden (oder schauspielern die nur?): Sie fallen halt zu schnell um :D

  • Oh, Mr. Bond ...


    Vom realistischen Standpunkt hast Du natürlich recht (selbst wenn alle Sodaten etc. schlechte Schauspieler wären), aber den Realismus hat GF zu dieser Zeit, da eine lesbische Kampffliegerinnenstaffel über Fort Knox braust, doch längst verlassen. Das ist großes Ballett zu den Klängen von Maestro Barry, nicht mehr (wie könnte das steigerungsfähig sein?) und nicht weniger.

  • Bzgl. Goldfingers Selbstsicherheit bin ich ganz bei Mister Bond. Er ist sich nicht nur jederzeit seiner Macht bewusst, er hält sich für das größte Genie unter Gottes Himmel.

  • Ich will ja gar nicht bestreiten, dass Goldfinger in diesem Film später der völlige Größenwahn packt. Aber gerade bei den Szenen um den Golfclub sehe ich das wie Feirefiz: Auch die Begrüßung der beiden (eine Szene die mich bisher nie so gepackt hat wie gestern) lässt noch ein unsicheres Tasten vermuten - freilich nur wenn man das auch so sehen will. Natürlich sagt er bevor er in den Wagen steigt noch, dass der Club ihm gehört. Ein legendärer Satz. Aber drumherum passiert für mich wesentlich mehr als nur 'Größenwahn nach Vorschrift'. Anders als andere Bösewichte zeichnet Fröbe seinen Charakter viel facettenreicher, seine Durchgeknalltheit verläuft einfach nicht so geradlinig. Wie gesagt, das mit der Verunsicherung bzw. Schüchternheit ist vielleicht etwas gewagt, es kann auch Understatement sein, ich meine in verschiedenen Szenen beides davon zu erkennen.
    Wie auch immer, Fröbe ist nicht ganz zu unrecht so ein großer Stern im Bond-Universum.

  • Vollste Zustimmung, Ahab!
    Auric Goldfinger bringt so viel mehr mit als andere Schurken, die oft dem flachen Abziehbild des Bösen gleichen.


    Beim letzten Mal unseres traditionellen Spiels "Heilige Kuh", das nach Erscheinen eines neuen Bondfilms erscheint, musste Auric erstmals die Pole Position abgeben (es gwann Vesper Lynd vor Fiona Volpe).
    Da bin ich mal gespannt, wie es nach Bond24 ausschaut.


    Eine meiner Lieblingsszenen mit Goldfinger und Bond ist die Unterredung auf der Farm in Kentucky, kurz nach der Ermordung der Gangster.


    "Ist die Mischung scharf genug?"
    "Weiter, Mr. Bond, weiter!"
    "Ihre Ausführungen haben mir viel Freude gemacht, Goldfinger!" - "Mir auch!"


    Köstlich! :kneel:

  • Aber deshalb hätte man es in diesem filmischen Kontext eben nicht besser machen können! Im Zusammenspiel mit den Barry-Fanfaren ist das absolut perfekt!


    Doch, hätte man. Das ist schwach inszeniert und konzipiert. Gerade in diesem Teil des Filmes hat GF große Schwächen. GF versemmelt überhaupt leichtfertig so manchen Matchball.

  • Doch, hätte man. Das ist schwach inszeniert und konzipiert. Gerade in diesem Teil des Filmes hat GF große Schwächen. GF versemmelt überhaupt leichtfertig so manchen Matchball.


    Das stimmt schon: Zwischen dem Ankommen in den USA und dem Showdown im Innern von Fort Knox bietet GF ausser ein paar coolen Sprüchen und einer Lesbenheilung extrem wenig. Ein passiver Bond, der auf bessere Zeiten wartet und ein Goldrfinger, der nur wirres Zeugs macht und so seinen Grand Slam-Plan völlig unnötig selber bodigt.

  • Das sehe ich dann wieder vollkommen anders. Weder ist Bond wirklich passiv noch passiert da wenig. Da sind jede Menge starker Ideen, auch wenn nicht alles logisch ist. Aber fehlende Logik stört mich bei nur ganz wenigen Bonds solange es in sich stimmig ist.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!