DER FILM: GoldenEye

  • Eigentlich kann ich mich Spree nur anschließen, da mich genau dieses Künstliche und Sterile von Anfang an immer an GE gestört hat.
    Und dennoch muss ich zugeben, dass der Film - ähnlich wie ein guter Wein - immer mehr gewinnt.
    Er wird es nie ganz nach oben schaffen bei mir und die Schritte, die er macht, sind zugegebenermaßen nicht mit Siebenmeilenstiefeln gemacht, aber er wird besser.
    Und somit hat sich auch dieses Künstliche und Sterile ebenfalls abgemildert. Klar, er wirkt teilweise hölzern, da man GE diese Verwantwortung, die Reihe in eine neue Zeit zu retten, förmlich anmerkt. Aber dennoch kommt ihm gerade diese Bedeutungsschwere auch wieder zugute, da er ein Meilenstein des Bonduniversums darstellt: Über die neuen Thematiken (Emanzipation, Ost-West-Szenario etc.) wurde schon viel gesprochen.


    Für mich jedenfalls ist GE inzwischen der mit Abstand beste Brosnan-Bond, auch wenn Pierce selber noch sehr bemüht wirkt.
    Dafür ist Pierce in GE noch nicht so glattgebügelt wie v.a. in seinen beiden folgenden Filmen, in denen er nicht zu Unrecht oft als Kleiderständer bezeichnet wird.
    Bond schwitzt, die Frisur sitzt nicht immer. Ja, er muss sich sogar den Schweiß von der Stirn wischen. Gerade dies hat Brosnans Bond in den kommenden Filmen kaum mehr nötig.


    Mir macht GE Spaß und bis auf den üblen Dialog mit Natalya am Strand und die zu lange Severnaja-Szene finde ich ihn sogar äußerst kurzweilig.
    Und die als künstlich genannten One-Liner finde ich teilweise sogar sehr gut gelungen.

  • Der Film GoldenEye wurde hier sehr engagiert debattiert. Obwohl es für die Allgemeinheit mit die unwichtigste GE-Frage überhaupt sein dürfte, kann ich sie mir als ein am 26.03.96 geborener Mensch nicht ersparen:


    "Kam der Film zufällig am 26.03.96 erstmals auf VHS raus?"
    Ich meine davon mal irgendwo etwas gelesen zu haben. Ich glaube sogar, er ist nur nicht sicher, dass mein Vater am Tag meiner Geburt in einem Kaufhaus die deutsche VHS des Films erworben hat. As I said: Für die Allgemeinheit eine unspannende Frage, welche mich jedoch dennoch interessiert :) , danke.

  • Klar, es gab sicher Elemente in GE, die bereits in Michael Frances Entwurf (noch zu Daltons Bond-Zeiten) enthalten waren. Aber das Drehbuch ist auf jeden Fall komplett auf die Einführung eines neuen Darstellers zugeschnitten.


    Am Anfang war "GoldenEye" noch zu 100 % Prozent auf Timothy Dalton zugeschnitten. Michael Frances First Draft datiert vom Januar 1994 und enthällt keine Szene, die auf die Einführung eines neuen Darstellers abzielt. Im Gegenteil: M war noch männlich (Robert Brown?) und General Pushkin (John Rhys-Davies) kehrt zurück. Zudem erinnert die ganze Anlage der Bond-Figur sehr stark an Daltons Interpretation (kontrollierter Zorn, harte Gangart, starke emotionale Bindung zum Girl) und auch das Szenario war - trotz des Over-the-Top-Satelliten und massig Action - realistischer und düsterer angelegt als im fertigen Film. Im Grunde genommen eine Fortsetzung des "Licence To Kill"-Stils.


    Nach France haben noch vier weitere Autoren das Drehbuch mehrfach umgeschrieben: Simon L. Aturif, Kevin Wade, Bruce Feirstein und Jeffrey Caine. Aturif und Caine waren die ersten Überarbeiter, dann kamen Wade und Feirstein hinzu und am Schluss hat Caine dann dem Script den letzten Schliff gegeben. Die Ideen von Aturif und Wade wurden weitestgehend wieder herausgenommen, weshalb Feirstein und Caine am Ende allein den Drehbuch-Kredit bekamen. In Anbetracht der Tatsache, dass auch das Final Draft noch sehr viele Übereinstimmungen mit Frances First Draft aufweist, ist es eigentlich etwas unfair, dass man ihm offiziell nur die Story zugestanden hat.


    Man muss hier bedenken: Die Anläufe von 1991 und 1994 waren für das dasselbe Filmprojekt BOND XVII. Und jeweils war der Film als Daltons dritter Streifen angedacht. Von 1990/91 bis 1993 arbeitete man an einer anderen Story, die wohl so etwas wie Daltons "Die Another Day" geworden wäre. Angeblich involvierte Autoren: Michael G. Wilson, Alfonse Ruggiero ("Miami Vice"), William Osbourne, William Davies ("Twins-Zwillinge"), Gloria Katz & Willard Huyck ("Indiana Jones und der Tempel des Todes") und John Byrum ("Der Fluch der Sphinx"). 1993 war man mit der Drehvorlage immer noch nicht zufrieden, ließ das Projekt ganz fallen und Michael France sollte dann eine völlig neue Geschichte schreiben. Daraus wurde dann "GoldenEye" - weiterhin für Timothy Dalton geplant. Erst als dieser im April 1994 seinen Rücktritt bekannt gab, schrieben die mittlerweile neu involvierten Autoren das Script auf einen neuen Darsteller um.

  • DANKE!
    Sehr detailreich und auch absolut nachvollziehbar (Timmy bleibt, kriegt sein Drehbuch beziehungsweise würde es bekommen, Timmy geht, das Drehbuch wird "umformuliert").
    Tatsächlich sind in GE noch "Dalton-Rückstände" erkennbar. Schade eigentlich, dass GE dennoch nicht meinen Geschmack trifft, aber der Film hat ja durchaus Fans.

  • Natürlich keine Top-Leistungen im Sinne eines Pacino oder De Niro, aber gemessen an vielen anderen Bondfilmen finde ich schon dass GE mit das am besten aufgelegte Ensemble vorzuweisen hat. Brosnan ist wie ich im anderen Forum schon angedeutet habe hier meiner Meinung nach noch am besten, da er weitgehend auf seine späteren Holzhammer-Sprüche und die aalglatte Gelacktheit verzichten darf und sein Bond noch mehr in Richtung des Dalton-007 angelegt ist. Scorupco und Bean finde ich klasse, ich würde ihre Darstellungen nicht als blass, sondern als dezent aber wirkungsvoll bezeichnen, was die Hintergründe der Figuren angeht zählen ausserdem beide für mich zu den besten im Bondgirl- bzw. Villain-Sektor. Cummings und Janssen überzeichnen ihre Rollen sicher ein bisschen, aber als unpassend oder nervig habe ich das nie empfunden - ich mag nämlich auch ihre Darstellungen und Figuren. John ist für mich eines der vielen Highlights des Films, er spielt vordergründig den eiskalten und berechnenden Offizier, lässt aber an den passenden Stellen mehr und mehr den Wahnsinn und Kontrollverlust durchblitzen. Und Karyo ist für mich alles andere als verschenkt, im Gegenteil, sein würdevoller, gerechter und objektiv beurteilender Minister ist doch eine der spannendsten Mini-Rollen der gesamten Bond-Reihe.

    Abgesehen von vielleicht drei oder vier Bond-Filmen, die noch mehr zu bieten haben, erwarte ich von allen anderen lediglich eine Entführung in Exotik, Luxus, etwas Spannung und Humor. Goldeneye liefert an letztgenannten Werten nicht viel und wenn, dann düster eingefärbt.
    Damit erfüllt er meine Erwartungen an einen Bond nicht zureichend. Und das, was er bringt, bekomme ich in anderen Genres besser und fundierter.
    Diese trübe Stimmung - versinnbildlicht durch die Szene auf dem "Monumenten-Friedhof oder Serras Musik - verhält sich konträr zu der (bis dahin) üblichen Farbigkeit der Filme. Und da GE auf der anderen Seite nicht die Romantik eines OHMSS, oder die psychologische Evaluation der Figur Bonds (z. B. TMWTGG, CR06 oder SF) enthält, wird er nie in meine Top 5 kommen.

  • Tja, für mich gehört GoldenEye ohne Zweifel zu den Bond-Filmen die mir mehr bieten als nur Exotik, Luxus und Humor. Diese düstere, trübe Kälte, die sich wie du richtig sagst besonders in den Locations, der Bildgestaltung und Serras Musik manifestiert, verhält sich tatsächlich eher konträr, aber imo im positiven Sinne. Es bringt Abwechslung in die Serie und ist ein eigener Stil, der perfekt zur Handlung passt. Ausserdem sind die glamourösen Elemente in den Monaco- und Kuba-Szenen ja durchaus noch vorhanden. Für mich ist GE inszenatorisch einer der stimmigsten und besten Bond-Filme, und auch inhaltlich mit der spannendste. Eine klare 9/10.

  • Also, in TMWGG eine psychologische Entwicklung der Bondfigur vergleichbar mit CR 06 zu sehen, habe ich ja noch nie gehört. Sehr exklusiv und erzwingt geradezu eine Rechtfertigung...;)

    "Darf ich mal meine Freundin hierhersetzen? Sie belästigt sie nicht, sie ist nämlich tot."

    Einmal editiert, zuletzt von chrimarx ()

  • Bisher habe ich meine Kritiken zu den Bondfilmen immer nur gepostet, wenn ich gerade mal wieder einen gesehen habe. Bei GE möchte ich das jetzt auch gerne davon losgelöst tun.
    Anlass ist im Grunde, dass ich durch die neuen Beiträge im PB-Thread und dem Thread zur Frage der Prägung durch den ersten Bonddarsteller/-film mein Verhältnis zu PB überdacht habe, aber dazu im entsprechenden Thread mehr.



    Bei GE gebe ich so offen wie bei keinem anderen Bond zu, dass ich bei seiner Bewertung gar nicht objektiv sein kann. Zu geprägt bin ich von ihm als meinen ersten Kinobond, den ich mir, für diesen Filmgenuss eigentlich noch zu jung, gemeinsam mit meinem Vater angesehen habe, nachdem wir eigentlich alle vorherigen Bondfilme im Laufe der Jahre gemeinsam im TV gesehen haben. Spätestens beim Bungeesprung (also nach ca. 1 Minute) war ich damals hin und weg und blieb es eigentlich bis zum Ende. Außerdem, und diese Tragweite wurde mir erst Jahre später bewusst, kommt ihm wohl das Verdienst zu gute, durch seinen Erfolg ein wankelndes Franchise gerettet zu haben. "Unser" Franchise. Und dafür bin ich dankbar, um etwas auf die Pathosdrüse zu drücken.


    Dieser Film hat also einen ganz speziellen Glanz für mich, aber auch abgesehen davon wäre der Film wohl ziemlich weit oben in meinem Ranking. Ich lehne mich jetzt mal weit aus dem Fenster dieses Forums und sage, dass aus meiner Sicht nicht viel zu einem perfekten klassischen Bondfilm fehlt. PB ist ein richtig guter Bond. Diese lässig-cool-snobistische Art, mit der er seinen Bond interpretiert, passt sehr gut zu seinem Image und der Figur. Dass seine Filme nicht die allerhöchste Wertschätzung genießen, liegt meiner Meinung nach mit am wenigsten an ihm. Sean Beans Schurke gefällt mir mit am besten in der Serie: Seine wieder mal persönliche Verbindung zu 007 wirkt hier in keinster Weise gezwungen, wie es sonst leider allzu oft ist. Außerdem ist er derjenige Villain, der Bond am ebenbürtigsten ist und ihn im Finale in die größte Bedrängnis bringt. Gleichzeitig bringt er mit seiner versteckten Basis, seinen Untergebenen und seinem Wahnsinn auch die klassischen Elemente eines over-the-top-Schurken mit.
    Die Story hat einen angemessenen Komplexitätsgrad und auch die zweite Garde an Schauspielern überzeugt. Judy Dench als neue M ist natürlich ein Gewinn für die Serie, die neue Moneypenny kommt nicht an Lois Maxwell heran, ist aber immerhin besser als Caroline Bliss, zudem hat Q einer seiner besten Auftritte. Boris empfand ich noch nie nervig, er schwankt eher zwischen comic relief und einem im Grunde bemitleidenswerten Würstchen, der gerne mit den Großen p***** würde und im Grunde nicht wahrhaben kann/will, dass er nur ein kleines Rädchen im Getriebe ist. Ähnlich wie Johns Ourumov, der sich auch einbildet, die Fäden in der Hand zu haben, bis er mit zunehmender Dauer und Kontrollverlust Nerven und Gesicht verliert. Eine gute Leistung von John, die nach meinem Geschmack zu oft runtergespielt wird und die zu wenig Zeit im Film bekam.


    Dinge wie Soundtrack, Farbgebung oder die Qualität der Special Effects fallen mir entweder negativ oder gar nicht auf. Da bei mir und GE letzteres der Fall ist, gibt es nichts zu meckern. Und zum Thema Dialoge: Von einem Bondfilm erwarte ich im Grunde genommen keine ausgefeilten Dialoge. Schön, wenn sie da sind, es muss aber auch nicht sein. Von daher stört mich jetzt auch die Strandszene nicht mehr als jedes andere Gesprächs Bonds mit XY über seinen Beruf und die Folgen. Das ist eher ein Thema, das ich grundsätzlich nicht für nötig halte, aber das ist ein anderes Feld.


    GE hat vielleicht keine WOW-Higlights der Franchisegeschichte, aber der Film ist meiner Meinung nach sehr ausgewogen und hat zumindest bei mir einen schwer zu beschreibenden "Flow", der sich bei mir nur bei ganz wenigen Bonds einsetzt. Im Grunde genommen hat er für mich nur zwei Minuspunkte: Es wäre schön gewesen, wenn der BMW im Film eine andere Funktion gehabt hätte als Product Placement Millionen einzufahren und von Bond eingetauscht zu werden. Und die Figur der Xenia ist schon schlecht geschrieben und von Famke Janssen dann noch mit solchem Overacting übertrieben, dass sie für mich die peinlichste Figur mit größtem Fremdschämfaktor der Franchisegeschichte ist.


    Insgesamt 4,5 von 5 explodierenden Kugelschreibern.

  • Ich freue mich über die positive Bewretung des Films. :thumbup:
    Für mich der mit Abstand beste Bondfilm von Pierce.
    Er kam bei mir ganz weit hinten in der Bestenliste (ich war Mitte der 90er furchtbar enttäuscht), hat es aber inzwischen geschafft, von jedem Darsteller außer Dalton und Lazenby (deren Amtszeiten zu kurz waren) Filme hinter sich zu lassen.


    die neue Moneypenny kommt nicht an Lois Maxwell heran, ist aber immerhin besser als Caroline Bliss


    Samantha Bonds Moneypenny ist für mich mit die schlimmste Figur des Franchises. Da streitet sie sich mit Jinx um den Titel.
    Don-Corleone hat mal geschrieben, dass eine Moneypenny alles sein darf, nur nicht unsympathisch. Dem schließe ich mich an. Und dies ist Moneypenny v.a. in den ersten 3 Brosnan-Filmen.

  • Ja, mit Miss Zicki hat man Moneypenny's liebe Tradition im letzten Jahrzehnt des letzten Jahrtausends wirklich nicht gerade angenehm weitergeführt - auch wenn Caroline Bliss schauspielerisch schwächer wirkt (und von der NSNA-Moneypenny zu wenig zu sehen ist um klare Rollenbeurteilungen herbeizuführen). Meine gegenwärtige Liste:


    1. Miss Harris
    2. Miss Maxwell (eher in der Connery-Ära, aber auch anschließend)
    3. Caroline Bliss, Samantha Bond und Pamela Salem

  • Das passt vielleicht am ehesten hier rein:


    Als Begründung für die lange Pause zwischen LTK und GE lese ich immer wieder was von "Rechtsstreitigkeiten", aber nirgendwo, worum es da genau ging.
    Weiß da hier jemand mehr darüber?

  • .

    Als Begründung für die lange Pause zwischen LTK und GE lese ich immer wieder was von "Rechtsstreitigkeiten", aber nirgendwo, worum es da genau ging.



    Auszug aus einem verfassten Beitrag vom 24. Februar 2009


    ... Ausschlaggebend für die Ablösung Timothy Daltons bei "GoldenEye" war John Calley, der 1993 das Amt des Präsidenten bei United Artists übernommen hatte und dafür sorgte, dass zahlreiche auf Eis gelegte Filmprojekte im damaligen MGM-Tochterunternehmen wieder ans Laufen kamen. Dazu gehörten "Rob Roy", "The birdcage" als auch "Bond 17". Dieser war bekanntlich 1990 noch in Cannes beworben worden, bevor der damalige Mehrheitseigner Kirk Kerkorian das Unternehmen MGM/UA an Giancarlo Parretti und dessen Firma Pathé verkaufte. Diese finanzielle Transaktion glaubte Paretti mit Vorfinanzierungen gewährleisten zu können, die unter anderem darin bestanden große Teile der United Artists-Filmbibliothek zu verbilligteren Konditionen Sendeanstalten weltweit zu offerieren. Da dies auch die Bond-Serie betraf und verständlicher Weise kein Einverständnis von Seiten EONs vorlag, legte Bond-Produzent Albert R. Broccoli die anlaufenden Vorbereitungen hinsichtlich "Bond 17" mit Timothy Dalton in der Hauptrolle vollständig auf Eis und klagte umgehend gegen Paretti. Damit war ein Start des nächsten offiziellen Bondfilms für den Sommer 1991 hinfällig geworden und bis auf weiteres in unbekannte Ferne verschoben ...





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    Späteres Update in den Medien zum finanziellen Untergang von Giancarlo Paretti


    Quelle: http://www.zeit.de/1991/29/pech-fuer-den-gluecksritter




    Giancarlo Parretti muß MGM aufgeben: Pech für den Glücksritter


    12. Juli 1991, 8:00 Uhr von Friedhelm Gröteke



    Aus der Traum. Giancarlo Parretti, Sohn eines Weinhändlers aus Orvieto in Umbrien, Kellner, Schiffskoch, Hotelbesitzer, Zeitungsgründer, Finanzier, mehrfach verurteilt wegen betrügerischen Bankrotts, ungedeckter Schecks, Körperverletzung, zuletzt Großaktionär der weltberühmten Filmgesellschaft Metro Goldwyn Mayer/United Artists (MGM) in Hollywood, dieser erfolgsverwöhnte wie zwielichtige Unternehmer mußte nun eine herbe Niederlage einstecken. MGM, die er im Oktober 1990 für 1,3 Milliarden Dollar kaufte, hat Parretti in kürzester Zeit wieder verloren.


    Am 18. Juni komplimentierte die staatliche französische Großbank Credit Lyonnais, die dem Italiener 888 Millionen Dollar geliehen hat, Giancarlo Parretti und seine Frau Maria aus dem Verwaltungsrat der Traumfabrik. Schon vor acht Wochen hatte sie den Finanzmogul zum Verzicht auf die Präsidentschaft gezwungen und sich die Kapitalmehrheit verpfänden lassen – als Sicherheit für einen weiteren Großkredit von 145 Millionen Dollar. Insgesamt hat die Crédit Lyonnais über ihre holländische Banktochter Crédit Lyonnais Nederland damit nach Schätzungen eine Milliarde Dollar in das Filmabenteuer gesteckt.


    Als Parretti vergangenes Jahr dem Armenier Kirk Kerkorian die Metro Goldwyn Mayer abkaufte, mußte er sich dafür eine Milliarde Dollar leihen. Er fand Kreditgeber wie die mächtige amerikanische Mediengruppe Time-Warner und den italienischen Fernsehkönig Silvio Berlusconi. Die ließen sich für lange Jahre im voraus Rechte aus dem Filmstock der Metro Goldwyn Mayer übertragen, darunter Serien wie „James Bond“ oder „Der rosarote Panther“. Weitere Mittel erhielt Parretti von der Crédit Lyonnais. Die Bank hatte früher schon riskante Geschäfte Parrettis finanziert. Und sie war schon damals auch Großgläubigerin der Metro Goldwyn Mayer. Mit der Übernahme der MGM durch die Parretti-Holding Pathe Communications kamen die beiden Schuldenberge zusammen.


    Die Crédit Lyonnais, infolgedessen auf Gedeih und Verderb mit dem Schicksal der MGM und der Pathe Communications verbunden, hoffte zunächst auf die versprochenden Synergien aus dem Zusammenschluß. Denn Parretti wollte ein Fernsehimperium aufbauen und dort die MGM-Produktionen absetzen. Der italienische Unternehmer, der immer damit kokettierte, der sozialistischen Partei seines Landes nahezustehen, beantragte die Lizenz für einen flächendeckenden italienischen Fernsehsender namens TV 7, wollte den maroden Privatsender Odeon in Parma sanieren, beteiligte sich an dem Londoner Pay-TV Channel seines Landsmanns Marcucci und kündigte groß an, er werde nunmehr den Löwen der MGM in ganz Europa brüllen lassen. Doch statt dessen ging Odeon pleite, Marcucci warf den säumigen Schuldner hinaus. TV 7 kam bisher nicht auf die Beine, die Verluste der MGM/Pathe Communications stiegen, und die Crédit Lyonnais bangte immer mehr um die Rückzahlung der Kredite.


    In Paris versuchte Parretti im Sommer 1989, die Kapitalmehrheit der französischen Pathe Cinéma zu übernehmen. Zunächst hinderte ihn die Börsenaufsicht daran, weil ihr bei der Prüfung Zweifel an der Herkunft der von Parretti angegebenen Mittel kamen. Schließlich verbot der Wirtschaftsminister Pierre Bérégovoy den Deal wegen „drohender Gefahr für die öffentliche Ordnung“. Nach der Übernahme der MGM forderte der konservative Abgeordnete François d’Aubert eine parlamentarische Untersuchung über die Verbindungen zwischen Parretti, der auch in Frankreich aus seinen politischen Sympathien nie einen Hehl gemacht hatte, und der von der sozialistischen Regierung kontrollierten Credit Lyonnais.


    Ist die Bank etwa durch ihre holländischen Affären in die Beziehungen zu Parretti hineingeschlittert? Als die Crédit Lyonnais Anfang der achtziger Jahre die niederländische Slavenburg’s Bank NV übernahm, erbte sie damit auch ein massives Engagement im amerikanischen Filmgeschäft. Einige Manager dieser neuen holländischen Filiale wurden 1983 wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten verhaftet. Filmspezialist Frans Hafman, Leiter der International Division der Filiale Rotterdam und Verbindungsmann zwischen Hollywood und dem Bankgeschäft, zog sich durch außergerichtlichen Vergleich aus einer Betrugsaffäre, in der die US-Finanzaufsicht Security Exchange Commission (See) ermittelte. Es ging damals um die Filmtheaterkette Cannon Group, zu deren Management Hafman gehörte, ehe sie Parretti kaufte. Erst vor acht Wochen setzte die Crédit Lyonnais Frans Hafman vor die Tür.


    Inzwischen hat die Bank über ihre holländische Filiale zwei Milliarden Dollar im Hollywood-Filmgeschäft stecken. Sie finanzierte außer Parretti und der MGM Dutzende von kleinen und mittleren Filmunternehmen. Zwar gab es Erfolge wie „King Kong“ oder „Platoon“, aber weit mehr Pleiten. Nun will Crédit Lyonnais die Außenstände in der Traumstadt Hollywood un ein Drittel abbauen. Aber wie? Als sich die Bank vor acht Wochen alle Stammaktien der Metro Goldwyn Mayer/Pathe Communications zur Sicherheit übertragen ließ und Parretti vom Posten des Präsidenten verdrängte, sorgte sie dafür, daß der Filmproduzent Alan Ladd jr. Chef der Betriebsgesellschaft MGM wurde. Präsident der Holding Pathe Communications wurde Cesare De Michelis, ein Bruder des sozialistischen italienischen Außenministers Gianni De Michelis. Die ausgehöhlte Filmgesellschaft ist heute nicht viel mehr als Träger eines berühmten Namens sowie ein Filmvertrieb mit Rechten zum Kassieren für alte Streifen. Und selbst Inkassorechte für 640 Millionen Dollar sind in einem Factoringvertrag an die Crédit Lyonnais abgetreten.


    Der Präsident dieser drittgrößten staatlichen Geschäftsbank, Jean Yves Haberer, wollte alle Schuld für die riskanten Geschäfte auf die holländische Filiale schieben, doch hat ihn inzwischen der Finanzausschuß des französischen Parlaments persönlich zum Rapport vorgeladen.


    Der Präsident der holländischen Filiale, Jean Jaques Brutschi, mußte vor wenigen Tagen zurücktreten. Die Amsterdamer Börsenaufsicht hat Untersuchungen bei den zur Genfer Holding Sasea des Parretti-Geschäftsfreundes Florio Fiorini und damit vielleicht auch Parretti mitgehörenden Gesellschaften Chamotte Unie und Bobel sowie bei Melia International eingeleitet und die amtliche Notierung ausgesetzt, weil die Bilanzen nicht rechtzeitig vorgelegt wurden. Die freien Aktionäre der Crédit Lyonnais Nederland fordern Aufklärung darüber, wieweit die Bank auch bei den Sasea-Gesellschaften Kredithilfe gab. Crédit Lyonnais versucht nun, den verlustspeienden MGM-Löwen loszuwerden. Aber wie? Die Rede ist von einem Übernahmetrio, dem der italienische Fernsehkönig Silvio Berlusconi, ebenfalls Sozialist, die amerikanische Gruppe Orion Film und die japanische Film Trustees Shochieu Fuji angehören sollen. Nach dem Hinauswurf Parrettis aus dem Verwaltungsrat, dem eine Klage der Bank wegen „unerlaubten Eingreifens in die Geschäftsführung der MGM“ folgte, haben die letzten alten Geschäftsfreunde den Finanzjongleur verlassen. Cesare De Michelis trat vergangene Woche von seinem Job als Präsident zurück. Der Finanzier Florio Fiorini, der ein Jahrzehnt lang fast überall halbehalbe mit Parretti machte und nach dessen Aussagen „der Finanzkopf“ der beiden war, schlug sich in der entscheidenden Sitzung des Verwaltungsrates der MGM auf die Seite der Bank.


    Und Giancarlo Parretti? War er nun Strohmann der Crédit Lyonnais oder Hintersasse von Silvio Berlusconi oder gar Geldwäscher für die sizilianische Mafia, wie amerikanische Zeitungen mutmaßten? Brachte er umherirrendes Geld aus dem Zusammenbruch der Mailänder Großbank Banco Ambrosiano unter, wie italienische Quellen schreiben? Oder ist der Exkellner und neugeschlagene Malteserritter, der sich inzwischen in seine Villa auf Beverly Hills zurückgezogen hat, ganz einfach ein Glücksritter, wie sie manchmal ganz kurz nach oben gespült werden?



    ****


    .

  • Sicher ist GE einer der fünf wichtigsten Bond-Filme, und deshalb finde ich es auch schade, dass ich mich mit ihm so schwer tue.


    Bei der letzten Sichtung hat er mir allerdings recht gut gefallen, auch wenn die erste Hälfte recht zerfasert wirkt. Trotz eher mäßiger Tricks und z. T. arg offensichtlichen Modellen sieht der Film aber gut aus und ist immerhin der letzte Bond, dem es gelungen ist, Szenen im popkulturellen Gedächtnis zu verankern (Bungee, Panzerfahrt).


    Ansonsten: Boris ist schlimm, hat aber eigentlich ziemlich wenig Screentime und einen schönen Abgang. Xenia ist und bleibt eder Tiefpunkt des Films und funktioniert - wenn überhaupt - nur über ihre unfreiwillige Komik. Dieser Schritt über Ftima und May Day hinaus war eben der eine Schritt zu viel.


    Dass dieser Bond-Film, der wie kein anderer weltgeschichtlichen Wandel thematisiert, am Ende – ausgerechnet aus dem Mund eines CIA-Agenten – Guantanamo als passenden Ort für’s Happy End vorschlägt, macht ihn dann auch unbeabsichtigt zum historischen Dokument.


    Die Plumpheiten bei der Auseinandersetzung mit der Zeit und dem Franchise gerade im Dialog habe ich diesmal einigermaßen ausblenden können. Interessanter als die naheliegenden Verweise
    auf den Kalten Krieger (der der Film-Bond ja eigentlich nie war) und den Sexprotz finde ich eher die Stellen, die man als Auseinandersetzung mit den Dalton-Filmen sehen kann. Es ist bekannt: LTK war umstritten und kommerziell eine Enttäuschung, der zumindest in den USA nicht wirklich etablierte Hauptdarsteller warf in der Zwangspause der Reihe das Handtuch. Auch wenn GE zunächst für Dalton geschrieben wurde, kann ich ihn mir im Endprodukt kaum vorstellen, schon aufgrund der Kanonade mäßiger One-Liner, angefangen bei dem Spruch auf der Toilette. Und so deutet zunächst viel darauf hin, dass die Dalton-Jahre wenn nicht negiert, so doch zumindest ausgeblendet werden sollte. Die PTS spielt in der Zeit der Verpflichtung Daltons und schafft so für die Dalton-Kritiker eine Quasi-Kontinuität Brosnans ab Mitte der 80er, und wenn M Bond mit auf den Weg gibt, er solle die Dinge nicht persönlich nehmen - fast wie eine Absage an das "This time it's personal"-Konzept von LTK klingend -, wiederholt sie den Rat, den M Brown Bond bereits in LTK gab. Doch anders als Dalton kündigt Brosnan nicht, sondern gibt M entschieden recht und macht sich an seinen Auftrag. Das ist aber nur oberflächlich und letztlich irreführend. In Wahrheit ist der GE-Plot auch eine sehr persönliche Mission, in der Bond Privates von Anfang an auch über die Mission zu stellen bereit ist (Rettung Natalyas statt Liquidierung Alecs), bis hin zum Schlussdialog zwischen Bond und Alec. GE ist also nicht nur ein offensichtlicher Versuch, zum "klassischen" Bond zurückzukehren, auch die Dalton-Filme sollen in diesen Konsens-Bond überführt werden, ohne aber die ihnen innewohnende Sprengkraft zu entfalten: Statt aus persönlichen Gründen mit dem MI6 zu hadern (TLD) oder gar zeitweilig zu brechen (LTK), fallen persönliche und offizielle Mission in GE zusammen, und den erzählerischen Bogen spannt wie im unmittelbaren und so kontrovers aufgenommenen Vorgänger ausgerechnet eine Freundschaft Bonds.


    Ob das nun alles so furchtbar spannend und gelungen ist, steht auf einem anderen Blatt - ebenso, ob dem Darsteller Pierce Brosnan damit ein Gefallen getan wurde. Sicher ist jedoch eins: GE war ganz offensichtlich der richtige Film zu richtigen Zeit.

  • GoldenEye, no time for sweetness. Einer der Bondfilme, die die Fangemeinde enorm spalten, vor allem diesseits und jenseits des großen Teiches. Für manche der Liebling, sogar einer der besten Filme überhaupt, für andere ganz unten. Mein Verhältnis zum Film ist auch etwas zwiespältig, wobei ich ihn insgesamt positiver sehe als noch vor ein paar Jahren. Manche Dinge funktionieren aber nach wie vor nicht für mich.


    Ein Forenkollege meinte mal, dass mit den 90ern ein bisschen die "Saure-Gurken-Zeit" beginnt beim Marathon. In gewisser Weise ist da was dran. Interessant sind überhaupt die älteren Beiträge hier, wie von Feirefiz oder Kronsteen, denen ich größtenteils zustimmen kann. Bis auf Xenia vielleicht, die ich nicht so negativ sehe.


    Ich nehme mir jedesmal vor, nicht ganz so viel zu schreiben, zumal sich der Marathon nun auch schon seit mehr als einem Jahr hinzieht, aber dann wirds doch immer ne ganze Menge. Freue mich aber trotzdem über Klicker. :)

  • Wie immer: Vielen Dank für das Review :flower: Eigentlich könnte ich hier jetzt Dein ganzes Review reinkopieren und darunter schreiben "deckt sich zu annähernd 100% mit meiner Meinung" ;) . Ich lass das mal und beschränke mich auf ein paar kurze Auszüge:


    Zitat

    In dieser bondlosen Zeit wurde ich erst zum Fan.


    Ich auch. So ab Mitte/Ende 1993 muss das gewesen sein :prost:


    Zitat

    Bei keinem Film hatte ich wohl jemals wieder so viel Vorfreude wie bei GOLDENEYE. [...] Das Kinoerlebnis war dann etwas ernüchternd, was bei der Erwartungshaltung wohl fast unvermeidlich war. Der Film hinterlässt bei mir einen zwiespältigen Eindruck. [...] Insgesamt ist ab den 1990ern ein deutlicher Bruch zur Reihe von 1962 bis 1989 zu spüren.


    Auch das war bei mir gleich. Mein erster Kino-Bond. Im Vorfeld vieles gehört und gelesen und dann doch irgendwie ziemlich ernüchtert nach dem Kino-Besuch: Gute Ansätze. Aber zu oft zu gesucht, zu bekloppte, pseudo-psychologische Dialoge und vor allem: Zu viel unnötiges "massakrierendes" Geballere, einem Bond-Film nicht würdig :thumbdown:


    Zitat

    Man hat insgesamt ein bisschen das Gefühl, dass die Szenen mit ihr und Samantha Bond eher für die Kritiker als für die Normalzuschauer geschrieben wurden, um Vorwürfe, Bond sei nicht auf der Höhe der Zeit, von vornherein abschmettern zu können: "Seht her, M bezeichnet Bond als sexistischen Dinosaurier, Moneypenny wirft ihm sexuelle Belästigung vor, wir haben also unsere Hausaufgaben gemacht!"


    Lol - herrlich formuliert :thumbup:

  • Zitat

    Man hat insgesamt ein bisschen das Gefühl, dass die Szenen mit ihr und Samantha Bond eher für die Kritiker als für die Normalzuschauer geschrieben wurden, um Vorwürfe, Bond sei nicht auf der Höhe der Zeit, von vornherein abschmettern zu können: "Seht her, M bezeichnet Bond als sexistischen Dinosaurier, Moneypenny wirft ihm sexuelle Belästigung vor, wir haben also unsere Hausaufgaben gemacht!"


    Die irritierende Diskrepanz ist dabei, dass trotz all dem kein anderer Bond jemals so machohaft dargestellt wurde wie von Brosnan. Das macht die oberflächliche feministische und psychologisierende Kritik an 007 erst recht zur leeren Hülle.

  • "Die irritierende Diskrepanz ist dabei, dass trotz all dem kein anderer
    Bond jemals so machohaft dargestellt wurde wie von Brosnan."
    :D


    Das dachte ich auch immer, Brosnan ist für mich der sagen wir widersprüchlichste Bond: Weiche Gesichtszüge, "zarte" Eleganz, aber eine Sammlung von Sprüche-Dreistigkeiten, die ihresgleichen sucht ;--)

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